Visualisierung von Magnetfeldern im Mikroskop: Teil 1 Faraday-Sensor

Begonnen von Horst Wörmann, November 13, 2022, 17:09:41 NACHMITTAGS

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Horst Wörmann

Liebe Gemeinde,

Magnetfelder an sich sind natürlich nicht sichtbar - indirekt geht es aber. Jürgen (hugojun) hat ja schon die Grundlagen kurz erklärt (am 30. Juni 2022: ,,Faraday im Auflicht").
Jürgen ist der Experte für die mineralogische Anwendung; hier ein paar Beispiele aus anderen Gebieten, auch um mal das riesige Potential der Mikroskopie aufzuzeigen.

Kurz zum physikalischen Hintergrund:
Licht als elektromagnetische Strahlung wechselwirkt mit Magnetfeldern: ein internes oder extern an ein Material angelegtes Magnetfeld bewirkt eine Drehung der Polarisationsebene von linear polarisiertem Licht. Das kann man sowohl im Auflicht (magnetooptischer Kerr-Effekt) als auch im Durchlicht (Faraday-Effekt) beobachten; im Analysator wird der Drehwinkel in Helligkeitsunterschiede umgesetzt.

Die meisten dielektrischen Materialien zeigen den Faraday-Effekt, wenn sie einem starken magnetischen Feld ausgesetzt werden. Die Drehung der Polarisationsebene ist um so größer, je stärker die magnetische Flußdichte ist. Die Drehrichtung ist von der Feldrichtung abhängig,  der Drehwinkel ist proportional zur magnetischen Flußdichte B und zur durchstrahlten Länge, mit einem stoff- und wellenlängenabhängigen  Proportionalitätsfaktor, der Verdet-Konstante. Diese ist für Glas und Quarz sehr gering, weshalb der Effekt an diesen Materialien mit unseren Mitteln nicht meßbar ist. Es gibt jedoch exotische Materialien mit einer vergleichsweise hohen Verdetkonstante, die zur Realisierung von Magnetfeldsensoren nach diesem Prinzip geeignet sind. Ein solcher Sensor enthält eine einkristalline Granatschicht , hier ein  Bismut-substituiertes Seltenerd-Eisengranat der Stöchiometrie (Bi,SE)3(Fe,Ga)5O12. Es ist ferrimagnetisch und transparent, kristallographisch orientiert  am Kristallgitter des Substrats.


Bild 1:Faraday-Sensor und Magnetfeld
Der Faraday-Winkel beta verdoppelt sich, weil die magnetooptische Schicht zweimal durchstrahlt wird (2*d). V = Verdet-Konstante, µ*H = magnetische Flußdichte B
(Mit freundlicher Genehmigung durch Matesy GmbH)
Bild 2 (rechts): Abbildung 2: Sensor-Aufbau (MO-Schicht: magnetooptisch wirksame Schicht)
(Mit freundlicher Genehmigung durch Matesy GmbH)

Mit einer spiegelnden Aluminium-Lage unterhalb der magnetooptischen Schicht (MO-Schicht) wird die Schicht doppelt durchstrahlt und damit die Empfindlichkeit verbessert (Abb. 2). Diese wird vor Zerkratzen geschützt durch eine harte Saphir-Deckschicht als Unterseite . Der Sensor wird nur oberflächlich an die Probe angedrückt, das Verfahren ist also vollkommen zerstörungsfrei.
Die Sensoren werden in verschiedenen Abmessungen (8x8 bis 45x60 mm) und Empfindlichkeiten hergestellt. Der hier verwendete Sensor der Firma Matesy GmbH ist ein 8x8x0,5 mm großes Plättchen.
Nach dem beschriebenen Faraday-Prinzip erwartet man nun im Auflicht-Polarisationsmikroskop eine homogene Oberfläche des Sensors, abhängig von der Feldstärke und -richtung mit unterschiedlicher Helligkeit. Stattdessen ergibt sich auch ohne externes Magnetfeld ein überraschend komplexes, strukturiertes Bild: Abb. 3.


Bild 3: Dieselbe Sensorfläche bei unterschiedlichen Analysator-Stellungen, ohne angelegtes Magnetfeld
Mittleres Bild: Analysator in Auslöschungsstellung 90°: gleiche Helligkeit benachbarter Domänen.
Linkes und rechtes Bild: Analysator auf die angegebenen Winkel verdreht: benachbarte Domänen sind mal hell, mal dunkel: gleicher Betrag der Faraday-Drehung, aber entgegengesetzte Feldrichtungen der Domänen und damit gegensätzliche Drehung der Polarisationsebene.


