Welche Funktion hat Calzium-Oxalat?

Begonnen von Klaus Herrmann, Juni 21, 2009, 12:43:13 NACHMITTAGS

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Klaus Herrmann

Hallo zusammen,

ich dachte immer, daß das Ca-Oxalat, das man ja in vielen Pflanzen antrifft und immer wieder zu ganz schönen Bildern im polarisierten Licht führt nur eine Funktion hat: die für die Pflanze giftige Oxalsäure aus dem Stoffwechsel unschädlich zu machen, weil sie als Ca-Salz schwerlöslich wird und dadurch ihre Konzentration stark reduziert wird.
Nun steht in Wicki aber, dass Ca-Oxalat als Fraßschutz dient:

http://de.wikipedia.org/wiki/Calciumoxalat

ZitatCalciumoxalat ist Hauptbestandteil von Nierensteinen und kommt in vielen Pflanzen als Fraßverteidigung vor (so z. B. in der Schild-Ampfer, Schmerwurz, Rhabarber, Pastinaken, in Dieffenbachien und Aronstabgewächsen).


Hat jemand verlässliche Hinweise aus Bio-Büchern? Ich habe bisher nichts gefunden.
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


Vorstellung: hier klicken

Horst Isele

Hallo

Im Lehrbuch der Botanik (Strasburger) 35. Auflage steht auf der Seite 86 (Bilder des Kapitels 2.2.6.7), dass Calciumoxalat der Ausscheidung von überschüssigem Ca dient.

Gruss  Horst
das freundschaftliche Du ziehe ich vor

±  µ ∞ λ ¼  ½  ¾   ν  δ  π  σ  φ  ψ  Փ ‰  ‱ ℃  Ω   √  ∛  ∜  ∑  ≤  ≥  ⋲  ♀  ♂

Fahrenheit

#2
Hallo Klaus,

Gerhard Wanner schreibt im "Mikroskopisch-Bbotanisches Praktikum" (2004) auf Seite 99 zu den Kristallidioblasten der Agave (Agave americana):

"Aufgrund des Wasserspeichergewebes wären die Agaven willkommene Nahrung für größere Pflanzenfresser der Trockengebiete ihrer ursprünglichen Heimat. Die zahlreichen Raphiden und Styloide sind desshalb ein wirkungsvoller Fraßschutz."

Einen Absatz vorher findet sich auch etwas zum Nachweis:

"Zum Nachweis, dass Kristalle aus Calciumoxalat bestehen, kann man Schnitte in Essigsäure legen; die Kristalle bleiben erhalten. In verdünnter Salzsäure lösen sich die Kristalle auf (Abb. 8.1.8)".

Auch Hans Molisch schreibt in "Anatomie der Pflanzen" (1920) auf den Seiten 26 und 27 über Calciumoxalat als Stoffwechselendprodukt und Fraßschutz.

Schöne Grüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Mathar

Guten Tag,
in "Allgemeine Botanik" (Nuktsch, W.; 9.Auflage; Thieme 1991) steht zum Thema Calciumoxalat:

"Dabei handelt es sich meist um Calciumoxalat, das die im Stoffwechsel anfallende Oxalsäure, die ein starkes Zellgift darstellt, in unlöslicher Form ausfällt und damit entgiftet." (S. 129)

"Neben organischen Stoffen sind bei manchen Pflanzen auch Substanzen mineralischer Natur in den Zellwänden zu finden. [...] Bei der Schirmalge Acetabularia [...] kommt es (Anm.: Calciumcarbonat) zusammen mit Calciumoxalat vor. [...] In jedem Falle führt die Mineraleinlagerung zu einer Härtung der Zellwände, die dadurch aber ihre Elastizität einbüßen und spröde und brüchig werden" (S.151)

In "Pflanzenanatomisches Praktikum I" (Braune, Leman, Taubert; 6.Auflage; Gustav Fischer Verlag 1991) gibt es noch eine Anleitung zum Nachweis von Calciumoxalat in Pflanzenzellen mit konzentrierter Schwefelsäure. Die entsprechenden Seiten kann ich gerne einscannen und zuschicken - das abtippen ist mir etwas zu mühsam. ;)

Beste Grüße
Gregor Mathar

Rolf-Dieter Müller

Hallo Klaus,

bisher habe ich nur die bereits von Jörg zitierte Fundstelle im Wanner gefunden, wo Ca-Oxalat-Kristalle direkt mit Fraßschutz in Verbindung gebracht wird.

Aber bei der Literatursuche ist mir Idee zu einem anderen noch ungelösten Problem gekommen: Könnten die Kellergeister Kristallsand sein?

