Gusseisen Gefügebilder Suche nach Antworten

Begonnen von Ina, Oktober 16, 2013, 10:15:00 VORMITTAG

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Ina

Guten Tag alle zusammen,
vielen Dank für die Mühen und Antworten. Als ich meinen Fund geschliffen und geätzt habe und die Strukturen gesehen habe, bin ich im Netz auf Wootz/Damaszener gestossen (ist aber weit hergeholt), deshalb bin ich bei eutektoidem Stahl/Gusseisen gelandet. Ich habe keine Ahnung ob solche Schlackefunde normale Endprodukt aus einer Verhüttung, oder eher aus einer Schmiede sind. Ich scheine hier nicht im Schlaraffen- sondern im Schlackeland zu wohnen. Hab scheinbar jetzt ein neues Hobby - Schlacke-. Ich habe noch einmal bessere Fotos, normal groß von dem Hauptteil meiner Eisenschlacke gemacht. Ich hoffe das diese Bilder (hab nochmal glatt geschliffen und gätzt) helfen eine Lösung zu finden. Ist es nicht so das Schlacke normalerweise kein Eisen (reduziert) enthält und auch nicht magnetisch ist? (Zumindest in der heutigen Zeit?)
Danke für jeden Hinweis.
Ina




Alfred Schaller

#31
Wie ich bei anderer Gelegenheit schon einmal anmerkte: Ferndiagnose ist nicht nur in der Medizin schwierig.
Nach den ersten Bildern tippe ich einfach auf Magnetit: Farbe und Aussehen stimmen überein, Dichte 5,1 g/cm³. Auch die dendritische Erstarrung passt.
Falls es sich um einen Eisenwerkstoff (z.B. Gusseisen) handelt, könnte ein Gefügebild Aufschluss geben (Hellfeld vom geschliffenen + polierten ungeätzten Schliff sowie vom geätzten Schliff).
Mit metallurgischen Grüßen
Alfred Schaller
- gern per Du  / Vorstellung -

Robert Weichsel

Hallo Ina
Zum Nickel in diesen metallischen Pröbchen
Nickel wurde ja zumindest qualitativ nachgewiesen,
würde es sich dabei um ein Gusseisen handeln besteht die Möglichkeit in der Richtung
von Ni-Hard-Guss oder Ni.Resist (min.20%Ni) ist sehr korrosionsbeständig!

Frage: rostet diese angeschliffene Fläche nach einem befeuchten mit Wasser ?


Gruss Robert

Ina

Guten Morgen,
bin von meinem Wochenend-Ausflug zurück. Ich habe die Probe öfter gewaschen, aber es entsteht kein Rost. Einige Eisenkugeln sind aber bereits (beim  Fund) herausgerostet. Die vom Rost angegriffenen Flächen sind auch schon in Formen(Lammellenförmig?). Sichtbar auf dem Foto von Klaus (erstes Bild): Hier auch sichtbar in der Mitte Rost. Es ist auch definitiv Eisen, nur auf Klaus seiner Probe (Foto) kann man das Eisen nicht erkennen. Vielleicht kommt ja noch ein Bild vom geätzten Stück.
Gruß
Ina

Klaus Herrmann

Guten Morgen Ina,

ich habe die beiden Stücke an Alfred weiter geschickt zur "Veredelung". Ihm steht ein professionelles Metallographielabor zur Verfügung und er ist zudem der richtige Fachmann auf dem Gebiet. Warten wir also gespannt auf seine Bilder.
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


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Ina

Hallo Ihr Lieben,
hallo lieber Alfred (unbekannter Weise) darf ich auf eine Antwort Hoffen? Wie macht man eigentlich ein Gefügebild (unters Mikroskop passt so ein Stück ja nicht, zumindestens nicht unter meines). Muss man dafür ein Dünnschliff anfertigen? Und was heisst jetzt wieder inhomogen (verschiedene Zutaten? Aber welche). Bin nicht in der Lage so ein Bild lesen zu können. Brauche selbst dafür eine Übersetzung.
Ich sitze hier und hoffe
Ina

Klaus Herrmann

Hallo Ina,

ZitatIch sitze hier und hoffe
vertreib dir die Zeit noch ein wenig mit Mikroskopieren.

