Parasiten bei Rädertieren

Begonnen von Michael Plewka, April 25, 2009, 10:02:43 VORMITTAG

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Michael Plewka

liebes Forum,
am Mittwoch fand ich in einem Seitenarm der Kemnader Sees in einer Planktonprobe die Rädertiere Polyarthra sowie  Synchaeta (wahrscheinlich S. pectinata), die von Parasiten befallen waren. Ich habe gestern nochmal eine Probe genommen und habe deutlch weniger Synchaeta sowie Parasiten gefunden. Dafür war ein Ciliat (Stokesia vernalis) aufgetaucht, der am Mittwoch noch nicht zu finden war. Da ändert sich also recht schnell was in dem Gewässer. Hier einige Bilder zu Synchaeta:

1. unbefallenes Exemplar:




2. befallenes Exemplar (man achte auf die zangenartigen Mundwerkzeuge von Synchaeta!) :




3. Exemplar mit einer weiteren Parasiten-Variante:




Bei den Parasiten handelt es sich wahrscheinlich um Bertramia. Sowohl WULFERT spricht in seinem Buch davon, als auch Martin KREUTZ, der diese in Polyarthra zeigt und Bertramia zu den Apicomplexa zählt.

Ich habe insgesamt 3 Formen der Parasiten gefunden:

4. "würstchenartige" sowie kreisrunde Gebilde:




5. Detail aus einer anderen Synchaeta:




6. sowie amöboide Formen, soll heißen: variabler Umriss, formveränderlich (Ausschnitt ais Bild 2):




Eigentlich interessierte mich zunächst mal lediglich, wie diese Stadien miteinander zusammenhängen. Quasi der Lebens- bzw.Vermehrungszyklus. Beim Googeln habe ich folgendes herausgefunden. Die meisten Informationen zu Bertramia sind nicht frei erhältlich, kosten also was (Springerlink). Einige Autoren fanden Bertramia asperospora im Rädertier  Brachionus.  Dies führte zu einem Link russischer Autoren, die die Geschichte des Namens von Bertramia beleuchten. BERTRAM selbst, der die Viecher beschrieben hat, gab ihnen keinen Namen. Mittlerweile gibt es die Namen: Glugea asperospora; Microsporidium asperospora (die Viecher werden dann zu den Microsporidien gerechnet )  Bertramia asperospora (Die Viecher werden zu den Apicomplexa gerechnet).
Jetzt bin ich so schlau als wie zuvor...
Sowohl Apicomplexa /Sporozoa und Microsporidien sind meines Wissens fast ausschließlich  Parasiten. Häufig gibt es da ja auch Zwischenwirte.Wie ist das bei Bertramia?
Für Hinweise bin ich sehr dankbar. Möglicherweise handelt es sich ja auch um mehrere Parasitengruppen (evtl. auch Pilze), quasi eine Immunschwäche bei den Rädertieren...
(Bilder (und weitere hierzu) auch hier: http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/source/Synchaeta%20pectinata.html)

schönes Wochenende wünscht  Michael Plewka

volkera

Hallo, Hr. Plewka,

überleben die Rädertiere diese Attacke? Und was genau machen die Parasiten? Zapfen sie die verschlungene Nahrung des Rädertierchens an? Oder dient der Körper als Raum zur Vermehrung?

Vielen Dank für die spannenden Bilder,

Volker Allwicher

Michael Plewka

hallo Herr Allwicher,
WULFERT schreibt, dass die Rädertiere daran eingehen. Das deckt sich mit meiner Beobachtung, dass die Synchaeta-Population innerhalb von 2 Tagen (s.o.) drastisch zurückging. Auf die weiteren Fragen wüsste ich auch gerne eine konkrete Antwort; allgemein kann man natürlich sagen, dass eine Vermehrung auch gleichzeitig eine Massenzunahme der Parasiten und damit auch Nahrungsaufnahme durch dieselben  bedeutet. Aus Bild 3 ist zu entnehmen, dass die "Fremdkörper" sich in der Leibeshöhle befinden, was die Frage aufwirft,  wie sie dorthin kommen, bzw. wie die Infektion erfolgt.  Ob sie also oral mit der Nahrung aufgenommen werden und dann den Magen-Darmtrakt verlassen, oder ob sie über die Epidermis in den Wirt gelangen. Schlussendlich können sich die Parasiten also nicht (nur) direkt vom Darminhalt ernähren.
beste Grüße Michael Plewka

Klaus Henkel

Hallo Rotatorienfreunde!