Viele Mikrogrüße
Rolf-Dieter

bewie

#5
Hallo Klaus,

in der Literatur wird ja so einiges als Fraßschutz bezeichnet. Aber sind das - streng wissenschaftlich betrachtet - eigentlich Tatsachen oder sind das nicht allesamt Meinungsäußerungen bzw. Interpretationen? Den exakten und endgültigen Beweis, dass irgendeine Eigenschaft tatsächlich dem Fraßschutz dient, habe ich jedenfalls noch nie irgenwo gelesen. Dazu müsste man ja die entsprechende Pflanze genetisch verändern, damit sie mal mit und mal ohne die fragliche Eigenschaft wächst und dann feststellen, ob die eine gefressen wird und die andere nicht.

Wenn es beispielsweise um dicke Stacheln oder starke Gifte geht, mag die Behauptung vom Fraßschutz ja sehr plausibel sein, aber bei den Oxalatkristallen scheint sie mir nicht viel mehr als eine Vermutung, auch wenn der Autor noch so hochkarätig ist. Und beispielsweise der Mensch isst manch ein Kraut, wie den Sauerampfer oder Rhabarber, gerade weil er so schön und frisch oxalsauer ist. Wie das bei den Schnecken ist, weiß ich allerdings nicht...

Ganz und gar nicht sauere Grüße
Bernd


Detlef Kramer

Hallo,

das mit dem Fraßschutz ist allenfalls ein Sekundäreffekt, aber wahrscheinlich nicht einmal das, da gebe ich Bernd Recht. Oxalsäure giftig? Die Pflanze bräuchte sie ja nicht zu bilden und kann sie natürlich leicht verstoffwechseln.
Die plausibelste Erklärung ist die: Calcium ist ab einer bestimmten, sehr niedrigen Konzentration für das Cytoplasma giftig. Als schafft die Zelle das Calcium durch den Tonoplasten in die Vakuole, wo es mit dem Oxalat-Anion ausfällt. Wegen der sehr schlechten Löslichkeit des Ca-Oxalats ist damit das Ca dem Stoffwechsel entzogen.

Herzliche Grüße

Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

Vorstellung: Hier klicken

Klaus Herrmann

#7
Hallo zusammen,

vielen Dank für die Hinweise und Erörterungen. Ich bin natürlich auch über einiges davon schon gestolpert und hab auch brav zitiert. Aber die Angaben schienen mir nicht so richtig belegt in dem Sinne, wie Bernd das ausführt.
Die Frage was wohl zuerst da war: Das Stoffwechselprodukt Oxalsäure, das durch Reaktion mit Ca ausgefällt wurde und nebenbei hat sich dann ergeben, dass die Pflanzen, die das vermehrt bilden sich heraus-darvinisieren zum besser fressgeschützten Individuum?

Oder muss nicht Oxalsäure aus dem Stoffwechselkreislauf entfernt werden, sondern ein Zuviel an Ca?

Eigentlich muss es doch einen Weg geben Oxalsäure noch zu CO2 und H2O abzubauen und die Pflanzen tun das nur deshalb nicht, weil sie das Ca in seiner Konzentration kontrollieren müssen?

Ich trau mich gar nicht mich in die Höhen der Pathways of Metabolism zu versteigen, die verwirrender aussehen wie die Kreuzung von Bundes-Bahn-Fahrplänen mit Schnittmustern!

Der Nachweis mit H2SO4 als noch schwerer lösliches CaSO4 ist mir natürlich geläufig. Ich habe ja hier was neues ausprobiert:

http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=2316.0

mit der Anfärbung mit Anthracengrün. Habe lange genug auf den seltenen Farbstoff gewartet!

Vielleicht ist es ja wirklich eine Mischung aus Konzentrationsregulierung (von Oxalsäure oder Ca) und Fraßschutz! Und in der Literatur wird je nach Gusto mal das eine oder das andere in den Vordergrund gestellt.

Gerade sehe ich Deinen Beitrag noch # Detlef: das passt ja sehr gut zu meinen Überlegungen  und dem, was #Bernd sagt!
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


Vorstellung: hier klicken

Fahrenheit

#8
Hallo Klaus,

das mit dem Fraßschutz scheint mir auch so eine Sache zu sein. Man findet die Calciumoxalate ja auch in vielen Früchten - in größeren Mengen zum Beispiel in der Kiwi.

Die Früchte dienen - zu mindest nach meinem Wissensstand - ja gerade der weiteren Verbreitung der Samen. Nämlich als Futterangebot mit verstecktem Transportauftrag  :).

Das passt in meinen Augen nicht ganz zusammen. Nichts desto trotz ist der Fraßschutz quasi überall in der Literatur erwähnt, wenn es um Calciumoxalate, insbesondere Raphiden, geht.

