Teuthophrys trisulca, ein rarer Fund

Begonnen von anne, März 31, 2025, 14:50:56 NACHMITTAGS

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SNoK / Stephan Krall

Liebe Anne,

es ist doch so, dass im Mikrobereich die Grenze zwischen Tier und Pflanze nicht wirklich existiert. Vielleicht könnte man bei Tardigraden, Rotatorien und Gastrotrichen von Tieren sprechen, aber bei den eukaryotischen Einzellern gibt es oft keine rein autotrophe oder heterotrophe Ernährung. Was ist dann ein ,,Vieh"? Für mich nur ein unklarer und nicht sonderlich sympathischer Begriff. Pflanzen, Tiere, Pilze, Bakterien und Archaeen sind ziemlich klar definierte Domänen (Reiche). Der ,,Rest", die Protisten, werden oft auch als eine Domäne bezeichnet, aber vermutlich müsste man die auch noch mal unterteilen, aber das überlasse ich den Systematikern und Taxonomen.

Grüße
Stephan
Mikroskope: Leica DMRB, Leitz Dialux (beide mit DIK), Lomo MBD-1 ("Für-alle-Fälle-Mikroskop")
Stemis: Zeiss 508, Wild Heerbrugg M5
Kameras: Sony alpha 6500 und 6400
Webseite: https://kralls.de
Vorstellung: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=41749.msg308026#msg308026

Florian D.

Hallo Stephan,

ich musste zwar erst mal nachsehen, um was für eine Art von "Vieh" es sich hier handelt (nämlich um ein Wimpertier), bin aber selbst als Nichtbiologe der Ansicht, das Reich der Tiere oder besser Metazoa innerhalb der Eukaryonten eine relativ kleine, gut  definiere Gruppe darstellt.  Wir kennen die nächsten einzelligen Verwandten (Kragengeisseltierchen) und dann kommen als Vettern die Pilze und einige Amöben, alle mit einer Geissel, weshalb sie als Uniconta zusammengefasst werden.


Zitat von: SNoK / Stephan Krall in April 01, 2025, 13:44:09 NACHMITTAGSes ist doch so, dass im Mikrobereich die Grenze zwischen Tier und Pflanze nicht wirklich existiert.

Spectrum

#17
Liebes Forum,
Anne war so überaus freundlich und hat mir frisch genommene Proben vom Fundort dieses interessanten Ciliaten zugeschickt. Perfekt verpackt trafen sie einen Tag später bei mir ein.
Dafür an dieser Stelle auch noch eimal ein großes Dankeschön für den Einsatz.
Zu meiner großen Freude befanden sich in dieser Probe dann neben zahlreichen anderen Süßwasserplankton auch noch eine große Anzahl Exemplare von Teuthophrys trisulca.
Eine erste Durchsicht bestätigte sich was auch Anne bereits beobachten konnte. Ich sah wie sich ein Vertreter der Gattung Asplanchna an den kleinen (meist) grünen dreiarmigen "Kraken" gütlich tat.
Ich wurde Zeuge wie diese großen Rädertiere einzelne Armfortsätze "abknabberten", oder kleinere Exemplare gar gleich im Ganzen verschluckten. (Jetzt kann ich mir auch denken woher die deutsche Bezeichnung "Sackrädertier" kommt🤨.)
Auf diesem Standild sieht man den grünen Mageninhalt:
IMG_20250403_020434.jpg
Um länger Freude an den schönen Tieren zu haben wurden sie deshalb mittels Pipette von den "Fresssäcken" separiert. Das gelang relativ simpel mittels einer einfachen Pasteurpipette, da sich Asplanchna in der Petrischale fast ausschließlich am Boden aufhielt. Teuthophrys trisulca hielt sich meist an der Oberfläche auf. Ich hab dazu auch einen kleinen Film angefertigt:

Vielleicht gelingt mir so ja auch eine längerfristige Kultur dieses Ciliaten. Das wäre natürlich toll.

Dazu hätte ich auch eine Frage:
Alles was ich bisher zu der Ernährung von Teuthophrys trisulca herausfinden konnte war, dass sie wohl Rädertiere mithilfe der Armfortsätze, die mit Extrusomen bestückt sind, lähmt und dann, mit der zwischen der Basis dieser Fortsätze befindlichen Mundöffnung verschlingt. Zeichnungen auf denen man die Panzer von Rädertieren im Innern der Vakuolen erkennen kann, habe ich auch gefunden.

Weiß jemand um welche Art/Arten es sich hierbei genau handelt?
Bzw. was sonst noch als Nahrungsquelle infrage kommt?

