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Neue Moose Nr. 1

Begonnen von Monsti, Mai 07, 2010, 18:35:54 NACHMITTAGS

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Monsti

Servus, Ihr Lieben,

das folgende Moos ohne sichtbare Blattrippe fand ich am Rand unserer Wiese: feucht, sonnig, kalkhältiger Boden.



Habitus



Einzelpflänzchen



Vergrößerung 40x



Blattrand



Blattspitze

Lässt sich da etwas machen?

Danke und liebe Grüße
Angie

Bernhard Kaiser

Hallo Angie,

vielleicht Barbula (in manchen Büchern: Didymodon).
Aufgrund der stark sichelförmig gebogenen Blätter in Abb.3 würde ich auf B. reflexa tippen.

Aber wirklich mit Vorbehalt. Du mußt in einschlägiger Literatur weiterlesen. Den Limpricht und den Mönkemeyer gibts im Internet.

Freundliche Grüße
Bernhard Kaiser

eremonotus

#2
Liebe Moosrunde!
Das Moos ist Didymodon ferrugineus. Erkennt man an den stark zurückgebogenen Blättern. Übrigens hat das Moos eine starke Blattrippe, wie man es auch auf Deinen Fotos sieht. Die Blätter sind dadurch gekielt.

Liebe Grüße
Christian

P.S. Ich muss wohl früher aufstehen, denn Bernhard war wohl bei den anderen beiden Proben schneller! Beide stimmen. Es wäre übrigens optimal, wenn man immer ein ganzes Blatt sehen könnte.

Bernhard Kaiser

Hallo,

ZitatDas Moos ist Didymodon ferrugineus.


Sag ich doch.Barbula reflexa ist ein Synonym zu Didymodon ferrugineus.

Ich bin nur nicht bereit bei jeder neuen Veröffentlichung neue Namen zu übernehmen.

In meiner Arbeit: Beitrag zur Kenntnis der Moosflora um Velden / Mittelfranken und der angrenzenden Pegnitzalb (2001).
habe ich zu diesem Thema folgendes geschrieben:

Nomenklatur
Als Referenzliteratur habe ich mich, aus gutem Grund für FRAHM & FREY, Moosflora 1987, 2. Auflage entschieden. Diese Flora hat in Deutschland inzwischen einen hohen Bekanntheitsgrad erlangt. Die "Rote Liste gefährdeter Moose in Bayern" MEINUNGER & NUSS (1996) bezieht sich ebenfalls darauf.

Der Bezug auf die "Rote Liste der Moose Deutschlands " LUDWIG et al. (1996), die bei den Laubmoosen die Arbeit von CORLEY et al. (1981) zugrundelegen, erschien mir bei einer regionalen, floristischen Bearbeitung als nicht zweckmäßig. (vgl. hierzu auch HUBER, A. 1998).

Zu beklagen ist in der Bryologie – wie auch in anderen naturwissenschaftlichen Disziplinen – die ständig wechselnden Artnamen, welche laufend zum Nachschlagen nötigen und geradezu das Weiterlesen verleiden. Diese lästigen Änderungen mögen wissenschaftlich vielleicht begründet sein, was allerdings auch in Frage gestellt werden kann.
Um zwei Beispiele für den Namenswirrwar anzuführen. Bei FRAHM & FREY (1987) steht Leiocolea collaris, FREY & FRAHM (1995) nennt das gleiche Moos Leiocolea alpestris. DÜLL (1989) schreibt Lophozia collaris und MÜLLER (1954) bezeichnet es als Leiocolea Mülleri (nach Philipp, Jakob Müller; Zweibrücken). – Jeder Bryologe kann sich unter Barbula reflexa ein ganz bestimmtes Moos vorstellen. Bei DÜLL (1989) heißt diese Sippe Didymodon ferrugineus var. ferrugineus. BUZAS(1995) nennt unser Moos Didymodon rigidicaulis. Eine derartige Vielfalt läßt sich beliebig fortführen.
Die Kritik an den laufenden Namensänderungen ist übrigens nicht neu. Schon MILDE (1869) kritisiert diese zweifelhafte Gepflogenheit und zitiert OTTO BRUNFELS 1488 – 1534 : Wäre nit unrecht, wenn man die alten Namen auch het lassen bleiben. Sintemahl so man einen bekannten Menschen seinen Namen darin er getauft, verwandelt, wird er unbekannt, also auch mit den Kräutern.

Mit freundlichen Grüßen
Bernhard Kaiser

eremonotus

#4
Lieber Bernhard!

