Spätherbst am Giglachsee - Asterionella und Hyalotheca

Begonnen von KayZed, November 11, 2024, 10:55:25 VORMITTAG

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Bernd

Hallo Klaus, Michael,

ich bezweifele, daß es sich um eine Spirotaenia handelt. So stark gelappte Chloroplasten kenne ich nur von Spirogyra. Leider fehlt eine Größenangabe, die für eine Bestimmung sehr hilfreich wäre.

Viele Grüße
Bernd

KayZed

#16
Hallo Bernd,

das wird ja noch eine interessante taxonomische Frage.

Ich habe die Größe zunächst nicht angegeben, weil ich von vorne herein dachte, es sei ein Spirogyra und hier nicht so wesentlich. Die Breite beträgt etwa 25 µm.

Wenn ich mir Martins Bilder anschaue (link unten), so hast du recht. Die Chloroplasten verlaufen hier mir glattem Rand.
Außerdem habe noch ein ältere Aufnahme gefunden mit ähnlicher Dicke und ebenfalls gelappten Chloroplasten. Ich habe sie damals (unter Vorbehalt) als Spirogyra eingeordnet.



Spirotaenia scheint aber nur aus einer einzigen Zelle zu bestehen (wie mein gezeigtes Exemplar vom Giglachsee), während die obige "Spirogyra" definitiv aus mehreren Zellen bestand. Man sieht eine Zwischen-Zellwand.

Also, die Bestimmungsfrage doch wieder offen.
Mal sehen, ob noch jemand einen weiteren Hinweis geben kann.

LG Klaus

PS:
Ich fand in der Giglachsee-Probe übrigens auch einige klassische Spirogyra-Fäden. Sie scheinen dort also vorzukommen. Bei der ufernahen, weglosen Umrundung des großen Sees ist mir jedoch aufgefallen, dass es zwei Bereiche gab, wo die Steine unter Wasser erkennbar mit Algen bewachsen waren. Für Bergseen eher ungewöhnlich. Vielleicht gibt es doch begrenzte Nährstoffeinträge. Ich konnte dort keine Wasserprobe nehmen, weil die Stellen schwer zugänglich waren.
Zeiss Stemi 508
Zeiss Jenaval Kontrast
Nikon Z7

KayZed

Hallo Bernd und Michael,

nochmals ein Nachtrag zur Bestimmung der Schraubenalge.

Ich fand keinen Hinweis, dass Spirotaenia gewellte Chloroplasten besitzen.
In der Freshwater Algal Flora ist bei Spirogyra zur Form der Chloroplasten dagegen zu lesen:
"...broad or narrow with smooth or wavy margins,..." (p. 587)
Gewellte oder gelappte Ränder können also vorkommen.

Ich neige deshalb doch wieder zu Berns Einschätzung, dass es sich um Spirogyra sp. handeln müsse.
Zudem - ich habe es unten schon erwähnt - kamen in der Probe andere vereinzelte Spirogyra-Fäden vor, vielleicht aufgrund lokaler Nährstoffeinträge.

Herzliche Grüße
Klaus
Zeiss Stemi 508
Zeiss Jenaval Kontrast
Nikon Z7

Michael Plewka

Hallo zusammen,

@ Bernd: sehr schön, dass du dieses Thema ansprichst. Ich finde, das ist ein sehr interessanter bzw. spannender Fall. Deshalb ein paar Anmerkungen bzw. Fragen an den Experten:

Meine Literatur zur Bestimmung von Zieralgen ist sehr begrenzt. Abgesehen davon, dass Spirotaenia  nach einer Arbeit  von Melkonian möglicherweise gar keine Zieralge ist, stellt sich natürlich immer die Frage nach den Bestimmungskriterien. Nach meinen Informationen ist die Lappung der Chloroplasten  in keinem der wenigen Bestimmungsschlüssel, die mir zur Verfügung stehen, ein Kriterium zur Unterscheidung von den verschiedenen Taxa.