Rädertiere sind zellkonstant. Jedes Rädertier jedweder Gattung hat so ziemlich genau 950 Körperzellen. Und zwar von Geburt an. Sie kommen also "komplett" zur Welt, werden so lebend geboren, wie bei den Asplanchna oder schlüpfen so aus einem Ei. Jede Zelle hat ihre besondere Funktion, und wenn davon auch nur eine einzige zerstört wird, gerät der ganze Metabolismus in Unordnung, und das Rädertier stirbt. Attacken von Freßfeinden, die sie verletzen, also die eine Zelle oder mehrere zerstören, oder von Parasiten, die eine Zelle zerstören oder außer Funktion setzen, setzen einen Prozeß in Gang, an dessen Ende das Rädertier stirbt.
KH

Michael Plewka

#4
hallo Herr Henkel,
ZitatJedes Rädertier jedweder Gattung hat so ziemlich genau 950 Körperzellen.
Wie WESENBERG-LUND in KÜKENTHALs ,,Handbuch der Zoologie" schreibt,  haben Forscher wie NACHTWEY oder  MARTINI  zu Anfang des letzten Jahrhunderts für einige Arten (Epiphanes senta:  959 Kerne;  Asplanchna priodonta 900 Kerne)  die Zellkonstanz nachgewiesen. Dass  diese Überprüfung aber für alle Gattungen durchgeführt wurde, finde ich sehr interessant und ist neu für mich. Können Sie mir Literatur dazu nennen (außer dem  Text aus dem ,,Wassertropfen") ?

Dennoch kann ich Ihre Argumentation nicht ganz nachvollziehen:  meinen Sie, dass der Parasit die Zellen des Wirts frisst oder sonstwie außer Funktion setzt? Warum sollte er das tun?  Schließlich hat der Parasit  ,,ein Interesse" daran, den Wirt als  Lebens- und Vermehrungsort am Leben zu erhalten.
Eigentlich muss der Parasit den Wirt erst dann verlassen, wenn dieser stirbt. Möglich ist ,  dass Synchaeta dadurch stirbt, weil  sie ,,verhungert",  wenn der Parasit dem Wirt zuwenig  Nahrung für diesen selbst übrig lässt, oder aber weil der Platz, den die Parasiten einnehmen, zu groß geworden ist . Es kann aber auch  ganz einfach das Ende der  natürlichen Lebensspanne  erreicht  sein: (siehe ,,Wassertropfen: durchschnittliche Lebensdauer der Rädertiere: 1 Woche) . Wie lange dauert im Verhältnis dazu die Vermehrung und Wachstum des Parasiten Bertramia? Die Vermutung, dass  der Parasit  Zellen  direkt schädigt und damit den Stoffwechsel durcheinander bringt, ist m.E. nur eine von mehreren Möglichkeiten. Das scheint im übrigen zunächst auch gar nicht der Fall zu sein. Die Bilder 4 und 5 zeigen , dass  Synchaeta  auch in diesen Stadien des Befalls durchaus zur Nahrungsaufnahme und - ausscheidung (hier: Synura)  in der Lage ist.  Außerdem schwimmen die befallenen Exemplare genauso im Präparat wie die nicht befallenen. So lange, wie (uns) der Lebenszyklus des Parasiten  nicht bekannt ist, bleibt somit viel Raum für Spekulation.

beste Grüße Michael Plewka

Klaus Henkel

Hallo Herr Plewka!

Zu wenig hatte ich beachtet, daß Ihre Frage genau und ausschließlich Parasiten umfaßt. Das nahm ich nicht genau genug, deshalb deshalb entstand das Mißverständnis. Ich meinte Zellen, die von außen zerstört werden, zunächst einmal rein mechanisch, z. B. durch den Angriff von Freßfeinden.
Um die passende Nachweisliteratur müssen Sie sich leider selbst bemühen, da kann ich nicht mehr weiterhelfen. Das ist sowieso ein schwieriges Kapitel, weil die meisten Rädertierfreunde und auch Wissenschaftler selten an defekten Exemplaren interessiert sind, sondern alle Mühe haben, die heilen zu beobachten und zu beschreiben. Mir ist lediglich eine kurze Anmerkung von dem Jesuitenpater Dr. Josef Donner in Erinnerung, der die Zeillkonstanz erwähnt hat in seinem Kosmos-Buch Rädertiere (Rotatoria), Franchh'sche Verlagshandlung W. Keller & Co., 4. Aufl., 5. Tausend, Stuttgart 1973. Auch Wulfert erwähnt sie, ohne jedoch eine erhellende Anmerkung.

