Inverses Mikroskop TELMU XD-1606 für 60,-€ - ein Test

Begonnen von Gerd Schmahl, Oktober 16, 2022, 09:46:36 VORMITTAG

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Gerd Schmahl

Hallo,
ich bin ohne große Erwartungen an dieses Spielzeug heran gegangen und bin sowohl in positiver, als auch in negativer Weise überrascht worden.
Positiv: die optische Qualität. Man sieht tatsächlich was. Der Bereich der förderlichen Vergrößerung wird lediglich beim 20er Objektiv im Zusammenspiel mit dem 16er Okular leicht überschritten.

Die optische Ausstattung:
Einlinsenkondensor mit n.A. 0,19 und einem Einschub für einen Plaste-Blaufilter, der wirklich arg blau ist. Eigentlich bräuchte die LED-Beleuchtung diesen ,,Tageslichtfilter" nicht. Diese ist zwar regelbar, aber eigentlich schon im untersten Level zu hell. Ich habe zwei Polfilter als regelbaren ,,Neutralfilter" dort hinein gepackt. Damit ist es viel angenehmer. Das 20er Objektiv bekommt aber schon keine ausreichende Beleuchtungsapertur geliefert und erscheint damit wie abgebelndet. Eine Aperturblende gibt es aber nicht am Kondensor.
3 Long-working-distance-Objektive, leider keine RMS-Gewinde, sondern kleiner, aber immerhin sind richtige Glaslinsen verbaut, die auch eine Vergütung haben. (Das weiß ich , weil ich das 20er Objektiv zerlegt habe, um groben Schmutz zwischen der Frontlinse und der hinteren Dublette zu beseitigen):
- 4/0,10/170/1,1; -Arbeitsabstand: 36,8mm
- 10/0,15/170/1,1 – AA 16,2mm
- 20/0,25/170/1,1 – AA: 6,2mm
Okulare:
- WF 10 laut User Manuel mit 14mm Sehfeld (was ich nun wirklich nicht als ,,Weitfeld" empfinde, aber ja: Der Begriff ist nicht scharf definiert und ich verwöhnt vom 26mm Großfeld des VANOX).
- WF 16
Immerhin: Die Okulare haben 23,3mm Steckdurchmesser, so dass man sie durch bessere Okulare ersetzen kann. Die Austrittspupille ist sehr nah an der Augenlinse, so dass mir das Fotografieren dadurch mit der Digikam nicht gelungen ist. Steckt man ein besseres Okular ein, z.B. ein Zeiss-Jena P10 (18) beginnt das kleine Plastikteil schon fast Spaß zu machen. Die Fotos vom beiliegenden  Dauerpräparat des Fliegenbeines (Bild 6) sind dadurch entstanden.

Negativ: das System ist fast so offen (Bild3) wie eine optische Bank (eigentlich schlimmer, denn an einer OB kommt man wenigstens an alle Teile heran, so dass man sie reinigen kann). Das hat mich am meisten erstaunt und das halte ich auch für den schwerwiegendsten Fehler der Konstruktion. Unter dem Objektivrevolver ist ein frei zugänglicher Raum zum Spiegel oder Prisma (konnte ich von außen nicht genau erkennen), der das Strahlenbundel in Richtung Okular befördert. Somit dürfte dieses Bauteil über kurz oder lang einstauben. Wehe dem, der eine Petrischale verschüttet!

Negativ ist auch, dass fast alles aus Kunststoff ist. Wenn ich in den "Tubus" schaue, gruselt es mich (Bild 5).

Es gibt nur einen Grobtrieb, der beim 20er Objektiv schon an seine Grenzen kommt.


Das Zubehör ist ebenso eine Warm-Kalt-Dusche:
Da sind richtig gute bekantete Objekträger mit gerundeten Ecken dabei und 5 Dauerpräpatate von denen die 3 Pflanzenschnitte gruselig grün (z.T. über-)gefärbt und teilweise zerrissen sind. Die gefärbte Zwiebelhaut ist o.k. und das Fliegenbein  gut verarbeitet.
Die Kunststoff-Petrischale hat zumindest einen schönen planen Boden (in der Bedinungsanleitung als "Meßbecher" deklariert  ;) )

Die Plastepinzette ist das Gruseligste seiner Art, was ich bisher in der Hand hatte und dann ist da noch ein Ding dabei, das ich auch schon bei anderen Spielzeugmikroskopen gesehen habe und immer für einen Schnittfänger gehalten hatte. Laut Manuel soll das ein Metallskalpell sein. Na. Ja: Zumindest kann man sich damit nicht schneiden. 8)  Eine Pipette wird zwar in einer Zubehörtabelle erwähnt, gehört aber ebenso wenig zur Ausstattung wie eine ebenfalls erwähnte 3-fach vergrößernde Lupe. Da ist wohl eine falsche Tabelle einfach übernommen worden. Die Bedienungsanleitung ist ohnehin eine sehr schlechte Übersetzung aus dem Chinesischen, die mit verdrehten Wortstellungen und nicht immer ganz treffender Wortwahl für Heiterkeit sorgt. Bei der Bezeichnung der Abbildung des Zubehörs gibt es mehrere Verwechselungen. Es ist auch egal, ob man die auf Deutsch oder Englisch liest.

