Was sind Vorsatzoptiken/Vorsatzsysteme und wofür sind diese gedacht?

Begonnen von micro_monkey, März 05, 2018, 15:10:04 NACHMITTAGS

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micro_monkey

Hallo, ich bin ein totaler Newbie und wahrscheinlich ist das auch eine dumme Frage, aber: Was sind Vorsatzoptiken/Vorsatzsysteme und wofür sind diese gedacht?

Ich gucke mich gerade nach einem kostengünstigen Stereomikroskop rum und sehe in den Onlineshops als Zubehör oftmals Vorsatzoptiken (z.B. Vorsatzoptik 3 2,0x FWD 43 mm)? Wofür sind diese gedacht, wie werden sie verwendet?

Vielen lieben Dank.

Peter V.

Hallo,

1) Sie verdoppeln die Vergrößerung
2) (Und das ich der wichtigere Punkt): Sie verbessern das Auflösungsvermögen

aber (Nachteil!):

3) Sie verringern der Arbeitsabstand (also den Abstand zwischen Frontlinse und Objekt) deutlich.

Hat alles Vor- und Nachteile. Meines Erachtens sind sie meist nicht allzu hilfreich und werden meiner Erfahrung nach auch eher selten wirklich eingesetzt.

Herzliche Grüße
Peter
Dieses Post wurde CO2-neutral erstellt und ist vegan. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

Christian Linkenheld

Hallo,

durch Vorsatzoptiken kann man den Vergrößerungsbereich von Stereomikroskopen variieren. Diese werden vor die eigentliche Objektivoptik geschraubt (deshalb "Vorsatzoptik"). Man muss dann die "normale" Vergrößerung des Stereomikroskops nochmals mit dem Faktor der Vorsatzoptik multiplizieren und hat dann z.B. statt einen Vergrößerungsbereichs von 10X-40X einen Vergrößerungsbereich von 20X-80X, wenn man eine Vorsatzoptik von 2X verwendet. Bei der Verwendung von Vorsatzoptiken verändert sich jedoch der Arbeitsabstand - und zwar in der Form, dass er bei Optiken mit Faktoren > 1 ab- und bei Faktoren < 1 zunimmt. Deshalb wird der veränderte Arbeitsabstand immer mit angegeben ("FWD").
Die Vergrößerung kann auch durch die Verwendung unterschiedlicher Okulare verändert werden (z.B. 20X statt 10X). Hier bleibt der Arbeitsabstand dann unverändert. Allerdings hat man hier keine Verbesserung der Auflösung.

viele Grüße

Christian

Herbert Dietrich

Hallo mikro_monkey,

es gibt auch Vorsatzlinsen mit Faktor 0,5, z.B. beim MBS 10. Diese Linse halbiert die Vergrößerung und verdoppelt den Arbeitsabstand auf 190mm.
Manchmal ist also geringe Vergrößerung mehr, wenn man unter dem Stereomikroskop basteln will.

Herzliche Grüße
Herbert

limno

Willkommen mikro_ monkey(the jungle VIP) ;D 8) , hallo Peter,
will man aber z.B. eine LED-Ringleuchte anbringen, die man ja günstig im Internet erwerben kann, wird man diese ohne Vorsatzoptik wohl kaum anbringen können, es sei denn man bastelt. Oder nimmt gleich eine Kaltlichtleuchte mit Schwanenhals(z.B. mit Ringlicht), die aber wesentlich teurer ist als eine Vorsatzoptik. Mit einer Vorsatzoptik mit Faktor >1 erhöht man die Auflösung, muss aber mit einer geringeren Schärfentiefe und vor allem einem geringeren Arbeitsabstand zurechtkommen.
Bei einem Faktor < 1 gilt das Umgekehrte!
Schwingende Grüße von
Heinrich
So blickt man klar, wie selten nur,
Ins innre Walten der Natur.

Herbert Dietrich

Hallo Heinrich,

warum soll man eine LED Ringleuchte ohne Vorsatzoptik nicht anbringen können? MBS 10 und Zeiss Stemi III und IV kein Problem.

Was hast Du für ein Stereomikroskop?

Herzliche Grüße
Herbert

Peter V.

Hallo Heinrich,

Zitat
will man aber z.B. eine LED-Ringleuchte anbringen, die man ja günstig im Internet erwerben kann, wird man diese ohne Vorsatzoptik wohl kaum anbringen können, es sei denn man bastelt.

Das kann man aber so pauschal nicht sagen. Das hängt von der Konstruktion des jeweiligen Stereomikroskops ab. Wenn es an sich schon ein rundes vorstehendes Objektiv hat, braucht man keine Vorsatzlinse.

Hier z.B. hat das Stereomikroskop keine Vorsatzlinse:


http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=3836.msg23996#msg23996


Und an meinem SZX-12 bedarf es auch keiner Vorsatzlinse.

Aber denoch ein interessanter Hinweis. Eine Vorsatzlinse als quasi "Adapter" für eine Ringleuchte? Darüber hatte ich noch gar nicht so nachgedacht.....

