Botanik: 2000 Jahre u. Blattspliss - Welwitschia mirabilis - alle Pflanzenteile*

Begonnen von Fahrenheit, September 26, 2015, 21:47:31 NACHMITTAGS

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

Fahrenheit

Lieber Daniel,

ah, das wusste ich nicht. Dann sieht man bei meinem ersten Bild oben noch Reste der Rost-Färbung unten an den Keimblättern.

Kannst Du noch was zur Bezugsquelle Deiner Samen sagen? Ich wollte noch mal nach bestellen und 1 aus 21 ist mir definitiv zu wenig :)

Herzliche Grüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

PetrM

Ich kenn mich ja mit Welwitschia so nicht aus. Aber aus meiner Erfahrung bedeutet rot, viel an Carotine bzw. das Welwitschia zuanfangs ein Schmarotzer ist? Kann aber nicht der Fall sein, da ja sonst keine Pflanze drumherum wächst.
Ohne Pflanz - kein Mensch
Ohne Pilz - kein Pflanz
Ohne Alg - kein Pilz?
Und wie sieht es überhaupt mit den ganzen Mikroorganismen aus?

koestlfr

Lieber Jörg!

Du hast mir ja dankenswerter Weise anlässlich des Treffens in Würzburg auch eine fixierte Probe eine Teiles des Blattes zur Verfügung gestellt.

Jetzt habe endlich das Blattteil geschnitten und verschiedene Färbungen versucht, um zu Deinem Beitrag eine sinnvolle Ergänzung zu finden; mir gefallen jedoch die Fluoreszenzfärbungen am Besten.



Bild 1: Blatt quer, 40µm, Coriphosphin, Olympus BX51, U-PlanSApo 10x, HBO; U-MWU2; Pentax K3.

Am Rand des Schnittes zeigte sich dann folgendes Detail:



Bild 2: Blatt quer, 40µm, Coriphosphin, Olympus BX51, U-PlanSApo 10x, HBO; U-MWU2; Pentax K3.

Jetzt musste ich aber unbedingt die geschädigte Längsseite des Blatt schneiden ...



Bild 3: Blatt längs, 40µm, Primulin, Olympus BX51, U-PlanSApo 10x, HBO; U-MWU2; Pentax K3.

Aufgefallen sind mir dann die 3 blaugrünen wurzelquerschnittartigen Bereiche.



Bild 4: Blatt längs, 40µm, Primulin, Olympus BX51, U-PlanFl 20x, HBO; U-MWU2; Pentax K3.



Bild 5: Blatt längs, 40µm, Primulin, Olympus BX51, U-PlanFl 40x, HBO; U-MWU2; Pentax K3.

Kann mir jemand weiterhelfen, was habe ich da angeschnitten?
Liebe Grüße
Franz

Fahrenheit

Lieber Franz,

vielen Dank für die spannenden Fluoreszenzbilder! Schön, dass Du die Welwitchienprobe gut verwerten konntest.

Die zwei Blätter einer alten Welwitschie reissen später vielfach der Länge nach ein, wie Du an den Bildern am Anfang des Fadens sehen kannst. An den Rissstellen wird ein Wundgewebe (Kallus) gebildet, um die Verletzung zu schließen. Ich denke, so wird es auch hier an den Rändern der Probe sein. Dabei hast Du Glück gehabt: ich hatte immer Stücke aus der Mitte meiner Probe, die insgesamt etwa 5 cm breit war. Da gab es diese Bildungen natürlich nicht zu sehen.

Herzliche Grüße
Jörg

p.s.
Die Tage habe ich angefangen, eine meiner beiden Jungpflanzen zu bearbeiten. Es wird hier also bald einen Vergleich zwischen alten und jungen Blättern geben und ich werde hoffentlich auch Spross und Wurzel zeigen können.

Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

güntherdorn

wenn man wortlos gratulieren könnte, würd´ ich´s bei jörg machen.
alles gesagt? .... klasse !
güntherdorn
- gerne per du -
günther dorn
http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=444.0
www.mikroskopie-gruppe-bodensee.de
gildus-d@gmx.de

Fahrenheit

Lieber Günhter,

vielen Dank für Dein Lob, das mich wie immer sehr freut.
Ich bin ein bekennender Fan von Künstlerbrot. ;)

Wie oben schon angedroht: demnächst mehr von der Welwitschie hier im Thread.

Herzliche Grüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Fahrenheit

Liebe Pflanzenfreunde,

wie angekündigt geht es nun mit Schnitten von der jungen Pflanze weiter. Um das Thema zusammen zu halten einfach als Verlängerung des bestehenden Threads.