Ich kann zwar Deinen Unmut verstehen, allerdings kann man gegen den Fortschritt nichts machen. Der Fortschritt sollte sich heute auf genetisch abgesicherte Erkenntnisse stützen, so wie wir es zumindest versuchen bei der österr. Checkliste: http://131.130.59.133/projekte/moose/ Hier wirst Du sicherlich viele Namen finden, die Du nicht kennst (z.B. Brachytheciaceae). Frahm & Frey sind natürlich das klassische Einsteigerwerk in die Bryologie und somit natürlich unendlich wichtig, um vielen Menschen den Einstieg zu erleichtern. Es ist aber auch mit sehr vielen Fehlern verbunden, die sowohl inhaltlicher als auch nomenklatorischer Natur sind (man kann auch ganze Gattungen damit nicht bestimmen wie z.B. Bryum, Brachythecium). Wenn man also heute weiß, dass eine Art in einer andere Gattung gehört, dann muss man den Namen ändern, denn alles andere wäre einfach unrichtig. Vielleicht treffen wir uns ja einmal und dann kann ich Dir die Gründe sicherlich weiter erläutern! Ich muss jetzt leider weg!

Liebe Grüße
Christian

Monsti

Hallo Bernhard und Christian,

da ich sehr vielseitig interessiert bin, muss sich mein Literaturbestand bezüglich spezieller Fachgebiete sehr beschränken.

Ich arbeite mit Wirth/Düll (2000): Farbatlas Flechten und Moose. - Stuttgart und Düll/Düll-Wunder (2008): Moose einfach und sicher bestimmen. - Wiebelsheim. Bei den Artbezeichnungen orientiere ich mich primär an den Angaben in diesen beiden Büchern.

Auch bei mir hat sich wegen der sich immer wieder verändernden Nomenklatur einiges an Unmut breitgemacht. So habe ich z.B. einen Käferführer aus dem Jahr 1981, wo die Mistkäfer noch unter den Scarabaeidae stehen. Schade um teure Literatur, wenn sie schon nach wenigen Jahren nicht mehr aktuell ist.  >:( U.a. deshalb hole ich mir inzwischen viele Informationen aus dem Internet.

Liebe Grüße
Angie

beamish

#6
Hallo,

bei den Pilzen gibt es da einige Datenbanken im Internet, bei denen man sich taxonomisch einigermaßen "auf dem Laufenden" halten kann. Z.B.: http://www.indexfungorum.org/Names/Names.asp und http://www.mycobank.org/MycoTaxo.aspx.
Hier wird übrigens auch die ganze Taxonomiegeschichte jeder Art aufgezeigt. Die Namen ändern sich ja nicht erst neuerdings.
Ob es sowas auch für die Moose gibt, weiß ich nicht.

Daß sich solche Dinge verändern, zeigt nur, daß geforscht wird. Sein wir froh drum! Sonst wärn wir immer noch auf dem Stand des großartigen guten alten Linnaeus...

Grüße,

Martin
Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D

eremonotus

#7
Liebe Leute!

Als floristisch interessierter Biologe kämpft man immer gegen das Vorurteil der Wissenschaftler, dass das was man da macht nur die gute alte Wiesenbotanik sei. Lange war ich wegen diesen Vorwürfen sauer, bis ich dann gemerkt habe, dass sie berechtigt waren. Warum? Nun weil der elementare Bestandteil des wissenschaftlich arbeiten immer aktuelle und zugleich neue Methoden sind und vor dem darf man sich nicht verschließen! So das trifft aber jetzt nur auf meine Seite zu. Jemand wie die Angie, die sich ausschließlich in der Freizeit aus Freude an der Natur damit beschäftigt, muss keinem Anspruch Dritter gerecht werden. Hier zählt nur eines: Es muss Spass machen!!! Hierbei spielen Namen überhaupt keine Rolle und wenn ein Hobbymooskundler interessante Daten anhäuft, dann werden diese bei Bedarf von einem Spezialisten immer verwertet werden können. Dies geschieht ja heute sehr oft, denn die Landesregierungen verlassen immer häufiger auf das "Gratiswissen" dieser engagierten Leute; eigentlich eine Frechheit!
Ich will nur nicht, dass man sich weiterhin gegen das Neue verwahrt. Dies ist übrigens auch zu beobachten, wenn nach genetischen Studien Arten eigezogen werden müssen. Dann treten doch viel Leute auf den Plan, die sagen das kann ja nicht sein, denn es war doch immer so..... Ein naturschutzfachliches Paradebeispiel ist da Bryum neodamense, was einfach nur eine Form des häufigen Bryum pseudotriquetrum ist.