Auf dem Video sieht man jede Menge Rädertiere mit angehängten Eigelegen. Ich denke es könnte sich dabei möglicherweise  um Brachionus calyciflorus handeln. Da diese aber verhältnismäßig groß sind habe ich aber so meine Zweifel ob der Ciliaten diese überhaupt aufnehmen kann. Einen Freßvorgang von  Teuthophrys trisulca konnte ich bisher leider noch nicht beobachten. Eine Teilung leider auch nicht. Ich hoffe das sich das in Kürze ändert, wenn etwas Ruhe in die verschiedenen Zuchtansätze kommt.

Freundliche Grüße Holger

 
Holger
Duzen und meine Bilder (auch ungefragt)  bearbeiten, mit eigenen Aufnahmen ergänzen und weitergeben erwünscht!

Gerald

#18
Guten Morgen,

auch Anne hat mir eine (größere) Probe gesendet. Ganz lieben Dank - Anne!

Meine Beobachtungen von einem Abend (ich bin kein Biologe, ich beschreibe es wie ich es gesehen habe und mit meinen Worten):
- Teuthophrys sind positiv phototaktisch. Das ließ ja schon das Vorhandensein von den symbiotischen Zoochlorellen vermuten. Das Verhalten ist sehr hilfreich zum Anreichern.

- in den Nahrungsvakuolen konnte ich bei einem Tier die Überrest von einem Rädertier (Panzer / Hülle) entdecken. In einigen Teuthophrys waren in den Nahrungsvakuolen die roten Augenflecke von Rädertieren. Die großen Mehrzahl der Teuthophrys hatten keine Rädertier aufgenommen. Die Zoochlorellen verhindern leider immer einen guten Einblick in das Innere. Ich vermute, dass Rädertiere nicht die Hauptnahrungsquelle sind. Ich habe einen Kultur u. A. mit Euglena und Colpidium angesetzt. Mal schauen was daraus wird.

- Fangarme: ich weiß nicht, ob ich diese Fortsätze so nennen würde. Ich sehe unter Fangarm etwas aktives (Hydra z. Bsp.). Ob die Fortsätze (zwischen 2 u. 3) bei Teuthrophrys wirklich zum Fangen dienen? Sie sind mit Wimpern besetzt und machen den Eindruck, dass sie die Nahrung heranstrudeln. Aber auch hier mal schauen.

- Das Sackrädertier ist ein Fressfeind der Teuthophrys. Mageninhalte zeigen oft zerkleinerte Teuthophrys.

Ich sehe den Beitragsfaden als Wissenssammlung, im Hintergrund haben Anne, Holger und ich schon viel kommuniziert. Also ich bin gespannt auf die weiteren Beobachtungen und Erkenntnisse.

Viele Grüße aus dem sonnigen Prien.

Gerald
Ich bin auf der Suche nach einem Kulturansatz von Cryptomonas. Vielleicht kann jemand helfen.

www.lebendkulturen.de

anne

#19
Hallo zusammen,
hier zuerst ein paar "Szenen" aus der Probe. Ein Highlight für mich war auch das Rädertier welches in Kolonien vorkommt Conochilus unicornis. (die ersten 2 Bilder)

@ Stephan, für mich sind es (Lebe) Wesen ;)

20-16a.jpg

20-16b.jpg

20-15m.jpg

20-15n.jpg

40-14d.jpg

lG
anne


anne

#20
Weiter geht es.
Es kam die Frage auf nach dem Makronucleus, ich denke ich habe ihn erwischt.
Ein Versuch in Fluoreszenz mit den Mitteln die ich habe.  Außerdem noch ein Bild der "Oberfläche".


20-15o.jpg

fluo20-1.jpg

fluo20-1a.jpg

fluo20-2b.jpg

40-14c.jpg

Spectrum

Hallo Anne,
Super!
Damit hättest du auch gleich ein taxonomisches Merkmal sichtbar gemacht um Teuthophrys trisulca von der Schwesternart Teuthophrys africana abzugrenzen:

https://www.nies.go.jp/chiiki1/protoz/morpho/ciliopho/teuthoph.htm

Teuthophrys trisulca hat einen schnurförmigen bzw moniliformen Macronucleus, so wie er auf deinem tollen Foto zu sehen ist. Bei T. africana ist er glockenförmig.
LG Holger
Holger
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Peter T.

Das ist jetzt wieder so ein absolut g...ler Thread geworden, einfach wunderbar, wie viel Begeisterung hier in diesem Forum spürbar wird!
Danke an alle Beitragenden.
Liebe Grüße
Peter

Peter V.