Herzliche Grüße
Peter
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limno

#7
Hallo Peter,
bei meinem AmScope geht es eben nicht anders. Am Kegelstumpf, an dem das Schraubgewinde fürs Vorsatzobjektiv  sitzt, rutschen die Feststellschrauben ab. Dafür war ein zylindrisches 0,5x Vorsatzobjektiv gleich mit dabei. Dass man auch ohne Vorsatzobjektiv ein Objekt sehen kann, wusste ich vor Deiner Antwort gar nicht. Ich meinte nicht anders,als dass es wie beim "Normalmikroskop" wäre. Danke für die Klärung!
Mit erleuchteten Grüßen
Heinrich
So blickt man klar, wie selten nur,
Ins innre Walten der Natur.

Rawfoto

Guten Morgen

Vorsatzlinsen sind zumindest bei meinen Leitz/Wild STEMIs eine billige Alternative zu eigenen Objektiven, von der Qualität aber den Einzelobjektiven unterlegen.

Die Qualitätsanforderung und die Kosten sind die wesentlichen Kriterien.

Nicht für alle STEMIs gibt es allerdings unterschiedliche Objektive zur Auswahl und da sind die Vorsatzlinsen eine Alternative.

Gibt es nicht nur beim STEMI, Vorsatzlinsen werden auch in der Fotografie eingesetzt, z.B. Televorsatz, Nahlinsen aus mehreren Linsen (Leitz Elpro) ...

Liebe Grüße

Gerhard
Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...

Werner

Vorsatzlinsen beeinträchtigen den Korrektionszustand eines fertigen Objektivs nur minimal, wenn sie eine geringe Brechkraft haben und weil sie außerdem sehr dicht vor der Frontlinse sitzen.
Visuell ist kein Unterschied zu einem kompletten Objektiv erkennbar, in der MTF ist das allerdings schon meßbar. Die schwachen Vorsatzlinsen sind auch nur normale Einzellinsen, sie sind also auch durch einen Brillenglasrohling vom Optiker ersetzbar.
Erst bei stärkeren Vorsatzlinsen sind verkittete Systeme erforderlich, die aber nur der Objektivhersteller anfertigen kann. Nur er hat die Daten des Hauptobjektivs die er für die Durchrechnung der Vorsatzlinsen benötigt.

Gruß   -   Werner


Herbert Dietrich

Hallo Werner,

dem kann ich nur zustimmen, ich habe bei einem MBS 10 die Hauptlinse interessehalber mal durch das Objektiv eines 10x50 Fernglases ersetzt.
Gegenüber der 0,5x  Linse konnte ich keine Minderung der Bildqualität feststellen, der Arbeitsabstand erhöhte sich auf etwa 190mm und die Vergrößerung halbierte sich.

Herzliche Grüße
Herbert

Dünnschliffbohrer

Eine Frage viele Antworten, und die meisten schreiben das gleiche. Einen Gesichtspunkt, den ich zwar nicht beweisen kann, aber sowohl beim Durchsehen durch das Stemi als auch aufgrund einfacher qualitativer Überlegungen annehme, könnte man noch ergänzend nachtragen:

Bei verkleinernden Vorsatzlinsen wird nicht nur der Arbeitsabstand vergrößert, sondern auch der Stereowinkel verkleinert, sprich der räumliche Eindruck leidet etwas. Meiner Erfahrung nach bei dem Faktor 0,5X noch tolerabel, bei dem Faktor 0,3X schon erheblich. Letztere Vorsatzlinse würde ich daher nur verwenden, wenn der räumliche Eindruck nur zweitrangig ist. Z.B. bei der Fotografie von etwas größeren Objekten, oder entsprechend bei der Anwendung eines Zeichentubus beim Zeichnen eines größeren Objektfeldes.

Weiterhin habe ich subjektiv den Eindruck, das bei verkleinernden Vorsatzlinsen die gerade bei kleinen Vergrößerungen oftmals erheblich störenden Verzeichnungen und Bildfeldwölbungen der nach dem Abbe/Fernrohrprinzip gebauten Stereomikroskope durch die Vorschaltung eines zerstruenden Linsengliedes teilweise ausgeglichen werden. Sprich, es wird +/- zu einem höherwertigem Planobjektiv.
Bei den gewöhnlichen Durchlichtmikroskopen sind die Frontlinsen ja oftmals auch zerstreuend.  Und die chromatischen Abweichungen, die durch die extraaxialen Strahlenbündel der Fernrohr-Stemi´s bedingt werden, sollten meines Erachtens ebenfalls geringer werden. Weis hier jemand genaueres?

Dies würde auch erklären, warum die Konstruktion der vergrößernd wirkenden Vorsatzsysteme so aufwendig ist, da hier die entsprechenden Bildfehler analog nicht verringert, sondern verstärkt werden würden, wenn sie denn nicht durch eine entsprechend aufwendigere Konstruktion wieder kompensiert werden würden. So soll das 2X Vorsatzsystem des Technival 2 mehr Optik enthalten, als das eigentliche Hauptobjektiv! Ich denke aber, dass auch bei den einfachen verkleinernden Vorsatzsystemen nicht eine einzelne Negativlinse Verwendung findet, sondern mindestens ein achromatisiertes Doublett.

Allen ein schönes Wochenende!
"Und Gott sprach: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei; und er schuf um ihn Laubmoose und Lebermoose und Flechten und ein Mikroskop!"
[aus: Kleeberg, Bernhard (2005): Theophysis, Ernst Haeckels Philosophie des Naturganzen,  S. 90]