Beobachtungen zum Beutefang bei Collotheca ornata

Begonnen von Michael Plewka, Mai 11, 2011, 23:25:52 NACHMITTAGS

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Michael Plewka

liebes Forum,
vor einiger Zeit sind bereits einige Bilder zu Collotheca, hauptsächlich  C. ornata hier im Forum gezeigt worden. Ich hatte zwischenzeitlich Gelegenheit, das Verhalten bei der Nahrungsaufnahme etwas genauer zu studieren. Collotheca fasziniert den Betrachter seit Erfindung des Mikroskops durch die Krone (Corona) , die aus Büscheln filigraner Cilien besteht.  Genauso lange existiert deshalb die Frage: welche Funktion haben diese?
Dazu hatte Wright vor mehr als 50 Jahren über seine Beobachtungen in einem Mikrokosmos Artikel berichtet.  Da es etwas länger gedauert hat, diesen Artikel zu bekommen, zeige ich die Bilder erst jetzt. Dabei ist es für mich sehr interessant gewesen festzustellen, wie unterschiedlich seine und meine  Beobachtungen sind.

Hier zunächst ein Übersichtsbild von Collotheca. Es bedeuten:

Eg: Ei
Vt: Vitellarium
Vb: Vestibulum
CR: Cilienreihe
SC: Sinnescilien
St: Magen
Mx: Kauer (Mastax)
Oe: Oesophagus
Br: Gehirn (Brain)
Me: Membran
Tr: Trochus
Dabei gliedert sich der Mundtrichter in zwei Bereiche: den außen liegenden Trochus und das davon durch eine mit kurzen Cilien besetzte Membran abgetrennte Vestibulum:




Zunächst konnte ich das Viech mit ausgestreckter Krone beobachten.  Es ist immer wieder faszinierend zu sehen, wie linealgerade die einzelnen Fäden ausgespannt sind.



Auffällig ist außerdem die Verteilung der anderen Organismen, z.B. Flagellaten, innerhalb des Gesichtsfelds. Diese sind nicht gleichmäßig verteilt, sondern stärker um Collotheca konzentriert. Hiwer eine Aufnahme im Dunkelfeld:







Gerät nun ein potentieller Beuteorganismus in den Bereich der langen Cilien, fangen diese an zu zittern und es laufen Wellen über die einzelnen Fäden . Teilweise werden sie auch nahezu abgeknickt . Dennoch findet zunächst keine Nahrungsaufnahme statt. Flagellaten, die sich in das Reusendickicht begeben, können mühelos  wieder heraus:



Warum wird die Beute nicht gefangen?

Es dauert einige Zeit, bis aus dem Verdaungstrakt  Unverdauliches ausgeschieden wird und sich dadurch der Füllungszustand des Darms ändert. Gerät anschließend  ein Beuteorganismus, (in diesem Fall ein  Flagellat), der sich aktiv in den Fangapparat hineinbewegt, in die Nähe des Mundtrichters, so schließt sich die Membran über dem Vestibulum (grüne Pfeile)  blitzschnell, das Vestibulum kontrahiert und die Beute wird dadurch  in den Oesophagus  gepresst. (75).  Gerade in diesem Moment war der Blitz noch nicht wieder aufgeladen, so dass die Aufnahme teilweise unscharf ist. Dennoch kann man erkennen, dass die  Cilienmembran, welche das Vestibulum abgrenzt,  stark kontrahiert ist. Die langen Cilien der Corona werden dabei überhaupt nicht bewegt:




Innerhalb von 1 min wurden auf diese Weise 2 Flagellaten  "verspeist" (gelbe Pfeile im obigen Bild). Durch peristaltische Bewegung des Oesophagus und durch die Wimpern an der Innenseite des Oesophagus  wird die Nahrung hin und herbewegt. Die Uni des Kauers versuchen dabei, die Nahrung zu ergreifen und in den Magen zu befördern. In den nächsten 15 min ist der Kauer damit beschäftigt. Dabei werden die zunächst noch aktiven Bewegungen der Euglenen immer schwächer. Ob in diesem Bereich des Verdauungstrakts bereits Enzyme wirken ist  nicht klar. Offenbar sind die Euglenen aber zunächst zu groß bzw. zu elastisch, als dass sie von dem Kauer ergriffen werden können. Dieses gelingt erst nach einer gewissen Zeit.
Während dieser Zeit bewegen sich die potentiellen Beuteorganismen beliebig in den Mundtrichter hinein oder hinaus, oder sogar in dem Vestibulum hin und her, ohne dass eine Fangreaktion erfolgt. Möglicherweise wirkt also hier der Dehnungszustand des Oesophagus hemmend auf den Fangreflex.  In mehreren Fällen war sogar zu beobachten, dass solche Organismen regelrecht ausgespuckt wurden, indem eine ruckartige Kontraktion des gesamten Trichters erfolgt (gelbe Pfeilspitze). Hier gezeigt an einer Euglena. Da Euglena wie zuvor beobachtet eine Beute ist, bedeutet das, dass es nicht darum geht, ungenießbare Organismen wieder auszusondern, sondern dass dieser potentielle  Beuteorganismus zu diesem Zeitpunkt nicht gefressen werden kann.




Wright hat seinem Artikel  Beobachtungen an 4 unterschiedlichen Collotheca-Arten  zu Grunde gelegt. Dabei stellt er vor allem Gemeinsamkeiten in deren Beutefangverhalten dar.
Er beobachtete bei seinen 4 Arten, dass die Cilien an dem Beutefang in mechanischer Hinsicht beteiligt seien, indem sie die Beute in den Mundbereich hineinschleudern. Ich kann das für C. ornata nicht bestätigen.
Eine generalisierende Betrachtungsweise für mehrere Arten ist zwar sicherlich  legitim, andererseits stellt sich aus ökologischer Sicht natürlich die Frage, welche unterschiedlichen ökologischen Nischen  die unterschiedlichen Collotheca-Arten besetzt haben. Dieses kann aber nur in morphologischen, physiologischen, aber damit auch ethologischen  Unterschieden begründet sein. Insofern ist es völlig verständlich, dass bei Collotheca ornata teilweise die von Wright gemachten Beobachtungen nicht bestätigt werden können.
Auffällig ist auch die große Dichte der Flagellaten in der Nähe der Collotheca. Wright interpretiert das als positiv phototaktische Reaktion auf das Licht der Mikroskopbeleuchtung. Setzt man das Präparat einer m.o.w. gleichmäßigen Dunkelfeldbeleuchtung aus, erkennt man, dass dennoch eine hohe Konzentration der Flagellaten um Collotheca herum herrscht. Wright schreibt selbst, dass andere Forscher zu der Ansicht neigen, dass Collotheca selbst einen Attraktionsstoff abgibt, der aktiv bewegliche  Beuteorganismen anzieht.

Es könnte also den  Coronacilien die Bedeutung zukommen,  diesen Stoff im Wasser zu verteilen.


viel Spaß beim Anschauen & beste Grüße Michael Plewka

Jürgen H.

Lieber Herr Plewka,

das ist, wie immer bei Ihnen, eine wunderbare Dokumentation mit sehr schönen Bildern!

Eines wird Ihnen genauso wie mir, rätselhaft sein: Wenn die langen Cilien der Krone der Verteilung eines Stoffes dienen, der Beute chemotaktisch anziehen soll, weshalb schwimmt dann die Beute im 4. Bild davon?

Umgekehrt schreiben Sie, dass Wellenbewegungen durch die Cilien laufen, wenn sie von Beute berührt werden und dass die Cilien sich in diesem Falle abknicken. Das ist ja auch im Bild 4 wunderschön zu sehen. Aber wie ist das in Bild 2? Dort befindet sich die Beute innerhalb der Cilien und von einem Abknicken der Cilien ist nichts zu sehen? Wird hier die Beute vorläufig festgehalten? In Bild 4 scheinen sich die Cilien ja demgegenüber geradezu von der möglichen Beute wegzukrümmen?

Beste Grüße

Jürgen Harst

Michael Plewka

hallo Herr Harst
wegen einer Exkursion komme ich erst jetzt zu einer Antwort. Mal wieder finde ich es klasse, dass Sie den Beitrag genau "unter die Lupe" genommen haben! Respekt! So wird deutlich, dass -trotz einer gewissen Sorgfalt meinerseits- immer noch Sachverhalte ungenau beim "Publikum" ankommen.

