Botanik: Blattquerschnitt vom echten Lavendel (Lavandula angustifolia) *

Begonnen von Fahrenheit, Mai 03, 2011, 22:33:05 NACHMITTAGS

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Fahrenheit

Liebe Pflanzenfreunde,

in unserem Garten steht ein Lavendelstrauch, dessen einjährige Blätter kleine braune Stellen aufweisen. Diese haben mich neugierig gemacht und die entstandenen Blattquerschnitte möchte ich hier zeigen.

Wie immer aber zunächst ein wenig zur Pflanze selbst:  

Der echte Lavendel (Lavandula angustifolia, auch Lavandula officinalis oder Lavandula vera) ist ein graufilzig behaarter, aromatischer Strauch, der Wuchshöhen von ein bis zwei Meter erreicht. Die aufsteigenden Zweige tragen Kurztriebe und münden in einem Blütenstängel, der in einem bis zu 8 Zentimeter langer ähriger Blütenstand endet. An diesem stehen die blaulilanen fünfzähligen Blüten zu 6 bis 10 in Scheinquirlen.  Die Blütezeit reicht vom Juni bis in den August.
Die gegenständigen Blätter sind ungefähr 40 bis 60 Millimeter lang, lanzettlich, länglich oder linealisch und verschmälern sich an beiden Enden. Sie sind stumpf, ganzrandig und am Rand mehr oder weniger eingerollt. Im jungen Zustand sind die Blätter an Ober- und Unterseite graufilzig, später vergrünen sie durch Ausdünnung der anfangs dicht stehenden Pflanzenhaare.

Wie der Name Lavandula offizinalis schon andeutet, handelt es sich beim echten Lavendel um eine alte Heilpflanze.

Bild 1: Illustration von Prof. Dr. Otto Wilhelm Thomé

Aus "Flora von Deutschland, Österreich und der Schweiz", Gera 1885; public domain. Quelle: http://www.biolib.de.

Bild 2: Der Strauch Ende April

Frisch ausgetrieben, aber ohne Blüten recht ereignislos.  :)

Bild 3: interessant waren die Blätter aus dem Vorjahr

Unter der dichten Behaarung sind bräunliche, auf der Unterseite sogar abgestorbene Stellen zu erkennen. Die dichte Behaarung, die den Blättern ihr silbriges Aussehen gibt, ist gut zu erkennen.

Nun kurz zur Präparation:

Fixiert wurden die zurechtgeschnittenen Stücke von der Blattspreite für drei Tage in AFE (Wechsel der Fixierlösung nach 48 Stunden).

Der anschließende Schnitt erfolgte mit dem Handzylindermikrotom und Leica Einmalklingen im Halter. Der Schnitt erfolgte in der Möhrenzange bei einer Schnittdicke von ca. 50 µm.
Im Nachhinein zeigt sich, dass die Schnitte vielleicht etwas zu dick geraten sind, zumindest bin ich diesmal mit dem Ergebnis nicht so ganz zufrieden.

Die Färbung erfolgte nach dem bekannten Rezept für die Wacker W3A Färbung, diesmal jedoch in der Porzellanpalette mit Transport per Pinsel. Das Absaugen der Lösungen war mir bei den feinen Schnitten zu riskant.
- Acridinrot (1%ige Lösung in Ethanol 50%, 8 Minuten),
- Acriflavin (1%ige Lösung in Aqua dest., 30 Sekunden) und
- Astrablau  (1%ige Lösung in Aqua dest., 1 Minute)
Dem letzten Färbegang wurde natürlich wieder das berühmte Quäntchen Acriflavin beigesetzt.
Nach gutem Wässern wurde dann über reines Isopropanol als Intermedium (min. drei mal wechseln zum Entwässern der Schnitte) in Euparal eingeschlossen.

Alle Aufnahmen an Leica DME mit Canon PS 520A und Leica N- und C-Plan Objektiven. Stapeln mit Zerene Stacker und Nachbearbeitung mit XNView (Anpassung des Schwarz- und Weißpunktes sowie Größenanpassung und leichte Nachschärfung).

