Indirekte Methoden für den U-Tisch

Begonnen von Florian D., Januar 08, 2023, 13:57:00 NACHMITTAGS

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Florian D.

Glückauf Foristen

über die Feiertage habe ich daran gearbeitet, die Messungen am U-Tisch auszuwerten bzw. zu visualisieren. Dabei ging es mir um sog. "indirekte" Methoden. Dabei versucht man, anstatt die Hauptachsen und optischen Achsen direkt einzustellen, an mehreren vorgegebenen Einstellungen z. B. der A und K Achse, die Auslöschungswinkel der M Achse zu vermessen und aus diesem Satz an Messungen dann die Position der Achsen zu berechnen. Man kann dies auch als Verallgemeinerung der Methodik, die man zur Auswertung von Messungen am Spindeltisch verwendet, sehen. Ich zeige mal ein Beispiel eines Plagioklaszwillings. Dabei wurden die Winkel der A und K Achse jeweils in 10 Grad Schritten zwischen 0 und 350, bzw. 0 und 50 Grad variiert. Die gemessenen Auslöschungen sind durch schwarze Striche, die berechneten durch bunte Striche dargestellt, wobei Linien gleicher Neigung gleiche Farbe haben. Die berechneten Werte wurden in 5 Grad Schritten zwischen 0 und 355 bzw. 0 und 90 Grad eingezeichnet. Auch die Berechneten Achsenpositionen sind eingezeichnet. Man sieht schön, wie die optischen Achsen mit Wirbeln  der Auslöschungsstellungen zusammenfallen.

Die erste Graphik gehört zur rechten Lamelle, die zweite zur linken.

Viele Grüsse
Florian

hugojun

Hallo Florian,

die Diagramme zeigen eine Art Strudel um die optischen Achsen, die aber mit Bezug auf Beta

eine andre Symmetrie zwischen Individuum 1 & 2 zeigen.

Ist das ein Artefakt der Verarbeitung der Messreihen -Reihenfolge (Drehsinn von N/A₁/α)

oder real?

Frohes neues Jahr uns alle Gute für dich und deine Familie
Jürgen

Florian D.

Hallo Jürgen,

mit der Symmetrie habe ich auch meine Probleme, ich weiss nicht, ob dieser Zwilling in dieser Hinsicht ideal ist. Die Hauptachsen, soweit einstellbar, finden sich jedenfalls an den berechneten Positionen. 
Ich schaue mal, ob ich einen besseren Zwilling finde.

Viele Grüsse
Florian

olaf.med

Lieber Florian,

ach, würde doch Max Berek noch leben - mit dem könntest Du auf Augenhöhe über solche Probleme diskutieren. Ich erstarre immer nur vor Ehrfurcht ob Deiner mathematischen Fähigkeiten.

Hast Du bei diesem Zwilling einmal versucht die beiden Idikatrizen, nun da Du ja die Lage der Hauptachsen der Indikatrix kennst, konventionell zu plotten und versucht, das Zwillingsgesetz abzuleiten, sowie die Becke-Köhler Winkel zu ermitteln. Man müsste dann das Zwillingsindividuum zusätzlich klassisch mit dem U-Tisch vermnessen und die Ergebnisse vergleichen, ob identische Anorthit-Gehalte ableitbar sind.

Herzliche Grüße,

Olaf
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

MiR

Hallo Florian,

hört sich für mich spannend an, da ich mich damit gerade "herumquäle". An den von mir favorisierten organischen Präparaten (flüssigkristalline Präparate in Glaszellen) ist zwar die Einstellung der optischen Achse möglich und eigentlich auch erwünscht, nichts destoweniger muß der eingestellte Winkel (bspw. zur optischen Achse) gemessen werden. Das geschieht auf dem U-Tisch als Funktion von Kippwinkel und gemessenem Gangunterschied. Die Systeme sind einachsig und (natürlich) eher einheitlich ...
Mich würde schon interessieren welche Möglichkeiten es generell gibt, muß aber gestehen das mein Wissen nicht ausreicht, um deinen Ausführungen zu folgen. Vielleicht könntest du etwas zu deiner Vorgehensweise berichten...

Viele Grüße aus Berlin,
Michael

Florian D.