Wir Ihr in den älteren Beiträgen dieses Fadens sicher mitverfolgt habt, war Herr Werner vom Botanischen Garten der TU Darmstadt so nett, die von mir gekauften Welwitschiensamen im Garten der TU anzuziehen. Ohne seine Erfahrung die in Darmstadt vorhandenen Möglichkeiten zur Beleuchtung und Einhaltung der Keimtemperatur von über 30° C wäre die Anzucht nicht möglich gewesen. Die ist bei Welwitschia durchaus schwierig - was schon mit der Qualität des Saatguts anfängt: ein hoher Anteil der nicht grade billigen Samen war taub. Summe haben von 50 Samen nur 5 Pflanzen überlebt, die nun gut zweieinhalb Jahre alt sind. Zwei davon sind in Darmstadt geblieben, eine hat der Botanische Garten Bonn erhalten und zwei stehen mir nun für weitere Untersuchungen zur Verfügung.

Anfangen möchte ich mit einem Vergleich des Aufbaus junger und alter Blätter, also der Gegenüberstellung der schon gezeigten Schnitte mit denen einer frisch genommenen Probe von einer Jungpflanze.

Zunächst aber einige Bilder von den Jungpflanzen:

Bilder 27a-e: Meine Jungpflanzen






Ich habe zunächst eine Probe von der Blattspitze einer Pflanze genommen und wie gewohnt auf dem "Tempelchen" mit Leica Einwegklingen im SHK Halter geschnitten:

Bild 28: Die Probe vom juvenilen Blatt


Das restliche Material ruht nun in AFE zur weiteren Verwendung. Zur Entsorgung ist ein Blatt dieser hier selten zu erhaltenden Pflanze einfach zu wertvoll.

Bild 29: Schnitt in Möhreneinbettung auf dem "Tempelchen":


Gefärbt habe ich nach der Anleitung von Rolf-Dieter Müller mit Dujardin Grün. Dabei kam wieder der neue Alciangrün-Ansatz von Klaus Herrmann zum Einsatz. Da sich der Grünton nicht so ganz einstellen will, habe ich eine weitere Färbestufe mit Alciangelb vorgeschaltet, jedoch ohne nennenswerten Erfolg. Hier das Färbeprotokoll in Kürze:

- Acridinrot für ca. 5 Minuten
- Spülen mit Aqua dest.
- Alciangelb für ca. 2 Minuten (geringe Menge, Alciangrün wird dann einfach dazu gegeben - umschwenken)
- Alciangrün für ca. 10 Minuten
  (Original: 5 Minuten), Alciangrün verdrängt das Acridinrot nur langsam aus
  den nicht verholzten Zellen, besonders an dickeren Schnitten
- Spülen mit Aqua dest.
- Chrysoidin für ca. 7 Minuten

Die neuen Fotos sind auf dem Leica DMLS mit den PlanApos 10x, 20x und 40x sowie dem PlanFluotar 100x entstanden, fotografiert habe ich mit einer Panasonic GX7 über den Trinotubus des Mikroskops. Die Bilder vom alten Blatt sind mit der alten Alciangrün-Lösung von Klaus ebenfalls mit Dujardin Grün gefärbt, die Aufnahm,en stammen noch vom Leica DME mit der Canon PS A520 in Okularadaption.

Betrachten wir zunächst die Übersicht der gefärbten Schnitte im Hellfeld und dem Polarisationskontrast. Hier und im Folgenden immer zuerst das ausgewachsene, dann das junge Blatt.

Bilder 30a-d: Altes und Junges Blatt im Hellfeld und im Polarisationskontrast, alle Bilder gestapelt.





