OT: Nachguss eines ZEISS Junior Rechteckfußes

Begonnen von Bastian, März 12, 2012, 20:35:04 NACHMITTAGS

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Bastian

Liebe Kollegen,
nach etwas längerer Pause melde ich mich wegen des Rechteckfußes zurück über den wir in Winfrieds tollem Beitrag über seinen genialen Umbau des Zeiss Juniors berichtet. Ich habe länger mit mir gerungen ob ich das hier ins Forum setzen kann und hoffe dass mir die Forumsmoderation den Ausflug nicht übel nimmt. Es sind ohnehin nur ein paar wenige Bilder. Der Guss wird am morgigen Dienstag erfolgen, in schā'a llāh-

Für den angestrebten Sandguss ist ein Dauermodell anzufertigen, das um das Schwindmaß größer ist, als das des Metalls dass man zu gießen gedenkt. In unserem Fall: Aluminium, Reichtwert 1.2 % in jeder Raumrichtung. Der Sandguss erfolgt mit Naturformsand, den ich wegen der guten Bildsamkeit, d.h wegen der guten Oberflächengüte der Rohgüsse bevorzuge.

3D Zeichnung des Stativfußes.


Modellbau:
Angefangen mit einem wunderbaren Holzstück des amerikanischen Ahorns (Acer saccharum), auf den der Umriss des Fußes übertragen wurde.


Ausgesägt wurde mit einer professionellen großen Dekupiersäge.




Ein Deckel wurde aufgeleimt, danach lange geschliffen, und zugegebenerweise auch ein wenig gespachtelt und dann lackiert. Der Feinschliff des Lacks fehlt derzeit noch und wird morgen, wenn der Lack durchgetrocknet ist vorgenommen.




Weitere Bilder vom Formen und Gießen wird es ab morgen Abend geben.

Herzlich,
Bastian


beamish

Hallo Bastian,

ich liebe es dabei zuzusehen, wenn jemand was richtig kann. Egal ob er einen Fisch filetiert oder wie Du ein reverse engineering von einem Mikroskopfuß vornimmt. Von mir aus könnte die Fotostrecke auch länger sein...

Herzlich

Martin
Zeiss RA mit Trinotubus 0/100
No-Name China-Stereomikroskop mit Trinotubus
beide mit Canon EOS 500D

treinisch

#2
Hallo,

wieso off-topic? Ich finde deinen Beitrag absolut on-topic.
Das was Du zeigst macht ausserdem einen sehr kunstfertigen Eindruck,
danke fürs Zeigen. Ich freue mich schon auf Bilder vom Gießvorgang.

Aber:
Zitatschā'a llāh
warum ausgerechnet ,,schön lila"  ;D?

Aber noch mal im Ernst: Ich frage mich schon länger,
ob es sich nicht lohnen könnte, das ein oder andere Ersatzteil kunstfertig zu
kopieren! Wobei ich tatsächlich mehr an Kunstoff (zB Epoxy/Glasfaser) gedacht habe, als an
so eine geniale Nummer, wie Du sie drauf hast.

Viele Grüße

Timm
Gerne per Du!

Meine Vorstellung.

ThomasJ

Hallo Bastian,

schön, deine Arbeit auch mal in Bildern zu sehen. Ich freue mich schon sehr auf die Bilder vom fertien Werkstück. Dieser Beitrag gehört m.E. absolut hierher, vielen Dank für's zeigen!

viele Grüße
Thomas

belay68

Hallo Bastian,

Vielen Dank dafür, dass Du uns an dem Arbeitsfortschritt teilhaben lässt. Für mich - der ich handwerklich nicht besonders geschickt bin - ein toller "Blick über die Schulter" eines Könners.
Ich finde solche "praktischen" Beiträge absolut spannend und m. M. gehören sie unbedingt ins Forum, auch wenn ich selbst derartigen nie umsetzen könnte (und möchte).


Viele Grüße
Bernd

Bastian

#5
Hallo Martin, Timm, Thomas und Bernd,

das sind aber mal Komplimente mit denen ihr mich überschüttet :). Vielen Dank!
Schön dass ihr es nicht als OT empfindet.-
Es wird noch mehr Bilder zum Schleifen geben, wenn Du willst, Martin, aber die sind auf der "Werkstattkamera", und die hab ich heut nicht bei mir zu Hause.

Um ehrlich zu sein war es Olaf, der  mich auf die Idee gebracht hat mal etwas für Mikroskope zu gießen, auch wenn es da um Messing und andere Cu Legierungen ging. Also, Timm, ja das ist ein durchaus gute Idee, und die Metalle sind auch kaum begrenzt, nur Stahl kann ich nicht gießen. Da fehlt mir die apparative Einrichtung...

