Restaurierung eines historischen Messing-Mikroskopes (Zeiss Stativ IB - 1912)

Begonnen von microscopium, März 09, 2015, 18:55:22 NACHMITTAGS

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microscopium

Liebe Forenmitglieder,

ich suche Hilfe bei einem Restaurationssprojekt.
Vorgestellt habe ich mich bereits im entsprechenden
Bereich, dort findet ihr auch die Geschichte weshalb
ich hier gelandet bin ;).

Hier nochmal zur Einleitung ein Auszug:

"Ich suche zunächst fachkundigen Rat bei der richtigen
Vorgehensweise der Restauration eines Zeiss Stativ IB von 1912
(so meine Recherche bei Dr. Wimmer in Jena)"


Zur Restaurationsbasis :

"Es ist aus der der bekannten Bucht und leider extrem verputzt.
Das Mikroskop soll technisch weitestgehend restauriert werden
(und auch "benutzbar"sein) aber unter der Maßgabe so viel wie
möglich Originales zu erhalten. Da offensichtlich einer der Besitzer
einen Lastzug Elsterglanz angewendet hat, ist die ganze Zaponierung
entfernt worden. Diese möchte ich später gerne wieder aufbringen und
suche auch hierzu Informationen zu Rezepten (keine Baumarktlösungen)
und vor allem Anwendungstechniken für Schellackzaponierungen."


Da es hier schon ähnliche Projekte gab, und sicher hierzu viel Wissen existiert,
möchte ich zunächst die richtige Vorgehensweise abstimmen, um keine Anfängerfehler
zu machen. Für Eure Unterstützung möchte ich mich jetz schon im Voraus
bedanken und versichere eine detailierte Dokumentation des Ganzen.

Um Euch einen ersten Eindruck zu geben hier die Bilder aus der Auktion:























Gruß Daniel.




Herbert Dietrich

Hallo Daniel,

herzlichen Glückwunsch zu diesem prächtigen Mikroskop, ein kleines Stückchen Neid klingt schon mit.
Da wirst Du sicher fachgerechte Anleitung zur Restauration bekommen.

Herzliche Grüße
Herbert

Klaus Herrmann

Hallo Daniel,

das hatte ich auch im Auge, aber dann verzichtet, weil ich es in einer älteren Version schon habe. Das so genannte "Bierseidel", wegen dem Griff, der Biertrinker wohl an was anderes erinnert, als an Mikroskope.

Aber so schlimm, dass man es grundsanieren müsste sieht es doch gar nicht aus?

Mit herzlichen Mikrogrüßen

Klaus


ich ziehe das freundschaftliche "Du" vor! ∞ λ ¼


Vorstellung: hier klicken

olaf.med

Hallo Daniel,

ZitatAber so schlimm .... sieht es doch gar nicht aus

Das finde ich auch. Da haben wir schon ganz andere Patienten gehabt. Die Bezugsquelle für den richtigen Lack findest Du übrigens hier, wenn Du ihn nicht selbst kochen möchtest:

http://www.kremer-pigmente.com/de/search.html?keywords=Messinglack

Kein Baumarkt!!!, aber die Anwendung dieses Lacks verlangt viel Erfahrung und Übung.

Gruß, Olaf
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

microscopium

Ja, auch ich bin (zunächst aus mechanischer Sicht) absolut
begeistert von diesem Mikroskop. Wie geschrieben soll es ja nicht
nur als Vitrinenstück dahinvegetieren sondern auch benutzt
werden können, daher möchte ich die Totalrevision nicht ausschließen.

Selbst wenn man nur eine optische (hier im Sinne des äußeren Erscheinungsbildes   8))
Aufbereitung vornehmen wollte, müsste man das Mikroskop zum zaponieren ebenfalls zerlegen.

Also ich habe mir mal so ein paar Gedanken gemacht,
wie ich das ganze angehen könnte (erste Schritte):

1. Dokumentation des Iststandes (zusammengebautes Gerät)
    mit Fotoapparat
2. Zerlegen / Demontage (werkzeuglos)
    z.B. Objektive / Kreuztisch (?) .....
3. Dokumentation Iststand (Teilbaugruppen)
    mit Fotoapparat
4. Erfassung sichtbarer äußerer Schäden / Mängel
    mit Beschreibung und Fotozuordnung
    (Das hilft dann die Punkte ins Forum zu bringen)
5. Festlegung des Zerlegeplans / notwendige Werkzeuge
6. Zerlegung und Dokumentation Iststand (Einzelteile)
    mit Fotoapparat
7. Revision der Bauteile (Triebe, Optik......)
8. Festlegung Restaurationsplan (Umfang, Techniken)
9. Übungen zu den Restaurationstechniken

und dann sehen wir mal wie das ganze weitergeht.