#5
Jetzt habe ich noch einen zweiten Plagioklas eingemessen, diesmal aus einem Gestein aus Grafenstein, mehr weiss ich darüber leider nicht. Es handelt sich aber ziemlich sicher um einen Plutonit (die Redwitzite aus Grafenstein sind bekannt). Die Lage der Hauptachsen, sowie die Koordinaten der Verwachsungsebene habe ich weiter ausgewertet. Es handelt sich ziemlich sicher um einen Albitzwilling (obwohl rein theoretisch auch ein Bavenozwilling möglich wäre), mit ca 40 % Anorthitgehalt.
Insgesamt vermass ich ca. 50 Auslöschungen pro Lamelle, bei kleineren Verkippungswinkeln weniger als bei grossen.

PS: Die zweite Abbildung war fehlerhaft. Korrigiert

Viele Grüsse
Florian

hugojun

#6
Diese beiden Individuen passen beim Überlagern der beiden Bilder symetrisch zueinander

Das hat mit den Bildern Gam 1 & Gam 2 nicht funtioniert!

LG
Jürgen




Florian D.

Anbei jetzt noch die Auswertung der Ergebnisse der direkten Methode, d. h. ich habe versucht, die Y und Z Achsen, die sich direkt einstellen lassen, durch Pendeln zu verbessern.
Dabei ergaben sich durchaus relevante Korrekturen um mehrere Grade. Auch jeweils eine optische Achse lies sich durch Drehung um die y-Achse einstellen, woraus 2Vz berechet werden kann. Es fanden sich 87 und 78 Grad für die beiden Individuen.  Die indirekte Methode ergab hingegen 89 und 83 Grad. Beide Methoden finden also für die beiden Individuen deutlich unterschiedliche Werte.
Die aus den Becke-Köhler Winkeln bestimmbaren Anorthitgehalte fallen teilweise um wenige Prozent höher aus.
Mit meiner geringen Erfahrung fällt es mir oft nicht leicht, alle erreichbaren Hauptachsen ohne Vorinformation aufzufinden. Die indirekt bestimmten Werte sind dann sicher ein guter Ausgangspunkt für weitere Verfeinerungen.

Viele Grüsse
Florian

hugojun

#8
Hallo Florian,

Deine Diagramme haben mich davon abgelenkt, die Methode der Datenermittlung zu verstehen.

Nun glaube ich , dass es sich um eine modifizierte Darstellung der Zonenmethode handelt.

Die Messungen und Auswertung sind ja bei Rittmann ganz anders dargestellt.

Mit deiner neuen stereographischen Darstellung kannst du direkt in die ImMigration-Darstellung transformieren,

um den Anorthit-Gehalt zu ermitteln.

Habe ich den Sinn deiner neuen Diagramme so richtig verstanden?

LG
Jürgen

Florian D.

Hallo Jürgen,

Die Zonenmethode kenne ich kaum dem Namen nach!
Ich habe jetzt versucht, die Daten, die ich zuerst gezeigt hatte, nochmal auszuwerten. Die gefundenen Achsen liegen doch recht symmetrisch zueinander.  Die Verwachsungsebene liegt ziemlich ab vom Schuss (wahrscheinlich habe ich die nicht so toll gemessen), aber es handelt sich wohl um einen Karlsbadzwilling mit ca 60 % Anorthitgehalt.
Die OA kann ich leider in dieser Auswertung nicht anzeigen. Die Werte von 2Vz= 73 und 81 Grad würden aber auch zu diesem Anorthitgehalt passen.

Viele Grüsse
Florian

Florian D.

Hallo Jürgen,

den Albitzwilling habe ich jetzt schnell gerittmannt. Das geht mit dem U-Tisch natürlich prima. Ich finde einen Auslöschungswinkel von 20 Grad, entsprechend 37-38 % Anorthit. Das passt ganz gut zu den ca. 40, die ich anderweitig bestimmt hatte.

Viele Grüsse
Florian

Florian D.

