Mikroskope aus Kaassel: BECK, Hertel & Reuss

Begonnen von plaenerdd, Oktober 14, 2017, 20:10:03 NACHMITTAGS

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plaenerdd

Hallo,
ich habe heute ein Mikroskop auf dem Fohmarkt gekauft und wurde beim Zerlegen und Reinigen sehr überrascht, wie gut durchdacht und verarbeitet es doch ist. Von der Firma Beck auch Kassel hatte ich bisher noch nichts gehört und auch im Forum nur diesen Faden gefunden, in dem die Firmengeschichte ein ganz klein wenig beleuchtet wird. Aber zum Mikroskop, das auf den ersten Blick als Schülermikroskop daher kommt:




Was als erstes ins Auge springt sind die recht unkonventionellen Fokussiertriebe, die an den Feintrieb Typ "Scheibe" an den neueren LOMO-Biolam-Mikroskopen erinnern. Jedoch steckt da eine viel ausgeklügeltere Mechanik dahinter. Der Grobtrieb bewegt den Tisch mit dieser groben Spindel:


Die Unterseite der Spindel enthält eine Spirale in der ein Wegbegrenzer läuft:


Der Grobtrieb mit dem Tisch an der Spindel ruht auf dem Feintriebt (große Scheibe), der diese ganze Konstruktion sehr feinfülig um ca. 2mm hoch und runter bewegt. Auch der Feintrieb hat einen Begrenzer.


Überrascht war ich, was sich alles einzeln zentrieren lässt: Kondensor mit Irisblende und Filterhalter, Objektivrevolver und Tubus. Der Kondensor hat auch noch eine Einstellschraube, mit dem sich seine Maximalhöhe begrenzen lässt.

Interessant fand ich auch die Objektivkombination: 10/0,30; 30/0,40; 60/0,85 und 100/130, wobei die beiden stärksten Objektive gefedert sind, um das Präparat zu schonen. Sie liefern ein sehr schön klares Bild mit geringer Bildfeldwölbung.

Der schöne Hammerschlaglack und die Art der Beleuchtung lassen eine Herstellung in den 1960er Jahren vermuten:


Dass Lampenhaus und Triebmechanik mit einer kleinen Astbestplatte hitzetechnisch voneinander getrennt sind, ist ein weiterer Hinweis auf ein relativ hohes Alter des Gerätes. Die Beleichtung schreit natürlich nach einem LED-Umbau oder wenigstens nach einer matten 250V Lampe (E14-Fuß).
Leider fehlt die Glasscheibe vom Lichtaustritt, aber da dieser 32mm misst, passen die Zeiss-Jena-Filter dort saugend hinein, so dass ich hier erstmal einen mattierten Blaufilter plaziert habe. Köhlerbar ist das Mikroskop nicht, da es nicht über eine Leuchtfeldblende verfügt.

Weiß jemand mehr über die Firma und/oder das Mikroskop?

LG Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
Durchlicht: Olympus VANOX mit DIC, Ph, DF und BF; etliche Zeiss-Jena-Geräte,
Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
Inverses: Willovert mit Ph

Peter V.

#1
Hallo Gerd,

vermutlich wird sich Liftboy noch melden, er kennt die Firma noch aus den Zeiten, als sie prouziert hat. Wolfgang stammt ja aus Kassel oder hat zumindest lange dort gewohnt.
Es gibt das Mikroskop aber auch noch in einer "Laborversion", ich habe es leider so tief im Schrank vergraben, dass ich jetzt auf die Schnelle keine Luste hatte, es zu "bergen" und habe es deshalb im Schrank fotografiert. Hier mit Binotubus und Objektführer ausgestattet.



Beck Kassel hat auch ein Mikroskop hergestellt, dass  auf den ersten Blick dem Standard ähnlich sieht.

