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Der Zellkern und das Schieflicht

Begonnen von Marcus_S, März 09, 2021, 14:09:46 NACHMITTAGS

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Marcus_S

Moin!

Ich schlage mich ja noch mit dem Knipsen nicht besonders stark gefärbter Präparate herum. Und daher warf ich mal einen Blick auf den Grund der unvermeidlichen Zwiebelzelle...


Ein Stückchen der Epidermis in Leitungswasser. Alle Bilder mit schiefer Beleuchtung geknipst, im Hellfeld machte das gar keinen Spaß, das hab ich mir gespart. ASI178MM im 14 bit-Modus, eingetunktes 60er-Objektiv und los. Man sieht zwar sehr viel, das aber auch hübsch abzulichten ist für mich noch immer schwierig. Die Kontraste im Präparat sind eher mäßig (PhaKo wollte ich nicht, ich wollte schiefe Beleuchtung weiter ausprobieren), also bedurfte es einiger liebevoller Zuwendung bei der Bildverarbeitung mit imPPG. Etwas weniger schlecht wurde das Ergebnis, wenn ich mit größeren Radien geschärft habe und etwas mehr Rauschen zugelassen habe, besser kriege ich das hier nicht hin. Mitteln ging hier auch nicht, die herumwuselnden Organellen waren einfach zu fix. Vielleicht wäre ein gekühlter Chip eine Verbesserung, die Chiptemperatur lag bei rund 40 °C. Abgetastet hab ich mit rund 3 rechnerischen Pixeln je Airy-Durchmesser, Maßstab rechnerisch 87 nm/Pixel.

Jedenfalls war es für mich wahnsinnig spannend und unterhaltsam (besser als Fernsehen) anzusehen, wie es auf dem Zellkern zuging: wie die "Würmer" (Mitochondrien?) auf der Oberfläche waberten, ihre Form änderten, teilweise (eingebildet?) entstanden (kann doch eigentlich gar nicht sein, nach dem, was ich so aufgeschnappt habe...), als "Bärte" vom Kern "heruntertrieften". Und weil mich so triviales Zeug so begeistert hat, da gibt es ein paar Bilderchen. Auch wenn die verrauscht sind.


In Bild 1 sind die runden Partikelchen leider etwas unscharf, ich hatte in der Bildaufnahmesoftware noch den vierfach-mitteln-Schalter gesetzt... Die Fladen auf dem Kern waren aber gemütlich genug. Einzelbelichtungszeit 100 µs. Gezeigt sind zwei Bilder (Zeitstempel 202645 und 203707) im Abstand von rund 10 Minuten. Links im Bild der Zellkern, in der Bildmitte ist die Körnigkeit des Zellkerns zu erkennen. Und auf dem Zellkern kriechen und wabern die "Würstchen" herum, hängen an der Kante des Kerns in langen Bündeln in der Plasmaströmung oder schmiegen sich in Stapeln an den Kern an.

In Bild 2 ist ein anderer Kern zu sehen, das gleiche Gewaber. Belichtungszeit einmal 150 µs. So gut ich konnte auf die "Würstchen" fokussiert.
Auch hier habe ich den trockenen 0,9er Kondensor verwendet. Und weil da so viel zu sehen war, da hab ich mal spaßeshalber den anderen Kondensor reingemacht...

So ist Bild 3 (gleicher Kern) mit dem glycerinimmergierten 1,4er-Kondensor entstanden. Leider hab ich den Schlitz für die Schieflicht-Blende falsch eingebracht, hier kommt das Licht von rechts, das ändere ich noch irgendwann. Der Schärfenbereich ist nun erheblich kleiner, der Kontrast erheblich flauer. Aber die empfundene Bildschärfe steigt nochmal erheblich an und man kann viel schönere optische Schnitte machen. Alle auf dem Foto erkennbaren Details sind auch im Okular sichtbar, allerdings als "einen Hauch weniger hell" auf "schön hell", mit Mühe sogar im Hellfeld. Belichtungszeit 150 µs. Der zeitliche Abstand von oben links bis unten rechts beträgt rund 140 Sekunden, aber in ungleichen Intervallen.
Durch die höhere Apertur kommt nach meinem Geschmack das Pseudorelief der Mitochondrien (?) erheblich besser raus. Es sind nun nicht mehr nur graue Flatschen auf der Kernoberfläche, sondern Pseudo-3D-Würmer. Also: Kondensor immergieren lohnt auch hier. Immergieren kommt wahrscheinlich von "immer" ;-)


Mir drängt sich die Frage auf: was machen die "Würmchen" da auf der Oberfläche, warum wabern die herum, warum lagern die sich (oft) zu Grüppchen zusammen? Ich hab mal meinen alten "Sitte" rausgekramt und abgestaubt, beim Blättern hab ich dazu nichts Erhellendes gefunden.