Aktuell bin ich an der Informationsbeschaffung
im Netz (Kataloge, Beschreibungen, technische Zeichnungen ...)
was sich im Ergebnis bis jetzt aber eher als sehr mager erwiesen hat.

Den Punkt 1 werde ich am Wochenende angehen.
Zum Punkt 2 könnte ich schon Eure Unterstützung
benötigen, da mir die möglichen gerätespezifischen
Demontagevorgänge nicht bekannt sind und ich ungern etwas
mit dem derzeitigen Kenntnisstand beschädige. Das betrifft zunächst
das Beleuchtungssystem und den Kreuztisch.

Gruß Daniel


microscopium

#5
@Olaf:

Die FA Kremer Pigmente kenne ich, habe dort schon mal wegen
Anwendungstechniken für diesen Lack gefragt, aber auch dort
keine wirklichen praktischen Hinweise erhalten.

Die Frage ist halt, ob ein alkohollöslicher (Äthanol) Lack
für die Anwendung am Mikroskop das richtige ist.
Wenn wir vom "zaponieren" sprechen, meinen wir dann
den echten Zaponlack?

Die historische Literatur sagt hierzu folgendes:




und zum Messinglack:




Da in der Mikroskopie ja viel mit Alkoholen
gearbeitet / gereinigt wird, ist die Frage ob
ein Schellack wie bei Uhren hier das richtige ist.

Gruß Daniel.

PS:

Mein "Uhrmacher des Vertrauens" verwendet übrigens
zum "Abbeizen" fleckiger und unschöner Zaponierungen
ein Mittel namens WUGAFORM. Selbiges habe ich schon ausprobiert
und es funktioniert tatsächlich fantastisch. Der Vorteil dabei ist,
das der orginale Strich der Oberflächen auf dem Messing erhalten bleibt.

olaf.med

Lieber Daniel,

meines Wissens sind die Instrumentenlacke (auch bei Mikroskopen) aus dieser Zeit ausnahmslos Spirituslacke und keine Zaponlacke. Es handelt sich um Gemische verschiedenster Baumharze mit Schellack in alkoholischer Lösung, die mit Curcuma und Safran gefärbt sind.

Herzliche Grüße,

Olaf
Gerne per Du!

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microscopium

Hallo Olaf,

alle Recherchen (insbesondere in die Richtung der Uhrmacher)
laufen auf Spirituslacke raus. Zur Anfärbung der alkoholischen Schellacke
habe ich folgendes aus der Literatur:



Ich werde wohl den Kremer Lack bestellen
und erste Untersuchungen bezüglich
Verarbeitung durchführen.

Falls im Forum jemand den Lack schon mal
verwendet hat bitte melden!

Gruß Daniel.

microscopium

So. Lack ist da.
(richtige Pinsel ???)
Wer Tips zur Anwendung geben kann, bitte melden.



Gruß Daniel.

olaf.med

Lieber Daniel,

geeignete Pinsel sehen so aus:



Der Lackaufrag muss dünn und in einem Arbeitsgang erfolgen. Ansetzen und Überlackieren geht nicht (daher sind verschieden breite Pinsel für unterschiedliche Flächen absolut notwendig). Am Anfang hat mich das fast zur Verzweiflung getrieben, und ich habe manche Teile sicher ein Dutzend mal neu lackiert, bis es in Ordnung war. Rotationssymmetrische Teile werden auf der Drehmaschine bei langsamer Drehzahl lackiert, Frästeile frei Hand.

Viel Glück, und verlier nicht die Geduld,

Olaf
Gerne per Du!

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microscopium

Hallo Olaf,

besten Dank für die Pinselinfo.
Mit dem "Kraut am Stiel" den ich
hier da habe wird das nichts. Ich
werde mir am Montag erstmal die
passenden Pinsel bestellen.
Hast Du die Pinsel noch getrimmt?
Wie ist die Erfahrung mit dem Kremer
Lack? Ggf. verdünnen?
Gruß Daniel.