(Bild aus Ebay über google)

Hier sehe ich gerade, dass auch schon einmal jemand im Forum ein Bild von diesem Gerät gepostet hat.

http://www.mikroskopie.de/mikroforum_2/index.php?topic=11811.msg87395#msg87395


Herzliche Grüße
Peter
Dieses Post wurde CO2-neutral erstellt und ist vegan. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

plaenerdd

#2
Hallo Peter,
danke für die Ergänzungen! Am Tisch von meinem Gerät sind auch noch 2 Schrauben, an denen wohl mal eine Objektführung montiert war. Das Gerät würde ich auch als einfaches Labormikroskop ansprechen, wobei es der Minotubus eher zum Schülermik macht. Aber die Optik ist nicht ganz schlecht.
LG Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
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Carlos

Hallo Gerd,
ZitatKöhlerbar ist das Mikroskop nicht, da es nicht über eine Leuchtfeldblende verfügt.
Eins meiner ,,Ortholuxe" hat auch keine Leuchtfeldblende ( dafür aber einen Berek-Kondensor mit Apertur- und Leuchtfeldblende, damit man ,,köhlern" kann).
Mit einer kleinen, verstellbaren  Irisblende, auf den Lichtaustritt im Stativfuß gelegt, ,,köhlere ich hier aber hauptsächlich mit Kondensoren ohne Leuchtfeldblende. (Der Kondensor muss dazu nur geringfügig höhenverstellbar sein.) Ich benutze diese Kombination hauptsächlich zur Einstellung ,,schiefer Beleuchtung" aus unterschiedlichen Richtungen und -Blendenformen. Dazu muss ich lediglich die Irisblende vorsichtig per Hand entsprechend ,,dezentrieren" und/oder die Blendenöffnung entsprechend verändern.
P.s. Derartige ,,Irisblenden" werden bei Ebay für wenige € auch in unterschiedlichen Größen angeboten. Z.T. stammen die aus alten Kameras.
Gruß Carlos

Silber_und_Licht

#4
Guten Morgen!

Vielleicht noch zur bloßen Ergänzung: Die Firma Carl Beck (&) Söhne stellte außer Mikroskopen auch Ferngläser her, die zwar sicher in letzter Konsequenz nicht mit Zeiss konkurrieren konnten, aber es zu ihrer Zeit möglich machten, sehr ordentliche Gläser zu wenigstens halbwegs bezahlbaren Preisen zu erwerben. So waren die seinerzeit von Vogelkundlern begehrten Beck "Tordalk" 11x80, 15x80 und 22x80 im Programm. Als die Firma liquidiert wurde - es gab wohl personell keinen Nachfolger in der Chefetage, wie mir mal erzählt wurde - übernahm die auch in Kassel ansässige Firma Hertel&Reuss das Programm und führte es teilweise weiter. Die Tordalken beispielsweise waren noch bis weit in die 1990er Jahre zu haben. Das 15x80 stand etwa 1992 für rund 1100 DM in Bremen in einem Jagdgeschäft. Ich selbst habe mich aber dann für das nur unwesentlich teurere 22fache entschieden, welches ich dann später einmal in einem Anflug von Wahnsinn und viel Glück mit dem 15x60 von Zeiss ergänzen konnte.

Den Tordalk besitze ich immer noch, es ist ein schönes Glas, gut verarbeitet, leicht und aufgelegt draußen gut zu handhaben. Ich hatte immer viel Spaß daran, er war für mich die erste Möglichkeit einem jagenden Fischadler auf die Fingernägel zu schauen, aber er ist in kritischen Bereichen mit hohem Kontrast recht bunt, in der Dämmerung und erst recht am Sternenhimmel kein Vergleich zum Zeiss. Ich denke, mir dem Mikroskop oben wird sich ähnlich verhalten. Trotzdem, das 11x80 würde mich auch heute noch ein wenig reizen (ähnlich wie das alte Superpan Mikroskop von Hertel&Reuss, ist zwar nicht die beste Optik, macht aber Spaß). Es ist bei hoher Vergrößerung sehr lichtstark.

Ich wünsche einen sonnigen Oktobertag!

Wolfgang

p.s.: die Firma Hertel & Reuss, welche vor Zeiten auch die Fertigung der Nickel-Zielfernrohre übernahm, ist aufgefangen worden durch die Firma Gerhardt-Optik in Naumburg in Hessen, http://jeg.de/de  man macht dort auch umfänglich Reparaturen an den alten Geräten von Hertel & Reuss. Das was ich bislang dort habe machen lassen wurde zu vollsten Zufriedenheit ausgeführt.
"Du" fänd' ich ganz in Ordnung.

das Schönste: ZEISS Lumipan
das Liebste: LEITZ Panphot II, Ortholux
das Beste: ZEISS Axiomat

eine etwas umständliche Vorstellung: www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=28652.0


plaenerdd

#6
Hallo Wolfgang,
danke für die Ergänzungen zur Firmengeschichte und zu den Ferngläsern. Wenn man "Beck Kassel" googelt kommen immer sehr viele Ferngläser und nur wenige Mikroskope.