Bilder 31a,b: Die Hellfeldaufnahmen 30a und c mit Beschriftung und Maßstab



Wie zu erwarten, ist der Blattaufbau sehr ähnlich: wir finden in beiden Fällen eine dicke Cuticula mit eingelagerten Calciumoxalatkristallen als Licht- und Verdunstungsschutz, eingesenkte Stomata, eine einreihige Epidermis und darunter ein von stabilisierenden Faserbündeln unterbrochenes Assimilationsparenchym. Das Blatt ist äquifazial, was bedeutet, dass wir an der Blattunterseite den gleichen Aufbau wieder finden.
Im Schwammparenchym in der Mitte des Blattquerschnitts liegen die Hauptleitbündel und Nebenleitbündel und die Aufnahmen im Polarisationskontrast zeigen, dass auch beim jungen Blatt bereits rhomboedrische Calciumoxalatkristalle auf den Zellaussenwänden im Interzelllularraum zu finden sind - wenn auch in deutlich geringerer Dichte.
Der auffälligste Unterschied liegt bei den Idioblasten: sind diese im alten Blatt weit verzweigt und lignifiziert (rote Färbung), erscheinen sie im jungen Blatt noch klein und unverholzt. Hier kann man also davon aus gehen, dass diese Zellen erst mit dem Altern des Blattes ausdifferenzieren.
Informationen zu den Abkürzungen in den Bildern 31a&b sowie den folgenden beschrifteten Bildern findet Ihr wie immer auf der Webseite des MKB: Tabelle mit den Kürzeln und den zugehörigen allgemeinen Erläuterungen.   

Schauen wir uns nun einmal die Leitbündel an:

Bilder 32a-d: Leitbündel im Hellfeld, gefärbtes Präparat. Bilder 32c&d mit Beschriftung und Maßstab, jeweils zur erst das alte, dann das Junge Blatt. alle Aufnahmen gestacked.





Hier finden wir keine Überraschungen: das alte Leitbündel zeigt eine höhere Differenzierung der Zellarten und der Bereich des disfunktionalen Phloems (aPL) ist wie zu erwarten deutlich größer als beim jungen Leitbündel.

Noch einen Blick auf ein Stoma:

Bilder 33a-d: Stoma im Hellfeld, gefärbtes Präparat. Bilder 33c&d mit Beschriftung und Maßstab, jeweils zur erst das alte, dann das Junge Blatt. alle Aufnahmen gestacked.





An den Stomata zeigen sich keine signifikanten Unterschiede, auffällig ist lediglich die stärkere Differenzierung der Idioblasten im alten Blatt.

Beim jungen Blatt konnte ich erstmals auch den Blattrand mit präparieren, der durch besonders große Faserbündel stabilisiert ist:

Bilder 34a,b: Blattrand mit Faserbündeln, Bild 34b mit Beschriftung, Stapel aus 28 Bildern



Zum Abschluss nun noch eine Serie von Bildern des ungefärbten, frischen Schnittes, teils mit Beschriftung und Maßstab

Bilder 35a-f: Bilder vom frischen Schnitt des jungen Blattes, Bild 35b im Polarisationskontrast, Bild 35d mit Beschriftung und Maßstab, alle Aufnahmen gestapelt







Auch auf den Bildern vom frischen Schnitt sind alle wichtigen Strukturen gut zu erkennen. Immer wieder schön die Chloroplasten in natürlicher Farbe.

Vielen Dank fürs Lesen, Anregung und Kritik ist wie immer willkommen.

Herzliche Grüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

TPL

Lieber Jörg,

auch wenn ich es nicht bei jedem Deiner Beiträge schreibe: ich bewundere nicht nur Deine Arbeit, sondern auch, dass Du sie uns so hingebungsvoll und didaktisch durchdacht präsentierst. Bravo!

Deshalb gelobe ich hiermit auch feierlich, innerhalb der nächsten paar Monate für Nachschub an Bildern, Samen und ggf. sogar Schnittmaterial dieser ungewöhnlichen Pflanze zu sorgen.

Herzliche Grüße
Thomas

wejo

Hallo Jörg,
Ick kiecke, staune, wundre mir! Tolle Arbeit, ich bin platt!!!
Herzliche Grüße
Werner

Fahrenheit

Liebe Freunde,

vielen Dank für Euer Lob! Ich nehme es wie immer zum Ansporn für weitere Arbeiten, auch wenn ich mich in der letzten Zeit hier etwas rahr machen musste.

Lieber Thomas,

da verschlägt es dich also nach Namibia? Ich freue mich auf die Bilder. Soweit ich weiß, sind die Welwitschien mittlerweile auch in den Herkunftsländern wirklich streng geschützt. Also mach nix Illegales!

Herzliche Grüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Fahrenheit

#55
Liebe Pflanzenfreunde,

für alle, die es noch interessiert, hier der letzte Teil der kleinen Serie zur Welwitschie. Diesmal geht es um Spross und Wurzel, Gewebetypen, die nur sehr selten zu bekommen sind.
Die Proben stammen, wie das im Beitrag zum Vergleich der adulten und juvenilen Blätter gezeigte Material, von einer meiner beiden Jungpflanzen aus Darmstädter Aufzucht.