Viele Grüße von

Marcus



P.S. Wer mag, darf hier gerne mal ein Vergleichsbild anhängen. Mit schiefer Beleuchtung oder gerne auch mit DIK, 40er, 60er/63er oder 100er, gerne immergiert. Wär sicher interessant, ich würde mich sehr freuen.


piu58

Möglicherweise sind das Bakterien, die auf der Oberfläche des Häutchens ihr Unwesen treiben. Schnelle Bewegungen von Organellen habe ich zumindest noch nie gesehen.
Bleibt dran, am Okular.
--
Uwe

Carsten Wieczorrek

Hallo Uwe,
Bakterien sind das sicher nicht. Ich habe es mir gerade auch angeschaut. Das sind schon Zellorganellen, die sich entlang von Plasmaströmungen bewegen. Im Phasenkontrast und bestimmt mit DIK kann man auch so etwas wie Plasmastränge erkennen, an denen sie sich entlang bewegen. Sieht wie eine mehrspurige Autobahn aus.

Carsten
Für's grobe : GSZ 1
Zum Durchsehen : Amplival Hellfeld, Dunkelfeld, INKO, Phasenkontrast
Zum Draufsehen : Vertival Hellfeld, Dunkelfeld
Zum Polarisieren : Amplival Pol u Auf-/Durchlicht
Für psychedelische Farben : Fluoval 2 Auflichtfluoreszenz
Für farbige Streifen : Epival Interphako

rhamvossen

Hallo,

Ich stimme zu mit was Carsten hat gesagt. Sieht man haüfig in bestimmte Pflanzenzellen wie z.B. die von Wasserpest (Elodea). Es ist faszinierend zu sehen. Beste Grüsse,

Rolf

Gerd Schmahl

Hallo Marcus,
der Klassiker für Plasmaströmung sind die Zellen der Staubfäden der Dreimasterblume Tradescantia. Was Du in dem Video siehst ist Echtzeit - keine Zeitraffer. Das sollte man sich mal live ansehen. Ist sehr beeindruckend und auf Grund des leicht gefärbten Zellplasmas auch gut im Hellfeld zu sehen.
Beste Grüße
Gerd
Man sagt der Teufel sei, im Detail versteckt,
doch hab' ich mit dem Mikroskop viel Göttliches entdeckt.

piu58

Danke für den Hinweis auf das Video. Wir haben Dreimasterblumen im Garten, und ich habe mir auch schon einmal diese Zellen angesehen. Aber es ist ja so viel, was man da entdecken kann. So bald wieder Blüten dran sind, muss ich da noch einmal ran.
Bleibt dran, am Okular.
--
Uwe

Marcus_S

Moin Gerd!

Dankeschön für Deine Anregung. Wenn ich mal irgendwo so eine Blüte abzupfen kann, dann werde ich mir das mal ansehen. Aber die Plasmaströmung an sich ist ja auch schon in dem Zwiebelhäutchen auch in HF ganz bequem sichtbar, mit Schieflicht sowieso.

Mir ging es hier um das Gewaber auf und am Zellkern und um den Versuch, so kontrastarmes Zeug zu erkennen und zu knipsen und für mich die Grenzen der schiefen Beleuchtung auszuloten. Deshalb fände ich auch einen Vergleich mit DIK (hab ich nicht) hochspannend.


Viele Grüße von

Marcus

Gerd Schmahl

Hallo Marcus,
manche der herumwabernden Teile sind auch doppelbrechend. Da lohnt es sich auch mal zwei Polfilter zu kreuzen, was wesentlich preiswerter ist als Phasenkontrast und erst Recht DIC, wobei bei letzterem Verfahren ja auch Polfilter mit im Spiel sind.
Beste Grüße
Gerd
Man sagt der Teufel sei, im Detail versteckt,
doch hab' ich mit dem Mikroskop viel Göttliches entdeckt.

Muschelbluemchen

Hallo,

ich habe vor einiger Zeit Videos von der Plasmaströmung in Zwiebelzellen angefertigt.
Entstanden sind die Videos an Hand einer Serie von Einzelaufnahmen, die mit fixen Zeitabständen aufgenommen wurden und dann zu einer Zeitrafferaufnahme verrechnet wurden:
Hier habe ich die Methode beschrieben:
https://microscopiumsimplex.blogspot.com/2015/02/bildserie-in-film-verwandeln.html

Und hier zwei Filmchen:
https://youtu.be/R5q01Lpzr1w
https://youtu.be/6GcdBglQ_6o

herzliche Mikrogrüße
Leo

A. Büschlen

Schwerpunkt z.Z.:
- Laub- und Lebermoose.
- Ascomyceten als Bryoparasiten.

ammererlutz

#10
Schöne Ergebnisse mit schräger Beleuchtung,  nach einiger Zeit erübrigt sich der Luxus von  DIC. Als nicht Botaniker kann ich die Fragen nach den Würmern nicht beantworten,  dass es Organellen wie Mitochondrien sind, würde ich aber so gut wie sicher ausschließen,  da passt weder die Vergrößerung( nicht mal annäherungsweise!!, da brauchst ein EM oder vielleicht Konfokale Anwendungen -beides gibt's ab ca,200 000 Euronen und viel know how- für scharfe Bilder😔)noch die Geschwindigkeit. Wie die links zeigen  gibt es in Pflanzenzellen Plasmaströme, vielleicht siehst du da Vesikel mit Nährstoffen?
mit freundlichen mikroskopischen Grüßen,
Lutz

"Mikroskope und Fernrohre verwirren eigentlich den reinen Menschensinn" ( Goethe)

Jürgen H.