Es war sicherlich nicht förderlich, daß ich die Zellkonstanz im Zusammenhang mit Parasiten ins Spiel gebracht habe, aber Ihre Fotos erinnerten doch schon stark an nachhaltige Zellbeschädigung.

Gruß KH

JB

#6
Hallo,

Ich komme mal auf diesen alten Thread von 2009 zurueck. Inzwischen gab es zu den o.g. Fragen eine minimale Bewegung.

Wir reden vom Parasiten:
Plistophora asperospora (Fritsch, 1895) Labbé, 1899
= Glugea asperospora Fritsch, 1895
= Ascosporidium asperospora (Fritsch, 1895) Voigt, 1904
= Microsporidium asperospora auct.
= Bertramia asperospora auct.

Budde (1927) vermutet bereits, dass es sich um eine ganze Gruppe verschiedener Arten handelt. Aber hier soll nur interessieren, zu welchem hoeheren Taxon die Parasiten ueberhaupt gehoeren.

Aus den Namen oben und Meinungen aus Publikationen sind sie entweder als Microsporidien, Haplosporidien oder Verwandte der Pilze eingeordnet. Eine Einordnung als Sporozoea (= Apicomplexa) habe ich noch nicht gesehen.

Microsporidien koennen es nicht sein, denn diese besitzen keine Flagellen. Flagellen waren aber schon von Budde (1927) beschrieben worden.

Eine neuere Studie stellt diese Parasiten in die Naehe der "Mesomycetozoen" Mendoza, Taylor and Ajello (2002):
Nassonova E et al. (2011) Molecular phylogeny of Bertramia asperospora, a protozoan rotifer parasite with obscure taxonomic position: Shuffling cards in favor of the ichthyosporeans. Abstract, VI European Congress of Protistology
http://www.protozoologie.de/Tagungen/30_tagung_Berlin/Berlin_2011_Final_Programme.pdf
Es handelt sich dabei nur um einen Konferenzbeitrag; eine vollstaendige Veroeffentlichung dazu kann ich nicht finden. Das kommt schon mal vor; die SSU rDNA-Untersuchung ist so einfach zu machen, dass man sich um die intellektuelle Qualitaet der Arbeit keine Gedanken machen braucht. Ausserdem passt die Morphologie von Plistophora asperospora sehr gut zu den Mesomycetozoea.

Was auch immer man von den neumodischen Taxonomien und damit den Mesomycetozoea haelt, die Plistophora asperospora-Parasiten gehoeren nach dieser Ansicht zu einem (nach derzeitigem Wissen) artenarmen, ja obskuren, und polymorphen Taxon an der Basis von Fungi, Choanoflagellaten und Metazoa. In den Zellwaenden kann man (geringe Mengen?) Chitin erwarten. Im uebrigen passen die Morphologie und der Lebenszyklus der Mesomycetozoea sehr gut zu den Beschreibungen von Plistophora asperospora (vgl. Mendoza et al., 2002).

Der Parasit befindet sich also derzeit vermutlich in der "falschen" Gattung. Das wird sich erst aendern wenn sich wieder jemand intensiv mit diesem Organismus beschaeftigt.

Die genaue Benennung der Stadien (Cysten usw.) haengt davon ab, ob Sie die Parasiten als Pilz ansehen oder als Protozoen (2 verschiedene Referenzsysteme).

EM Bilder von Plistophora asperospora habe ich noch nicht in der Litertur gefunden.

Beste Gruesse,

Jon


Ref.:
Budde E (1927) Ueber die in Raedertieren lebenden Parasiten. Archiv fuer Hydrobiologie 18: 442-459
Mendoza et al. (2002) THE CLASS MESOMYCETOZOEA: A Heterogeneous Group of Microorganisms at the Animal-Fungal Boundary. Annual Review of Microbiology 56: 315-344
http://www.annualreviews.org/doi/abs/10.1146/annurev.micro.56.012302.160950

Michael Plewka

hallo Jon,

zunächst einmal vielen Dank für deinen Beitrag.

Der Umstand, dass der Seitenaufruf in diesem  Forum z.Zt. zumeist ewig lange dauert, ist einer sinnvollen  Kommunikation bestimmt nicht zuträglich.
Gibt es irgendwo einen Hinweis, warum das so ist?
Oder ist es so, dass bestimmte Mitglieder ausgesperrt werden sollen?
Ich werde zum Thema Parasiten  Stellung nehem, wenn das Sytem wieder zuverlässig funktioniert.

beste Grüße Michael Plewka