Präparation und Technik entsprechen den in den vorangegangenen Beiträgen gemachten Angaben. Gefärbt habe ich mit Dujardin Grün und W3Asim II nach Rolf-Dieter Müller, das Mikroskop ist das weiter vorne beschriebene Leica DM LS.

Werfen wir zunächst einen Blick auf den Spross:

Bild 36a,b: Die gesamte Jungpflanze in der Übersicht und mit der Schnittführung 


Die Ebene S1 bezeichnet die Schnittebene des Sprosses. S2 bis S4 Hypocotyl und Wurzeln.

Bei Welwitschia müssen wir kurz über Spross und Hypocotyl reden. Das Hypocotyl ist der Teil der Pflanze zwischen der Wurzel und den Keimblättern. Der Spross beginnt oberhalb der Keimblätter.
Das ist bei den allermeisten Pflanzen die dem Grundbauplan mit einer Stele folgen, eine einfache Sache. Bei der Welwitschie wird das schwierig: die beiden Blätter entspringen einer Hypocotylgrube am - im Alter tellerförmig abgeflachten - oberen Ende des Stammes [1]. Ihre Meristeme an den Blattbasen liegen gut geschützt oft ein wenig tiefer als die Keimblätter, was man auch in Bild 27d gut erkennen kann. Streng genommen kann man bei Welwitschia also eigentlich gar nicht von einem Spross sprechen. 
In den Bildern 36a,b erkennen wir aber einen verdickten Teil unterhalb des Blattansatzes, der in der Regel auch oberirdisch wächst. Diesen teil möchte ich hier als Spross bezeichnen, zumal sich sein Querschnitt (S1) deutlich von den anderen Querschnitten (S2 . S4) unterscheidet.

Werfen wir zunächst einen Blick auf die Leitbündelanordnung im Inneren des Sprosses:

Bilder 37a,b: Übersicht zum inneren Aufbau des Sprosses bei S1, Bild 37b mit Beschriftung und Maßstab; Stapel aus je 45 Bildern


Wir erkennen einen annähernd spiegelbildlichen Aufbau mit 4 Gruppen von Leitbündeln, die ich hier als Stelen bezeichnen möchte. Jede Stele besteht aus 8 bis 12 einzelnen Leitbündeln, die durch ein Parenchym (Pa - von Markstrahlen möchte ich bei dieser Anordnung nicht sprechen, zumal der Spross kein zentrales Mark zeigt) voneinander getrennt sind. Sie Leitbündel selbst haben einen klassischen Aufbau aus primärem Xylem, Xylem mit Tracheen (nicht eindeutig nachzuweisen) und Tracheiden, Phloem und einer Kappe von Sklerenchymfasern (SklF). Spannen daran ist, dass die am stärksten ausgeprägten Leitbündel der Stelen jeweils nach innen weisen.
Zwischen den vier Stelen finden sich viele Nebenleitbündel, die teils stark verdreht sind. Diese Nebenleitbündel trennen die vier Stelen - hier in der Horizontalen - in zwei Gruppen, zwischen denen in der Vertikalen keine Nebenleitbündel zu finden sind. Ein Detail, auf das wir später beim Hypocotyl und der Wurzel noch zurück kommen.
Informationen zu den Abkürzungen im Bild 37b sowie den folgenden beschrifteten Bildern findet Ihr wie immer auf der Webseite des MKB: Tabelle mit den Kürzeln und den zugehörigen allgemeinen Erläuterungen.
Es wäre interessant zu sehen, wie die Anordnung der Leitbündel im älteren Spross organisiert ist. Ob sich dann spiegelbildlich weitere Gruppen anreihen? Spärliche Hinweise in der Literatur legen dies nahe. Leider gibt es in den Weiten des Internets keine frei zugänglichen mikroskopische Bilder vom Spross der Welwitschie - oder ich war nicht geschickt genug, sie zu finden.   

Wie sieht der Spross nun am Rand aus? Das zeigen uns die folgenden Bilder.

Bilder 38a-d: Spross der Welwitschie mit Abschlussgewebe, Bild 38b mit Beschriftung und Maßstab, Bild 38c ungefärbter, frischer Schnitt, Bild 38d im Polarisationskontrast. Stapel aus 60, 100 und 88 Bildern




Der Spross war zum Zeitpunkt der Präparation gut zweieinhalb Jahre alt, wir finden also ein Periderm mit einer Korkschicht (Phellem) als Abschlussgewebe. Auch eine Anpassung an die Trockenheit der Namib, da der Kork isoliert und die Verdunstung herab setzt. Phellogen und Phelloderm lassen sich hier nicht klar vom dahinter liegenden Parenchym unterscheiden.
Wie in den Blättern finden wir auch im Rindenparenchym des Sprosses einige sklerenchymatischen Idioblasten und weiter im inneren die eben angesprochene Struktur aus Leitbündeln und Nebenleitbündeln.