Aber auch Kunststoffgüsse sind eine feine Sache, das Ganze in Silikonnegativformen und ab dafür.. Die Kunstharze stehen für die Anschliffe ohnehin rum.  ;)

Thomas,
schön Dich hier wieder zu treffen; ja, auf die fertigen Stücke freue ich mich auch schon.


Bastian

-JS-

#6
Hallo Bastian,
zum Thema 'off-topc' gibt / gab es wahrlich andere Entgleisungen in diesem Forum, so weiss ich z.B. bis heute
nicht genau, was z.B. die Erwähnung eines Maybachs und die sich daran anschliessende Diskussion nun so
wirklich mit der Thematik eben *dieses* Forums zu tun haben soll...  
Aber wenn's denn gar nicht anders geht, werden Nebenschau-Plätzchen ja zuweilen allüberall gebacken ;D
Mein bedingungsloses Fazit:
Was Du da zeigst, ist meines Erachtens zweifellos *nicht* OT, sondern stellt eine Verbindung zwischen
dem Bereich 'Ideenreichtum' und 'handwerklicher Umsetzungskunst' zum Bereich 'Mikroskopie im weitesten
Sinne' her, und zu Letzterem gehört eben auch die mögliche Bedarfsanfrage zur Sonderform eines
Mikroskopfußes.
Ich finde es wirklich prima, einmal 'über den Zaun' schauen zu dürfen und eine ganz andere Welt kennen-
lernen zu können. Und: ich bin ich sehr gespannt auf Deine weiteren Darstellungen und freue mich schon
auf die bildhafte Fortsetzung aus der Welt des Metallgusses. Es bleibt uneingeschränkt hervorzuheben,
dass die von Dir hier vorgestellte Aufgabe mit dem Ziel 'Herstellung eines Mikroskopfußes' durchaus topic ist.
Viele Grüße
Joachim
... bevorzugt es, ge_Du_zt zu werden ...

Bastian

Guten Abend Joachim,

es freut mich wenn auch noch weitere Menschen an meiner Arbeit haben.- Ich habe Jahre lang so etwas für Museen gemacht, nur dass ich da etwas ältere Gegenstände "reverse engineered" habe. Heutzutage scheitert das in den meisten Fällen an den Finanzen. Es ist aber eben ganz genau meine Arbeit. Auch die Materialmikroskopie ist hierfür nur eins meiner Arbeitspferd, wenngleich auch das faszinierendste! Umso mehr freut es mich dass Du an den Kernpunkt meiner Arbeit rechst, nämlich der Verbindung zwischen Handwerkstechniken, der modernen Materialwissenschaft und der Archäologie/Geschichte. - So nun genug geschw...

Bastian

-JS-

Geachte Bastian,
(ich finde die niederländische Briefandrede hier wirklich angemessen)
Du gehörst offensichtlich zu denjenigen, die es verstehen, das Licht mit sehr leise vorgetragenem Nachdruck unter den
Scheffel zu stellen.
Zitatnämlich der Verbindung zwischen Handwerkstechniken, der modernen Materialwissenschaft und der Archäologie/Geschichte
Bisschen was vergessen?
Elektronik zusammenerfinden und gescheit löten kann der Mann ja schliesslich auch noch  ;D
Beschämt und bescheiden gehe ich hin und denke über die eigene Leere der spärlich verbleibenden Zukunft nach  ;D ;D
Gute Nacht
Joachim
... bevorzugt es, ge_Du_zt zu werden ...

wilfried48

Hallo Bastian,

von OT kann keine Rede sein, es geht ja schliesslich um einen Mikroskopfuss.

Du könntest von mir aus ruhig alles noch viel ausführlicher schildern.

Ich habe noch z.B noch nicht kapiert, wie die Sandform hergestellt wird. Wird die in zwei Teilen (Ober- und Unterteil) um das das Holzmodell herumgeformt und mit einem Bindemittel gebunden ? Oder wie macht man das ?
Geht die Sandform bei jedem Guss verloren oder kann sie mehrfach verwendet werden?

Ich bin ganz gespannt und voller Vorfreude

gut Guss
Wilfried
vorzugsweise per Du

Hobbymikroskope:
Zeiss Axiophot,  AL/DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Axiovert 35, DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Universal Pol,  AL/DL
Zeiss Stemi 2000 C
Nikon Labo-/Optiphot mit CF ELWD Objektiven

Sammlung Zeiss Mikroskope
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=107.0

Bastian

#10
Guten Abend noch mal,

ich dachte schon es würde nie jemand fragen  ;), gerne hole ich ein wenig aus  ;D

Am Anfang...

