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Oxalsäure: krumme Kristalle???

Begonnen von Kai B, Januar 15, 2013, 22:01:43 NACHMITTAGS

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Kai B


Hallo zusammen,

Anbei ein paar Fotos von Oxalsäure, die einige interessante Phänomene zeigen.
Vielleicht hat jemand ja eine gute Theorie, wie es zu den schönen, pflanzlich anmutenden, gebogenen Strukturen kommt.




Zur Präparation:
Auf einem Objektträger wurden einige Oxalsäurekrümel gelegt und mit einem Deckglas zugedeckt. Dann wurde die Objektträger unter leichten Schwenkbewegungen über eine offene Flamme gehalten, bis sich etwas Kondensat bildete (sublimierte Oxalsäure?) und die Oxalsäure schmolz. Die Schmelze verteilte sich dann unter Entwicklung kleiner Bläschen (Wasserdampf, Sauerstoff und Kohlenmonoxid durch Zersetzung?) gleichmäßig. Nach dem Abkühlen wurde mikroskopiert.

Zur Aufnahme:
Die Aufnahmen erfolgten im Hellfeld mit Zeiss-Plan 6,3 und Plan 10 Objektiven.
Die Bider sind die Luminaz-Auszüge der Farb-Bilder (die grünen und rosa Säume der Farbbilder mag ich nicht). Kontrast und Gradation wurde visuell nach Geschmack angepasst.



Beobachtungen:

1. Das Übersichtsbild zeigt drei "Sorten" von Kristallen:
Die großen länglichen, die großen flächigen und die fedrigen.

2. Die großen länglichen Kristalle bilden eine Art Gerüst mit Hohlräumen.

3. Die großen flächigen und die fedrigen Strukturen füllen diese "Hohlräume", berühren aber nur selten deren Wände.




4. Gelegentlich gehen die großen und die fedrigen Kristalle in einander über.




5. Die fedrigen "Kristalle" haben keine geraden Berenzungen sondern sind gekrümmt.

6. Bei den fedrigen Strukturen bilden sich die Verzweigungen bevorzugt auf der konvexen Seite.




6. Die Fedrigen sind nicht immer zusammenhängend.





Wie ist der Bildungsmechanismus der fedrigen Strukturen?

Bin auf eure Theorien gespannt :-)


Liebe Grüße
Kai



P.S.:
Bei Interesse sind ein paar weitere Bilder unter folgender Adresse zu sehen:

https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=14976.0

Lothar Gutjahr

Hallo Kai,

ZitatBei den fedrigen Strukturen bilden sich die Verzweigungen bevorzugt auf der konvexen Seite.

Die Beobachtung  passt gut zu meiner laienhaften Vorstellung, daß bei manchen Substanzen einfach ein Abstand eingehalten wird. Siehe auch deine  Bilder im anderen thread, wo sich das Muster im inneren Bereich formmäßig nach den dickeren Balkenkristallen richten.

Bei Ethanolversuchen kann man beobachten, wie eine erste Ausbreitungswelle kreisförmig auseinanderfließt und dabei Material zum Rand transportiert wird.
Der Rand wächst als erstes und beginnt zu kristallisieren, sobald ein bestimmter Flüssigkeitspegel unterschritten wird. Dann erfolgt auch Kristallisation zur Mitte hin, wobei der Flüssigkeitspegel wieder leicht ansteigt und keine sichtbare Kristallisation mehr stattfindet. Nach genügend Verdunstung kristallisiert das dann bis zur Mitte durch. Hierbei kann man sich den Mechanismus noch einigermaßen vorstellen.

Vermutlich ist das bei Versuchen aus der Schmelze ähnlich, nur daß das Zeitfenster kürzer ist. Die Ausbreitung zum Rande hin und zurück wird vermutlich stark durch Oberflächenspannungseffekte geprägt sein. Das bewegt mich schon seit ich vor etwa einem Jahr mit solchen Versuchen begonnen habe.

Beobachtet man den umgekehrten Effekt, das Auflösen solcher Kristalle durch ein Tröpfchen Ethanol, so braust da ein "Tsunami" bis zum Rand und bildet dort einen Wirbel in dem Teile der Kristalle ihre Purzelbäume schlagen. Im noch flüssigen Feld zwischen Rand und Mitte kann man mit etwas Glück im polarisierten Licht noch Splitter der Kristalle mit hohem Tempo hin und her sausen sehen.

Vielleicht kann uns  Olaf dazu ein paar Worte sagen, wie man sich diesen Mechanismus vorstellt ?

Guts Nächtle

Lothar

Heiko

Hallo,
ich vermute, die Richtung der Kristallisation richtet sich – ausgehend von einem Keim – nach der Menge des verfügbaren Materials.
Nachdem die ,,Balken" das Gros ,,aufgezehrt" haben, wachsen die filigraneren Strukturen einem Konzentrationsgradienten folgend.

Grüße, Heiko

olaf.med

ZitatVielleicht kann uns  Olaf dazu ein paar Worte sagen, wie man sich diesen Mechanismus vorstellt ?

...kann er leider nicht fundiert, sondern nur spekulativ :(

Der Grund für das gebogene Wachstum sind natürlich Baufehler, die bei Realkristallen sehr verbreitet sind, das sagt aber natürlich noch nichts über die Ursache aus.

Eine befriedigende Erklärung habe ich nur für die Tatsache, daß bei den fiederförmigen Texturen das Wachstum auf den konvexen Seiten stattfindet. Hier gibt es "Nahrung" für das Kristallwachstum, während die "Binnenenseen" der atollartigen Gebilde mangels Nachschub von außen bald ausgelutscht sind, um es einmal lax auszudrücken.

Herzliche Grüße,

Olaf
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

Kai B

@ Heiko:
ja, das mit dem Konzentrationsgradienten denke ich auch.

Aber: Legen die "unterbrochenen" Kristalle nicht nahe, dass das Wachstum nicht von einem einzelnen Keim ausgeht? Bei einer Abscheidung aus der Gasphase ist das vielleicht denkbar.
Dann beeinflusst die Kristallabscheidung ihrerseits jedoch die Konzentration in der Gasphase stark. Das könnte vielleicht erklären, warum die Strukturen nach außen hin feiner werden (Substanzmangel).

Aber wieso die Krümmung?

LG
Kai

Heiko

Hallo Kai,

für Spannungsrisse sind die Abstände zu groß, dann wird wohl eine Neukristallisation vorliegen.
Wenn wir auf Dein viertes Bild schauen – parallele ,,Balken", dazwischen die filigranen Strukturen ohne wirkliche Krümmung – für mich ein Hinweis, dass hier der Gradient sehr gerichtet vorliegt ...

Grüße, Heiko

Gerd Schmahl

Hallo Kai und die anderen,
ich weiß zwar nicht warum sie so aussehen, die Kristalle, aber schön sind sie! Schön, schön, schön!
Gerd
Man sagt der Teufel sei, im Detail versteckt,
doch hab' ich mit dem Mikroskop viel Göttliches entdeckt.

Kai B

Hallo Gerd,
vielen Dank für deinen netten Kommentar :-)
Um durch meine wissenschaftliche Frage keinen Zweifel aufkommen zu lassen: Ausgangspunkt war genau dieser "schöne" Eindruck. Ich war total überrascht und völlig begeistert, als ich quasi zufällig zwischen den kantigen Kristallbalken diese filigranen Bögen und Zweige entdecken durfte...
LG
Kai