Also: der Flagellat in Bild 2 befindet sich außerhalb der Krone bzw. oberhalb des Tieres. Zur Verdeutlichung noch eine weitere Aufnahme aus der Serie: nur befindet sich derselbe Flagellat von Bild2  -scheinbar - im Inneren der Collotheca (gelber Pfeil).  Tatsächlich befindet er sich aber ebenfalls außerhalb. Das kann man natürlich nur an einer Bildsequenz nachvollziehen:




Interessant für mich auch die Stellungnahme zu Bild 4. Objektiv gesehen kann man von einem (Stand-) Bild nicht auf die Bewegungsrichtung eines Objekts schließen. Intuition? Denkt man intuitiv: das Flagellat ist links und deshalb bewegt sich Euglena nach rechts (wie ein Boot mit Außenbordmotor? Diese Analogie darf man auf Euglena wahrscheinlich nicht  anwenden. Fakt ist nun, dass exakt dieser Flagellat sich in den nächsten Bildern weiterhin um Collotheca herum bzw. ebenfalls in der Corona bewegt hat (genau genommen ist die "neue" Aufnahme übrigens 5 min nach Aufnahme 4 entstanden), bis sie später dann tatsächlich gefressen wurde.

beste Grüße Michael Plewka

steffenclauss

Hallo Michael,

herzlichen Dank für Deine Mühe zu den aufschlußreichen Beitrag!

Ich finde oft vereinzelt Collotheca ornata, letztens auch in Hochmoorproben.

ZitatGerät nun ein potentieller Beuteorganismus in den Bereich der langen Cilien, fangen diese an zu zittern und es laufen Wellen über die einzelnen Fäden . Teilweise werden sie auch nahezu abgeknickt

So konnte ich es häufig auch beobachten, begeiselte Algen wie z.B. Euglena und Chlorella sowie auch  Dinoflagellaten scheinen da geeignete Beuteorganismen zu sein. Die Mikroskopbeleuchtung, gerade bei Dunkelfeld trägt m.E. , bedingt durch die phototaxische Reaktion einiger Algen, deutlich zur Ansammlung dieser Beute bei.

viele Grüße
Steffen

Michael Plewka

hallo Steffen,
wäre es nicht zu erwarten, dass wenn das Gesichtsfeld  gleichmäßig über eine bestimmte Fläche, nehmen wir mal an: 1mm Durchmesser,  ausgeleuchtet ist, die phototaktischen Organismen sich über dieses Feld gleichmäßig verteilen müssten? Das war nämlich meine Annahme, und -so wie ich Dich verstehe- auch Deine Beobachtung.
Nun zeigt aber Bild Nr.3, dass die Verteilung nicht gleichmäßig  ist, sondern stärker konzentriert um Collotheca herum. Das hat mich zu den Annahme geführt, dass es nicht das Licht (allein) sein kann, sondern andere Faktoren, wie z.B. Stoffgradienten eine Rolle spielen könnten.
Beste Grüße Michael Plewka

treinisch

Hallo Michael,

wäre es aber nicht denkbar, dass der Organismus selbst das Licht streut, bricht, beugt, also
umlenkt, passiv natürlich? Deswegen sieht man ihn ja auch im Dunkelfeld ...

Viele liebe Grüße

Timm
Gerne per Du!

Meine Vorstellung.

Jürgen H.

Lieber Herr Plewka, vielen Dank für Ihre Informationen.

ZitatObjektiv gesehen kann man von einem (Stand-) Bild nicht auf die Bewegungsrichtung eines Objekts schließen.

Nein, sicher nicht. Sie schrieben nur bereits im ersten Beitrag, Flagellaten kämen mühelos wieder aus dem Reusenapparat heraus und ich bezog das wohl fälschlich auf das Bild 4, wobei wahrscheinlich tatsächlich die Vorstellung vom Außenbordmotor mit eine Rolle spielte. :-)

Wenn man den weit ausgebreiteten Cilienkranz auf Ihren Bildern sieht, frage ich mich fast, wie die Ciliaten überhaupt in die Krone hineinkommen.