Die Säge rattert seit heute, dann wird der Schleifautomat wimmern, danach der Polierautomat, dann wird geätzt und zum Schluss unterm Metallmikroskop untersucht. Es werden geeignete Bilder gemacht, diese beschriftet, ein erhellender Text geschrieben und dann ist wohl diese Woche rum und die Bilder werden mit dem Text hier erscheinen. So etwa kannst du dir den zeitlichen Ablauf vorstellen. Sollte es deutlich schneller gehen, dann hat Alfred es mit Priorität 1. versehen, was ich mir aber nicht vorstellen kann, weil die Metallographen im Labor nicht nur diesen extrem wichtigen Auftrag bearbeiten. ;)

Zu deinen Fragen: von metallischen Proben ist ein Dünnschliff nicht sinnvoll, weil undurchsichtig. Bei einem Metallmikroskop kann man den Tisch um einige cm absenken, damit auch dicke Proben drunter passen.
Homogen: Milch z. B. wird homogenisiert, damit die Sahne sich nicht oben absetzt - dann wäre sie nämlich inhomogen! :D
Kraut und Rüben sind so lange inhomogen, wie sie nicht pürriert werden und das Pürré gut durchgerührt ist.
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


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Bastian

Ina,
tja, der Klaus war schneller. Aber nun habe ich das schon geschrieben und will es nicht löschen...

ZitatBin nicht in der Lage so ein Bild lesen zu können
Das dürfte dem weitaus größten Teil der Menschheit auch so gehen, du bist also in hervorragender Gesellschaft (:
Wenn Du gerne etwas über Gefüge und Eisenwerkstoffe nachlesen willst, oder Dir einen Eindruck verschaffen willst, was es mit der Metallographie auf sich hat schau doch mal hier:
http://www.metallograf.de/

Man macht keinen Dünnschliff, sondern einen Anschliff. Wenn es kleine Stücke sind kriegt man sie noch unter das Mikroskop, ganz kleine werden z.B. in Epoxy- oder Metacrylate (oder...) eingebettet und zusammen mit dem Kunststoff plangeschliffen und poliert. Wenn sie zu groß sind kann man sie auf ein Umkehr- oder Inversmikroskop, oft auch Metall Mikroskop, legen, denn dort sind die Objektive unterhalb des Tisches angebracht.

Die Untersuchung des polierten Anschliffs, führt man wegen der Korrosionserscheinungen und der Einschlüsse (metallischer und nichtmetallischer Natur, wie z.B. Schlacke, Zunder) durch- Danach wird der Anschliff an der Oberfläche angeätzt, dadurch kann man das Gefüge erkennen und rückschließen, welche Prozesse zum vorliegenden Gefüge führten. Bei deinen Proben ist das ein Gefüge, das anzeigt dass es auch einer Schmelze erstarrt ist...
Inhomogen (=heterogen) ist das Gegenteil von homogen und bedeutet auf diesen Fall hier bezogen, dass die Probe aus unterschiedlichen Bestandteilen zusammengesetzt ist, die wir sogar optisch unterscheiden können.

Ich finde es sehr gut dass Herr Schaller die Proben ansehen wird. Da können wir uns auf einen fundierten Beitrag freuen.

Viele Grüße,
Bastian

Ina

Super!!
Danke für die Antworten. Klaus: gut erklärt inhomogen.
Bastian: ich hab schon alles!!! durchgelesen was zur Metallografie gehört, einschließlich Gefügebilder studiert. <<<<<<Bringt bloss nichts wenn man nicht weiß was die einzelnen Komponenten sind. Beschrieben sind sie ja. Aber ich als Laie hänge.
Gruß
Ina




PS.: Ich hab da noch was gefunden ;D. Ist aber eindeutig Stein (natur), mit Eisenflittern drin und so einem runden Ding drin, auch rostig. Muss ich dafür eine eigenes Thema eröffnen?

Klaus Herrmann

ZitatPS.: Ich hab da noch was gefunden . Ist aber eindeutig Stein (natur), mit Eisenflittern drin und so einem runden Ding drin, auch rostig. Muss ich dafür eine eigenes Thema eröffnen?

Bitte ja, sonst wird das zu inhomogen!  ;)

Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


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Alfred Schaller

Hallo Ina und alle Interessierten,
ich war jetzt einige Tage unterwegs und werde mir in den nächsten Tagen die Proben "vornehmen". Inzwischen wurde ja alles schon prima erklärt.
Ich melde mich in Kürze.
Viele Grüße
Alfred
- gern per Du  / Vorstellung -

Wutsdorff Peter

Hallo Ina,
ich vermute als Maschinenbauer: Schlacke mit Einschlüssen. Die Bilder von Klasus Herrmann sagen eigentlich alles.