Hallo Carlos,
danke für die Blenden-Hinweise. Ich habe die preiswerten Blenden bei e-bay auch schon entdeckt. ;)
LG Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
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liftboy

Na gut, dann will ich auch noch einen raustun :-)

Beck und Söhne hatten ihr Werk in Kassel in der Wilhelmhöher Allee. Davon ist leider nichts mehr erhalten, an Stelle des Werkes steht nun ein "Hotel".
In jungen Jahren hatte ich mir von dieser Firma einen Geradetubus für mein Lomo anfertigen lassen; hat damals in den 60ern 80DM gekostet (nicht ganz billig, aber Maßarbeit).
Die Firma ist dann später auf Grund von Absatzproblemen (wer kauft schon Kasseler Mikroskope, wo es doch Zeiss gibt) zugemacht worden. Man hatte zum Schluß noch versucht einen neuen Absatzmnarkt aufzutun, in dem man aus "Vollmessing"! hergestellte Modelle von Henschel-Dampflokomotiven gefertigt hat (voll funktionstüchtig!). Leider auch hier kein Markt. Ein Jahr später war dann zu.
In Kassel wurden sogar zu meiner Zeit noch hochwertige Mikroskope gefertigt; Hertel und Reuss, Beck und Söhne, Dr. Wöhler (da durfte ich sogar beim schleifen der Linsen zusehen!). Davon ist leider nichts mehr übrig. Die einzigen hochwertigen Geräte die noch aus Kassel kommen, sind die geodätischen Instrumente der Fa. Breithaupt (Weltführer).

Grüße
Wolfgang

ach ja, und da gibt es noch einen Reparaturdienst für Lomo-Geräte bei Kassel :-)
http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=785.msg3654#msg3654
LOMO-Service
Das Erstaunen bleibt unverändert- nur unser Mut wächst, das Erstaunliche zu verstehen.
Niels Bohr

Vorticella

Mikroskope aus Kassel (Hertel & Reuss) kenne ich aus den Abstellkammern vieler Schulen. Sie haben nie irgendjemanden Spaß gemacht. Die Optik ist echt übel – irre ich mich??? Lohnt es sich tatsächlich, eines der Schätzchen zu reinigen und tatsächlich zum Mikroskopieren zu nutzen?
Grüße aus der Vulkaneifel
Jan
P.S. Ich möchte Wolfgang nicht zu nahe treten. Evtl. waren ja manche Mikroskope aus Kassel wirklich qualitativ hochwertig.

Silber_und_Licht

Zitat von: Vorticella in Oktober 15, 2017, 21:08:58 NACHMITTAGS
Mikroskope aus Kassel (Hertel & Reuss) kenne ich aus den Abstellkammern vieler Schulen. Sie haben nie irgendjemanden Spaß gemacht. Die Optik ist echt übel – irre ich mich??? Lohnt es sich tatsächlich, eines der Schätzchen zu reinigen und tatsächlich zum Mikroskopieren zu nutzen?
Grüße aus der Vulkaneifel
Jan
P.S. Ich möchte Wolfgang nicht zu nahe treten. Evtl. waren ja manche Mikroskope aus Kassel wirklich qualitativ hochwertig.

Moin,

über die Optik vermag ich nicht wirklich etwas zu sagen. Höchstens dass, was einst in der schulischen Abstellkammer gelandet ist, mangels jedweder Pflege (und oft genug auch mangels Sachverstand des Leerkörpers ;) ) besser gleich in die Tonne gewandert wäre. Was ich da so in die Finger bekommen habe ... da war Dreck noch das geringste Problem.

Mir ist aber aus ferner Vergangenheit ein Fall bekannt, wo die Optik des Hertel und Reuss Superpan I mit sehr gutem Erfolg gegen 37mm Leitz-Optik ausgetauscht wurde und mechanisch waren vor Allem die besseren Modelle recht ordentlich verarbeitet, insbesondere wenn man heutige "moderne" Kursmikroskope dagegen hält. Ein Freund besitzt ein Stereomikroskop von Hertel und Reuss. Es ist wohl das ehemalige Oberklasse-Modell und dies ist wirklich nicht schlecht.

