Drehtisch für Ortholux II mit 3D-Druck

Begonnen von Michael, Dezember 04, 2022, 12:11:57 NACHMITTAGS

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Michael

Hallo in die Runde,

um Objektträger entsprechend dem DIK-Gradienten oder dem Bildrändern der Kamera auszurichten, ist es nötig, die Präparate auf dem Objekttisch zu drehen. Wenn man - wie ich - keinen Drehtisch zu Verfügung hat muss man sich was einfallen lassen...

Ich habe mir einen drehbaren Objektführer konstruiert, der problemlos mit einen einfachen 3D-Drucker gefertigt werden kann. Dabei wurden folgende Eigenschaften berücksichtigt:
  • geringe Bauhöhe - dadurch sind Kollisionen mit den Objektiven ausgeschlossen
  • montiert an den Kreuztisch, um die Präparate weiterhin verschieben zu können
  • Präparat liegt direkt auf dem Objekttisch auf - keine Problem mit der Scharfstellung des Kondensors / Köhlern ist möglich
  • leichtes Einsetzen und Entnehmen des Objektträgers
  • abweichende Maße der Objektträger durch Federhalterung möglich
  • Einsetzen von den handelsüblichen Kunststoff-Petrischalen mit 7 cm Durchmesser möglich; zusätzliche kreisförmige Aussparung für die Verwendung der Deckel der Petrischalen (deren Bauhöhe etwas kleiner ist, so dass es zu keiner Kollision mit dem 10er Objektiv kommen kann)
Der Objektführer besteht aus zwei separaten Teile:
  • einem Drehrahmen der an den Kreuztisch mit den üblichen Befestigungsschrauben fixiert wird
  • einer Drehscheibe, die in den Rahmen gesetzt wird und in ihm gedreht werden kann. Um die Drehung zu erleichtern, liegt die Drehscheibe nur an sechs Punkten an dem Rahmen an. Die Drehscheibe ist mit sechs Griffen versehen, so dass sie leicht von allen Seiten bedient werden kann

Bild 1: Einzelteile des Objektführers; links Rahmen, der an den Kreuztisch montiert wird; rechts die Drehscheibe, die den Objektträger bzw. die Petrischale hält

Die beiden Teile werden ineinander gesteckt. Der Objektträger sitzt fest in der Aussparung und kann um 360 Grad gedreht und wie gewünscht ausgerichtet werden. Die runden Aussparungen sind ggf. für Petrischalen vorgesehen.


Bild 2: zusammengesteckter Objektführer

Am Mikroskop sieht das ganze dann so aus:



Bild 3: Drehbarer Objektführer am Mikroskop

In der Praxis hat sich diese Konstruktion bewährt. Natürlich ist der Drehtisch nicht zentrierbar - beim Drehen muss die Position des Objektes durch den Kreuztisch nachgeregelt werden. Die Objektträger sitzen fest genug, so dass es keinerlei "Schlupf" beim Verschieben gibt. Einige Objektträger-Marken scheinen aber eine etwas geringere Tiefe aufzuweisen, so dass man sich bei diesen wünscht, dass sie etwas straffer sitzen sollten. Will man solche Objektträger verwenden, muss man die Haltefedern etwas anpassen...

Die entsprechenden Druckfiles - inklusive den CAD-Files im OpenSCad-Format können bei Thingiverse heruntergeladen werden. Die Konstruktion ist auf den Objektisch meines Ortholux II angepasst. Für andere Mikroskope muss die Position bzw. der Durchmesser der Halteschrauben ggf. angepasst werden.

Ich möchte diesen praktischen Objektführer nicht mehr missen. Erst durch das Drehen des Objekts in den optimalen Winkel ist z.B. eine optimale Kontrastierung bei DIK möglich. Auch das Ausrichten an den Foto-Rändern erspart das ständige Drehen der Kamera.

Ich hoffe, dieser Beitrag ist für Euch - zumindest als Anregung für eigene Konstruktionen - nützlich.

