Ein kleiner Ausflug in die Mikrochemie

Begonnen von Reinhard, November 21, 2015, 20:19:12 NACHMITTAGS

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Reinhard

Hallo Freunde,

nur damit ihr nicht denkt, daß Mikroskope bei mir nur als Buchstützen dienen, hier ein paar Bilder über einen Randbereich der Mikroskopie, mit dem ich mich, mit wachsender Begeisterung befasse: der Mikrochemie.
Dieser Bereich der Chemie entwickelte sich stärker etwa zu Beginn des 20.Jahrhunderts und ist mit Namen wie Donau, Emich, Weisz, Benedetti-Pichler, Gorbach, Korenmann, Maljarow u.a. verbunden.
Die Reaktionen finden in eigens für die Mikrochemie geschaffenen Geräten oder auf z.B. Objektträgern statt.
Es können nahezu alle Vorgänge der Makrochemie in die Mikrochemie übertragen werden, so z.B. auch Destillationen und Extraktionen.

Als kleine mikrochemische Spielerei möchte ich die Trennung der Legierung "Neusilber" in ihre Bestandteile Kupfer, Nickel und Zink vorstellen.
Zunächst wurde ein kleines Drehspänchen der Legierung in 2m HCl und H2O2 gelöst.

Ein 20 uL-Tröpfchen dieser Lsg. wird auf dem OT mit einigen Stäubchen Fe (Bild 1)



an einem zugeschmolzenen Kapillarröhrchen versetzt und auf der Sparflamme eines Brenner kurz erhitzt.
Die grüne Lösung entfärbt sich weitgehend und unter dem Mikroskop sieht man wunderschöne Kupferkristalle entstehen. (Bild 2)



Mittels einer Kapillare, einer Saugvorrichtung und eines 2 x 2 mm großen Filterpapierstückchens wurde der Überstand abgezogen und ebenfalls auf dem OT abgesetzt.



Nachdem ein 3 uL großer Tropfen einer Lösung von Dimethyldioxim in Ethanol zum Filtrat zugesetzt wurde, erfolgte eine leichte Ammoniakalisierung und sofort fallen die typischen himbeerfarbigen Nadeln des Nickel-DMD aus, die als spezifischer Nachweis für Nickel stehen.






Nun bleibt also noch der Nachweis des Zinks.
Den möchte man, wie ihr sicher noch vom Chemie-Unterricht wisst, gerne mit Kaliumhexacyanoferrat(III) (KHCF) führen, aber da kommt uns leider das Eisen in die Quere, das für die Abscheidung des Kupfers zugegeben wurde.
Dieses bildet nun mit dem KHCF einen schönen blauen Farbstoff (Turnbullsblau) , der zwar ein schöner Fe-Nachweis ist, leider aber die Fällung als Zink-Komplex völlig überlagert.

Aber die Chemie bietet viele Auswege:
In den beiden letzten Bildern sieht man zunächst die gesamte "Schlachtplatte", so wie sie am Ende vorliegt, dann am Ende den Nachweis des Zn als Zn-Dithizonat.
Hierzu wurde das erneute Filtrat mit einem Tropfen einer Lösung von Dithizon in CHCl3 versetzt und man sieht im Inneren des fast pflanzenschnittartigen Präparates das Zn-Dithizonat.
Der grüne Rand besteht aus eingetrockneten Dithizon.






Wem das alles noch zu große Stoffmengen sind, dem sei gesagt: Es geht noch viel kleiner in der Ultramikrochemie
Aber das ist eine Geschichte, die ich Euch das nächstemal erzähle.  ;) ;)

viel Spaß an der Mikrochemie

Reinhard
seit wann ist Kunst ein Fehler ?



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Peter V.