Bild 4: Schnittführung


Nun zu den Präparaten:

Bild 5: Übersicht, Vergrößerung 50x, Stapel aus 12 Bildern

Die abgestorbenen Zellen sind satt rot eingefärbt. Das Blatt hat im Querschnitt einen Durchmesser von ca. 250 bis 290 µm.

Bild 6a/b: Ausschnitt aus dem Blattquerschnitt, Bild 6b mit Beschriftung. Vergrößerung 200x, Stapel aus 15 Bildern


Tr     : Trichome (Pflanzenhaare), diese stehen dicht an dicht wie kleine Bäumchen auf Blattober- und -unterseite.
o Ep : obere Epidermis
AP    : Assimilationsparenchym (Palisadenparenchym)
LB    : Leitbündel der Blattnerven, teils im Längstschnitt schräg angeschnitten, teils im Querschnitt
SP    : Schwammparenchym (Durchlüftungsgewebe)
u Ep : untere Epidermis
St    : Stoma (Blattspalt)
DH   : ein Drüsenhaar

Bild 7: die abgestorbene Stelle, Vergrößerung 200x, Stapel aus 13 Bildern

Die Zellen sind rot gefärbt, was auf sklerenchymatisch verstärkte Zellwände hinweist. Dies ist normalerweise eine Abwehrreaktion auf Pilzbefall. Auch die runde Form der dunklen bzw. abgestorbenen Zellen weist auf einen Pilz hin, allerdings lassen sich keine Hyphen entdecken.

Zum Schluss noch einige weitere Aufnahmen aus dem Querschnitt:

Bild 8: der zentrale Blattnerv, Vergrößerung 200x, Stapel aus 4 Bildern

Hier zeigt sich besonders, dass der Schnitt etwas zu dick geraten ist, eine saubere Unterscheidung der einzelnen Leitgewebe ist nicht bzw. nur sehr schwer möglich, zumal sich Teile des Leitbündels verschoben haben.

Bild 9: Blattrand, Vergrößerung 200x, Stapel aus 16 Bildern

Der Rand ist hier nicht eingerollt. Man sieht schön, dass Blattober- und -unterseite gleichermaßen behaart sind.

Bild 10: Trichome in polarisiertem Licht, Vergrößerung 200x, Stapel aus 9 Bildern

Die blaue Hintergrundfärbung geht auf einen Fehler der Canon PS 520A bei der Verarbeitung von polarisiertem Licht zurück.
Die Trichome erreichen eine Höhe von 120 und eine Ausdehnung von 340 µm.

Viel Spaß beim Betrachten, Anregung und Kritik sind wie immer willkommen.

Herzliche Grüße
Jörg



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Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Hans-Jürgen Koch

Guten Tag Jörg,

eine interessante Arbeit. Die Schnitte sind auch für mich etwas zu dick.
Du schreibst: "Das Absaugen der Lösungen war mir bei den Schnitten zu riskant".
Ich habe mir bei einem Zahnarzt diese Schale besorgt.


Durch die Vertiefung kann ich problemlos die Lösungen absaugen.

Gruß

Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

Fahrenheit

Lieber Hans-Jürgen,

ich nutze eine ähnliche Schale, allerdings mit halbkugeligen Vertiefungen.
Die spezielle Form Deiner Zahnarztschale sieht so aus, als würde sie das Absauge sehr erleichtern. 
Weißt Du, wie das Ding genau heißt?

Herzliche Grüße
Jörg
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Ronald Schulte

Jörg,

Ich finde, du hast schon mal bessere Bilder gezeigt. Wie Hans-Jürgen auch behauptet sind die Schnitte denke ich auch etwas zu dick.
Deine Arbeit ist wie immer schön aufgezeichnet.

Grüße Ronald
Mikroskope:
Leitz Orthoplan (DL, AL-Fluoreszenz und Diskussionseinrichtung).
Leica/Wild M715 Stereomikroskop.
Mikrotom:
LKB 2218 Historange Rotationsmikrotom.