Bei unserer Checklist (=auch so ein doofes Wort!) haben wir viele Synonyme eingearbeitet. Global gesehen ist bei den Moosen der Missouri Botanical Garden federführend, denn da wird zumindest versucht die Taxonomie aktuell zu halten: http://www.tropicos.org/

Liebe Grüße
Christian


P.S. Bernhard: ich habe heute in der Früh gar nicht gesehen, dass Du Barbula reflexa geschrieben hast!

Hyperion

#8
ZitatSchade um teure Literatur, wenn sie schon nach wenigen Jahren nicht mehr aktuell ist

Nun das Zeitempfinden ist sicher ein individuelles, aber 30 Jahre würde ich nun wirklich nicht mehr als "nach wenigen Jahren" bezeichnen.

Ich persönlich würde versuchen mich an dem aktuellen Stand der Forschung orientieren und die Namen dann einfach ergänzen. Das ist keine "Leut Verdummerei" sondern beruht, wie schon gesagt wurde, auf besseren Methoden und Forschung.

Man kann eben nicht einfach 10 Sachen in einen Topf werfen, nur weil sie gleich aussehen und dann so tun als wären die alle miteinander verwandt. Oft ist es gerade nicht so und durch Forschung werden wir dieser Realität gerecht.

So gehören die Engelstrompeten eben nicht mehr zur Gattung Datura, es passt einfach nicht mehr mit den Ergebnissen zusammen. Mit dieser Dynamik des Wissens muss man sich wohl einfach abfinden.
Spaß machen kann die ganze Sache aber trotzdem und deshalb sind wir ja hier!


Viele Sachen gehen auch weg von Büchern und hin zu Datenbanken, weil man sonst mit der Fülle an Informationen einfach nicht mehr nachkäme.

Monsti

Hallo Dominik,

mit der alten Literatur hast Du ja völlig Recht - nichtsdestotrotz ist sie mir heute noch wertvoll.

ZitatViele Sachen gehen auch weg von Büchern und hin zu Datenbanken, weil man sonst mit der Fülle an Informationen einfach nicht mehr nachkäme.

Eben. Deshalb bin ich glücklich, dass es das Internet gibt.

@Christian:

Freizeitler erreichen oft viel mehr als irgendwelche Studenten, die z.B. im Rahmen einer Exkursion ins Feld geschmissen werden, um dem Prof (eigentlich total desinteressiert) Stoff für seinen nächsten Aufsatz zu liefern. Ich war lange genug an der Uni, um zu wissen, wie z.T. "wissenschaftliche" Ergebnisse entstehen. Teilweise war es richtig peinlich. Ich finde es deshalb vollkommen in Ordnung, wenn man auf Erkenntnisse und/oder das Wissen engagierter Freizeit-Wissenschaftler (ich nenne sie mal so) zurückgreift. Dies passiert in allen Sparten der Fauna und Flora. Kein Wissenschaftler kann überall sein. Allein unser gerade mal 800 qm großer Naturgarten bietet sehr seltene faunistische und floristische Arten, die schon diverse Institute interessiert hat. Viele vermeintlich fast ausgestorbenen Arten existieren an vielen Orten z.T. in Massen, wurden nur noch nicht ins Register aufgenommen.

Liebe Grüße
Angie

Bernhard Kaiser

Hallo, guten Morgen,

ZitatIch kann zwar Deinen Unmut verstehen, allerdings kann man gegen den Fortschritt nichts machen.

ZitatIch will nur nicht, dass man sich weiterhin gegen das Neue verwahrt.

ZitatIch persönlich würde versuchen mich an dem aktuellen Stand der Forschung orientieren und die Namen dann einfach ergänzen. Das ist keine "Leut Verdummerei" sondern beruht, wie schon gesagt wurde, auf besseren Methoden und Forschung.

ich bin hier wohl etwas mißverstanden worden.
Das Zitat aus meiner Arbeit habe ich vor allem deswegen angeführt, weil Christian meinen Hinweis auf Barbula reflexa mit Didymodon ferrugineus scheinbar widersprochen hat. (Inzwischen hat er ja geschrieben, daß er ihn nur übersehen hat).

Natürlich bin auch ich der Meinung, daß neue Erkenntnisse eingebracht werden müssen.

Aber nur ein weiteres Beispiel
Koperski et al.(2000): Referenzliste der Moose Deutschlands.
hier steht noch Cirriphyllum tommasinii, in der Checkliste von Christian heißt das Moos inzwischen Brachythecium tommasinii .

Ganz nebenbei wäre es auch interessant, warum Ignatov & Huttunen das Moos umbenannt haben. Bei Koperski sind jedenfalls die Quellen angegeben

Manchmal entsteht auch der Eindruck, manche Autoren wollen sich nur profilieren.