#1
Lieber Reinhard,

Danke für Deinen schönen Beitrag. Ich wollte Dich immer schon einmal fragen, was es eigentlich mit Deiner Mikro-Alchemie auf sich hat und wie ich mir das genau vorzustellen haben. Nun weiß ich's. Schön, wenn man so trefflich zwei Interessen miteinander verbinden kann.
Allerdings muss ich zugeben, dass ich (zumindest früher) der Makrochemie mit größerer Begeisterung zugewandt war und ein Objektträger auf mich doch nicht so einen sinnlichen Reiz ausübt wie Kolben und Destillationsapparaturen. Das ist ja ein wenig wie Carrera-Bahn statt Nürburgring  ;)
Dennoch: ich würde mich sehr freuen, wenn Du uns noch öfter an Deinen mikrochemischen Versuchen teilhaben lässt. Ganz uninteressant ist es ja nicht  ;)

Herzliche Grüße
Peter

Dieses Posting ist frei von kultureller Aneigung, vegan und wurde CO2-frei erstellt. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

Reinhard

#2
Hallo Peter,

die Mikrochemie wird (wurde), so wie ich das sehe, für zwei Aufgaben eingesetzt:
zum einen sollte mit ihrer Hilfe winzigste Mengen einer Substanz in starken Verdünnungen nachgewiesen und bestimmt werden
zum anderen sollten Reaktionen mit winzigen Mengen in Konzentrationen erfogen, die später dann auch in größeren Maßstäben verwendet werden sollten.
Wenn also die Substanz selbst nur in Mikrogramm (oder weniger!)-Mengen vorliegt, macht das dann erforderlich, auch extrem kleine Flüssigkeitsmengen einzuseten, damit die Konzentration die gleiche bleibt.

Die Geburtsstunde der Ultramikrochemie war die Isolierung des ersten künstlichen Elementes "Plutonium" aus (mit Neutronen und Deuteronen aus einem Kreisbeschleuniger) bestrahltem Urans durch Glenn T. Seaborg et.al. in den frühen 40er Jahren.
Es bedurfte mehrere Jahre intensivster Arbeit, bis schließlich eine Menge Pu hergestellt wurde, die gerade noch mit bloßem Auge sichbar war.
Die Chemie hierzu wurde als Ultramikrochemie bezeichnet ind fand überwiegend in dünn ausgezogenen Kapillarröhrchen statt, die mit Mikromanipulatoren gefüllt und entleert wurden.
Wägungen erfolgten an Waagen aus nahezu unsichtbaren Quarzfäden, sodaß es damals als "das Wägen von unsichtbaren Stoffmengen mit unsichtbaren Waagen" bezeichnet wurde.

Nun ja, einen Vorteil hat das alles:
Wenn man versehentlich einen kompletten Ultramikrochemischen Ansatz verschluckt, ist das ärgerlich, aber ungefährlich.  ;D ;D ;D

schönen Abend noch
Reinhard
seit wann ist Kunst ein Fehler ?



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Klaus Herrmann

Lieber Reinhard,

da geht mir das Herz auf. Wir haben ja schon im analytischen Praktikum mit Halbmikromethoden gearbeitet. Man musste mit gemein kleinen Mengen auskommen. Die Zeit der Auslese unterm Stemi war schnell vorbei als der Praktikumsleiter das gemerkt hat, dann gab es nur noch fein pulverisierte Proben. Am Ende gabs dann immer noch Chemie zum Anfassen: die Herstellung von 5 Literaturpräparaten.

Besonders gefallen mir die Cu-Dendriten: eine super Aufnahme. Das Ni-DiAc ist immer so feinnadelig, da bekommt man keine schönen Bilder.

Bei der Liste der Mikrochemiker darf Kofler nicht unerwähnt bleiben, seine Untersuchungen zum Schmelzverhalten unzähliger Substanzen waren eine wichtige Methode zur Identifizierung - heute fast vergessen, weil die Spektroskopie natürlich eindeutiger ist und mit kleineren Substanzmengen auskommt.
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


Vorstellung: hier klicken

Carsten Wieczorrek

Hallo Reinhard,

ein sehr schöner Bericht, weiter so.
Natürlich sind mir die Reaktionen  alle bekannt. ich habe sie auch alle reichlich durchgeführt. Im Becherglas.
Leider habe ich das so während meines Studiums nicht gelernt. So in etwa mit meinem Diplom wurde in Köln im gefürchteten "Bilz-Praktikum" die Mikrochemie eingeführt.
Vermutlich aus kostengründen  ;D

Wann kommen die Bilder/Bericht der Festphasenextraktion?