Na also gut, ich beschränke mich ein wenig; zu Deinen Fragen Wilfried:
Die Sandform ist eine verlorene Form, d.h. sie muss für jedes Gussstück neu gemacht werden. Deshalb ist ein gutes, dauerhaftes Modell bares Geld wert, und Gießer geben die nicht gerne aus der Hand (Das ist so ähnlich wie mit Proben und Laborleitern).
Die Form besteht in aller Regel aus zwei Formhälften, bei Sandformen spricht man in der Regel von Formkästen, und zwar dem Ober- und dem Unterkasten. Diese Kästen sind eigentlich Rahmen aus profiliertem Stahl (seltener Alu, oder Messing, noch seltener aus Holz), und besitzen Vorrichtungen, die es erlauben die Kästen wiederholt aufeinander zu legen, so dass kein Spiel in ihrer Lage zu einander entsteht. Das ist gewissermaßen das A und O, sonst gibts Ausschuss.-

Der Sand den ich verwende, ist wie schon erwähnt ein natürliches Produkt. Die Geologen nennen so etwas Klebsand. Der Trick an der Sache ist in aller erster Linie das Bindemittel: Tonminerale. Ziemlich genau 12 gew% in meinem Falle, also fetter Sand, wie die Bauarbeiter das nennen würden. Das Ganze ist aber eben auch noch ein sehr feiner Sand, der wiederum geologisch, oder viel mehr bodenkundlich, gesprochen die Feinsand und Schlufffraktion enthält. Für alle die nicht wissen welche Korngröße Feinsand hat: 0.2 mm -0.063mm.

Zum Formen:
Das Modell liegt auf einer festen, geraden Platte. Dann wird Formpuder (hydrophob), heute meist Talkum, früher Bärlappsamen darüber gestäubt. Das trennt Modell und angefeuchteten Sand voneinander. Danach wird Sand aufgesiebt (feines Sieb), so dass nur feinster Sand am Modell anliegt. Das bestimmt die Oberflächengüte. Der Sand wird SORGSAM von Hand an gedrückt. Dann wird eine neue Schicht Sand mit einem groben Sieb aufgebracht und mit den Fingern verdichtet. Danach wird Sand eingeschaufelt und mit einem Spitzstampfer verdichtet. Das ist der Unterkasten.

Das Ganze wird mit Platte gewendet, Platte abgenommen, und nun sieht man das Modell mit der Unterseite nach oben liegend in den Sand des Unterkastens liegen. Nun folgt wieder das Einpudern, Sieben, etc pp.
Wenn der Oberkasten fertig ist, wird er abgehoben und bei Seite gestellt. Das Modell wird gezogen, In Ober- und Unterkasten werden noch die Eingusskanäle geschnitten- deswegen heißt das auch der Anschnitt. Kasten wird zugelegt, verkeilt, verschraubt oder mit Gewichten beschwert und dann kann eingegossen werden.

Wenn alles gut geht hat man dann einen schönen  Mikroskopfuß. (:

Alles klar?  ;D

Bastian



Nomarski

Moin Bastian,

das erinnert mich an die lang zurückliegende Praktikumszeit in einer Gießerei, wo Drehbankbetten und andere Maschinenteile gegossen wurden. Nach dem Verfahren wurde dort etwa auch gearbeitet. So hatte ich derzeit dort auch geholfen beim Sand in die Formen stopfen und feststampfen. Nebenbei habe ich mir sogar Formen für Aschenbecher gebastelt, die irgendwo noch rumfliegen müßten. Aber diese hier zu zeigen wäre nun wirklich OT. ;D

Viele Grüße
Bernd

Eckhard F. H.

Hallo zusammen,
wer bezweifelt noch, daß auch in unserem Metier sich das anvisierte Ziel schließlich als Weg erweist?   ;D
Gruß - EFH

Bastian

#13
Liebe Kollegen,

wie ich das gestern angekündigt hatte folgen heute Bilder vom Guss. Außerdem ein animiertes GIF zur  Formherstellung, Achtung 15MB
http://www.archaeometallurgie.de/microscopy/ZJ/animatedfus1.gif

Hier ein Film zum Guss (8MB, DivX Movie)
http://www.archaeometallurgie.de/microscopy/guss.divx

EDIT: Alles zusammen hier zu sehen: http://www.consult.archaeometallurgie.de/aluminium-guss

Bild 1: fertige Formhälften


Bild 2: Schmelzofen


Bild 3: Guss


Bild 4: Gegossene Form


Bild 5, 6 & 6: Öffnen der Form




Bild 8: Rohgüsse


Für Fragen bin ich jederzeit offen.
Bastian


TPL

Mensch Bastian!
Das ist ja eine unglaublich gute Arbeit. Ich sehe gerade erst, was Du da für einen enormen Aufwand reinsteckst und diesen auch gekonnt und sehr interessant dokumentierst.
Vielen Dank, dass Du uns/mich daran teilhaben lässt!

Herzlichen Gruß,
Thomas