Werfen wir nun einen Blick auf eine der Leitbündel-Stelen:

Bilder 39a-e: Eine Leitbündel-Stele im Detail, Bild 39b mit Beschriftung und Maßstab, Bild 39c ungefärbter, frischer Schnitt, Bild 39d im Polarisationskontrast, Bild 39e gefärbter schnitt im Polarisationskontrast. Stapel aus je 55, 45 und 40 Bildern





Wie oben schon beschrieben, bestehen die einzelnen Bündel in der Abfolge von Innen nach Außen aus einem primären Xylem, gefolgt vom Xylem, dem Phloem und einer Kappe aus Sklerenchymfasern. Im Inneren liegt kein Markparenchym sondern weitere Faserzellen und einfache Parenchymzellen. Im Gegensatz zu allen anderen Pflanzen in der Gruppe der Coniferopsida soll das Xylem der Welwitschia mirabilis über Tracheen verfügen. Diese sind hier aber nicht zweifelsfrei nachzuweisen.
Die Pol-Aufnahmen lassen auch kleine Caliumoxalat-Kristalle erkennen, die wie im Blatt außen auf den Zellwänden aufliegen.

Bilder 40a-e: Ein einzelnes Leitbündel, Bild 40b mit Beschriftung und Maßstab, Bild 40c ungefärbter, frischer Schnitt, Bild 40d im Polarisationskontrast, Bild 40e Polarisationskontrast mit Beschriftung. Stapel aus je 55 und 50 Bildern   





In den beiden Pol-Aufnahmen sind die Calciumoxalatkristalle besonders gut zu erkennen.

Hypocotyl und Wurzel

Nach diesem schon recht ungewöhnlichen Sprossquerschnitt versuchen wir uns nun an der Wurzel. Zunächst dachte ich, die Schnittebene S2 würde bereits die Wurzel zeigen, doch der Querschnitt hat viel mehr Ähnlichkeit mit dem Spross, es fehlen eigentlich alle Features, die auf eine Wurzel hin weisen. Wie oben schon andiskutiert, sind wir hier ja auch noch im Hypocotyl unterwegs. Also mit S3 noch tiefer geschnitten und - ätsch, das gleiche Bild. Es kristallisieren sich aber immer deutliche zwei Stelen heraus, wie sie auch von Sykes beschrieben werden [2].
Also noch weiter unten ... S4 ist dann ein Schnitt unterhalb der ersten abzweigenden Nebenwurzel. Und auch der birgt Überraschungen ...

Bilder 41a-d: Hypocotyl auf Schnittebene S2, Bilder 41b und 41d mit Beschriftung und Maßstab; Stapel aus je 75 und 36 Bildern




Alles etwas kleiner, nur noch zwei Stelen und weniger Nebenleitbündel, aber ansonsten das gleidche Bild wie beim Spross - inklusive Abschlussgewebe. 

ZitatZitat aus [2]
"In Welwitschia the traces of cotyledons, young leaves, bracts, and flowers have
a double origin from two separate bundles of the stele of the axis. Their origin thus
differs from that of the double leaf-trace so characteristic of most Gymnosperms,
which arises from a single bundle of the axis, and branches into two during its course
through the cortex."

Bilder 42a-f: Hypocotyl auf Schnittebene S3, Bilder 42b und 42f mit Beschriftung und Maßstab, Bild 42c ungefärbter, frischer Schnitt, Bild 42d Polarisationskontrast, Bilder 42e,f: Xylem im Detail; Stapel aus je 80, 50, 60 und 45 Bildern






Grundsätzlich unverändert, aber hier sehen wir nur noch die zwei von Sykes beschriebenen Stelen mit einer schleifenartigen Anordnung von je zwei gegenüberliegenden Leitbündeln, die sich am primären Xylem berühren. Es gibt keine Nebenleitbündel mehr. Aber es schaut noch immer nicht nach einer Wurzel aus ...

Also noch ein Schnitt auf Ebene S4, wie gesagt unterhalb der ersten großen Nebenwurzel.

