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Sphaerophrya stentoris

Begonnen von Martin Kreutz, Februar 17, 2018, 19:34:15 NACHMITTAGS

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Martin Kreutz

Liebes Forum,

neben den vielen Arten Beute fangender Suktorien, mit ihren typischen Tentakeln, gibt es auch sehr viele parasitisch lebende Arten in dieser Ciliatengruppe, die oft an anderen Ciliaten parasitieren und dies oft sehr wirtsspezifisch. Insbesondere innerhalb der Gattung Sphaerophrya gibt es gleich mehrere parasitisch lebende Arten. Eine von ihnen ist Sphaerophrya stentoris, die an Stentor roeselii parasitiert. Mein bevorzugter Fundort Simmelried neigt zwar manchmal zu Massenentwicklungen von Stentor, aber meist handelt es sich um Stentor amethystinus oder S. fuliginosus. Stentor roeselii, den man leicht an seinem wurstförmigen Makronukleus erkennt, finde ich leider wesentlich seltener. Deshalb musste ich lange warten, bis ich endlich ein Exemplar von Stentor roeselii fand, das von dem Suktor Sphaerophrya stentoris befallen war. Leider fand ich dieses Exemplar ausgerechnet in einem Mikroaquarium, bei dem ich die Schichtdicke nicht weiter verringern konnte. Deshalb war mir eine nähere Untersuchung mit Ölimmersion nicht möglich. Ich wurde auf den Befall durch einen Schwärmer von Sphaerophrya stentoris aufmerksam, der um ein noch nicht befallenes Exemplar von Stentor roeselii seine Kreise zog. Der Schwärmer ist sehr leicht erkennbar durch seine 5 Zapfen am Hinterende und seine 2 vorderen Cilienreihen:


S = Schwärmer von Spharophrya stentoris

Gleich daneben fand ich ein befallenes Exemplar von Stentor roeselii, leider am Boden des Mikroaquariums, weshalb das folgende Foto nicht so ist, wie ich mir das vorstelle. Aber man erkennt seutlich die abgerundeten, parasitierenden Zellen von Sphaerophrya stentoris im Zellkörper von Stentor roeselii:


PS = parasitierende Stadien von Spharophrya stentoris
S = Schwärmer von Sphaerophrya stentoris

Beim Durchmustern des Mikroaquariums fand ich dann noch den rosarot gefärbten Stentor igneus, den ich auch nicht sehr häufig finde:



Auch hier fand ich gleich neben dem unbefallenen Exemplar eines, welches ganz offensichtlich auch von Sphaerophrya befallen war


PS = parasitierende Stadien von Sphaerophrya spec.
Ma = Makronukleus
KV = kontraktile Vakuole

Da Sphaerophrya sehr wirtsspezifisch ist, hat mich das etwas gewundert, denn in der Literatur (s. unten) wird keine parasitierende Sphaerophrya Art für Stentor igneus erwähnt. Deshalb habe ich die Bildbeschriftung ,,Sphaerophrya spec." gewählt. Ich muss wohl auf eine Wiedersehen hoffen, um die genaue Zuordnung zu ermitteln. Man benötigt nicht nur die parasitierenden Stadien, sondern auch die Schwärmer, welche für die Zuordnung oft entscheidend sind. Da im vorliegenden Fall befallene Exemplare von Stentor roeselii und Stentor igneus parallel zu finden waren, ist es jedoch tatsächlich möglich, dass Sphaerophrya stentoris auch an Stentor igneus parasitiert.

In den oben gezeigten Aufnahmen hat es den Anschein, als wenn sich die parasitischen Zellen des Suktors in der Zelle des Wirtes befinden (also ein Endoparasit). Dies ist jedoch keineswegs der Fall, denn alle Sphaerophrya-Arten sind Ektoparasiten. Sie heften sich oft im Bereich der Mundöffnung des Wirtes fest und erzeugen dort eine Einsenkung der Pellikula. Die parasitischen Suktorzellen versinken also förmlich in den Wirt ein, so dass sich eine flaschenförmige Kavität bildet, die aber immer noch eine Öffnung nach Außen hat. In einem früheren Beitrag über die verwandte Art Sphaerophrya paruroleptis habe ich diesen Vorgang dokumentiert und auch das ,,Loch" fotografieren können, über welches der Suktor Kontakt zur Außenwelt hält und durch welches später auch die Schwärmer freigesetzt werden:

https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=19767.0

Die parasitierenden Suktorzellen ernähren sich mit sehr kurzen, schwer sichtbaren Tentakeln vom Protoplasma des Wirtes und teilen sich in der Kavität, bis der Wirt ausgezehrt ist. Dann verwandeln sich alle parasitierenden Zellen in Schwärmer oder Zysten und leiten einen neuen Zyklus ein.

Viel Spass beim anschauen.

Martin

Literatur:

Matthes, D., Guhl, W. & Haider, G. (1988): Suctoria und Urceolariidae (Peritricha). – Protozoenfauna, 7/1: 309 pp.





Bernhard Lebeda

Danke für den fantastischen Beitrag, lieber Martin!!

Das ist ja langsam wieder wie in alten Zeiten hier! Für mich inspirierend mich weiter in die Thematik zu vertiefen!!

Viele Mikrogrüße

Bernhard
Ich bevorzuge das "DU"

Vorstellung

Ralf Feller

Lieber Martin,
Du bringst tolle Beiträge, die mich vor einigen Jahren dazu brachten auch einmal einen DIC anzuschaffen, obwohl ich Histologe bin. Wenn ich Zeit finde werde ich im bald beginnenden Frühjahr auch wieder auf die Jagt gehen.
LG Ralf

Michael Müller

Hallo Martin,

vielen Dank für Deinen super Beitrag. Es war mir neu, dass Ciliaten an Ciliaten parasitieren  - wieder etwas, auf das man in Zukunft achten sollte!
Welche Art von Mikroaquarium hast Du verwendet? Bei mir sterben die Stentoren nach ca. 3 bis 4 Tagen ab - wie lange konntest Du sie am Leben halten?