Hallo zusammen,

was man alles lichtmikroskopisch mit ein paar Tricks sehen kann, zeigt diese Seite sehr schön:

http://www1.biologie.uni-hamburg.de/b-online/d07/20.htm

Auch bei diesem Vergleich: Tolle Aufnahmen, Marcus! Schöne Aufnahmen mit verschiedenen lichtmikroskopischen Techniken finden sich auch im Leman Braune Band I, m.E. d e m Buch für Mikroskopiker auf dem Gebiet der Botanik.

Viele Grüße

Jürgen

rhamvossen

Hallo Lutz,

Zitatdass es Organellen wie Mitochondrien sind, würde ich aber so gut wie sicher ausschließen,  da passt weder die Vergrößerung( nicht mal annäherungsweise!!, da brauchst ein EM oder vielleicht Konfokale Anwendungen

Das siehst du nicht richtig. Mitochondrien haben so ungefähr die Grösse von Bakterien und sie wurden lange vor der Entwicklung des EMs entdeckt. Beste Grüsse,

Rolf

ammererlutz

Zitat von: rhamvossen in März 10, 2021, 09:44:21 VORMITTAG
Hallo Lutz,

Zitatdass es Organellen wie Mitochondrien sind, würde ich aber so gut wie sicher ausschließen,  da passt weder die Vergrößerung( nicht mal annäherungsweise!!, da brauchst ein EM oder vielleicht Konfokale Anwendungen

Das siehst du nicht richtig. Mitochondrien haben so ungefähr die Grösse von Bakterien und sie wurden lange vor der Entwicklung des EMs entdeckt. Beste Grüsse,

Rolf
natürlich sieht man sie mit speziellen Techniken, größe ist ja bei bis zu ca 1 µm ( habe vorhin ja ein paar Aufnahmen mit Mitoch. gepostet) , was ich mir nicht vorstellen kann, ist die Beschreibung, dass Mitochondrien wie Würmer herumkriechen  und sich verformen , derartige Veränderungern im Feinbau gibt es, laufen aber erstens langsam ab und sind in der Ultrasktruktur ( Faltung/ Verzweigung der M.) nur im EM erkennbar. 
mit freundlichen mikroskopischen Grüßen,
Lutz

"Mikroskope und Fernrohre verwirren eigentlich den reinen Menschensinn" ( Goethe)

Marcus_S

Moin!

Euch allen vielen Dank für die Resonanz zu den Bildchen.


Gerd,
die Idee mit dem "doppelbrechend" klingt witzig, ich kann mir das bei den Organellen nur nicht vorstellen. Probiere ich aber mal aus, Zwiebeln hab ich noch im Haus.

Leo und Arnold,
danke für Eure Hinweise, mir geht es aber um Portraitaufnahmen des Kerns und der "Pickel" drauf, nicht um die Plasmaströmung allgemein. Aber ich mag das Bild und das Video.

Jürgen,
danke für Dein Lob! Und für den Schubser: Biologie-online hatte ich natürlich nicht mehr auf dem Schirm. Aber nach der Form der "Würste" dort könnten das hier tatsächlich auf dem Kern herumwabernde Mitochondrien sein. In meinem Hirn haben sich Mitochondrien nur eben als "Erdnuß" festgesetzt, die werden ja in vielen Zeichnungen so dargestellt.
Die leider nur briefmarkengroßen Fotos in meinem B/L/T (7. Aufl.) zeigen in Abb. 10 D und 10 H für mein Nicht-Biologenauge eine gewisse Ähnlichkeit zu den obigen Fotos. Und ich gebe Dir Recht: ein tolles Buch.
Also mach ich mal vorläufig einen Haken an "Mitochondrien".

Lutz,
danke für Deine anerkennenden Anmerkungen. Für ein REM oder ein konfokales hab ich keinen Platz, ein normales Mikroskop ohne DIK muß reichen. Aber auch damit kann man sich den Feierabend vertreiben. Und schiefe Beleuchtung ist ja so übel nicht und deshalb auch die Versuche.
Ob das nun Mitos sind - das Präparat gibt es nicht mehr. Aber als Indiz könnte man anführen, daß die Umgebung des Zellkerns in einem frischen Zwiebelzell-Präparat bei entsprechender Fluorochromierung zumindest eine gewisse Ähnlichkeit aufweist.
Aber genau das "Wabern und Kriechen" wunderte mich sehr, davon habe ich noch nie gehört, ich habe es aber gesehen. Ist auch auf Bild 3 eigentlich ganz nett zu erkennnen.
Und aus der rein mikroskopisch-technischen Sicht war ich überrascht und erfreut, daß man solche "Würste" (was auch immer das nun ist) auch so schön mit schiefer Beleuchtung darstellen kann.

Vielleicht kommen ja noch Vergleichsbilder oder Vergleichsbeobachtungen.


Viele Grüße von

Marcus