Frage zum virtuellen Bild

Begonnen von Holger, Januar 26, 2018, 01:21:06 VORMITTAG

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Holger

Liebe Mikroskopie-Experten,

aufgrund einer Diskussion mit einem Bekannten, bin ich etwas irritiert bzgl. der Entstehung des virtuellen Bildes beim Mikroskopieren. :-[
Mein bisheriges Verständnis der Vergrößerung durch ein Mikroskop war folgendes:
Das Objektiv erzeugt ein reelles Zwischendbild, welches in der Zwischenbildeben innerhalb der Brennweite des Okulars liegt. Aufgrund dieser Tatsache, bildet das Okular als Sammellinse das reelle Zwischenbild nach Austritt aus dem Mikroskop im unendlichen ab, die Strahlen werden nicht gebündelt, sondern verlaufen nach Austritt aus dem Okular parallel bzw. divergent. Dennoch lassen sich diese Strahlen mit einem Blatt Papier (auf einem Schirm) als reelles Bild hinter dem Okular sichtbar machen. Beim Mikroskopieren platzieren wir an Stelle des Papiers unser Auge auf Höhe der Austrittspupille des Okulars. Die lichtbrechenden Strukturen unseres Auges sorgen nun dafür, dass das reelle Zwischenbild nun eben nicht auf dem Papier sondern auf unserer Netzhaut abgebildet wird. Das virtuelle Bild ist nun das Konstrukt unseres Gehirns, welches auf dem "reellen Lichtsinneseindruck" unserer Netzhaut basiert und sich scheinbar in rückwärtiger Verlängerung der auf das Auge treffenden Strahlen befindet.
Unterliege ich bei meinem Verständnis des virtuellen Bildes einem Fehler? Über eine erhellende Rückmeldung würde ich mich sehr freuen!

Nächtliche Grüße!

Holger       

ortholux

#1
Zitat von: Holger in Januar 26, 2018, 01:21:06 VORMITTAG
sondern verlaufen nach Austritt aus dem Okular parallel bzw. divergent. Dennoch lassen sich diese Strahlen mit einem Blatt Papier (auf einem Schirm) als reelles Bild hinter dem Okular sichtbar machen

Hallo Holger,

ein virtuelles Bild kann nie auf einem Schirm abgebildet werden.

Die parallelen Strahlen ermöglichen ein ermüdungsfreies Arbeiten, da wir mit entspanntem Auge nach unendlich schauen.
Parallele Strahlen erzeugen aber kein Bild. Sie sind ja parallel. Parallelstrahlen entstehen aus Brennstrahlen. D.h., das Zwischenbild liegt in der Brennebene des Okulars.

Wenn Du nach dem Okular ein Bild auf einem Papier einfängst, dann handelt es sich nicht mehr um Parallelstrahlen. Bei einer solchen Okularprojektion wird immer (auf die Betrachtung mit dem Auge bezogen) etwas defokussiert. Das Zwischenbild liegt also nicht mehr in der Brennebene des Okulars sondern davor.

Vielleicht liegt da Dein Denkfehler?

Herzliche Grüße
Wolfgang

Lupus

Hallo Holger,

ich vermute dass Du den Satz, dass man die Strahlen mit einem Blatt Papier hinter dem Okular auffangen kann, eventuell anders als Wolfgang gemeint hast, ohne nachfokussieren?

Das "Bild", das man direkt hinter dem Okular sieht, ist dann nur die Leuchtfläche der Austrittspupille. Da die Strahlen des reellen Zwischenbildes parallel austreten, liegt das vom Okular erzeugte reelle Bild im Unendlichen, wo man es nicht auffangen kann. Das Mikroskopbild ist daher ein Grenzfall zwischen reellem und virtuellem Bild, man könnte genauso gut sagen, ein virtuelles Bild liegt vor dem Betrachter im Unendlichen. Das Auge bildet das im Unendlichen liegende Bild wieder in seiner Brennebene auf der Netzhaut als reelles Bild ab.

Dass das Bild dann im Gehirn verarbeitet wird ist eine andere Sache, aber diesen Prozess kann man nicht als Erzeugung eines virtuellen Bildes bezeichnen.

Hubert

reblaus

#3
Hallo -

es wurde schon darauf hingewiesen, dass dieses ganze Modell (das Okular projiziert das Zwischenbild ins Unendliche) nur stimmt, wenn alle Vorgaben auf welche Objektive und Okular optimiert wurden auch genau eingehalten werden.
Man kann ja tatsächlich mit dem Okular ohne Hilfsmittel in die Nähe projizieren, wenn man es etwas anhebt, also vom Zwischenbild entfernt - dann wird eben dessen vorgesehene Brennweite nicht eingehalten.
Man kann auch das Objektiv weiter vom Objekt entfernen als vorgesehen - dann entsteht das Zwischenbild bei geringerer Tubuslänge als vorgesehen, ist also weiter vom Okular entfernt und auch dadurch entsteht ein projektionsfähiges Bild. Bei Fehlsichtigkeit wird das unabsichtlich gemacht, wenn man keine Brille hat.
Nachteile dieser Verfahrung sind m.o.w. Bildverschlechterung und mangelnde Parfokalität beim Objektivwechsel, d.h. man muss stärker nachfokussieren.

Oft gibt es auch falsche Vorstellungen vom parallelen Strahlengang. Bei korrekter Einstellung verlaufen nur die Strahlen im jeweiligen Strahlenbündel, das von einem einzelnen Bildpunkt ausgeht hinter der Projektionsoptik parallel, die einzelnen Bündel streben auseinander, nachdem sie sich in Höhe der Austrittspupille überkreuzt haben - schließlich ist das "Bild" im Unendlichen nicht nur unendlich weit weg, sondern auch unendlich groß.

Viele Grüße

Rolf

PS. Die letzte Anmerkung gilt auch für die Unendlich-Optik. In den hervorragenden Darstellungen von Herrn Linkenheld ist/war das korrekt dargestellt, aber in einem Online-Skript einer renommierten Uni las ich, dass der Vorteil der Unendlich-Optik u.a. darin bestehe, dass man den EDIT:Mikroskoptubus Unendlichraum beliebig verlängern könne, da ja die Strahlen bis zur Tubuslinse parallel verliefen. Auch das ginge nur wenn man diese Linse sehr groß machte.