Die analoge Parallele zu deiner Aussage wäre: ,,ich bezweifele, daß es sich um eine Spirogyra handelt. Solche Einzelzellen kenne ich nur von Spirotaenia."

Abgesehen von dieser subjektiven Einschätzung gibt es  nach einem  Bestimmungsschlüssel, beispielsweise im ,,Kosmos-Algenführer"  in diesem Fall zwei für die Bestimmung relevante Kategorien:  1. Faden bildende unverzweigte Algen mit regelmäßigen Querwänden und 2. einzellige unbewegliche Algen.

Ersteres führt zu Spirogyra, das 2. zu Spirotaenia, d.h. ich würde bei der Bestimmung mit dem Kosmos-Algenführer gar nicht bei Spirogyra ,,landen" können.

@ Klaus: Vielen Dank für die weiteren Informationen. Der Vollständigkeit bzw. der Objektivität halber sollte aber neben der Tatsache, dass in der von dir zitierten ,,Freshwater algal Flora" steht, dass die Chloroplasten von Spirogyra gelappt sein können, außerdem bei der Charakterisierung der Gattung  Spirogyra immer von ,,filaments" die Rede ist d.h. von Zellfäden, die aus mehreren Zellen bestehen.  Bei der Charakterisierung der Gattung Spirotaenia wird andererseits das Kriterium der Lappung der Chloroplasten gar nicht erwähnt. Ist das Merkmal nicht relevant?

Somit ergeben sich also ein paar Fragen:
1. Gibt es einen Bestimmungsschlüssel, der mit weiteren Kriterien  die Bestimmung / Unterscheidung der beiden Taxa erlaubt?

2. Wie sehen die Chloroplasten von anderen Spirotaenia-Arten aus (stillschweigend wird ja hier immer  die Art S. condensata referenziert, wobei ich mich lediglich auf die Gattung bezog). Im www. finde ich keine Bilder  bzw. Arbeiten dazu.

3. Bei der vegetativen Vermehrung von Spirogyra entstehen aus Zellfäden neue Zellfäden. Wie oben schon angedeutet habe ich noch nie beobachtet, dass nur einzelne Zellen abgespalten werden, schon gar nicht mit solchen terminalen Rundungen.
Möglich wäre, dass es sich um eine gekeimte Zygospore handelt. Dazu habe ich im www. wiederum  keine Bilder zum Vergleich gefunden.

Beste Grüße
Michael Plewka

SNoK / Stephan Krall

Liebe Algologen,

habt ihr schon mal in den Huber-Pestalozzi, 8. Teil, 1. Hälfte geschaut? Dort ist Spirotaenia beschrieben und mit zwei Arten abgebildet. Die Zellform und der gewundene Chloroplast kommt gut hin bei S. condensata, aber von einem gelappten Chloroplasten ist dort auch nicht die Rede. Aber die Arten werden als sehr variabel beschrieben. Wer weiß? Im Fott steht, dass bisher mehr als 30 Arten beschrieben wurden. Aber wo?

Grüße
Stephan
Mikroskope: Leica DMRB, Leitz Dialux (beide mit DIK), Lomo MBD-1 ("Für-alle-Fälle-Mikroskop")
Stemis: Zeiss 508, Wild Heerbrugg M5
Kameras: Sony alpha 6500 und 6400
Webseite: https://kralls.de
Vorstellung: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=41749.msg308026#msg308026

KayZed

Hallo zusammen,

eine interessante Diskussion. Ich kann wohl zu einer Entscheidung kaum Neues beitragen. Nur folgende Hinweise:

Die Wellung oder Lappung der Chloroplasten ist sicher nicht das einzige oder gar das wesentliche Bestimmungskriterium. Ich habe aber bisher weder in Abbildungen noch in Fotos aus dem Netz Spirotaenia mit gelappten Chloroplasten gefunden. Und wenn das so wäre, müsste es doch mal irgendwo beschrieben sein, weil es durchaus auffällig ist. Das will noch nichts besagen.