Diese Struktur  ist die Folge lokaler Ordnungsprozesse der magnetischen Momente der Atome in der ferrimagnetischen Sensorschicht. Die magnetischen Momente werden auch ohne äußeres Magnetfeld in begrenzten Bezirken parallel ausgerichtet, wobei sich die Richtung am Kristallgitter orientiert. Diese Bereiche sind die Weiss-Bezirke, auch Domänen genannt. Die Grenzen zwischen den Domänen sind die Bloch-Wände.
Aufgrund der Kristallstruktur des Yttrium-Eisen-Granats ist die Magnetisierungsrichtung in benachbarten Domänen antiparallel ausgerichtet, sie erscheinen deshalb im polarisierten Licht abwechselnd hell und dunkel (Bild 3).

Der hier eingesetzte Sensortyp spricht nur auf die magnetische Feldkomponente in der z-Achse an, was zum Verständnis der nachfolgenden Bilder wichtig ist.
Bei der Überlagerung eines äußeren Magnetfeldes verschieben sich die Domänenwände, die günstig orientierten Domänen vergrößern sich auf Kosten der Nachbardomänen, bis sie schließlich alle mit der Richtung des äußeren Magnetfeldes übereinstimmen und dadurch Sättigung erreicht wird.
Bild 4 zeigt diesen Effekt: der Sensor ist auf einer Spule mit großem Eisenkern plaziert, deren Feldlinien senkrecht zur Sensorfläche verlaufen. Läßt man den Spulenstrom in 0,5-mA-Schritten steigen und erhöht damit die Feldstärke, kann man die wechselseitige Veränderung der Domänengrößen direkt beobachten.


Bild 4: Bilder des Sensors bei steigendem magnetischem Fluß in Z-Richtung.

Magnetfeld an einem stromdurchflossenen Draht
In einem einfachen Versuch kann man die oben beschriebenen Effekte nachweisen. Bild 5 links zeigt den zwischen zwei Schrauben gespannten Draht mit einem Durchmesser von 0,2 mm, das kleine quadratische Plättchen ist der Sensor, in Bild 5 rechts das Bild des Sensors im Auflicht-Pol. Der Sensor liegt auf dem senkrecht in der Mitte verlaufenden Draht auf. Weil die örtliche Feldstärke in z-Richtung um den Draht leicht zu berechnen ist, kann man nach Filterung der störenden Mäanderstruktur (ImageJ, Gaussian Blur-Filter) den Helligkeitsgradienten ausmessen und so den Sensor gegen die Stromstärke kalibrieren.


Bild 5: Vorrichtung zur Messung des Magnetfeldes an einem Draht (das quadratische Plättchen ist der Sensor), rechts Bild des Sensors im Pol-Bild
Bei Stromdurchfluß (1 A) zeigt der Sensor einen Helligkeitsgradienten (rechtes Bild, nach Gaussian-Blur-Filtern mit ImageJ).

Nun einige Beispiele:
Euro-Banknoten


Bild 6: Euro-Banknote: Teil der Seriennummer. Druck mit magnetischer Druckfarbe


Bild 7: Euro-Banknote: Magnetische Markierung auf dem Sicherheitsstreifen.
Der Sicherheitsstreifen enthält lange und kurze derartige Markierungen, die den Banknotenwert maschinenlesbar codieren: ein weitestgehend unbekanntes Sicherheitsmerkmal. Die Struktur der Magnetisierung wie im Bild ist nicht zufällig, sondern stellt wahrscheinlich ein weiteres Sicherheitsmerkmal dar. Ein weiteres lohnendes Objekt für die Mikroskopie!

Magnetische Codierung auf Scheckkarten

Auf Kreditkarten, EC-Karten, Parkkarten etc. findet man braune bis schwarze Streifen aus magnetisierbarem Material, auf denen bestimmte Informationen magnetisch codiert sind. Auch diese können magnetooptisch sichtbar gemacht werden.

Bild 8: Magnetspuren auf Scheckkarten.
Links: neue Karte, rechts: Karte mit starken Gebrauchsspuren.


Bild 9: Magnetspur in voller Länge: meine Kontonummer.
Die Magnetisierung auf den Magnetstreifen ist relativ hoch, der Sensor wird teilweise gesättigt.

Magnetische Tonaufzeichnung


Bild 10: Ausschnitt aus einem Vierspur-Tonband.
Oben bespielt mit einem übersteuerten 1000-Hz-Ton, unten ein Musik-Signal. Man erkennt die unterschiedlich starke Magnetisierung, abhängig von Lautstärke bzw. Aussteuerung.

Magnetische Datenaufzeichnung: Diskette


Bild 11: alte 3,5"-Diskette: Magnetspuren der digitalen Aufzeichnung.
Bei neueren magnetischen Datenträgern ist die Aufzeichnungsdichte so hoch, daß man mit dem begrenzten Auflösungsvermögen des Sensors keine Information auslesen kann.

Nachteilig bei dem Verfahren ist der hohe Aufwand: neben dem Sensor braucht man ein Auflicht-Polarisationsmikroskop mit einem drehbaren Analysator. Zudem ist die Auflösung bedingt durch die Domänenstruktur recht begrenzt.
Ein einfacheres Verfahren wird demnächst hier in Teil 2 vorgestellt.
So weit in aller Kürze, auf unserer Webseite ist das Verfahren wesentlich ausführlicher dargestellt!

Viele Grüße aus Bonn
Horst

lsolbach

#1
Hallo Horst,

das ist ja sehr interessant. Ich bin immer wieder erstaunt, wie vielseitig sich ein Mikroskop doch verwenden läßt. Im Vergleich zum Teleskop ist es das deutlich spannendere Instrument. Zumindest, wenn man nicht das James Webb mit allen Instrumenten zur Verfügung hat.

Gerne mehr davon. :D

Viele Grüße
Ludger

Florian D.

Hallo Horst!

Sehr toller Beitrag!
Nur eine Anmerkung:
Zitat von: Horst Wörmann in November 13, 2022, 17:09:41 NACHMITTAGS
Kurz zum physikalischen Hintergrund:
Licht als elektromagnetische Strahlung wechselwirkt mit Magnetfeldern: ein internes oder extern an ein Material angelegtes Magnetfeld bewirkt eine Drehung der Polarisationsebene von linear polarisiertem Licht. Das kann man sowohl im Auflicht (magnetooptischer Kerr-Effekt) als auch im Durchlicht (Faraday-Effekt) beobachten; im Analysator wird der Drehwinkel in Helligkeitsunterschiede umgesetzt.
Licht wechselwirkt nicht direkt mit dem Magnetfeld, vielmehr mit den geladenen Teilchen in dem Material (insbes. den Elektronen) die wiederum von dem Magnetfeld abgelenkt werden.

Viele Grüsse
Florian

hugojun

Hallo Horst,

danke, dass du nochmal deinen Vortrag des Mikroskopisches Kollegium Bonn hier ins Forum stellst.

Den Faden" ,,Faraday im Auflicht" möchte ich zu gegebener Zeit auch mit Untersuchungsergebnissen weiterführen.

,,...Nachteilig bei dem Verfahren ist der hohe Aufwand: neben dem Sensor braucht man ein Auflicht-Polarisationsmikroskop mit einem drehbaren Analysator.

Zudem ist die Auflösung bedingt durch die Domänenstruktur recht begrenz
t...  ,,

und

aus den Erfahrungen der letzten Monate komme ich zu der Erkenntnis, dass meine Versuchsanordnung kein ausreichend starkes Magnetfeld erzeugen kann, um das

sogenannte ,,back-fiel-experiment" aussagekräftig durchführen zu können. Dabei geht es um die Identifizierung der drei Eisen-Nickel-Phasen

über die optische Darstellung der magnetischen Koerzitivität. Eine Anfrage bei dem Elektromagnet-Hersteller zur Anschaffung eines geeigneten

Magneten verlief negativ. Alternativ wurde mir eine ,,Sonderanfertigung ,,zu einem Preis angeboten, der mein angedachten Budgets sprengen würde.

Eine Suche bei anderen Anbietern war bisher erfolglos. Bleibt im Moment nur die Hoffnung, dass das von mir gewünschte Modell nochmal in die Serienfertigung geht.

Freue mich auf den zweiten Teil

LG
Jürgen


Horst Wörmann

Hallo Florian,

danke für den Hinweis: da habe ich den Satz zu stark verkürzt und damit ist die Aussage falsch. So würde der Effekt ja auch im Vakuum auftreten - es braucht aber mindestens ein paar freie Elektronen dazu. Es werden aber auch keine geladenen Teilchen im Magnetfeld abgelenkt!
Wikipedia macht es kurz: "Der Faraday-Effekt ist ein magnetooptischer Effekt. Er beschreibt die Drehung der Polarisationsebene einer linear polarisierten elektromagnetischen Welle in einem Medium, wenn darin ein Magnetfeld parallel zur Ausbreitungsrichtung der Welle herrscht ". Eine Beschreibung, aber keine Erklärung ... - die steht besser in der englischen Version und möge mir hier erspart bleiben.

@Jürgen: Kannst Du den Magneten nicht selber wickeln? Oder fehlt es am passenden Eisenkern? - Teil 2 kommt erst Anfang Dezember!

Viele Grüße
Horst