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Vitalfärbung

Begonnen von Michael Plewka, November 08, 2014, 13:18:42 NACHMITTAGS

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Michael Plewka

hallo zusammen,

in der Regel beobachte ich lebende ungefärbte Organismen unter dem Mikroskop. In den letzten Jahren habe ich aber auch gelegentlich  verschiedene Organismen mit dem Vitalfarbstoff Neutralrot angefärbt.
Der klassische Anwendungsfall für Neutralrot ist die Anfärbung der Vakuolen der Zellen der Zwiebelepidermis, so, wie im  Kosmos-Mikroskopiebuch von B.P. Kremer beschrieben. Insofern ist mir die Funktionsweise des Farbstoffs sehr vertraut (Schulversuch).
Ich habe allerdings Neutralrot primär verwendet, weil sich damit angeblich das Retrocerebralorgan (RCO) der Rädertiere anfärben lassen soll. Dieses ist mir bisher aber nicht gelungen.
Einerseits  setzte ich die Neutralrotlösung lediglich ,,pi mal Daumen" zum Präparat, andererseits achte ich darauf, dass  die  Konzentrationen so gering sind, dass die Viecher zumindest für eine  Stunde  am leben bleiben. Hierbei kann man dann aber auch schon gehörige Unterschiede feststellen. Während beispielsweise einige Ciliaten sofort mit dem Cilienschlag aufhören, scheint dieselbe Konzentration des Farbstoffs anderen nicht das geringste auszumachen.  Es sind  die unterschiedlichen, inkonsistenten Ergebnisse, vor allem der Färbung selbst, über die ich hier berichten will.
Dabei frage ich mich auch, welche diagnostische Bedeutung dieser Vitalfarbstoff hat.

Hier nun ein paar Beispiele.

Zunächst eine kleine Cosmarium, deren  ??zwei?? Vakuolen (ich konnte keine Verbindung über den Isthmus feststellen) rot gefärbt sind, analog zur Vakuole derZwiebelzelle:



Interessanterweise werden die Kontraktilen Vakuolen der Ciliaten i.d.R. nicht angefärbt. Bei diesem spathiiden Ciliaten ist hingegen das Plasma recht homogen magentafarben gefärbt (niedriger pH-Wert):




Bei diesem peritrichen Ciliaten ist das Plasma kaum gefärbt, es fällt allerdings die intensive Färbung der Pellicula-Bläschen sowie eines Bläschensaums am Peristomrand auf:




Hier noch ein 1:1 Ausschnitt der Pellicula:




Weiter geht´s mit ein paar Beispielen zu Rädertieren. Bei dieser Macrotrachela papillosa ist der Rumpfbereich des Integuments rotbraun gefärbt, Kopf und Hals jedoch nicht. Ebenso sind die inneren Organe ungefärbt:




Lecane hat zwar einen Panzer, dieser ist jedoch nicht gefärbt, auffällig ist jedoch die intensive Färbung des Kauers:




Anders bei Rotaria macrura. Hier ist der Kauer ungefärbt. Enige Organe sind schwach magentafarben, der Darmbereich ist aber stark rotbraun gefärbt.
Einige deutlich erkennbare Strukturen sind nummeriert. Möglicherweise bedeuten: 1-5 Anhängsel? des Gehirns(9); 6,7,8,13: Retraktormuskeln; 10, 11: Magendrüsen; 12: evtl RCO:




Insgesamt fällt auf, dass -auch im DIK- die Organe deutlicher hervortreten, was aber m.E. nicht nur an der eigentlichen Färbung liegt der Organe liegen kann, sondern auch auf eine Strukturänderung zurückgeführt werden muss. So tritt beispielsweise bei R. macrura der Analporus nach Zusatz von Neutralrot besonders deutlich hervor, ohne besonders intensiv gefärbt zu sein:




Gerade diese Art ist auch sehr empfindlich gegenüber Neutralrot; selbst in geringen Konzentrationen sterben diese Viecher nach einer Zeit von ca. 1-2 Stunden ab; ganz im Gegensatz zu beispielsweise der Adineta im folgenden Bild, die -stark angefärbt- nach Überführung in das ursprüngliche Medium den Beobachtungzeitraum von 24 Stunden überstanden hat. Hier ein Ausschnitt des Kopfs, bei dem man sehr schön den Harkenapparat sehen kann, mit dem die Nahrung vom Substrat abgeschabt wird:




Mich würden nun die Erfahrungen anderer Forumsteilnehmer(innen) zum Thema Vitalfärbung interessieren.
Welche anderen Vitalfarbstoffe wurden zu welchem Zweck eingesetzt?
Lässt sich beispielsweise Acridinorange als Vitalfarbstoff bei Vielzellern einsetzen?
Bildbeispiele sind ausdrücklich erwünscht!


beste Grüße Michael Plewka






Detlef Kramer

Hallo Michael,

während meines Studiums wurde, m.M. völlig zu Recht, der Begriff der Subletalfärbung geprägt. Im Fall der Vakuolenfärbung bei Pflanzen ist das völlig einleuchtend, denn mit der Färbung durch Neutralrot wird die semipermiable Eigenschaft von Plasmalemma und Tonoplast und der PH-Wert der Vakuole erhalten und demonstriert. Der Rest ist ziemlich futsch.

Eine kleine Anmerkung zu Deinen interessanten Beobachtungen.

Herzliche Grüße
Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

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limno

Hallo Herr Plewka,
meine Erfahrungen mit Neutralrot liegen schon länger zurück. Dem Streble/Krauter (S.23, 10. Auflage) gemäß, habe ich das Neutralrotpulver dem demineralisierten Wasser im Verhältnis 1:10000 zugesetzt und  die Lösung mit Bierhefe im Reagenzglas kurz erhitzt und die Hefesuspension  dem Kulturtropfen mit Paramecien zugesetzt.Die Nahrungsvakuolen färbten sich hell bernsteinfarben. Beeinträchtigungen der Vitalität  sind mir nicht in Erinnerung. Kongorot (2%)Umschlagbereich pH 3,0 -5,2 (Hartmut Dietle,Das Mikroskop in der Schule, S.161, 5. Auflage) sowie wässrige Nilblausulfatlösung(1:10000) habe ich für diese Fütterungsversuche gleichfalls ausprobiert, nichts besonderes also. Bei Ihren Bildern fiel mir auf, dass ein Umschlagen nach gelb kaum vorkommt. Neutralrot als Anfärbung für Nerven habe ich noch nicht ausprobiert; Methylenblau ("Füllertinte" ist nebenbei auch ein Vitalfarbstoff. Sie haben mir einen guten Grund geliefert, mich wieder näher mit diesem interessanten Thema zu beschäftigen und hoffe, dass Ihnen meine spärlichen Erinnerungen weiterhelfen.
Soweit meine Erfahrungen
Heinrich
So blickt man klar, wie selten nur,
Ins innre Walten der Natur.

Kambiz

Hallo Michael,

ich habe einmal einige Beuteltierchen mit Neutralrot inkubiert.
Am nächsten Tag hatte sich eines der Tierchen intensiv gefärbt, andere weniger/kaum.

Ähnliches habe ich tendenziell auch mit Paramecien beobachtet.

Gruß
Kambiz

Michael Plewka

hallo zusammen,

vielen Dank zunächst einmal für die Erfahrungsberichte.

Ob subletal oder letal wäre mir eigentlich egal, solange wie sich bestimmte Organe  selektiv anfärben bzw. sichtbar machen lassen (da bin ich mittlerweile sehr brutal). Wahrscheinlich geht diese Selektivität aber wirklich nur mit Immunofluoreszenzverfahren mit den für mich nicht leistbaren Präparationsmethoden. Primär geht es mir um Rädertiere; ich bin davon ausgegangen, dass Fütterungsversuche bei diesen wenig bringen, da Hefe als Nahrung nicht angenommen wird. Wahrscheinlich würde diese ähnlich verstoffwechselt wie  Algen-oder Bakteriennahrung auch: die (gefärbte) Zellwand wird wieder ausgeschieden, der Zellinhalt aufgenommen. Müsste man aber mal ausprobieren.
Noch eine Bemerkung zum Retrocerebralorgan: über die Funktion dieses bisher nur bei einigen Räderarten  gefundenen Organs  (ndere Arten scheinen dagegen keines zu haben) ist viel spekuliert worden, aber Gewissheit herrscht bis heute nicht.

beste Grüße Michael Plewka

Michael Müller

Hallo zusammen,

da ich letztens zufällig einige Rädertiere der Gattung Colurella mit Neutralrot mitgefärbt habe und Michael ausdrücklich Bildbeispiele gewünscht hat, hohle ich diesen alten Faden wieder aus der Versenkung.