Allerdings gibt es offenkundig bei Spirogyra solche Formen. Nun ist mein letztes Spirogyrabild ganz klar ein mehrzelliger Faden. Spirotaenia dagegen einzellig. Dieser Widerspruch ließe sich nur auflösen, wenn es sich - wie Michael schon angemerkt hat - bei meinem Fund um eine auskeimende Zygote der Schraubenalge handelt.

Leider ist meine Probe schon ziemlich ramponiert. Ich fand bislang nur noch einige degenerierte Chloroplasten.

Schönen Abend
Klaus
Zeiss Stemi 508
Zeiss Jenaval Kontrast
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Bernd

Hallo zusammen,

wenn die Alge nach Aussage von Klaus ca  ist ca. 25 µm breit ist, ist sie ca. 190 µm lang. Ich habe leider nur alte bis sehr alte Bestimmungsliteratur, auf diese beziehe ich mich jetzt.
W. Krieger listet in Rabenhorst´s Kryptogamenflora Band 13, 1.Teil (1937) S. 175ff insgesamt 21 Arten der Gattung Spirotaenia auf. 18 dieser Arten scheiden sofort aus, weil sie kürzer als 70 µm und schmaler als 12 µm sind. Nur S. trabeculata, obscura und condensata kommen von der Größe her in Frage. Schaut man sich die Abbildungen dieser drei Arten an (Tafel I, 4-6, Tafel II, 1) entspricht keine der drei Arten auch nur annähernd der von Klaus fotografierten Alge.
Auch die Abbildungen dieser drei Arten in West & West (1904) British Desmidiaceae Vol. 1 (Tafel II, 7-8, Tafel III, 7-12 und Tafel V, 6) haben keinerlei Ähnlichkeit mit der von Klaus fotografierten Alge.

Deshalb bleibe ich bei meiner Einschätzung, daß es sich um Spirogyra handelt. Ich habe auch schon öfter einzelne Zellen von Spirogyra aus zerfallenen oder zerrissenen Fäden gesehen, deren Enden nach außen vorgestülpt waren.
Michael, nun zu deinen Fragen:
1) Theoretisch ist die Unterscheidung ganz einfach – Einzelzellen vs. Zellfäden. Sonderfälle und Monströsitäten werden nicht berücksichtigt.
2) Fotos von S. condensata sind hinlänglich bekannt, Fotos von S. obscura finden sich hier: http://galerie.sinicearasy.cz/galerie/streptophyta/zygnemophyceae/spirotaenia/spirotaenia-obscura oder https://www.desmids.nl/maand/english/tortitaenia_obscura.html. Fotos von S. trabeculata hier: https://www.desmids.nl/maand/english/tortitaenia_trabeculata.html. (Die beiden letzten Arten heißen jetzt anscheinend Tortitaenia)
3) In meinem Archiv habe ich folgende Spirogyra-Fotos gefunden:

Spiogyra_1.jpg

Spiogyra_2.jpg

Viele Grüße
Bernd

Michael Plewka

Hallo Klaus, hallo Bernd,

vielen Dank für die weiteren Informationen, insbesondere Bernd für die weiteren Fakten, auch aus der Literatur.

Wieder was gelernt!


Beste Grüße
Michael Plewka

KayZed

#23
Hallo Bernd,

herzlichen Dank für deine vertiefenden Hinweise. Dass Spirogyra als (zerfallene) Einzellen vorkommen können, war mir nicht bewußt. Dein erstes Bild dokumentiert das deutlich. Ich habe in meinen alten Aufnahmen nun auch ein Foto gefunden, das in diese Kategorie passen könnte. Die wohl abgerissene Einzelzelle einer Spirogyra, kürzer und breiter, mit bereits degeneriertem Chloroplasten (DIK 50 in zwei Ebenen).



Auch dir, Michael, ein Dankeschön, dass du diese Diskussion angestoßen und zur Klärung beigetragen hast.

Schönes Wochenende
Klaus

PS:
Danke dir Stephan, dass du fÜr uns mitrecherchiert hast.
Und - stört euch mal nicht am etwas unnatürlichen Blau, das war meine tiefblaue Phase.
Zeiss Stemi 508
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