Carsten
Für's grobe : GSZ 1
Zum Durchsehen : Amplival Hellfeld, Dunkelfeld, INKO, Phasenkontrast
Zum Draufsehen : Vertival Hellfeld, Dunkelfeld
Zum Polarisieren : Amplival Pol u Auf-/Durchlicht
Für psychedelische Farben : Fluoval 2 Auflichtfluoreszenz
Für farbige Streifen : Epival Interphako

Reinhard

Hallo Klaus, hallo Carsten,

danke für Eure Zustimmung.
Neben Kofler wurden auch andere bisher nicht erwähnt;
so gehören natürlich auch Feigl mit seiner "Tüpfelanalyse", Behrens, Geilmann, Pregl, Alimarin und viele andere dazu.
Interessante Details und Techniken zur Ultramikrochemie (UMC) findet man auch in den ausführlichen Tagebüchern von Seaborg: "The Journals of Prof. Glenn T. Seaborg 1939-1946".
Grundsätzlich ist UMC nur mithilfe von Mikromanipulatoren und Mikroskop möglich, während die Mikrochemie, z.B. im Rahmen der "Tüpfelanalyse" (Feigl) oder der "Ringofentechnik" (Weisz) oft sogar ohne Mikroskop auskommt.

Wichtig ist auch ein versierter Glasbläser, wie ich ihn nun endlich (nach vielen Sackgassen) in der Person des Herrn Krannich (Thomas Krannich/Altenfeld/Thüringen) gefunden habe, der unter anderem kleine und kleinste "Spitzbodengläschen" nach Maß anfertigt.
Aus England sind passende Mikromanipulatoren und ein spezielles Mikroskop unterwegs.
Es gibt viel zu tun. ;)

schönen Sonntag
seit wann ist Kunst ein Fehler ?



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Peter V.

#6
Lieber Reinhard,

das ist ja eine interessante Firma. Offenbar ein winziger Familienbetrieb (evtl. sogar Einmannbetrieb?) mit einem unglaublichen Portfolio von wissenschaftlichen Apparaturen aller Art bis zum schlimmsten Glas"kitsch". Macht der das alles allein? Wahnsinn!

Aber wenn Du ihn kennst, sollten Du Herrn Krannich vielleicht einmal darauf hinweisen, dass - wieso auch immer - das Anklicken des Links auf seiner Webseite in dieser Passage

ZitatMitwirkender beim Ziehen der "längsten Glasröhre der Welt"
    am 30.06.2007 in Neuhaus am Rennweg (Länge der Glasröhre 225,70 m)
    Nähere Informationen erhalten Sie unter: www.herrnhaus.de

zu einer Sex-Datingseite führt! Ich denke nicht, dass das beabsichtigt ist. ;)

Herzliche Grüße
Peter

PS: Wenn Dein Mikrochemie-Labor komplett ausgerüstet ist, darfst Du uns auch gerne mehr von davon zeigen.
Dieses Posting ist frei von kultureller Aneigung, vegan und wurde CO2-frei erstellt. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

reblaus

Hallo Reinhard -

das erinnert mich mit Rührung an mein chemisches Praktikum anhand des Jander-Blasius (war ein rotes Buch - hieß das so?). Natürlich sollte klassisch im Makromaßstab gearbeitet werden um während der H2S- bzw. der (NH4)2SO4-Gruppe des Chemikers Ehrenkleid mit Löchern zu versehen und ihn als Mitfahrer in der Straßenbahn unwillkommen zu machen.
Aber es wurden doch hin und wieder unerlaubte Tricks verwendet um Substanzen direkt aus dem Gemisch zu bestimmen - Klaus hat schon auf einen hingewiesen. "Unerlaubte" Reagenzien gehörte auch dazu, Kleinmaßstab deshalb, weil deren Besitzer sie oft nur in Krümeln abgeben konnten - der Name Dithizon (er war mir entfallen) hat mich daran erinnert.
Ich nehme an, dass diese verwerflichen Handlungen von Veranstaltern und Betreuern des Praktikums mit eingeplant waren, sie förderten schließlich Eigenstudium und -initiative der Studenten.

Solch bunten Bilder wie sie  Du sie zeigst, waren leider nicht möglich, halt nur Flecken auf Papier oder OTs. Bin schon gespannt was noch alles kommt!

Viele Grüße

Rolf

treinisch

Hallo,

sehr schön! Danke fürs zeigen!