Hallo,

also, ich finde "Viech" überhaupt nicht abschätzig, man kann auch solche Begriffe "liebevoll" verwenden. Finde ich. Auch ich nenne gelegentlich ein mikroskopisches Objekt "Viech" und das eher intuitiv, wobei ich den Begriff ohne exakte biologische Unterscheidung Prokaroyt/Eukaryot/Tier/Pflanze verwende. Was sich bewegt und nicht primär grün ist, ist für mich eben auch ein "Viech"  ;)

Dass ich den Begriff nicht abwertend empfinde, liegt eventuell auch an unserer etwas rustikalen Ruhrgebietsmentalität. Hier wird z.B. gelegentlich ein Mensch sehr dunkler Hautfarbe (um dieses Merkmal zu benennen, werde ja oft kuriose sprachliche Klimmzüge veranstaltet) auch einfach mal "Schwatter" genannt. Jeder weiß, was gemneint ist und das ohne jeden rassistischen oder diskrimenierenden Gedanken.

Auch die Bayern benutzen doch viele eher derbe Worte, die aber tatsächlich eher "liebevoll" gemeint sind.

Herzliche Grüße
Peter
Dieses Posting ist frei von kultureller Aneigung, vegan und wurde CO2-frei erstellt. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

SNoK / Stephan Krall

Lieber Peter,

dann soll es für euch aus dem Pott (und andere) so sein. Ich als Biologe und Hamburger möchte nicht alles als Viech bezeichnen. Aber, wie sagt der Lateiner, suum cuique.

Grüße
Stephan
Mikroskope: Leica DMRB, Leitz Dialux (beide mit DIK), Lomo MBD-1 ("Für-alle-Fälle-Mikroskop")
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Vorstellung: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=41749.msg308026#msg308026

jcs

Hallo Anne,

ein sehr spannender Thread und faszinierende Bilder. Durch das Leben im Wassertropfen haben sich schon Generationen von Profi- und Amateurmikroskopikern gearbeitet, und dennoch findet sich immer wieder Unbekanntes.Die Themen gehen hier scheinbar nicht aus.
LG
Jürgen

anne

Hallo zusammen,
hier noch ein letztes Bild mit Blick auf die Symbionten. Martin Kreutz bat mich diese auch abzulichten.
100er Objektiv.
lG
anne

100-12.jpg

Spectrum

Hallo,
Beim auspippetieren der Teuthophrys trisulca aus der auch sonst interessanten und sehr artenreichen Probe, fielen mir zwei Exemplare dieser Minikraken wie ich sie nenne, auf, die aneinander zu hängen schienen:
IMG_20250404_232102.jpg

Ich hatte neben meinem Stemi auch noch ein Stativ für Dunkelfeld. Also vorsichtig und schnell von der Petrischale auf den Objektträger und Kamera an.
Die sind schnell, dementsprechend wurde es ein wilder Ritt:
Holger
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Spectrum

#28
Sehr merkwürdig, diese Polonaise!
Eine Zellteilung verläuft ja bis auf ganz wenige Ausnahmen immer längs.
Und symmetrisch und nicht "in Reihe", so wie bei dieser Polonaise hier.🤔
Eine Konjugation sieht für gewönlich ja auch nicht so aus...
Vielleicht Kannibalismus?
Was sagt ihr?
Grüße Holger
Holger
Duzen und meine Bilder (auch ungefragt)  bearbeiten, mit eigenen Aufnahmen ergänzen und weitergeben erwünscht!

Gerald

Guten Morgen Holger,

ja - Du hast wunderschön das Ende einer Zellteilung einfangen können. Spontan fällt mir keine "symetrische" Zellteilung (wie zum Beispiel bei den Demidiaceen) bei Ciliaten ein. Aber da gibt es hier Spezialisten, die mehr dazu schreiben können.

Was mir aber aufgefallen ist: wie bei den Stentoren verlängert sich das Mundfeld vor der Zellteilung. Sehr interessant, denn bei Stentoren ist das ein sicheres Zeichen zur bevorstehenden Teilung.

Was noch auffällt: die Drehgeschwindigkeit der Teuthophrys ist in Deinem Video wesentlich höher als bei Einzelzellen. Doppelter Antrieb durch zwei Zellen?

Schönes Wochenende und bis bald.

Gerald
Ich bin auf der Suche nach einem Kulturansatz von Cryptomonas. Vielleicht kann jemand helfen.

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