Mittlerweile habe ich mir einmal dieses Video angesehen:
http://www.youtube.com/watch?v=UEjPfeyfjNE

Offenbar geht das seitlich. Und dann passt Ihr Begriff der Reuse doch prima. Wenn aber die Cilien der Stoffverteilung eines Anlockstoffs dienen sollten, wäre ja auch ein Konzentrationsgefälle dort sinnvoll, wo die Cilien gerade nicht sind, oder?

Auch in dem Video ist schön zu sehen, wie die Ciliaten ein und aus schwimmen können. Wäre auch denkbar, dass die Ciliaten eine bestimmte Stelle berühren müssen, damit der Fangmechanismus ausgelöst wird?

Haben Sie einmal eine Vitalfärbung mit einem Indikator versucht?

Mikrogrüße

Jürgen Harst


Michael Plewka

hallo zusammen,

zunächst einmal möchte ich nochmals auf den Ausgangspunkt eingehen. Ich konnte bei C. ornata nicht feststellen, dass die Coronacilien am Beutefang beteiligt sind. Also stellt sich die Frage nach deren Funktion. Eine Möglichkeit wäre das Absondern eines Attraktionsstoffs für Beuteorganismen. Das meine ich daran zu erkennnen, da m.E. die  Beuteorganismen in größerer Konzentration in der Nähe der Collotheca zu finden sind.

@ Tim:  ich verstehe nicht genau, worauf Du hinauswillst. Denkbar ist vieles. Wenn ich dich richtig verstehe meinst Du, dass Collotheca das Licht streuen könnte und die Beuteorganismen davon angelockt werden? Wie soll Deine Hypothese überprüft werden?  Ich gebe zu bedenken: die Beuteorganismen werden in erster Linie (genau wie die Collotheca selbst) vom Kondensor angestrahlt. Dadurch sind sie erst mal "geblendet". Dann sollen sie Deiner Meinung nach das Streulicht der Collotheca noch besser wahrnehmen und  dessen Richtung erkennen?? Ob da dem Lichtsinnesorgan nicht ein bisschen viel zugetraut wird?

@ Herrn Harst: Das Video bestätigt m.E. einige meiner Beobachtungen. Sehr schön auch zu sehen, wie die Beuteorganismen rein- und wieder rausschwimmen. Das mit dem  Konzentrationsgefälle müssten Sie allerdings der Collotheca sagen. Dass ein Anlockstoff aus biologischer Sicht einen Selektionsvorteil bietet, ist unter Biologen unstrittig; wäre es bei Collotheca so, dann wäre die Wahrscheinlichkeit, dass ein Viech in die Cilien schwimmt, auf jeden Fall höher als ohne Lockstoff.

ZitatWäre auch denkbar, dass die Ciliaten eine bestimmte Stelle berühren müssen, damit der Fangmechanismus ausgelöst wird?

Vielleicht ein Freudscher Versprecher, aber trotzdem hilfreich für meine Argumentation: Ich kann in dem Film die Art der Beuteorganismen nicht genauer bestimmen; Aaaber:  angenommen, es wären Ciliaten, dann  gibt es bei diesen zunächst einmal kein Lichtsinnesorgan. Damit fällt Phototaxis als Anlockungshypothese erst mal weg.  In  dem ersten Bild sind Sinnescilien markiert, die sich an dem Rand bzw. an der Membran des Vestibulums befinden. Ebenfalls auf der Innenseite der Membran befindet sich eine Cilienreihe (CR). Möglicherweise wird durch Reizung dieser Cilien -abhängig vom Füllungszustand des Oesophagus bzw. Magens- der Schluckreflex ausgelöst .

ZitatHaben Sie einmal eine Vitalfärbung mit einem Indikator versucht?