Gute Nacht

Wolfgang
"Du" fänd' ich ganz in Ordnung.

das Schönste: ZEISS Lumipan
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das Beste: ZEISS Axiomat

eine etwas umständliche Vorstellung: www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=28652.0

plaenerdd

#10
Hallo,
hat jemand vielleicht noch etwas genauere Jahreszahlen für mich, wann das UF1 gebaut worden sein könnte? Gibt es vielleicht irgendwo noch Kataloge von BECK? Die 5-stellige Zahl am Mikroskop zeugt ja davon, dass keine Unmengen an Mikroskopen dort gebaut wurden bzw, dass es sich um ein recht frühes Gerät handeln müsste.
@ Peter: Welche Nummer trägt denn Dein Gerät mit Bino und Kreutführung?
LG Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
Durchlicht: Olympus VANOX mit DIC, Ph, DF und BF; etliche Zeiss-Jena-Geräte,
Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
Inverses: Willovert mit Ph

Peter V.

Hallo,

ich habe nebem dem Superpan (durch das ich  - ehrlich gesagt - noch nie geschaut habe) dieses Mikroskop von Hertel und Reuss, und da ist ist in der Tat nicht schlecht. In den Schulen waren wohl die kleinen runden "Studio"-Modelle sehr verbreitet.
Allerdings glaube ich nicht, dass man Hertel und Reuss die Schuld daran geben kann, dass die Mikroskopie in den Schulen so wenig Anklag fand. Obgleich ich in den Siebzigern ein typisch nordrhein-westfälisches Durchschnittsygmnasium (also in bröckelnder Bausubstanz ohne finanzkräftigen Förderverein) besucht habe, gab es dort erstaunlicherweise moderne und hochwertige Mikroskope (Leitz SM-Lux). Allerdings kann ich mich nicht erinnern, dass diese in dem gerade zweimaligen Einsatz während unserer gesamten Schulzeit große Begeisterung bei meinen Mitschülern hervorgerufen hätten - trotz wirklich guter optischer Qualität.

Ich schaue mal, ob ich etwas an Prospektmaterial zu Beck und Hertel und Reuss finde.

Herzliche Grüße
Peter

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Silber_und_Licht

Guten Morgen Peter,

ist das runde Superpan I oder das spätere, eckige IIer in Deinem Besitz? Während ich das erstere kenne habe ich von zweiten Modell nurmehr den damaligen Prospekt.

Ich habe in der Leicafotografie (Umschau Verlag) der frühen Jahre diese Beck´schen Mikroskope des Öfteren als Bild-Anzeige gesehen, charakteristisch mit ihrem Scharfstellmechanismus. Daher sind sie mir auch nur bekannt.

Freundliche Grüße

Wolfgang
"Du" fänd' ich ganz in Ordnung.

das Schönste: ZEISS Lumipan
das Liebste: LEITZ Panphot II, Ortholux
das Beste: ZEISS Axiomat

eine etwas umständliche Vorstellung: www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=28652.0

rhamvossen

#13
Hallo,

ZitatMikroskope aus Kassel (Hertel & Reuss) kenne ich aus den Abstellkammern vieler Schulen. Sie haben nie irgendjemanden Spaß gemacht. Die Optik ist echt übel – irre ich mich???

Ja, ich denke du irst dich. Das die Schüler und ihre Begleiter keine Ahnung haben von Mikroskope und nicht wissen wie man damit  arbeitet sagt natürllich gar nichts über die Firma Hertel&Reuss. Beste Grüsse,

Rolf

Bob

Hallo zusammen,
viele kleinere Mikroskophersteller wurden von der Firma Seibert mit Optik beliefert. Fotos nach zu urteilen würde ich CBS und H&R dazu zählen. Die Objektive haben teilweise etwas ungewöhnliche Daten, z.B.30/0.60. Ich habe ein paar davon, könnte aber spontan nichts fundiertes zur optischen Leistung sagen.

Viele Grüße aus der Knallhitze in Kroatien,

Bob