Aber schon in der Schule habe ich im Chemieunterricht gelernt: Kippe nie Wasser in die Säure,
                                                                                             sonst geschieht das Ungeheure!!!

Bitte nur mit Brille und Handschuhen arbeiten!!!!!!!!!!

Gruß   Peter aus Lorsch

Alfred Schaller

#42
Liebe Ina, lieber Klaus, liebe Interessierte,
jetzt kann ich etwas mehr zu den Proben sagen. Die von Klaus geschliffenen Proben wurden mit 3 µm Diamantsuspension poliert und im ungeätzten und geätzten Zustand (Nital = 3%ige alkoholische HNO3) im Hellfeld aufgenommmen. Hier einige Bilder (alle unbearbeitet, nur verkleinert auf 1000 Pixel Breite):

Vergrößerung 100x, ungeätzt. Die dunklen Einschlüsse bezeichne ich als "Schlacke". Etwas größer:

V 500x, ungeätzt. Nach dem Ätzen ergeben sich weitere Strukturen:

V 100x

V 200x

V 500

V 500
Die lamellaren Strukturen sind offenbar Perlit, ein Gefüge im Stahl. Perlit besteht aus Ferrit (max. 0,02%C - helle Lamellen) und der chemischen (besser intermetallischen) Verbindung Fe3C = Zementit (dunkle Streifen im Hellfeld, enthält 6,67%C). Die hellen Bereiche sind offenbar ferritisch.
Stahl ist eine Eisen-Kohlenstoff-Legierung mit max 2%C. Im Gegensatz dazu enthält Gusseisen meist 2,8 bis 4%C. EinTeil des Kohlenstoffs liegt als freier Kohlenstoff in Form von Graphit (hexagonales Gitter) vor. (Leider entsteht hier nicht die tetraedrische Modifikation des Kohlenstoffgitters - offenbar wollte die Natur die Diamanten nicht zu billig machen!)
Die Proben enthalten keine Graphitausscheidungen (siehe: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=15316.15 )
Es handelt sich also nicht um Gusseisen, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit um Stahl mit Schlackeeinschlüssen.
Das wurde auch durch rasterelektronenmikroskopische Untersuchungen bestätigt. Dazu 2 Bilder:

V 1500x, SE-Kontrast

V 1500x, RE-Kontrast
Dort ruft der Primärelektronenstrahl im Werkstoff mehrere Reaktionen hervor, die mit gesonderten Detektoren erfasst werden können:
Se Sekundärelektronen - ergeben Topographie, ein Bild der Oberfläche.
RE Rückstreuelektronen - ergeben einen Materialkontrast, d.h. Aufschluss über chemische Zusammmensetzung
Die in den lichtmikroskopischen Bildern hellen und lamellaren Bereichen bestehen aus Eisen (der leichte Kohlenstoff wird nicht detektiert)
Die dunklen Bereiche zeigen hohe Phosphor- und Schwefelgehalte, das spricht für Schlacke.
Natürlich kann ich nicht "gerichtsfest" sagen, wie diese Proben entstanden sind. Ich könnte mir aber vorstellen, dass es sich um Spritzer einer Gusspfanne bei der Stahlherstellung oder ähnliches handelt.
Mit metallographischen Grüßen
Alfred Schaller
- gern per Du  / Vorstellung -

Klaus Herrmann

Lieber Alfred,

vielen Dank für die "Veredelung" der von mir begonnenen Bearbeitung. Das ist jetzt die Qualität, die ich mir gewünscht hätte.

Schön, wie durch die Ätzung das lamellare Gefüge sichtbar wird. Die REM-Aufnahmen sind natürlich noch eine Extraklasse!

Eine Frage zur rötlich-gelben Farbe? Ist das fehlender Weißabgleich, oder ist die Farbe real?
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


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treinisch

Hallo Alfred,

wow! Vielen Dank!
Nicht mein Gebiet, nicht mein Thread aber deine metallographische Analyse ist
sehr sehr interessant und lehrreich!

Viele Grüße

Timm
Gerne per Du!

Meine Vorstellung.