Botanik: Spross der Gewöhnlichen Jungfernrebe - Parthenocissus vitacea *

Begonnen von Fahrenheit, November 25, 2011, 21:53:42 NACHMITTAGS

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Fahrenheit

Liebe Pflanzenfreunde,

beim herbstlichen Aufräumen im Garten mussten - nachdem die Blätter mit der schönen Herbstfärbung abgefallen waren - auch einige Sprosse der Gewöhnlichen Jungfernrebe (Parthenocissus vitacea) dran glauben und ich habe die Gelegenheit genutzt, einige Sprossquerschnitt zu erstellen.

Wie sich die ursprünglich aus Nordamerika stammende Art in unseren Garten verirrt hat, wissen wir nicht - ein Vogel wird wohl nachgeholfen haben. Immerhin fühlt Sie sich an einem Rankgitter sehr wohl und darf wegen ihres schönen Laubes gerne bleiben.
Auf die Rankhilfe ist P. vitacea auch angewiesen, da sie nur recht selten Haftscheiben an den Rankenenden ausbildet, mit denen sich ihrer Verwandten (z.B. die Selbstkletternde Jungfernrebe - Parthenocissus quinquefolia) problemlos auch an Mauern, Masten und glatten Bäumen halten können.

Die jungen Sprosse der Gewöhnlichen Jungfernrebe sind grün und bekommen erst im zweiten Jahr eine hellbraune Rinde, die mit einzelnen Korkwarzen (Lentizellen) überzogen ist. Die Blätter sind fünffingerig und satt grün, die Herbstfärbung ist kräftig rot, später gelb. Aus den blaßgelben Blüten bilden sich im Spätsommer silbrig angelaufene, dunkelblaue Früchte, die an leuchtend rot-orangen Stielchen sitzen.

Als beliebte Zierpflanze, die aufgrund der fehlenden Haftscheiben die Bausubstanz nicht so sehr angreift, ist P. vitacea auch bei uns in Europa häufig anzutreffen.

Bild 1a/b: Früchte der Gewöhnlichen Jungfernrebe - nicht aus unserem Garten sondern eine Urlaubserinnerung.



Kurz zur Präparation

Nach dem freistehenden Schnitt auf dem Handzylindermikrotom (mit Leica Einmalklingen im SHK-Halter, Schnittdicke ca. 50 µm) wurden die in AFE fixierten Schnitte nach gründlichem Wässern nach Wacker W3A gefärbt und in Euparal eingeschlossen. Eine genaue Färbeanleitung kann auf den Seiten des MKB heruntergeladen werden.
Für die Aufnahmen der ungefärbten Schnitte wurde fixiertes Material genutzt.

Und nun zu den Schnitten:

Im folgenden zeige ich zunächst den ungefärbten, dann den gefärbten Schnitt. Das dritte Bild ist dann komplett mit Maßstabsbalken und ggf. Beschriftung.

Bild 2a/b/c: Sprossquerschnitt in der Übersicht, Bild 1a ungefärbt aber fixiert, 1b mit Wacker Färbung, 1c inklusive Beschriftung. Vergrößerung 50x, Stapel aus 12 bzw. 11 Bildern.



Die Beschriftung von innen nach außen:   
MP:    Markparenchym
RapB: Raphidenbündel, quer angeschnitten oder längst
PXl:   Primäres Xylem
Xl:     Xylem
T:     Trachee
Ca:   Cambium
Pl:    Phloem
MS:  Markstrahl
Skl:   Sklerenchymkappen der Leitbündel
RP:   Rindenparenchym
Pd:   Phelloderm
Pg:   Phellogen
Ph:   Phellem

Bild 3a/b/c: Das Periderm, Vergrößerung 200x, Stapel aus 14 bzw. 9 Bildern



Insbesondere im ungefärbten Bild 3a kann man schön die zusammengeschobenen Korkzellen des Phellems erkennen. Im Rindenparenchym erkennt man einige angeschnittene Raphidenbündel.
Die Parenchymzellen selbst sind voll mit Amyloplasten. Die Probe wurde nach dem Laubabwurf genommen und die Pflanze hat sich für den neuen Austrieb im kommenden Frühjahr gut mit "Vorräten" eingedeckt.

Bild 4a/b/c: Ein Leitbündel, Vergrößerung 100x, Stapel aus 10 bzw. 9 Bilder



Um die Elastizität zu wahren, sind die einzelnen Leitbündel durch nach außen hin dicker werdende Markstrahlen getrennt. Die notwendige Festigkeit wird durch das stark lignifizierte Xylemparenchym und die Sklerenchymkappen erreicht.
Im Phloem sind Siebzellen (blau) und Geleitzellen (olivgrün) gut von einander zu unterscheiden. Vereinzelt sind auch Siebplatten zu erkennen. Die rot angefärbten Zellen gehen wohl auch hier wieder auf das Konto verschiedener sekundärer Pflanzenstoffe. Interessant ist, dass sie auch im ungefärbten Schnitt deutlich dunkel hervortreten - was auf ein Fixationsartefakt hinweisen könnte.
Auch hier sind die Amyloplasten in den Parenchymen gut zu erkennen.