Fazit: Das Ding ist besser als kein Mikroskop und kann zumindest in der Bildqualität durchaus mit einem akzeptablen Preis-Leistungs-Verhältnis punkten. Ich werde es demnächst mal zum Tümpeln mit an den Teich nehmen (hat Bateriebetrieb mit 3xAAA), bevor ich es weitergebe. Für Kinder könnte erleichternd sein, dass man das Leben im Wasser untersuchen kann, ohne ein Präparat herstellen zu müssen, aber immer mit der Einschränkung der wahrscheinlich kurzen Freude wegen der Anfälligkeit für Verschmutzungen. Wie lange der Fokussiertrieb hält - darüber wage ich keine Prognose.

Im Anhang ein paar Fotos.
1: Seitenansicht
2. Größenvergleich mit einem "erwachsenen" Inversen, auch wenn das Vilovert eher ein kleines Gerät ist. Man braucht zwingend eine Erhöhung auf die man das kleine Gerät stellen kann, sonst Gnickstarre.
3. Die Staubfangöffnung
4. Smartphonehalterung passt auch an große Okulare mit 30mm Durchmesser und erlaubt eine Abstandsregelung über eine Drehschraube
5. Tubus-Gruselkabinett
6. das beiliegende Fliegenbeinpräparat mit dem 20er Objektiv, aber CZJ-Okular
7. das Zubehör

Beste Grüße
Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
Durchlicht: Olympus VANOX mit DIC, Ph, DF und BF; etliche Zeiss-Jena-Geräte,
Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
Inverses: Willovert mit Ph

Rene

#1
Hallo Gerd, das war auch meine Erfahrung mit diesem kleinen Mikroskop: nützlich. Anstelle von zwei Polfiltern habe ich ein paar Stücke Linsenpapier mit der Lampe verwendet, um die Lichtintensität zu verringern und als Diffusor zu dienen.

Das Bild ist kontrastreich und plan. In der Anlage finden Sie ein Bild einer Testprobe mit dem 20x-Objektiv und meine Iphone7.

Grüße, René

Siegfried

Hallo Gerd
Ich hatte vor ca. 2 Jahren meinem Enkel auch solch ein Telmu
geschenkt.
Er benutzt es heute noch mit Interesse.
Ich hatte damals aber den Grobtrieb etwas stabilisiert.
Hier noch ein Video von vor 2 Jahren, welches ich
mit ihm aufgenommen hatte.
https://www.youtube.com/watch?v=8JVmhHcC0OI
   Gruß von Siegfried

Peter V.

#3
Hallo Gerd,

das Gerätchen hatte ich schon mal in meinen Händen:

https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=35255.msg257751#msg257751

An sich ein gutes Konzept, das wieder einmal ärgerlicherwweise durch Sparen wohl nur weniger EUR in der Herstellung zunichte gemacht wurde.

Am meisten ärgert mich die weit verbreitete Ansicht "Für Kinder reichts doch"! NEIN!!!! Für Erwachsene "reichts" vielleicht sogar, aber gerade(!) Kinder benötigen ein stabiles und in der Bedienung präzises(!) Gerät. Alles andere schreckt ab. Erwachsene können ggf. mit entsprechender motrischer Fähigekeit all diese Umzulänglichkeiten komensieren - Kinder nicht! Niemals würde ich einem Kind all diesen "Mikroskop"-Plastikschrott zumuten, außer wenn ich erreichen wollte, dass sich das Kind keinesfalls mehr damit beschäftigt.

Ich ärgere mich geradezu, mit welcher Verachtung die Industrie (und die leider oft ahnungslosen Eltern) Kindern so etwas zumuten (vom Zubehör ganz zu schweigen). Mein Zorn richtet sich jetzt nicht speziell gegen dieses Mikroskop, sondern generell all diese "Kindermikroskope", die schon bei der Herstellung im Prinzip in die Tonne gehören.
Aber das war "früher" (Stichwort: "Bob.-Mikroskop") auch nicht besser...

Wäre dieses Telmu in der Fokussierung etwas präziser, könnte es sogar als ganz einfaches "Reisemikroskop" zur groben Vorprüfung z.B. einer Tümpelprobe ausreichend sein.

Hezrliche Grüße
Peter

PS: Ich sehe grade Siggis Post. Na ja, wenn Dir die "Stabilisierung" des Grobtriebs gelungen ist...das ist ja der von mir am meisten bemängelte Schwachpunkt.




Dieses Posting ist frei von kultureller Aneigung, vegan und wurde CO2-frei erstellt. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

Siegfried

Hallo Peter
Zur Stabilisierung des Grobtriebes, kann ich mich noch erinnern,
daß ich einen Keil eingeklebt hatte,
danach war die Fokussierung besser zu handhaben.
Mein Enkel wohnt ja in einem anderen Ort.
Wenn ich wieder dort bin, mache ich mal ein Foto.
   Gruß von Siegfried

Gerd Schmahl

Hallo,
Danke für die Ergänzungen!

Hallo Peter,
ich werde vergesslich! ich hatte sogar auf Deinen Test von 2019 geantwortet, aber ihn wieder vergessen...
LG Gerd
Fossilien, Gesteine und Tümpeln mit
Durchlicht: Olympus VANOX mit DIC, Ph, DF und BF; etliche Zeiss-Jena-Geräte,
Auflicht: CZJ "VERTIVAL", Stemi: MBS-10, CZJ SMXX;
Inverses: Willovert mit Ph