Schöne Grüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Horst Isele

Hallo zusammen

Eure Bemerkungen zum Frassschutz klingen plausibel.

Da habe ich mir mit dem "Strasburger" wohl das richtige Lehrbuch gekauft.
Dort habe ich keinerlei Bemerkung zum Frassschutz gefunden.


Mikrogrüsse an alle
das freundschaftliche Du ziehe ich vor

±  µ ∞ λ ¼  ½  ¾   ν  δ  π  σ  φ  ψ  Փ ‰  ‱ ℃  Ω   √  ∛  ∜  ∑  ≤  ≥  ⋲  ♀  ♂

Detlef Kramer

Lieber Jörg,
ZitatMan findet die Calciumoxalate ja auch in vielen Früchten - in größeren Mengen zum Beispiel in der Kiwi.
Lieber Jörg,

kann es sein, dass Du das mit Oxalsäure verwechselst? Die ist typisch für Tomaten u. a. und vor allem allen Früchten die den Mund "zusammen ziehen". Ca-Oxalat kann überhaupt nicht schmecken, da schwer löslich (wie wir gerade gelernt haben), sondern sich allenfalls wie Sand anfühlen.

Schön Deine Schnitte!!!

Herzliche Grüße

Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

Vorstellung: Hier klicken

Fahrenheit

#11
Hallo Detlef,

ich glaube, wir haben ein Missverständnis. Nein, ich meine nicht die Fruchtsäure der Kiwi, sondern Zellen mit Raphidenbündeln im Quetschpräparat des Kiwifruchtfleisches, wie ich sie Ende Januar in diesem Thread gezeigt habe (die Bilder 4 bis 6).

Diese Zellen mit Kristallideoblasten kommen in der Kiwi-Frucht in rauen Mengen vor. Wenn die Früchte sehr reif sind, haben sie eine leicht mehlige Konsistenz und ich bilde mir ein, dass man diese auf die Oxalat-Kristallnadeln zurückführen kann.

Aber wie man sieht (ich mag Kiwis und lasse mich nicht von irgendwelchen daherkristallisierten Oxalaten davon abhalten, welche zu essen) ist es nichts mit Fraßschutz bei größeren Pflanzen- bzw. Allesfressern.  ;D

Nun lehne ich mich mal wieder weit aus dem Fenster (wilde Theorie):
Die großen Pflanzenfresser fressen die Früchte mit den Samen, scheren sich nicht um Calciumoxalate und sorgen am Ende der Nahrungsverwertung für die Verbreitung der Samen und damit der Pflanze.
Damit das funktioniert, müssen die Früchte noch da sein, wenn die großen Pflanzenfresser kommen. Vielleicht sind die Kristallnadeln den kleineren Fressfeinden der Pflanzen (z.B. Insekten) lästig genug, um das zu erreichen.

Schöne Grüße
Jörg

P.S.:
Danke für Dein Lob! Aber wie es richtig gut aussieht, hast Du ja selbst im alten Forum gezeigt.  :)
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Detlef Kramer

lieber Jörg,

das war aber auch kein Freihandschnitt!

Herzliche Grüße

Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

Vorstellung: Hier klicken

Rolf-Dieter Müller

Zitat von: Detlef Kramer in Juni 21, 2009, 22:10:31 NACHMITTAGS
...
das war aber auch kein Freihandschnitt!
Herzliche Grüße
Detlef

Lieber Detlef,

jetzt bringst Du mich aber in Verlegenheit.

Ich verweise nämlich gerne auf Deine Schnitte als Beispiel für das was beim Freihandschneiden möglich, aber nur mit sehr viel Erfahrung erreichbar ist.

Zumindest hattest Du im alten Forum einmal geäußert, nur freihand zu schneiden.

Egal, jedenfalls beziehe ich mich auf einem Schnitt von Dir der im Mikrokosmos veröffentlicht ist und da steht zum Bildhinweis Freihandschnitt.

Die Vanille kam mir schon immer etwas extrem vor, doch bei einem Meister fragt man nicht nach, dem traut man alles zu.

Viele Mikrogrüße
Rolf-Dieter

Detlef Kramer

Lieber Rolf-Dieter,

nun hebt mich doch nicht auf einen Thron, der mir nicht gebührt. In dem speziellen Fall hatte ich wirklich mit dem Handmikrotom geschnitten. Und, und das gebe ich herzlich gerne zu, einen solchen Ganzflächenschnitt, wie der von Jörg, habe ich noch nicht hin bekommen. Chapeau!

Herzliche Grüße

Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

Vorstellung: Hier klicken