Bilder 43a-b: Wurzel auf Schnittebene S4, Bild 43b mit Beschriftung und Maßstab. Stapel aus je 76 Bildern


Was soll ich sagen? Für mich schaut das noch immer nicht nach einer - nicht mal tertiären - Wurzel aus, eine Endodermis ist zum Beispiel nicht zu erkennen. Nur die zwei Stelen setzen sich weiter fort.

Hier muss ich passen: mir fehlt eine vergleichende Beschreibung oder Schnittbilder älterer Arbeiten. Handelt es sich hier um eine Besonderheit bei Welwitschia oder hätte ich noch tiefer schneiden müssen? Wenn jemand Zugriff auf entsprechende Literatur hat würde ich mich sehr freuen, wenn er diese hier im Thread benennt.

Der Blattansatz

Eines fehlt nun aber noch: ein Längsschnitt durch den Blattansatz mit den beiden Blattbasen und deren Meristemen. Zunächst ärgere ich mich maßlos, dass ich beim Zurichten der Probe keine Makroaufnahmen gemacht habe. Das Bild der grünen Blätter in ihren Hypocotylgruben aus weisslichem Gewebe hätte ich sehr gerne gezeigt.
Im Handzylindermikrotom konnte ich einen Schnitt machen, dann war ich am Anschlag. leider war der Schnitt als Begradigungsschnitt gedacht und ist zu dick. Aber man muss nahmen, was man hat.
Die Probe ist aber mittlerweile fixiert und ich werde eine Kollegin oder einen Kollegen vom MKB darum bitten, Parafinschnitte zu machen.

Hier die Bilder:

Bilder 44a-d: Wachstumsfurchen der Blätter von Welwitschia mirabilis, Bild 44c mit Beschriftung und Maßstab, Bild 44b vom frischen, ungefärbten Schnitt, Bild 44d Polarisationskontrast. Stapel aus 60, 80 und 90 Bildern




Bedingt duch die Dicke des Schnitts sind die feinen Meristemzellen an den Blattbasen nicht auszumachen, das wilde Gewirr der Leitbündel zeigt jedoch, dass diese besonders gut versorgt werden, zumal von hier aus ja auch die Versorgung des gesamten Blattes erfolgt. Im Längsschnitt zeigen sich auch schön die sklerenchymatischen Idioblasten, die wir bei Welwitschia aus allen Pflanzenteilen kennen.

Ich hoffe, dass ich hier bald bessere Bilder von den Wachstumszonen zeigen kann und dass jemand Zugriff auf weiterführende Literatur zum Aufbau von Spross, Hypocotyl und Wurzel hat und diese hier benennen kann.
Bis dahin vielen Dank fürs lesen, Anregung und Kritik sind wie immer willkommen.

Herzliche Grüße
Jörg

Literatur:

[1] Welwitschia mirabilis - Eine ökophysiologische Betrachtung
    Maik Veste, Cottbus; Werner B. Herppich, Potsdam
    Naturwissenschaftliche Rundschau, 61. Jahrgang, Heft 12, 2008
    S. 621

[2] The anatomy and morphology of the leaves and inflorescences of Welwitschia mirabilis
    M. G. Sykes, Philosophical Transactions of the Royal Society of London,
    Series B 201: Seiten 179-226, 1911
    Seite 211 unten: "Double origin of the bundles supplying the appendages"
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Fahrenheit

Liebe Pflanzenfreunde,

da ich bisher keine Antworten erhalten habe, fürchte ich, dass meine im Text versteckten Fragen untergegangen sind und daher möchte ich sie hier wiederholen:
- kennt jemand Bilder oder Artikel im Netz, die Spross, Hypocotyl und / oder Wurzel von Welwitchia mirabilis zeigen?
- Vielelicht gar eine mikroskopische Erstbeschreibung der Pflanze?
- Oder weiterführende Literatur zur Welwitschie?

Ich würde mich sehr freuen, auf diesem Weg hinweise zu neuem "Lesefutter" zu bekommen, um vielleicht die eine oder andere Frage zu klären, die die Schnitte aufgeworfen haben.

Allen vielen Dank und herzliche Grüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Fahrenheit

Liebe Pflanzenfreunde,

noch einmal möchte ich den Faden zu Welwitschia mirabilis wieder aufnehmen und die noch offen gebliebenen Fragen klären.