Bild 5a/b/c: Primäres Xylem und Markparenchym, Vergrößerung 200x, Stapel aus 19 bzw. 15 Bildern
img]http://mikroskopie-bonn.de/Bilder-Host/170702_Jungfernrebe/111118_Gew_Jungfernrebe_Spross_quer_PXl_natur_200x_B13.8_ZS19_2_1024.jpg[/img]



Sehr schön wieder die Amyloplasten, die angeschnittenen Raphidenbündel wurden bei der Färbung leider oft ausgespült und sind hier nicht mehr am Platz.

Nun noch einige Einzelbilder von den gefärbten Schnitten. 

Bild 6: Der Phloemteil eines Leitbündels mit Siebplatten, Vergrößerung 200x, Stapel aus 9 Bildern

Fast ein Kirchenfenster! Sehr schön auch das Cambium am linken Bildrand.

Bild 7: Eine Sklerenchymkappe, Vergrößerung 400x, Stapel aus 6 Bildern

Die größeren Sklerenchymzellen haben einen Durchmesser von etwa 20 µm, der geschichtete Aufbau der Zellwand ist gut zu sehen.

Bild 8: Das Primäre Xylem, Vergrößerung 400x, Stapel aus 6 Bildern

Die stark lignifizierten Zellen des Xylemparenchyms sind gut zu erkennen.

Bild 9: Ein Raphidenbündel mit "Aufhängung", Vergrößerung 400x, Stapel aus 27 Bildern

Der Durchmesser des Bündels beträgt ca. 45 µm, es ist in einer Zelle mit einem maximalen Durchmesser von hier ca. 143 µm eingelagert.

Bild 10: eine Lentizelle (Korkwarze), Vergrößerung 100x, Stapel aus 16 Bildern

Die auffälligen Lentizellen haben einen Außendurchmesser von etwa einem halben Millimeter und sind so auf der Rinde des Sprosses auch mit dem bloßem Auge gut zu erkennen.

Vielen Dank fürs Anschauen, Anmerkungen und Kritik sind wie immer willkommen.

Herzliche Grüße
Jörg

Edit 03.07.2017: Bilder wieder hergestellt.
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Omaruru

Ich bevorzuge ein kollegiales Du ;-).

Scientists like to name anything.
      Jack Horner

Ernst Hippe

Hallo,
auch wenn ich mangels Fachkenntnis die großartige Präsentation nicht würdigen kann, muß ich gestehen, selten etwas so schönes gesehen zu haben. Also ganz herzlichen Dank!
Gruß Ernst Hippe
Vorstellung:Hier klicken

Rolf-Dieter Müller

Lieber Jörg,

hast Du versehentlich die Drucker-Nachfülltinte statt in einem Drucker hier in Deinen Rechner gefüllt? Ich kann mich nur den vorhergehenden Kommentaren anschließen, wirklich beeindruckend.

Obwohl, Bild 3a gefällt mir irgendwie am besten. Die Eigenfärbung wirkt sehr ausgewogen.

Viele Mikrogrüße
Rolf-Dieter

Fahrenheit

Liebe Freunde,

vielen Dank für Euer großes Lob!

Von der Ausprägung der Färbung war ich auch sehr überrascht. Ich verwende ja immer den gleichen Prozess zum Färben nach Wacker W3A, aber auch wenn die Färbungen abhängig vom Material immer etwas anders ausfallen: so lebendige Farben habe ich selten gesehen.
Aber auch die ungefärbten Schnitte sind sehr kontrastreich und einige Details sind da sogar noch besser zu erkennen. Dies gilt insbesondere für das Phellem aber auch für die quer geschnittenen Raphidenbündel und die Amyloplasten. Etwas schade ist, dass meine Kamera mit abgestuften rottönen nicht so gut klar kommt. Dies fällt bei den "mäandernden" Korkzellen und der Lentizelle besonders auf. Beide Bereiche sind beim direkten Blick ins Mikroskop deutlich kontrastreicher.

Allen herzliche Grüße
Jörg
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Rawfoto

Hallo Joerg

Ich finde keine Worte ... :-))

Gerhard

Ps: schoen mit dem ipad vor dem Fruehstueck im Bett zu sitzen und so etwas zu sehen ...
Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...

Fahrenheit

Lieber Gerhard,

schön, dass ich Dir das Aufstehen versüßen konnte.  ;D

Herzlichen Dank für Dein Lob und einen guten Start ins Wochenende!
Jörg
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schuppi

Hallo,

ich bin neu hier im Forum und muss nach einiger Zeit feststellen, dass hier wirklich eine wahre Pracht der Naturbilder auf den Nutzer wartet.

Absolut phantastisch!