Hab ich nicht gemacht. Indikator für was? Was soll das für eine Funktion haben?


beste Grüße Michael Plewka

treinisch

Zitat von: Michael Plewka in Mai 15, 2011, 23:27:08 NACHMITTAGS
@ Tim:  ich verstehe nicht genau, worauf Du hinauswillst. Denkbar ist vieles. Wenn ich dich richtig verstehe meinst Du, dass Collotheca das Licht streuen könnte und die Beuteorganismen davon angelockt werden? Wie soll Deine Hypothese überprüft werden?  Ich gebe zu bedenken: die Beuteorganismen werden in erster Linie (genau wie die Collotheca selbst) vom Kondensor angestrahlt. Dadurch sind sie erst mal "geblendet". Dann sollen sie Deiner Meinung nach das Streulicht der Collotheca noch besser wahrnehmen und  dessen Richtung erkennen?? Ob da dem Lichtsinnesorgan nicht ein bisschen viel zugetraut wird?

Hallo Michael,

ja, darauf wollte ich hinaus, das war aber keine Behauptung, sondern ein Vorschlag. Vielleicht erlaubst Du mir noch ein-zwei kleine Anmerkungen,
vor allem auch auf die Frage

Zitat von: Michael Plewka in Mai 15, 2011, 23:27:08 NACHMITTAGS
Wie soll Deine Hypothese überprüft werden?

ich bin ja kein Biologe und hatte meinen Vorschlag nur oberflächlich anhand zweier Artikel auf prinzipielle Plausibiltät geprüft.
Auf Grund von
DP Häder, Polarotaxis, gravitaxis and vertical phototaxis in the green flagellate, Euglena gracilis, Archives of microbiology,
1987
hatte ich angenommen, dass hier keine Lichtstärke vorliegt, die Euglena ,,blendet", da nach der positiven Phototaxis bei
höheren Lichtstärken erst noch negative Phototaxis auftritt.

Das wäre auch mein Vorschlag zur Überprüfung. Wenn der Umschlag von positiver in negative Phototaxis noch
Stand der Forschung ist, könnte man vielleicht die Lichtintensität messen, bei der der Umschlag auftritt. Liegt ein
Lockstoff vor, sollte der Umschlag bei höherer Lichtintensität liegen, ganz wie es Häder auch für die Phototaxis / Gravitaxis
beschreibt.

Beste Grüße

Timm
Gerne per Du!

Meine Vorstellung.

Jürgen H.

Lieber Michael Plewka,

Zitatwäre es bei Collotheca so, dann wäre die Wahrscheinlichkeit, dass ein Viech in die Cilien schwimmt, auf jeden Fall höher als ohne Lockstoff.

Wie stellen Sie sich denn die Lockstoffverteilung vor? Durch die vermehrte Wasserbewegung, die durch die Cilien entsteht, wenn sich das Tierchen zusammenzieht? Damit würde doch auch ein eindeutiger Gradient zerstört?

Zitates wären Ciliaten, dann  gibt es bei diesen zunächst einmal kein Lichtsinnesorgan. Damit fällt Phototaxis als Anlockungshypothese erst mal weg.

Ich meine gelesen zu haben, dass auch die Ciliaten einer Phototaxis unterliegen, obwohl kein spezielles Lichtsinnesorgan vorhanden ist? Aber meine Kenntnisse auf diesem Gebiet sind äußerst begrenzt :-(

Einen Einfluß der Phototaxis könnte man doch vielleicht einfach dadurch ausschalten, indem man für einige Zeit das Miklicht ausknipst? Und danach rasch ein Photo schießt? (In der Hoffnung dass Collotheca noch am Platz ist....)

Wäre nicht eigentlich als Funktion der Coronarcilien auch eine Thigmotaxis in Erwägung zu ziehen? Bei einigen Ciliaten gibt es positive Thigmotaxis. Bei Euglena weiß ich das nicht. 

Fragen ohne Ende :-))


Zitat
Indikator für was? Was soll das für eine Funktion haben?

Säure Base Indikator. Neutralrot z.B. Zur Untersuchung des Verdauungsprozesses?

Wenn allerdings Nahrungsaufnahme und Ausscheidung über den gleichen Weg erfolgt, müssten eigentlich immer alle Verdauungssekrete jedenfalls abgeschwächt auch im Oesophagus vorhanden sein...