Rolf

Ich habe den Lack seit Jahren in der Werkstatt stehen, bin aber bis jetzt noch nie zum Lackieren gekommen.
Der Herr Kremer hatte mir seinerzeit über Telefon eine Anleitung und Tipps zur Verarbeitung gegeben.
Auf jeden Fall ist der Lack zu dickflüssig und muß verdünnt werden. Sollte, wenn ich richtig erinnere in etwa die Konsistenz von Wasser haben.
Der Olaf hat Erfahrung in der Verarbeitung und kann da sicher genaueres sagen.
Auf jeden Fall ist peinliche Sauberkeit angesagt.
Das Messing muß vorher spiegelnd poliert, und dann vollständig entfettet werden. Danach sollte sofort der Lack aufgetragen werden damit das Messing keine Zeit hat zu oxidieren.

Ich wünsche viel Erfolg - und zeig mal wie´s geworden ist.

LG

Rolf
Den Kopf nicht nur zum Haareschneiden nutzen...

olaf.med

Lieber Daniel, lieber Rolf,

die Pinsel sind genau so, wie ich sie bei Boesner, der glücklicherweise bei uns gleich um die Ecke ist, gekauft habe. Ansonsten hier: http://www.boesner.com/pinsel/pinsel/sonstige/universalpinsel-1.

Der Lack muss dünnflüssig sein, aber auch nicht zu dünn, sonst gibt es schillernde Farben dünner Plättchen auf den Oberflächen (wie Ölfilm auf Wasser). Mein Kremer-Lack scheint in der Konsitenz genau richtig zu sein - ich habe seit Jahren ein Probefläschchen aus Neugier im Schrank stehen. Die Neugier ist aber noch nicht befriedigt - ich nehme immer noch meinen selbstgekochten Lack, der aber offensichtlich nach der gleichen Rezeptur bereitet ist. Mit dem fertigen Lack spart man sich sehr viel Arbeit (und Geld, da die Zutaten nicht gerade billig sind), aber ich habe noch für die nächsten 10+ Jahre vom "Selbstgebrannten".

Die Oberfläche muss natürlich sauber sein, aber nicht unbedingt poliert, sondern so, wie es das Werkstück verlangt. An den Geräten sind die allerwenigsten Oberflächen poliert, höchstens die Tuben und die Zierradien. Alle anderen haben eine "Strich", der den attraktiven seidigen Schimmer hervorruft. Mit dem Lackauftrag muss man aber auch nicht panisch schnell sein. Manchmal liegen Teile bei mir Stunden oder sogar über Nacht, bis ich sie lackiere.

Gruß, Olaf

Gerne per Du!

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Rolf

Nein, übertriebene Hektik ist nach der Politur der einzelnen Messingteile sicher nicht angesagt, allerdings sollte das Lackieren zeitnah erfolgen. Man kann beobachten das polierte Messingteile nach ein paar Tagen eine Nuance dunkler werden.
Hochglanzpolitur natürlich nur da wo sie vorher vorhanden war. Und polieren würde ich nur von Hand, und sehr vorsichtig, gerade bei den Tubenteilen.
Schnell ist da zu viel Material abgenommen und die Dichtigkeit dahin, die z.B. die Originalokulare nach dem Einstecken langsam nach unten sinken lassen. Immer ein Zeichen das der gesamte Tubus noch dicht ist.
Mein Reichert ist mit dem von Daniel gezeigten Zeiss vom Äußeren vergleichbar. Grobtriebräder und das des Kondensortriebs sind hochglanzpoliert, die der Feinverstellung dagegen matt. Hier wäre ein Hochglanzpolieren geradezu ein Frevel. (siehe Bilder)

Übrigens bin ich wie es weiter Oben der Klaus schon erwähnte auch der Meinung das nach dem jetzigen Aussehen des Zeiss Mikroskops eigentlich noch keine grundlegende, äußere Überholung notwendig ist.

Eine wasserähnliche Lackkonsistenz, wie ich schrieb, ist natürlich übertrieben und wäre in der Tat zu dünn, sodaß der gewünschte Goldton nicht erreicht würde. Nach Kremer muß aber die Konsistenz so eingestellt sein das sich keine Pinselstreifen bilden, was passiert wenn die Konsistenz zu zäh ist.
Dieses Thema "Instrumentenlack" ist so haarig und verlangt längere Erfahrung, sodaß auf Nachfragen bei mir bekannten Restauratoren verschiedener Museen, diese fast durchweg angaben, speziell diese Arbeit an einen Spezialisten zur Ausführung zu geben.







Gruß

Rolf
Den Kopf nicht nur zum Haareschneiden nutzen...