Colurella sp., gefärbt mit Neutralrot, Färbedauer ca. 2 Tage

Die Färbemethode wurde in https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=30430.0 beschrieben. Da ich mich mit Rädertieren nicht gut auskenne, weiß ich nicht, welches Organ hier elektiv gefärbt wurde. Vielleicht kann ja jemand von Euch was dazu und zu der genauen Art sagen?

Einen guten Rutsch

Michael Müller
Gerne per Du

Michael Plewka

Hallo Michael,

vielen Dank für die Ergänzung dieses doch schon recht alten Beitrags mit einer weiteren Art!
M.E. handelt es sich bei Deiner Colurella um C. obtusa, zu welcher ich hier ein Bild mit Beschriftung der erkennbaren Organe eingestellt habe (letztes Bild):


http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Colurella%20obtusa.html


Zur weiteren Erläuterung muss ich nochmal auf mein damaliges Anliegen zurückgreifen: die Anfärbung  des Retrocerebralorgans (RCO) bei den bdelloiden Rädertieren, was, wie man auf den Aufnahmen, die in meinem obigen Beitrag   sehen kann, -aus welchen Gründen auch immmer- nicht funktioniert (so, wie auch in der Literatur beschrieben.
Allerdings war es mir  es mir  später gelungen, an einem monogononten Rädertier, nämlich Notommata cerberus, dieses Organ und dessen Ausführgang mit der oben beschriebenen Methode ziemlich gut anzufärben, was   ebenfalls mit  der Literatur übereinstimmt. Hier ein Bild :




Weitere Bilder hier:
http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/KennkartenTiere/Rotifers/01RotEng/source/Notommata%20cerberus.html

Bei den Notommatiden scheint das RCO und der Ausführgang -zumindest teilweise- sowieso ziemlich gut sichtbar zu sein, wie ein Bild von einer Cephalodella (forficata) veranschaulicht:





Ich erwähne das alles, weil bei ,,Deiner" Colurella m.E. im Dorsalbereich die  (Kerne der) Magendrüsen rot gefärbt zu sein scheinen. Man kann aber nicht erkennen, dass bzw. ob das RCO bzw. der Ausführgang gefärbt ist. Dazu müsste das Viech evtl. auch stärker gequetscht sein, mit der Gefahr, dass das Viech letal verletzt wird und somit die Funktion der Vitalfärbung ad absurdum geführt wird.

Interpretation/ Bewertung Deines Versuchs:
Colurella hat kein RCO: eher unwahscheinlich.
Der Farbstoff hat das RCO nicht gefärbt. Erklärung : ??

>>>> Wieder eins der rätselhaften, für mich inkonstistenten Ergebnisse der Arbeit mit Neutralrot.


Das Intestinum scheint in ,,Deiner" Colurella sehr wenig Volumen  zu haben, d.h. es ist möglich, dass dort wenig Flüssigkeit vorhanden ist. Beobachtungen an verschiedenen anderen Rädertieren (siehe auch das Beispiel von Rotaria macrura oben) veranlassen  mich anzunehmen, dass Neutralrot möglicherweise den Wasserhaushalt der Rädertiere beeinflusst. Das könnte bei Deiner Colurella auch der Fall sein.


Beste Grüße
Michael Plewka

Michael Müller

Hallo Michael,
vielen Dank für Deine Erläuterungen. Die Interpretation der Färbeergebnisse bei Vitalfärbungen ist halt recht schwierig. Ist eigentlich bekannt, warum sich Neutralrot im RCO anreichert?

Viele Grüße

Michael Müller
Gerne per Du