Fahrenheit

Lieber Ronald,

da hast Du recht. Mit den Blattquerschnitten bin ich auch nicht wirklich glücklich, da muss ich noch was üben. Immerhin ist zu sehen, was ich zeigen wollte.  :)

Herzliche Grüße
Jörg
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Hans-Jürgen Koch

Hallo Jörg,

die genaue Bezeichnung der Zahnarztschale kann ich Dir leider nicht nennen.
Ich vermute sie wurde als Ablage für Bohrer verwendet.

Gruß

Hans-Jürgen
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Gerne per "Du"

peter-h

Eine andere Art die Farblösungen abzuziehen, ohne die Schnitte mit in die Pipette zu saugen ist recht einfach.
Ich verwende eine kleine Einmalspritze 2 mL mit einer Kanüle 0,4 oder 0,6mm. Dann bleibt höchstens ein Schnitt an der Spitze hängen, aber ist nie verloren.
Um auch noch die Verletzungsgefahr zu bannen werden die scharfen Spitzen abgeschliffen. So hat man ein sehr dünnes Röhrchen und kann auch in dunklen Farblösungen ohne Probleme die Stoffe wechseln.

Grüße
Peter

A. Büschlen

Lieber Jörg,

deine Dokumentationen sind für mich immer wieder eine Berreicherung und ein Ansporn.

Hast du Vergleiche mit anderen Färbungen gemacht? z.B. mit FCA ?

Gruss Arnold
Schwerpunkt z.Z.:
- Laub- und Lebermoose.
- Ascomyceten als Bryoparasiten.
- Nikon Optiphot I mit HF, DIC.
- Nikon Microphot mit HF, Pol.
- Zeiss Standard Universal mit HF, Ph, Pol.
- Wild M3Z mit Ergotubus.
- Nikon SMZ-U Zoom 1:10 mit ED Plan Apo 1x.

Mila

Lieber Jörg,

eine schöne Doku zum Lavendelblatt ist das!
Die Blüten demnächst anzusehen lohnt sich auch sehr, es gibt besondere Drüsenhaare: sog. Knotenstock- oder auch Buckelhaare. Auch die typischen Lamiaceen-"Drüsenschuppen" und Pollen mit sechs Keimspalten (Kolpen) sind zu sehen.

Herzliche Grüße
Mila

Detlef Kramer

Hallo,

ich möchte mich ausdrücklich denen anschließen, die Jörgs Arbeit loben. Das Lavendelblatt mit dieser Methode zu schneiden, ist wirklich nicht einfach. Und die Fotos zeigen, auf was es ankommt, da stimme ich Jörg zu. Besser ginge es wahrscheinlich nur mit Paraffin- oder Plastik-Einbettung.

Ich möchte noch auf ein Detail hinweisen, was mir auch schon beim Rosmarin aufgefallen ist (hier ein Ausschnitt aus einem von Jörgs Fotos):


Die Spaltöffnungen sind erhaben. Man sagt gemeinhin, dass bei Pflanzen, die an Trocken-Standorte angepasst sind, Spaltöffnungen eingesenkt sind, um die Transpiration zu minimieren. Erhabene Spaltöffnungen sind normalerweise ein Merkmal bei Pflanzen feuchter Standorte, die eher das Problem haben, zu wenig zu transpirieren.

Das Beispiel zeigt, wie schwierig es mitunter ist, solche funktionellen Erklärungen zu treffen und wie leicht man sich da auf Glatteis begibt. Meine Erklärung: Das Merkmal scheint in dieser Pflanzengruppe (der ganzen Familie ?) so stark determiniert zu sein, dass eine Anpassung auf andere Weise sekundär erfolgte: nämlich durch den dichten Haarfilz. Aber das ist reine Spekulation.