Viele Grüße

Michael

Gerne per Du

Bob

Hallo Michael,
gute Idee und Umsetzung!
Ein kleiner Nchteil könnte sein, dass man die Präparate unter dem eingestellten Mikroskop nicht einfach austauschen kann, sondern erst Platz für die Entnahme nach oben mit dem Grobtrieb schaffen muss.

@Alle: Man kann bei Thingiverse auch konstruktive Abwandlungen eines Modells speichern, z.B. Anpassungen an andere Mikroskope. Open SCAD ist kostenlos. Die Modelle werden darin nicht gezeichnet sondern wie in einer Programmiersprache beschrieben. Eine neue Position der Befestigungslöcher sollte hinzubekommen sein.

Viele Grüße,

Bob

lsolbach

Hallo Michael,

Der Drehtisch passt doch bestimmt nicht nur an ein Ortholux, oder?

Gruß
Ludger

Michael

Hallo Bob und Ludger,

@Bob:
Zum Einlegen und Entfernen des Objektträgers schwenke ich einfach ein kleines Objektiv (z. B. 10x) ein - dann gibt es kein Problem. Ansonsten kann man auch den Objektträger mit dem Kreuztisch unter dem Objektiv herausfahren - die Fokuslage bzw. Triebeinstellung muss man nicht ändern.

@Ludger:
Die Positionen der Befestigungsschrauben und der Schraubendurchmesser sind für den Leitz-Tisch angepasst. Eine Anpassung an andere Mikroskope ist aber problemlos möglich. Dazu muss man die Datei "Drehtisch.scad" editieren. Ziemlich am Anfang der Datei finden sich die Zeilen:

...

r3=1.5;         //Schraubenradius
s=31.5;         //Schrauben x-Pos

...

Einfach diese Variablen auf den für Dein Mik gültigen Wert setzen. Die Variable "s" gibt die Entfernung der Schrauben von der Symmetrieachse an. Dann wie üblich eine neue STL-Datei erstellen etc.

Viele Grüße

Michael



Gerne per Du

GMaier

Hallo Michael,

schöne Arbeit, da steckt bestimmt viel Tüftelei drin. Und das Beste: Vermutlich kann man (ich) den Drehtisch auch an ein Olympus BH-2 anpassen; eine Erklärung hast Du ja schon gegeben. Danke für Deine Bereitschaft, den Entwurf zu teilen.

Vielleicht schreibst Du auch bei Gelegenheit mal einen Beitrag über deine Blitzadaption, die sich unter Deinem Kondensor ansatzweise zeigt. Bin schon gespannt ...

Viele Grüße in der Vorweihnachtszeit

Gerhard

Michael

Hallo Gerhard,

wenn ich nicht so viele Fehler gemacht hätte, wäre es bedeutend weniger Arbeit gewesen...

Zitat von: GMaier in Dezember 05, 2022, 08:37:04 VORMITTAG
Vielleicht schreibst Du auch bei Gelegenheit mal einen Beitrag über deine Blitzadaption, die sich unter Deinem Kondensor ansatzweise zeigt. Bin schon gespannt ...

Du hast gute Augen - ich bin wirklich aktuell dabei, eine Blitzadaption zu bauen. Was Du da siehst ist aber nur ein provisorischer Aufbau, bei dem ich den Blitz nur von der Seite zu Testzwecken einspiegele. Im Endausbau soll das ganze dann so ähnlich wie bei den bewährten Blitzwürfeln aussehen - aber bis dahin dauert es noch etwas...

Wenn Du bei der Anpassung an Dein Olympus Hilfe brauchst, sag einfach Bescheid!

Viele Grüße

Michael
Gerne per Du

Ole Riemann

Hallo Michael,

schönen Dank für die Schilderung Deiner Konstruktionsidee und deren Umsetzung! Ja, ein drehbarer Tisch ist in der Tat sehr nützlich. Ich habe ihn gestern abend wieder bei der Blitzfotografie bewegter Objekte gebraucht. Am ZEISS Standard WL ist man in der glücklichen Lage, dass der drehbare Kreuztisch auch zentrierbar ist. Selbst bei der Ölimmersion ist bei sorgfältiger Zentrierung kaum Nachstellen an den Tischtrieben nötig, wenn man das Objekt für die Kamera passend dreht. Aber eine selbst gebaute Konstruktion ist natürlich noch viel schöner.