Bei uns gab es im Grundpraktikum ein Mikroskop und man durfte wenn man wollte auch Nachweise mikrochemisch machen. Wollte nur niemand. Obwohl im bereits genannten Jander-Blasius ja auch extra darauf eingegangen wird und es nur Vorteile bietet: Fast kein Substanzverbrauch und viel spezifischer als nur der Befund ,,Niederschlag". Selbst Calcium als Gips wird so zu einem selektiven und spezifischen Nachweis :-)

vlg
Timm
Gerne per Du!

Meine Vorstellung.

wilfried48

Zitat von: reblaus in November 22, 2015, 10:31:52 VORMITTAG
...
das erinnert mich mit Rührung an mein chemisches Praktikum anhand des Jander-Blasius (war ein rotes Buch - hieß das so?)
...

Hallo Rolf,

ja der hieß so, bei mir war er allerdings blau. Ich habe ihn noch, im innern haben allerdings manche Seiten alle möglichen farbigen chemische Reaktionsflecken. Erst viel später habe ich entdeckt, das da auch schon mikroskopische Abbildungen drin sind.
Wir haben natürlich damals auch schon versucht unterm STEMI vorzusortieren, um nicht den kompletten Trennungsgang kochen zu müssen.
Physiker wollen halt immer physikalische Verfahren anwenden  ;D. Manchmal ging das auch, aber meistens waren die Substanzen doch zu fein und gut durchmischt. Aber ein Handspektroskop hat manchmal auch gute Dienste geleistet, damit man etwas mehr Zeit in der Studentenkneipe anstatt im Labor verbringen konnte  ;D

viele Grüsse
Wilfried
vorzugsweise per Du

Hobbymikroskope:
Zeiss Axiophot,  AL/DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Axiovert 35, DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Universal Pol,  AL/DL
Zeiss Stemi 2000 C
Nikon Labo-/Optiphot mit CF ELWD Objektiven

Sammlung Zeiss Mikroskope
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=107.0

olaf.med

#10
Lieber Reinhard,

ganz toll! Solltest Du Dich an dieser Art der Mikrochemie sattgekocht haben, schlage ich als nächsten Schritt den Einstieg in die "Lötrohrprobierkunde" vor. Die ist leider auch schon völlig vergessen, aber durchaus wert wiedererweckt zu werden.

Herzliche Grüße,

Olaf
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

wilfried48

#11
Lieber Reinhard,

ganz toll, da bekommt man direkt Lust selbst unter dem Mikroskop zu experimentieren.

Aber leider ist das nur auf dem Objektträger mikro. Drumherum braucht man dann doch noch ein entsprechend vielseitiges und grösseres Chemikalienlager.

Wurde eigentlich im forum schon mal auf diese faszinierende Mikrochemieseite hingewiesen ?

http://www.mikrohamburg.de/HomeChemie.html

Würde da eigentlich nicht ein Umkehrmikroskop Vorteile bringen ?

viele Grüsse
Wilfried

vorzugsweise per Du

Hobbymikroskope:
Zeiss Axiophot,  AL/DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Axiovert 35, DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Universal Pol,  AL/DL
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Sammlung Zeiss Mikroskope
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knipser009

hallo

der "blaue Bla" und der "rote Bla", das waren wohl in den 60-70iger die Bücher der Analytischen Chemie für die studentische Ausbildung in Chemie. Ich erinnere mich noch gut an die Vorlesungen von Prof. Blasius an der Uni Saarbrücken, in denen er nicht müde wurde, auf die Mikroreaktionen unter dem Mikroskop hinzuweisen.
Viele Grüße aus dem SaarPfalzKreis

Wolfgang
gerne per "Du"

ruhop

Hallo, Reminiszenten des Jander-Blasius.

Das Buch gab es in roter und blauer Ausführung. Rot war die etwas kompliziertere Ausführung für das anorganisch Anfängerpraktikum der "Vollchemiker". Blau war bestimmt für die "Halbchemiker" wie z. B. Biologen und Geologen. Es war entsprechend simpler. In beiden Büchern gab es Fotos von charakteristischen Kristallisationen wie z. B. die "Sargdeckel".

Schönen Sonntagsgruß vom Halbchemiker aus dem Hintertaunus

Holger

Cluster001

Ein toller Bericht!
Interessant, wofür man Mikroskope alles einsetzen kann.

Und als Bitte: Mehr davon. :)
Leica DM 750