@ Angie: ich empfehle Dir auf jeden Fall den Frahm/Frey: Moosflora. anzuschaffen und wenn möglich (antiquarisch) Bertsch.K. (1959): Moosflora von Südwestdeutschland.Es gibt das Buch noch, sogar für wenig Geld. Frau Baituschi aus dem hohen Norden hat ihn auch und scheint zufrieden.
Die modernen Wissenschaftler mögen zwar aufschreien, aber hör einfach weg. Ich weiß wovon ich schreibe.

@Christian:
Zitat(man kann auch ganze Gattungen damit nicht bestimmen wie z.B. Bryum, Brachythecium)

mit welcher Literatur kann man beide Gattungen Deiner Meinung nach bestimmen?

Schönen Sonntag
Bernhard Kaiser

eremonotus

Lieber Bernhard!


Nimmst Du mir den Einwurf vom Frahm übel?

Bryum: würde ich empfehlen: Smith, Nyholm und auch ganz besonders die alten Klassiker wie Limpricht

Brachythecium: in Deutschland würde ich die aktuellen Erkenntnisse fortführen und den Schlüssel von Meinunger nehmen, auch wenn besonders der Anfang bereits einige Erfahrung erfordert

Brachythecium tommasinii: Nunja das liegt wohl daran, dass die Art zu Brachythecium gehört und ganz besonders die Arbeiten von Ignatov eben auf sauberen genetischen Daten beruhen.

Liebe Grüße
Christian

Bernhard Kaiser

Hallo Christian,

ZitatNimmst Du mir den Einwurf vom Frahm übel?
keinesfalls.

Bryum: Nyholm; Smith, nun ja auch nichts neues. Am ehesten noch "Ahrens" in Nebel/Philippi. Limpricht ist natürlich unübertroffen. Letzte Instanz ist Frau Schröder.

Brachythecium: Meinunger habe ich noch nicht ausprobiert. Die Sucherei nach den Gametangien ist nervig.
Auch hier bevorzuge ich Nebel/Philippi und meine langjährigen Arbeiten im Gelände und am Mikroskop.


Freundliche Grüße
Bernhard Kaiser

Ralf

Zitat von: eremonotus in Mai 08, 2010, 18:24:26 NACHMITTAGS
Lieber Bernhard!

Frahm & Frey sind natürlich das klassische Einsteigerwerk in die Bryologie und somit natürlich unendlich wichtig, um vielen Menschen den Einstieg zu erleichtern. Es ist aber auch mit sehr vielen Fehlern verbunden, die sowohl inhaltlicher als auch nomenklatorischer Natur sind (man kann auch ganze Gattungen damit nicht bestimmen wie z.B. Bryum, Brachythecium).

Hallo Bernhard,

sei mir bitte nicht böse, aber genau aus dem o.g. Grund halte ich den Frahm & Frey für ungeeignet als Anfängerliteratur. Mir selbst ist es auch passiert, dass der Bestimmungsschlüssel im Frahm & Frey (an anderer als hier zitierter Stelle) schlicht und einfach falsch war und das hat mich als Anfänger eben viel Zeit und Verzweiflung gekostet. Ein Anfängerbuch muss meiner Meinung nach nicht auf dem neuesten Stand der Nomenklatur sein, aber es muss zumindest inhaltlich zu 100 % zuverlässig sein und das ist der Frahm & Frey eben nicht.


A. Büschlen

Hallo Miteinander,

da hat sich eine sehr interessante Diskussion angebahnt und ich habe sie mit Spannung mit gelesen. Seit einigen Monaten beschäftigen wir uns  sehr intensiv mit dem kennenlernen der Bestimmung der Moose. Mit dabei ist ein sehr erfahrener Spezialist im Bereich Pilzbestimmung. Wir sind also im Umgang mit Bestimmungsliteratur und auch der Arbeit am Mikroskop als Hilfsmittel zur Bestimmung vertraut.
Was uns wirklich erstaunt sind die Fehler in der Bestimmungsliteratur für die Moose. Um dieser Schwierigkeit zu begegnen, benutzen wir nun für uns zugängliche Literatur nebeneinander.
So vergleichen wir die Moosflora mit der kleinen Kryptogamenflora Band 4, 6. Auflage und noch mit bebilderten Büchern von Düll und Aichele und natürlich mit Recherchen im Internet.

Was haltet ihr von: Die Moose Baden-Württenbergs ?

Freundliche Grüsse

Arnold Büschlen
Schwerpunkt z.Z.:
- Laub- und Lebermoose.
- Ascomyceten als Bryoparasiten.