Da war zunächst die Suche nach einer Arbeit rund um Wurzel, Hypokotyl und Stamm der Welwitschie, um den interessanten Verlauf und die Form der Leitbündel klären zu können. Prof. Carlquist, der zum Thema veröffentlicht hat, war so freundlich, mich auf das offensichtliche hin zu weisen (da holt einen dann der Laie wieder ein :) ): Die Enxyclopedia of Plant Anatomy. Das ist ein Regalfüller, den man in Uni-Bibliotheken findet. Interessant ist ein kleines Buch aus dem Speziellen Teil (Band 12, Teil 2):

Les Gnétophytes
Encyclopedia of plant Anatomy
P. Martens
Verlag Gebrüder Bornträger, 1971
ISBN 3 443 14005 X

Leider bin ich des Französischen nicht mächtig, aber immerhin, die Bildunterschriften sind auch in Englisch abgedruckt. Der hübsche kleine Band in roter Leinenbindung mit Goldprägung wartete bei BOL für 1,70 Euro auf einen neuen Besitzer, ich hoffe, er fühlt sich bei mir wohl. Neben anderen Gnetales ist Welwitschia darin auf 95 Seiten sehr akribisch beschrieben. Erwähnen möchte ich noch, dass Prof. Carlquist, gemeinsam mit den Professoren W. Zimmermann, P. Ozenda und D. Wulff zu den Herausgebern der Encyclopedia of Plant Anatomie gehört. 

Eine Zeichnung aus dem Band 12 möchte ich hier zeigen:

Bild 45: Fig. 59 aus Les Gnétophytes, P. Martens, 1971 [13] - Leitbündelverlauf in Wurzel, Hypocotyl und Spross von Welwitschia mirabilis


Wir sehen Querschnitte durch Wurzel, Hypokotyl und Stamm, die genau das abbilden, was ich auch in meinen beiden Jungpflanzen gefunden habe. Insbesondere die Zeichnungen G und H geben die Lage der Leitbündel im Hypokotyl und Spross meiner Schnitte schön wieder. Rätsel gelöst - es war nie eins.

Zur Kreuzung der Leitbündel unterhalb der Hypokotylgruben mit den Blattansätzen wird man ja auch bei Sykes (siehe im Thread weiter oben) fündig.


Blattansätze in den Hypokotylgruben

In den Bildern 44 hatte ich im April ja einige sehr grobe Schnitte zu den Hypokotylgruben gezeigt. Im Sommer dann war Marion Schemann vom MKB so nett, die verbliebenen Proben für einen Paraffinschnitt auf dem Rotationsmikrotom vorzubereiten und am 01.11. war es so weit: ich durfte unter ihrer Anleitung schneiden, das Strecken und Aufziehen hat sie selbst übernommen. Zuhause angekommen, habe ich die Schnitte dann zu Ende präpariert. Hier kurz das Protokoll:

- Aufgezogene Schnitte im Färbetrog mit Xylol gespült, um das Paraffin zu entfernen
- Stufenweises Anfeuchten durch Spülungen mit Isopropanol, Ethanol 70%, 50%; 30% , Aqua dest.
- Durchführung der Färbung im Trog:
  W3Asim I Lösung 1:30 verdünnt mit Aqua dest. für 60 Minuten
- Spülen mit Aqua dest. im Trog
- Entwässern mit Isopropanol rein im Trog, 2 * wechseln
- Entwässern mit Isopropanol rein (mehrfacher Wechsel, auf dem OT)
- Eindecken mit Euparal

Die Färbedauer von 60 Minuten war hier zu kurz, die Farben sind etwas blass. Die doppelte Zeit oder mehr wäre angebracht gewesen.

Trotz Allem sind die Schnitte gut geworden und machen sogar eine Korrektur im Vergleich zu den alten Bildern nötig.

Bilder 46a,b: Hypokotylgruben in der Übersicht, Bild 46b mit Beschriftung; alle Aufnahmen gestapelt


Wir sehen die beiden Hypokotylgruben, aus denen die zwei Blätter der W. mirabilis entspringen. Darunter, im Bild unten rechts, die wild durcheinander verlaufenden Leitbündel, die sicher stellen, dass jedes Blatt aus beiden Leitbündelsträngen der Wurzel versorgt wird. In der Mitte zwischen den Blättern die Krone oder der Grat: das Gewebe zwischen den Blättern, aus dem die Blütenstände entspringen. Am basalen Ende der beiden Blätter finden wir Bereiche, in denen sehr viele kleine Zellen dicht an dicht liegen, was auch schön an den Zellkernen zu erkennen ist. Dies führt mich zur angekündigten Korrektur: die Meristeme (Mer), die für das stetige Wachstum der Blätter sorgen, liegen meines Erachtens somit nicht wie oben unter den Bildern 44 beschrieben, am Fuß der Blätter, denn dort finden wir einfache Parenchymzellen, die keine erhöhte Teilungstätigkeit zeigen.
Auch wieder mit dabei: die Sklerenchym-Idioblasten mit den aufliegenden Calciumoxalat-Kristallen, die wir uns nachher noch einmal ansehen. 