Mikrogrüße

Jürgen



Bernd

Hallo Michael, Jürgen, Timm,

ich habe in meiner, zugegeben begrenzten, Literatur über Rädertiere nachgeschaut und folgendes in

Wallace, R. L. (1980). "Ecology of sessile rotifers." Hydrobiologia 73: 181-193 gefunden:

Collothecidae are raptorial. They have a corona which is modified into a lobed funnel-shaped structure (infundibulum) the margins of which are extended by lobes and which usually possess supple setae (however, members of the genera Acycius, Atrochus, and Cupeiopagis have no coronal setae). Edmondson (1959) suggests that these setae guide thigmotactic prey towards the corona. Prey are captured when the lobes of the corona fold in quickly forcing them through the mouth. Prey capture can be aided by whip-like action from the setae (Wright, 1958; Edmondson, 1959). Prey are first stored in the vestibulum before being passed on through the pharynegeal tube into the proventriculus where they are macerated by the trophi. Collothecids generally feed on diatoms, green and colorless flagellates, ciliates, and small rotifers (Berzins, 195I, 1952). For example, C. h. heptabrachiata feeds on Gymnodinum and colorless flagellates (Sladecek, 1962), C. trilobata feeds on diatoms, Euglena. dinoflagellates, and small rotifers (Koste, 1970b), Cupelopagis voraxconsumes ciliates and small rotifers (Koste, 1973), Stephanocerous prefers Euglena and Chilomonas (Valerio, 1975), and Acyclus inquietus is somewhat specialized, feeding on the larvae of Sinantherina (Beauchamp, 1912; Edmondson, 1959).

Edmondson, W. T, 1959. Rotifera. In: W. T. Edmondson (ed.) Freshwater Biology 2nd Ed" John Wiley and Sons, Inc., N.Y. pp. 420-494.
Wright, H. G. S. 1958. Capture of food by Collothecid Rotatoria. J. Quekett microsc. Cl., Ser. 4. 5: 36-40.


Dieser Abschnitt zeigt zweierlei, nämlich (1) Wright hat es als einzigster Untersuchungen gemacht, seitdem wiederholen alle nur, was er beschrieben hat und (2) Edmondson vermutet, daß Thigmotaxis eine Rolle spielen könnte, hat also keinerlei Untersuchungen gemacht, die seine Vermutung beweisen könnten.

Ich selbst habe dieses Rädertier auch schon öfters mikroskopiert. Dabei habe ich festgestellt, daß ich dazu neige, die Corona und den ganzen Mundtrichter mittels Deckglasdruck zusammenzuquetschen, um möglichst viel davon in die Fokuseben zu bekommen. Ich vermute (das heißt, ich habe natürlich keine eigenen Untersuchungen zum Beutefang von Collotheca gemacht), daß dies die Bewegung zumindest eines Teils der Cilien behindern und die Effizienz des Beutefangs verringern könnte.

Bernd

Michael Plewka

hallo zusammen,

entgegen der chronologischen Reihenfolge beginne ich mit Bernd: vielen Dank für Deine Bemühungen, weitere Literatur ins Spiel zu bringen. die "Hydrobiologia" ist wohl wirklich die Nr.1 für Rädertier-Artikel, allerdings in den Unis im näheren Umkreis bei uns nicht einsehbar. Neben der Schlussfolgerung, dass der eine vom anderen abschreibt, ist des weiteren bezeichnend,  -und damit komme ich zu meiner anfänglichen Aussage zurück- dass die Aussagen, die zu  einer Art gemacht werden , nicht notwendigerweise verallgemeinernd auf die andern Arten übertragen werden können. Als Beispiel soll hier angeführt werden, dass diese Aussage

ZitatPrey are first stored in the vestibulum before being passed on through the pharynegeal tube into the proventriculus where they are macerated by the trophi.

auf C. ornate eindeutig nicht zutrifft. Die Nahrung wird bei dieser Art nicht im Vestibulum zwischengespeichert, so wie es der von Herrn Harst zitierte Film ebenfalls zeigt. (bezüglich der Kennzeichnung der Anatomie siehe KOSTE Tafel 223: hier wird im übrigen der Proventriculus als Mastax-Sack bezeichnet) . Die Zeichnungen im KOSTE zeigen weiterhin keine Collotheca-Art, bei der im Vestibulum Nahrung zu sehen wäre.