#11
Glückauf,

gestern habe ich nochmal einen Zwilling aus dem Gestein vom Grafenstein mikroskopiert.
Bei diesem Gestein handelt es sich wohl um einen gewöhnlichen Biotitgranit.
Diesmal wurden nur Kippwinkel um A4 bis 40 Grad gemessen. Bei 50 Grad ist die Messgenauigkeit doch schon sehr eingeschränkt.
Einmal habe ich die Hauptachsen klassisch ermittelt, das andere Mal aus den Auslöschungswinkeln unter Verwendung der indirekten Methodik.
Die mit der klassischen Methode ermittelten Lagen waren sehr ungenau und es war schwierig, ein Zwillingsgesetz abzuleiten. Am ehesten passte ein komplexes Zwillingsgesetz "Albit-Ala", aber die Übereinstimmung war schlecht. Die indirekte Methode lieferte hingegen Werte, die sehr gut zum Albitgesetz passten. Alle Schätzwerte liegen im Bereich von 38% Anorthitgehalt, was ja gut zu einem eher sauren Granit passen würde.
Anbei die beiden Auswertungen.

Viele Grüsse
Florian

Florian D.

#12
An besseren Spindeltischen lässt sich ja ein Goniometerkopf ansetzen, so dass man den Kristall auch etwas um eine 2 Achse neigen kann. In dem Werk von F. Donald Bloss, The spindle stage: principles and practice, findet sich auf Seite 257 ein Datensatz, wo um eine Wiege einmal um +10 und einmal um 10 Grad geneigt wurde. Für diese wurden Werte 2V=102.36 und 102.56 Grad angegeben. Werte ich die beiden Kurven mit der neuen Methode gemeinsam aus erhalte ich 76,9 Grad äquivalent zu103.1 Grad (normalerweise gibt man 2V so an, dass 0<=2V<=90 Grad gilt.) Dies weicht weniger als ein Grad von Bloss Werten ab. Diese Abweichungen erklären sich wohl daraus, dass die Punkte verschieden gewichtet werden. Ich berücksichtige, dass die Auslöschungswinkel umso genauer bestimmt werden können, je höher die Doppelbrechung in der entsprechenden Position ist. In der anhängenden Graphik ist diese Genauigkeit durch Farben codiert, wobei blau (nahe der optischen Achsen) niedrige und rot hohe Genauigkeit bedeutet.
Auch für die Lagen der Hauptachsen und optischen Achsen findet sich eine Übereinstimmung bis auf durchschnittlich vielleicht 0.5 Grad.
Viele Grüsse
Florian


hugojun

Hallo Florian ,
Du hast zu Beginn deines Beitrages angeführt:

,,Mit meiner geringen Erfahrung fällt es mir oft nicht leicht, alle erreichbaren Hauptachsen ohne Vorinformation aufzufinden.

Die indirekt bestimmten Werte sind dann sicher ein guter Ausgangspunkt für weitere Verfeinerungen."


und später:

,,Ich berücksichtige, dass die Auslöschungswinkel umso genauer bestimmt werden können, je höher die Doppelbrechung

in der entsprechenden Position ist."


die Symbolik ,,+" bedeutet nβ und Steht in deinem Diagramm für die Richtung höchster Doppelbrechung. Gleichbedeutend mit nβ ist in meinem Bild ,,Y".

Hier Farbig dargestellt der Verlauf der Ordnungen bis zur maximalen Γ in nβ.  Konoskopisch befindet sich an dieser Stelle die sogenannte ,,Flush Figure ,, ,

also ein sehr breites und ausgewaschenes dunkles Kreuz .Diese Lage genau einzustellen , stelle ich mir mühsam vor und erst recht orthoskopisch .




Dein Programm liefert diesen ,,Ausgangspunkt" , aber wie wirkt sich also praktisch die höhere Einstellgenauigkeit bei der Suche dieser Position aus?

Ergeben sich sichtbare Verbesserungen in der "Feineinstellung"?

LG
Jürgen

Florian D.

Hallo Jürgen,

auf die nachfolgende Einstellung der Achsen hat das natürlich keinen Einfluss.
Was ich meine ist, dass die vermessenen Auslöschungswinkel umso genauer sein werden, je höher die Doppelbrechung in der entsprechenden Richtung, in der gemessen wurde, ist.
Die Parameter, aus denen dann die Hauptachsen, etc berechnet werden, ergeben sich aus einer Regression, und, um die Genauigkeit der letzteren zu erhöhen, bietet es sich an, die Richtungen mit der relativen Doppelbrechung zu gewichten.
Daraus resultieren dann auch leichte Abweichungen zu Excalibr, da Excalibr davon ausgeht, dass die Messfehler für alle Auslöschungswinkel gleichverteilt sind.

Viele Grüsse
Florian