Schauen wir uns zunächst das basale Ende eines Blattes mit dem Meristem etwas genauer an:

Bilder 47a,d: Basales Blattende mit Meristem und Leitbündel, Bilder 47b&d mit Beschriftung; alle Aufnahmen gestapelt




Das meristematische Gewebe ist schön an den vielen kleinen Zellen zu erkennen. Dort findet das Blattwachstum durch immer währende Teilung statt. Welwitschia kann über 2000 Jahre alt werden und die Blätter wachsen ständig. Die Bilder 47a&b zeigen ein Leitbündel, dass diesen Bereich durchquert, um die Versorgung des Blattes sicher zu stellen. Auch hier muss ein entsprechendes Wachstum stattfinden.

Bilder 48a,b: Leitgewebe unterhalb der Hypokotylgruben, Bild 48b mit Beschriftung; alle Aufnahmen gestapelt


In dem Gewirr ist an einer Stelle eine Zellgruppe zu erkennen, die auf Tracheen hinweisen könnte (Tr?), eine Besonderheit bei Welwitschia mirabilis, da diese eigentlich in dieser Ordnung nicht zu erwarten sind.

Die Krone kann durchaus aus geteilten Lappen bestehen und am Rande des Stammes in den Spalt zwischen beiden Blättern hinein ragen:

Bilder 49a-f: geteilte Krone und Rand, Bilder 49b,d&f mit Beschriftung; alle Aufnahmen gestapelt






In den ersten vier Bildern sehen wir eine geteilte Krone, die sich überlappt. Der Pfeil in Bild 49d weist auf ein Abschlussgewebe, es handelt sich also nicht nur um einen Riss im Schnitt wie im Blatt unterhalb. Die Bilder 49e&f hingegen zeigen eine Situation, wie sie am Rand des Stammes auftreten kann: die Krone ragt in die Lücke zwischen beiden Blättern hinein, die sich darunter fast berühren.
Trotzdem wir hier nicht mehr direkt in die Hypokotylgruben schauen: auch in diesem Abschnitt weisen die Blätter meristematisches Gewebe auf - erkennbar an den kleinen Zellen.

Zum Schluss werfen wir noch einen Blick auf die sklerenchymatischen Idioblasten, die wir auch aus den adulten Blättern kennen.

Bilder 50a,b: Sklerenchymatische Idioblasten im Querschnitt, Bild 50b mit Beschriftung; alle Aufnahmen gestapelt


Die Aufnahme ist mit parallelen Polfiltern entstanden, sodass sich die rautenförmigen Calciumoxalat-Kristalle schön abheben.

Vielen Dank fürs Lesen, Anregung und Kritik sind wie immer willkommen.

Herzliche Grüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Alex H.

Hallo Jörg,

wieder mal ein sehr interessanter Bericht, auch wenn es mir als langjährigen Sukkulentensammler spätestens beim Bild mit den Schnittebenen die Zehennägel aufrollt  ;)
Ich habe nämlich selber mal vergeblich versucht die Art aus Samen zu ziehen.

Grüße
Alex
Botanik, vorrangig heimische Wildpflanzen, die Morphologie der Sporen, Pollen, Blüten, Früchte und Samen, Blütenökologie, Kryptogamen im Allgemeinen;
Stereolupe: optimiertes LZOS MBS-10; Mikroskop: gut ausgestattetes LOMO Biolam;

Fahrenheit

Lieber Alex,

danke für Dein Lob!
Ein wenig schlechtes Gewissen hatte ich schon, andererseits sind von den 5 Pflanzen 3 in Darmstadt bzw. Bonn gelandet und eine Welwitschia zuhause zu kultivieren ist zumindest nicht einfach und wegen der notwendigen Heizung und Beleuchtung auch nicht ganz billig. Und das war eine einmalige Gelegenheit, neben dem Blatt auch Wurzel und Spross dieser faszinierenden Pflanze mikroskopisch aufzubereiten.

Herzliche Grüße
Jörg
Hier geht's zur Vorstellung: Klick !
Und hier zur Webseite des MKB: Klick !

Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM