Interessante Pilzfunde 58 - Schnecklings-Täubling

Begonnen von Bernd Miggel, Dezember 02, 2022, 12:48:09 NACHMITTAGS

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Bernd Miggel

Beim Schnecklings-Täubling handelt es sich um eine der seltensten Russula-Arten. In der Roten Liste Pilze Deutschlands (2016) und auch in den Verbreitungskarten der Deutschen Ges. für Mykologie wird er wohl deshalb nicht aufgeführt. Möglicherweise wurde er schon öfter gefunden, doch ohne nähere Untersuchung wegen großer Ähnlichkeit mit dem Trockenen Schneckling als Hygrophorus penarius notiert.
Exsikkat und Fotos am Fundort (Bild 1 und Bild 2) wurden mir freundlicherweise von Björn Wergen zur Verfügung gestellt.

Bild 1 (Björn Wergen):

Bernd Miggel

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#1
Eckdaten des Fundes
•   Pilzart: Schnecklings-Täubling (Russula camarophylla Romagn.),
•   leg. & det.: Björn Wergen,
•   Funddatum: 1.9.2018,
•   Naturregion: Schwarzwald,
•   Fundort: Kräher Wald, Hornberg-Reichenbach, Baden-Württemberg,
•   Boden gem. LGRB-Kartenviewer: Podsolige Braunerde aus Hangschutt und schuttreichen Fließerden über Triberg-Granit.
•   Fundort: steil abfallender Randbereich eines Waldpfades, Halbschatten, im feuchten Moos,
•   Begleitflora: Fichten, Blaubeersträucher, Polytrichum spec., Sphagnum spec.
•   Wetter bis zum Funddatum: wochenlang trocken und sehr warm.

Lebensweise, Verbreitung
Es handelt sich um einen Mykorrhizapilz, der gemäß [6] bei Eichen, Birken, Rotbuchen und Hasel, gemäß [8] bei Eichen, Esskastanien, Rotbuchen, Kiefern wächst. Die Art wurde bisher in der gemäßigten und der mediterranen Zone gemeldet, und zwar mit jeweils nur wenigen Funden aus Frankreich, Italien und der Schweiz, in Italien oft in der subalpinen Zone.
Wegen des hier beschriebenen Fundes sind zusätzlich Fichten als Mykorrhizapartner anzusehen.

Bild 2 (Björn Wergen):

Bernd Miggel

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#2
Makroskopische Merkmale des Fundes
Die drei gefundenen Fruchtkörper waren gedrungen und dickfleischig. Die Hüte waren 30, 40 und 90 mm breit, flach ausgebreitet mit eingebogenem Rand, einer der Fruchtkörper asymmetrisch, reif mittig leicht vertieft,  Oberfläche ungleichmäßig gewellt und verbogen, schleimig, der Rand ungerieft, nach dem Fundortfoto hell- bis dunkelgelb gemäß [3]:  3A4-5, 4A4-8. Die Lamellen waren leicht bauchig bis leicht sichelförmig, weißlich bis hell creme, etwas gelbfleckig, am Exsikkat bis 0,5 mm breit, sehr entfernt stehend: direkt am Hutrand gemessen haben durchlaufende Lamellen 3-4 mm Abstand voneinander, die Schneide etwas gekerbt und gleichfarbig mit der Fläche. Der Stiel war stabil, weiß, gerade, etwas gelbfleckig. Das Fleisch ist gemäß [1] sehr fest, ja fast knackig, im Schnitt weißlich, an der Luft und im Alter bräunend.
Farbe des Exsikkats : Hut gelbbraun, Lamellen gelblichgrau.

Die folgenden Bilder 3, 4 und 5 zeigen das Exsikkat eines der Hüte:

Bernd Miggel

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#3
Die Farbe des Sporenstaubs wird in [4] als rein weiß Ia  angegeben. Beim Fund nach zwei Monaten Lagerung unter Lichtabschluss nach der Farbtabelle in [4]: hellcreme IIa-b.

Die Sporen des Fundes mit im Schnitt 5,7-5,9 x 4-4,2 µm sind sehr klein, ellipsoid, einige mit schwacher, supraapikularer Depression, das Ornament feinstwarzig,  mit ca. 0,1 µm hohen, isolierten oder durch eine feine Linie miteinander verbundenen Warzen; der Hilarfleck ist nicht amyloid.
Statistik (Stichprobe von 41 repräsentativen Sporen, 95-prozentige Wahrscheinlichkeit)
mit L Länge, B Breite, Q Schlankheitsgrad = L / B, V Volumen, av average (Mittelwert):

L x B = 5-5,8-6,5 x 3,6-4,1-4,6 µm     Lav x Bav = 5,7-5,9 x 4-4,2 µm     Qav: 1,38-1,44     Vav: 49-55 µm3 

Das folgende Bild 6 zeigt die isoliert bis verbunden warzigen Sporen, präpariert in Melzers Reagenz:

Bernd Miggel

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#4
Die Huthaut (Epicutis) habe ich in NH3-Ammoniak untersucht und konnte Haare (Poils) mit folgenden Merkmalen erkennen: derb, relativ dickwandig, einige etwas geschlängelt, 3-8 µm im Durchmesser, einige terminal bis über 15 µm aufgeweitet. In Bild acht sind einige Hyphen mit Inkrustierungen erkennbar.

Die folgenden Bilder 7 und acht zeigen Zupf/Quetschpräparate der Hutdeckschicht in NH3-Kongorot:

Bernd Miggel

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#5
Das folgende Bild 9 zeigt einen in Toluidinblau gefärbten Querschnitt der 300 bis 400 µm dicken, verschleimten Hutdeckschicht, gefolgt von der aus Sphaerozysten bestehenden Huttrama:

Bernd Miggel

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#6
Verwechslungsmöglichkeiten
Der Trockene Schneckling (Hygrophorus penarius) ist in Habitus und Färbung zum Verwechseln ähnlich. Allerdings besitzt er faseriges Fleisch sowie andere Mikromerkmale.

Literatur
•   Ein Feldschlüssel für Täublinge
[1] Buyck, B. et al. (2003): Quelques récoltes recentes de Russula camarophylla.Bull. Soc. mycol. Fr., 119 (3-4): 217-229.
[2] GALLI, R. (1996): Le Russule: 58-59.
[3] KORNERUP A. & WANSCHER J.H. (1981): Taschenlexikon der Farben.
[4] MARXMÜLLER, H. (2014): Russularum Icones Bd. I: 74-77.
[5] Melera, S. (2010): Russula camarophylla. Der Pilz des Monats 3, SZP/BSM/2010: 46-54.
[6] ROMAGNESI, H. (1985): Les Russules d' Europe et d'Afrique du Nord. Neudruck der Ausgabe von 1967 mit Ergänzungen: 1001-1003.
[7] SARNARI, M. (1998): Monografia illustrata del Genere Russula in Europa, Tomo Primo:
[8] https://de.frwiki.wiki/wiki/Russula_camarophylla
[9] https://fundkorb.de/pilze/russula-camarophylla-schnecklings-t%C3%A4ubling


Viel Vergnügen beim Anschauen!
Bernd



Alle Fundberichte in der Übersicht: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=42360.msg312080#msg312080

Fachausdrücke, Abkürzungen: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=41611.msg306729#msg306729