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Spülmittel, polarisiert

Begonnen von Ernst Hippe, Oktober 07, 2009, 10:29:05 VORMITTAG

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Ernst Hippe

Hallo,

Regis "Tiefflieger" neulich hat mich animiert, mir ein Spülmittel-Konzentrat mit "Limonenfrische" genauer anzusehen. Unverdünnt habe ich den Tropfen etwas hin und herlaufen lassen und es dann eintrocknen lassen; es bleibt aber dann immer noch weich. Da sieht man schon mal einen Blumenstrauß:



Mit Deckglas aufgedrückt erscheinen weit verteilt winzige Kristalle und größere "Knollen" (grimmig dreinblickend):



Außerhalb des Deckglases gibt es dicke, stark optisch aktive Strukturen:



Ich finde es erstaunlich, daß in dieser zähflüssigen Substanz so viel Kristallines enthalten ist.

Gruß Ernst Hippe
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rekuwi

Lieber Ernst,

unglaublich was die "Zitronenfrische" so hergibt. Leuchtende Farben und mannigfache Formen. Es freut mich daß Du fündig geworden bist.

Liebe Grüße
Regi

Ernst Hippe

Es geht auch ohne den Limonenduft! Hier das "Original-Konzentrat" der gleichen Marke, getrocknet. Kleine Kristalle, Objektiv 20x:



Da muss ein ganz schöner Chemikalien-Mix drin sein.
Gruß Ernst Hippe
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Druse

Guten Abend,

das erste Foto finde ich sehr interessant! Könnte es sich bei den parallel angeordneten Strukturen (hell auf der rechten Seite z.B.) um Fransenmizellen handeln?

Viele Grüße
Mila

Ernst Hippe

Hallo Mila,
ich musste erst mal gugeln, was wohl Fransenmizellen sind, ohne dabei sehr viel schlauer zu werden. Aber solche Strukturen haben offenbar was mit dem Schmelzen zu tun, und das traf hier nicht zu. Kristallformen sind von sehr vielen Bedingungen, bis zur Verunreinigung des Objektträgers, abhängig. So kann man kaum etwas über die unterschiedlichen Bildungen sagen.
Gruß Ernst Hippe
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Nomarski

Guten Abend,

sieht man eigentlich einen Unterschied zwischen Pril und Palmolive?

Schönen Abend
Bernd

Ernst Hippe

Ersteres habe ich noch nicht probiert, muss beim nächsten Einkauf mal dran denken.
Gruß Ernst Hippe
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Nomarski

Mehr Namen fallen mir gerade nicht ein, aber ich könnte mir vorstellen, daß man das auch noch auf andere Mittel ausdehnen kann, wie z.B. Shampoo usw.

Aber wer einen Geschirspüler hat, muß dann diese Würfel einkaufen.

Jürgen Boschert

Hallo,

zum Thema Fransenmizellen habe ich eine ganz gute Erklärung hier gefunden:

http://home.arcor.de/fidelis666/Skript%20WW%20IVP%20IFU%20500p.pdf Seite 351, 52

Achtung 7,61 MB

Muss nicht aus der Schmelze sein. Es handelt sich um teilkristalline Strukturen von Macromolekülen. Ein typischer Vertreter, der zur Bildung von Fransenmizellen neigt, ist die Cellulose.

Wäre also durchaus möglich, dass sich auch Tenside zu solchen Strukturen zusammenlagern können.

Gruß !


JB
Beste Grüße !

JB

Druse

Guten Morgen,

bei den Fransenmizellen handelt es sich um eine kristallgitterähnliche Anordnung von fadenförmigen Makromolekülen (Linerakolloiden). Diese Art der Kolloide bildet bereits bei geringen Konzentrationen kohärente (zusammenhängende) Gerüste.
Bisher habe ich mir nur im Zusammenhang mit Salbengrundlagen, Gelbildnern und Emulgatoren in der pharmazeutischen Technologie mit Kolloiden beschäftigt. Vaselin (neu: das Vaselin, früher: die Vaseline, ein Isogel, Organogel, genauer Kohlenwasserstoffgel) "enthält" z.B. Fransenmizellen aus Isoalkanen und Alicyclen.

Da Spülmittel Emulgatoren/Tenside also Kolloide enthält, kam ich auf die Idee...

Sobald ich vernünftige Fotos machen kann, werde ich mich auf die "Suche" begeben, vielleicht hat jemand aber auch Lust, Vaselin zu mikroskopieren?

Danke für den link,
viele Grüße
Mila

Ernst Hippe

Hallo allerseits,

nun habe ich mir auch Pril vorgenommen, und zwar das Konzentrat "Lemon". Halb eigetrocknet, aber noch weich, Deckglas drauf. Es erscheinen alle möglichen Strukturen, die auch langsam wachsen, unter anderem auch fädig wie hier zu sehen (Objektiv 10x):



Zur Nachahmung empfohlen!
Gruß Ernst Hippe
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Nomarski

Sehr schön! Wirkt auf jeden Fall erstmal anders. ;) Muß man da immer die Folie mit den 1230nm haben?