@GMaier: Am Olympus BH-2 ist der Tisch doch schon von Haus aus drehbar (wenn auch nicht zentrierbar). Man muss hierfür die zum Stativ weisende Schraube einfach lösen.

Beste Grüße

Ole


GMaier

Hallo Ole,

Du hast recht: Den Tisch am BH-2 kann man drehen. Ich habe das allerdings aktiv beim Mikroskopieren noch nicht ausprobiert. Nach der Olympus-Broschüre zum BH-2 lässt sich der Tisch um 270 Grad bzw. 65 Grad mit DIK-Kondensor (Ich habe die ältere Version ohne austauschbare Komponenten.) drehen. Ich werde das mit dem eingeschränkten Bereich in Kombination mit dem DIK-Kondensor die Tage mal testen. Michaels Entwurf lässt sich dagegen um 360 Grad "frei" bewegen. Ob das in der Praxis den berühmten "Mehrwert" bringt, kann ich noch nicht beurteilen. Auf jedem Fall eine schöne Lösung mit dem 3D-Druck-Teil.

Viele Grüße

Gerhard

Michael

Hallo Ole,

Du hast natürlich Recht, dass eine professionelle Lösung besser ist. Ich habe mich aber im Vorfeld nach Drehtischen für mein Ortholux II ungesehen. Da hätte es eigentlich nur einen großen Drehtisch mit allen Schikanen gegeben, bei dem aber der Kreuztisch nicht mehr mit koaxialen, tiefliegenden Drehknöpfen bedient worden wäre. Da ich nicht nur festgelegte Objekte sondern auch gerne flinke, freischwimmende Tierchen beobachtete, war das für mich keine Lösung. Eine andere Alternative wäre eine Drehvorrichtung zum aufsetzen auf den Tisch gewesen, die aber das Präparat soweit vom Tisch abhob, dass ein Köhlern nicht mehr möglich gewesen wäre und man Probleme beim Einschwenken stärkerer Objektive gehabt hätte. Das war wohl eher für kristallografische Anwendungen gedacht.

Da mich 3D-Druck schon immer gereizt hatte, beschloss ich, das mal zu versuchen - zumal das ganze, inklusive 3D-Drucker, unschlagbar preiswerter war. Für den einfachen Drucker habe ich 99,- € bezahlt, ein kg Material kostet ca. 15,- €. Natürlich habe ich eine ganze Menge Stunden in das Einarbeiten investiert und meine Fehler gemacht, aber ich empfinde es als eine Bereicherung, soviel gelernt zu haben. 3D-Druck und Mikroskopie ergänzen sich ganz hervorragend - ob es Pipettenhalter, Färbetöpfe, Glasmesserhalter oder eben Drehtische und Blitzadaptionen sind...

Viele Grüße

Michael
Gerne per Du

Ole Riemann

Lieber Michael,

ich verstehe Dich sehr gut und hoffe, ich hatte mich nicht falsch ausgedrückt. Ich finde Deine Selbstbaulösung klasse und würde mir wünschen, so etwas auch zu können. Gerade das Problem mit den Tischtrieben kenne ich vom ZEISS-System: Mein drehbarer Tisch ist zwar zentrierbar, aber die Tischverstellung ist weder koaxial noch tiefliegend angeordnet. Ich muss immer mit zwei Schrauben arbeiten, was das Verfolgen beweglicher Objekte wie Du schreibst erschwert. Mit etwas Übung wird man aber routiniert: ich kann mittlerweile ohne darüber nachzudenken mit drei Fingern gleichzeitig die zwei Schrauben bedienen und damit ganz leidlich arbeiten.

@Gerhard: Danke für den interessanten Auszug aus der Olympus-Beschreibung. Jetzt weiß ich endlich, warum der Drehmechanismus beim alten NIC-Kondensor immer so schnell anschlägt!

Beste Grüße

Ole