Zitatich vermute (das heißt, ich habe natürlich keine eigenen Untersuchungen zum Beutefang von Collotheca gemacht), daß dies die Bewegung zumindest eines Teils der Cilien behindern und die Effizienz des Beutefangs verringern könnte.

Die Effizienz des Beutefangs war in meinen Fällen keineswegs verringert. Da war genügend Wasser vorhanden. Platt formuliert: wenn C.ornata "wollte", konnte innerhalb eine Sekunde ein Viech gefressen werden. Auch das zeigt der Film ja eindrucksvoll. Die Beuteviecher schwimmen doch ins "Maul" hinein und darin herum , werden dann aber wieder ausgespuckt. Was soll da behindert sein?



Die Beiträge der Kollegen und meine eigenen Beobachtungen führen mich zu der Schlussfolgerung, dass es sehr wichtig ist, weitere Beobachtungen zu machen und zu dokumentieren. Collotheca ornata oder andere aus dieser Gruppe sind so selten nicht, so dass es schön wäre, auf eine größere Datenbasis zurückgreifen zu können. Das entscheidende dabe ist die Überprüfbarkeit, die sich auch in der Praktikabilität äußert. Deshalb

@ Timm: entschuldige bitte, aber der von Dir vorgeschlagene Versuch ist mir persönlich zu esoterisch. Ich meine damit, dass dieser Versuch zwar theoretisch funktionieren mag, in der Praxis aber allein an der statistischen Absicherung scheitern wird. Aber vielleicht gibt es ja die Genies, die es trotzdem schaffen....

@ Herrn Harst:
ZitatWäre nicht eigentlich als Funktion der Coronarcilien auch eine Thigmotaxis in Erwägung zu ziehen? Bei einigen Ciliaten gibt es positive Thigmotaxis.

Da müssen wir zwei Fälle unterscheiden. Reden Sie von Collotheca, deren Cilien thigmotaktisch auf die Berührung der Beuteorganismen reagieren oder meinen Sie , dass die Beute auf Berührung mit den Cilien reagiert? Letzteres macht für mich nicht so richtig Sinn... Der erste Fall ist ja genau das, was auch von anderen Autoren diskutiert wird.

ZitatWie stellen Sie sich denn die Lockstoffverteilung vor?

Als Beispiel nehme ich einen Schmetterling: das Männchen von Creatonotos gangis, da mir hier konkret eine Abbildung der Naturwiss. Rundschau von 9/1994 vorliegt.  Die Haarbüschel, über die die Sexuallockstoffe (Pheromone) abgegeben werden, sind mindestens ebenso groß wie das Insekt selbst. So ähnlich stelle ich mir das bei C. ornata auch vor. Immer, wenn C. ornata die Krone einzieht, werden die Cilien in dem Trichter versteckt. Gut möglich, dass die Cilien dabei mit Inhaltsstoffen aus dem Proventriculus "getränkt"  werden. Möglicher Kandidat wären dabei freigesetzte Stoffe aus vorher verspeister Beute. Der Vergleich mit einem in Wasserfarbe getränkten Pinsel drängt sich mir auf.  Anschließend werden die Cilien wieder ins Wasser ausgestreckt.   Die meisten sessilen Collothecas leben ja in relativ stillem Wasser, so dass sich dann ein Gradient ausbilden könnte.

Bevor hier nun weiter spekuliert wird, möchte ich alle ineressierten Tümpler ermuntern, weitere Beobachtungen zum Beuteerwerb der Collothecas beizusteuern. Angie hat mit C. edentata ja ein schönes Beispiel geliefert.
Ich selbst habe gestern in einer!!  Probe d.h. in einem Wassertropfen zwei unterschiedliche Collotheca-Arten gefunden, und davon gleich jeweils mehrere Exemplare (C. coronetta, und C. heptabrachiata; Bilder dazu hier:
http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=9179.0)

Beide hatten die gleiche Beute gefressen. Da stellt sich dann wieder die Frage: wie können diese beiden Arten nebeneinader existieren?

beste Grüße Michael Plewka