Viele - beeindruckte - Grüße

Michael
Gerne per Du

MikroMicha

Hallo Martin (ich hoffe, das DU ist O.k.?),

das ist wieder mal ein toller und informativer Bericht von Dir, der von ungeheurem Fachwissen zeugt. Dann noch untermalt von einmaligen Aufnahmen (auch wenn die Schichtdicke Deiner Meinung nach nicht optimal war). Da habe ich noch viel zu lernen  ;).
Herzliche Grüße sendet

Michael (MikroMicha)

steffenclauss

Hallo Martin,

absolut genialer Beitrag! Soweit ich mich erinnere hattes Du schon Sphaerophrya stentoris in ,,The Sphagnum Ponds of Simmelried in Germany" erwähnt. So freut es mich umso mehr, dass Du jetzt nochmal mit ein paar hochinteressanten Aufnahmen nachlegst. Stentor roeselii finde ich in meinen Proben nicht selten, nur habe ich ihn bis jetzt wenig Beachtung geschenkt. Das wird sich jetzt ändern!

Viele Grüße
Steffen

limno

#6
Hallo Martin,
ich kann mich den Worten der vorigen Schreiber nur anschließen. Die Superlative sind mir bei Dir oder Steffen Clauss schön längst ausgegangen.Wenn es Dir möglichst viele nachzutun versuchen ist es das größte Lob, das Du bekommen kannst.
Wie steht es um die Wirtsspezifität? Sind auch nahe verwandte Gattungen, wie z.B. Blepharisma betroffen?
Dass Prof. Foissner jetzt Dein Buch über das Simmelried frei verfügbar ins Netz gestellt hat, freut mich und viele andere sehr. Dafür vielen Dank auch an Dich!
@Michael: Versuch es mal mit der Reiskornkultur: 3 gekochte Reiskörner auf ca. 80ml Wasser, notfalls Regenwasser oder Aqua dest.. Einmachcellophan (keine Frischhhaltefolie, denn die lässt keinen Sauerstoff durch) über die Gefäßöffnung, bei Zimmertemperatur dunkel und warm stellen, dann 3-4 Tage warten und danach mit Stentor animpfen. Kann auch mit Milchkultur gehalten werden, Siehe  dazu im "Streble/Krauter" unter "Milchkultur"
Viele begeisterte Mikrogrüße und Dank
Heinrich
So blickt man klar, wie selten nur,
Ins innre Walten der Natur.

Gerald

Hallo Martin,

es ist immer eine Freude und vorallem immer sehr lehrreich Deine Berichte zu lesen. Vielen Dank für das Zeigen.

Viele Grüße aus dem Chiemgau

Gerald

Ich bin auf der Suche nach einem Kulturansatz von Cryptomonas. Vielleicht kann jemand helfen.

www.lebendkulturen.de

Martin Kreutz

Hallo Zusammen,

vielen Dank für die zahlreichen positiven Rückmeldungen.

@MikroMicha: Ich bin eigentlich nie mit meinen eigenen Aufnahmen zufrieden. Alles andere wäre Stillstand. Man kann immer noch was rumfrickeln um es zu verbessern.

@Michael: Meine Mikroaquarien sind extrem simpel. Ich gebe etwa 1 ml Probe auf einen Objektträger, Deckglas drauf und ab in eine Petrischale mit einem nassen Wattepad. Dann einfach abwarten. In 90 % der Fälle findet man nichts besonders, aber manchmal klappt es. Ich arbeite also eher auf Durchsatz und nicht auf Qualität. Funktioniert aber auch.

@Heinrich: Zu den parasitischen Suktorien gehören Podophrya und Sphaerophrya. Bei den Wirten handelt es sich meist um Arten von Stentor, Nassula, Paramecium, Paruroleptus, Euplotes, Urostyles und Stylonychia. Ein Befall von Blepharisma oder anderen Gattungen sind meines Wissens nicht beschrieben und wäre demnach sicher eine noch unbeschriebene Art der Suktorien.

Martin   


Gerd Schmahl

Hallo,
ich nutze noch eine andere Art von Mikroaquarium, die aber auch recht simpel ist: Ich verstreiche etwas Vaseline auf meinem Handballen und streiche alle 4 Seiten eines möglichst goßen Deckglases daran, so dass alle Seiten eine feine Vaselinewulst haben. Damit decke ich einen möglicht großen Tropfen ab. Hat Vor- und Nachteile:
-relativ goßes Volumen
-praktisch luftdicht
-aber auch sehr großer Abstand zwischen OT und DG (nix für die ganz hoch auflösenden Objektive)

Durch die Luftdichtheit verändern sich die Parameter des Wasser sicher sehr stark. Wenn man in der Probe aber auch ein paar Sauerstoffproduzenten hat, lebet es auch nach 3 Wochen noch im Aquarium. Habe heute ein so altes mal wieder aufgelegt und hatte eine schöne Kultur von Bauchhärlingen.

Die Methode eignet sich auch sehr gut, um größere Organismen wie Wasserflöhe durch vorsichtiges Anquetschen der Vaseline zwischen OT und DG fest zu setzten. Solche großen Brummer kann man natürlich keine 3 Wochen am Leben halten.
LG Gerd
Man sagt der Teufel sei, im Detail versteckt,
doch hab' ich mit dem Mikroskop viel Göttliches entdeckt.