Viele Grüße
Rainer
DFK 72AUC02 an
- Motic BA310 Trino LED
- Motic SMZ-168 Trino LED
Web-Site: http://www.mikroskopie-bilder.de

arturoag75

am absolutely fascinated  by the clarity of these images :o :o
very good job!
arturo

Hans-Jürgen Koch

Hallo Jörg,

ich bin beeindruckt.

Das Bild Nr. 5 a zeigt klare Strukturen, toll.

Gruß
Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

<a href="http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=2650.0" target="_blank">Hier geht es zur Vorstellung</a>

Gerne per "Du"

Detlef Kramer

Lieber Jörg,

ich schließe ich allen an: eine tolle Leistung! Besonders die ungefärbten Schnitte offenbaren eine ungeahnte Informationsfülle und sind fotografisch sehr gut dargestellt.

Ein kleiner Lapsus ist Dir unterlaufen, den ich um der Klarheit korrigieren möchte:
ZitatUm die Elastizität zu wahren, sind die einzelnen Leitnündel durch nach außen hin dicker werdende Leitbündel getrennt.
muss heißen: Markstrahlen. Es handelt sich um den Lianen-, Aristolochia- oder auch Clematis-Typ des sekundären Dickenwachstums.

Herzliche Grüße
Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

Vorstellung: Hier klicken

Fahrenheit

Liebe Freunde,

abermals vielen Dank für Euer Lob!

Lieber Detlef,

erst mal Danke für den Hinweis - es war wohl gestern Abend etwas spät. Natürlich sind die Leitbündel nicht durch Leitbündel voneinander getrennt  :-[ - ich hab's schon korrigiert.

Bei den ungefärbten Schnitten war ich auch sehr überrascht, besonders 3a und 5a sind so kontrastreich, dass man alle Gewebe auch ungefärbt gut unterscheiden kann. Gut, dass ich mir da eine Probe genommen habe! Beim Aufräumen im Garten war ich drauf und dran, alles in den Kompost zu drücken. Ich hatte ähnliche Querschnitte wie beim Wein (Vitis vinifera) vermutet - was ja auch stimmt, da er ebenfalls den Lianentyp zeigt, aber dass die Schnitte so klar werden, habe ich nicht gedacht. Auch die vielen Amyloplasten und Raphidenbpündel habe ich nicht erwartet.

Allen herzliche Grüße!
Jörg
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Omaruru

Hallo Freunde der Mikroskopie.

Damit ihr euch unter dem Begriff "Raphidenbündel" etwas vorstellen könnt gebe ich ein paar Bilder zum Besten.

Allerdings jetzt im Winter und als "Sukkulentologe" aus einer Aloe.
Interessant ist allerdings in, allen mir bekannten Objekten, daß die Nadeln in der Längsachse des Objektes liegen, egal ob Sproß oder Blatt.




oder hier im fast beinahe Längsschnitt angerissen.




Klaus
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      Jack Horner

Fahrenheit

#13
Lieber Klaus,

vielen Dank für Deine REM-Bilder von Raphiden-Bündeln, die einen anderen Blick eröffnen und so der Vorstellung auf die Sprünge helfen.

Wenn ich mir meine Schnitte von der Jungfernrebe anschaue, finde ich die Bündel allerdings in den unterschiedlichsten Lagen zur Längstachse des Sprosses:

Bild 11a/b: Raphidenbündel im Rindenparenchym und den Markstrahlen der Gewöhnlichen Jungfernrebe, Bild 11b mit Beschriftung. Vergrößerung 200x, Stapel aus 30 Bildern.



Ich habe lange in den 10 Schnitten gesucht, die ich präpariert habe, bis ich eine Stelle gefunden habe, in der eines der Raphidenbündel in den Markstrahlen angeschnitten ist, aber noch erkennbar zum umgebenden Gewebe gehört (die senkrecht zur Sprossachse stehenden Bündel sind natürlich in 50 µm Scheiben geschnitten und haben sich bei der Präparation oft aus dem umgebenden Gewebe gelöst und über den ganzen Schnitt verteilt. Aber bei den oben stehenden Bildern ist - so glaube ich - ganz gut zu erkennen, was ich meine). Der etwas schwammige Eindruck liegt an der hohen Zahl der verrechneten Einzelbilder: R1 und R3 liegen auf der Z-Achse gut 40 µm auseinander, die Aufnahmen sind mit einem Leica PlanApo 20x/0,6 gemacht.

In den Markstrahlen liegen regelmäßig Raphidenbündel, die (annähernd) senkrecht auf der Längstachse des Sprosses stehen (hier R1 im Anschnitt und R2 geschlossen). Daneben gibt es Bündel wie R3, die ohne spezielle Ausrichtung im Parenchym eingebettet sind und natürlich die Bündel, die parallel zur Sprossachse liegen, also quer angeschnitten sind (R4). Dieser Typ überwiegt im Markparenchym.

Herzliche Grüße
Jörg

Edit 03.07.2017: Bilder wieder hergestellt.
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Anatol

Lieber Jörg,

vielen Dank für die großartige Präsentation!
Ausgezeichnete Bilder!
Herzliche Grüße

Anatoly