Ernst Hippe

Nein, man muss nicht. Aber die Farben werden mit Hilfsobjekt besonders eindrucksvoll.
Andere Partien des Präparats sehen dem ersten mit Palmolive recht ähnlich, so daß man sicher nicht direkt auf die Inhaltsstoffe schließen kann. Dicke der Schicht, ungleicher Druck aufs Deckglas, Trocknungsdauer usw. haben großen Einfluß.
Gruß Ernst Hippe
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hinrich husemann

#13
Hallo "Weichspülende",
hier der Versuch einer allgemeinen Erläuterung des Hintergrundes zu Herrn Hippes schönen Bildern:
Spülmittel und Ähnliche enthalten - neben Wasser - im Wesentlichen so genannte "Tenside". Die Moleküle dieser Stoffe sind aufgebaut aus einem polaren "Kopf" (einem "hydropilen", d.h. "wasserfreundlichen" Molekülteil, z.B. -OH, -COOH, -SO3H und vergleichbaren Atomgruppen) und einem relativ langen unpolaren "Schwanz" (einem "hydrophoben", d.h. "wasserfeindlichen" Molekülteil, i.A. einer Kohlenwasserstoff-Kette, wie .....-CH2-CH2-CH2-....). Ein viel gebrauchtes, einfaches Modell für solche Moleküle ist ein Streichholz: Kopf polare Gruppe; Stab unpolarer "Schwanz". Wegen dieser ambivalenten Struktur lösen sich solche Moleküle allein schlecht sowohl in polaren - vorzugsweise Wasser - als auch in unpolaren - z.B. Benzin - Lösungsmitteln (Flüssigkeiten), denn jeweils eines der beiden Molekülteile "fühlt sich dann nicht wohl" (polar liebt polar und umgekehrt, oder wie schon die Alchimisten sagten: similia similibus solvuntur). Sie reichern sich deshalb in der Oberfläche einer oder in der Grenzfläche zwischen zwei nicht mischbaren Flüssigkeiten an (Köpfchen ins Wasser, Beinchen in die Höh) und setzen dabei die Oberflächenspannung, allgemeiner die Grenzflächenspannung ("Tension") herab;deshalb der Name "Tenside". Das ist auch ihr Anwendungszweck, denn sie verbessern dadurch die für das Reinigen wichtige Benetzung und die Bildung von Emulsionen (deshalb auch "Emulgatoren").
Bleiben wir in wässrigen Sytemen: Mit steigender Zugabe von Tensiden zu Wasser bilden - da sie dort allein schlecht löslich sind - ihre Moleküle größere Aggregate, so genannte "Mizellen", aus, bei denen die polaren (wasserfreundlichen) Köpfe nach aussen zum umgebenden Wasser stehen und so ihre dort unlöslichen hydrophoben Teile vor diesem quasi nach innen "verstecken". Diese Mizellen können je nach Umständen (jeweiliger Molekübau, Konzentration) kugelförmig, stäbchenförmig oder flächenhaft gepackt sein. Mit steigender Konzentration lagern sich diese Mizellen weiter zu relativ hoch geordneten Aggregaten zusammen; analog wie Moleküle zu "normalen", d.h. festen, Kristallgittern. Da sich noch Wasser zwischen ihnen befindet, spricht man von flüssigkristallinen Phasen oder lyotropen Flüssigkristallen, die je nach Struktur als kubisch, hexagonal oder lamellar  bezeichnet werden. Da sie, anders als eine "normale" Flüssigkeit,  relativ große kristallanaloge, geordnete Bereiche enthalten, zeigen sie wie die meisten "normalen" Kristalle mehr oder weniger starke Doppelbrechung; was ja in Herrn Hippes Pol-Bildern deutlich zum Ausdruck kommt und  z.T.auch analytisch Anwendung findet.
Tensid-gesättigte Mikrogrüsse
H. Husemann
   


Druse

Guten Abend

Zitat von: hinrich husemann in November 14, 2009, 18:38:27 NACHMITTAGS
Bleiben wir in wässrigen Sytemen: Mit steigender Zugabe von Tensiden zu Wasser bilden - da sie dort allein schlecht löslich sind - ihre Moleküle größere Aggregate, so genannte "Mizellen", aus, bei denen die polaren (wasserfreundlichen) Köpfe nach aussen zum umgebenden Wasser stehen und so ihre dort unlöslichen hydrophoben Teile vor diesem quasi nach innen "verstecken". Diese Mizellen können je nach Umständen (jeweiliger Molekübau, Konzentration) kugelförmig, stäbchenförmig oder flächenhaft gepackt sein.

Eine kleine Ergänzung zu dieser schönen Erklärung:
dieser Moment, bei der diese Konzentration erreicht ist, wird auch "Kritische Mizellbildungskonzentration" (CMC) genannt. Die vorher klare Flüssigkeit wird dann trübe, zumindest bei einem bestimmten Lichteinfall sieht man eine Opaleszenz, da die kolloiddisperse Lösung bzw. die Mizellen das Licht brechen, z.T. auch reflektieren (Tyndall-Effekt).

Viele Grüße
Mila