Herzliche Grüße

Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

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Fahrenheit

#10
Liebe Freunde,

vielen Dank für Euer Lob trotz der nicht optimalen Schnitte! Ich hatte es dünner versucht und bekam Risse im Querschnitt und auch die dicht sitzenden Trichome waren nicht mehr so schön erhalten (die Schnitte hier sind in dieser Hinsicht auch schon ganz schön "rasiert"  :D). Irgendwann habe ich mich dann auf mein Ziel, die dunklen Stellen zu untersuchen, beschränkt.
Vielleicht ginge es mit dem Schlittenmikrotom besser - es wird Zeit, dass ich dem alten HN40 wieder etwas zu tun gebe.

Lieber Jürgen,

schade, da bleibt mir nichts anderes übrig, als meinen nächsten Zahnarztbesuch abzuwarten. Vielleicht hat der ja auch eine solche Schale übrig ...

Lieber Peter,

danke für den Tipp mit den Kanülen. Alles was ich brauche, habe ich da. Womit schleifst Du die Spitzen ab? Die sind ziemlich hartnäckig.

Lieber Arnold,

nein, leider habe ich diesmal keine anderen Beispiele - die Schnitte gefielen mir nicht so gut, dass ich noch weitere Färbungen versuchen wollte.
Eventuell hätte Etzold grün ein etwas besseres Bild gebracht, da das Grün in aller Regel nicht so intensiv aufzieht.

Liebe Mila,

da kann man ja kaum die Lavendelblüte erwarten! Danke für Deine Hinweise.

Lieber Detlef,

auch Dir vielen Dank für Deine spannenden Erläuterungen!
Ich gestehe, ich bin aufgrund Deiner Aussage zu den Schwierigkeiten beim Schnitt der Lavendelblätter ein wenig erleichtert. Es war teilweise schon zum Verzweifeln.
Ganz am Anfang hatte ich mich übrigens einmal völlig unbedarft an einem Freihandschnitt des Lavendelblattes versucht. Bilder gibt es davon keine, jedenfalls habe ich danach fast zwei Jahre lang die Finger von Blattschnitten gelassen ...  ;D

Allen herzliche Grüße!
Jörg

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Mark

Zitat von: Fahrenheit in Mai 05, 2011, 19:06:12 NACHMITTAGS


schade, da bleibt mir nichts anderes übrig, als meinen nächsten Zahnarztbesuch abzuwarten. Vielleicht hat der ja auch eine solche Schale übrig ...



Hallo Jörg,

ich habe mit Schnibbeln und Färben keine Erfahrung, aber was spricht denn dagegen, die
Färbelösung nicht abzusaugen / abzupipettieren, sondern sie einfach mit einer gezwirbelten
"Zellstoffwurst" per Kapillarkraft wegzusaugen ? --> Tempo oder Küchentuch.
(Watte vllt. eher nicht, weil Fusseln ins Präparat kommen können ?)

Ich verwende diese Technik oft (im Chemielabor), um winzige Mengen (<500mg) auskristallisierter Substanzen
von geringen Lösemittelmengen <2mL zu befreien (Umkristallisation). Man kann so auch gut nachspülen
und beliebig oft "invers filtrieren".

Grüße !!

Mark






Fahrenheit

Lieber Mark,

mh, da hätte ich doch zu viel Angst, mir irgendwelche Flusen einzufangen. Obwohl, ein Versuch mit einem Filterpapier könnte man ja mal wagen.

Herzliche Grüße
Jörg
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Klaus Herrmann

Lieber Jörg,

Blätter sind auch schwierig. Robin Wacker hat viele Blätter meisterlich präpariert, aber er macht Paraffinschnitte, womit sich das Problem der Verdrillung einfach eliminieren lässt. Ich habe auch schon oft gekämpft - und noch öfter verloren >:(

Die Nadeln kann man auf einem Schleifblock entschärfen, auch Nass-SiC-Papier geht.
Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


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Fahrenheit

Lieber Klaus,

schön, nicht allein zu sein  :D - und danke für den Tipp mit dem Schleifblock.

Herzliche Grüße
Jörg
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