Das große mineralogische Mikroskop von Nachet & Fils, Paris…nein, ein schwarzes Phomi ist es nicht, daher wird es bei den meisten hier in diesem Gremium auch keine Begeisterungsstürme hervorrufen

, aber vielleicht hat der Eine oder Andere doch Freude an unserem Nachwuchs:
Name: Microscope Minéralogique, Grand ModèleGröße: > 45 cmGewicht: ca. 7800 g
Die stolzen Besitzer Ulli und Olaf
AllgemeinesDie Firma Nachet in Paris gehört seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zu den klassischen Mikroskopherstellern. Sie wurde im Jahre 1839 von Camille Sebastien Nachet (1799-1881) gegründet, der den Mikroskopbau als Lehrling des berühmten Chevalier in Paris gelernt hatte. Ihre Blütezeit erlebte die Firma unter Camille Sebastiens Sohn Jean Alfred Nachet (1831-1908); sie wurde in den 1970er Jahren von Vickers Instruments übernommen.
Nachet Mikroskope waren durch ihre hohe Qualität und außergewöhnlichen Konstruktionsmerkmale ausgezeichnet. Dies gilt in besonderem Maße für die Polarisationsmikroskope, die ab ca. 1880 angeboten wurden. Das Flaggschiff der Palette war das „Microscope Minéralogique, Grand Modèle“, ein Mikroskop mit einer Doppelsäule als Verbindung des Fußes mit dem Gelenk zum Umlegen des gesamten Oberteils für ergonomisches Arbeiten.
Nachets wichtigste innovative und einzigartige Konstruktion war eine mechanische Kopplung des Objektivs mit dem Drehtisch, wodurch das problematische Zentrieren der optischen Achse des Tubus auf die Drehachse des Mikroskops unnötig war. Trotz dieses genialen Konzepts setzen sich diese Mikroskope international nie entscheidend durch. Dies liegt möglicherweise an der sehr aufwändigen Konstruktion mit zahlreichen in der Herstellung sehr teuren Frästeilen und der Tatsache, dass die von Rudolf Fuess um 1885 neu konstruierte Objektivfassung ein schnelles Zentrieren ermöglichte.
Die Nachet Doppelsäulenstative sind imposant und attraktiv – eine Zierde jeder Mikroskopsammlung.
Das MikroskopDie beeindruckenden Dimensionen dieses großen Forschungsmikroskops werden deutlich, wenn man es neben anderen zeitgenössischen Stativen sieht. Mit seinen über 45 cm Höhe und fast 8 kg Gewicht übertrifft es seinen an sich schon großen Vorgänger, das „Grand Modèle“ von 1880, sowie das einsäulige mittlere Forschungsmikroskop deutlich.

Die genaue zeitliche Einordnung von Nachet Mikroskopen ist nur selten möglich, da man bedauerlicherweise konsequent auf eine Nummerierung verzichtet hat. So helfen nur alte Kataloge, oder die „Türkarten“ in den Aufbewahrungskästen, falls diese ein Datum tragen. Eine wertvolle Zusammenstellung der frühen Firmenkataloge wurde 1979 publiziert (Brieux, A., Editor: Nachet, A. LES CATALOGUES DES MICROSCOPES CONSTRUITS PAR A. NACHET - ANNEES 1854-1910, Paris, 1979), ein weiterer Katalog von 1913 liegt mir im Original vor. In all diesen Unterlagen finden sich nur Abbildungen, die im Wesentlichen der ursprünglichen Konstruktion von 1880 entsprechen. Ab ca. 1920 wurden bei Nachet zunehmend Teile der Stative schwarz lackiert (schwarze Oberflächen der älteren Stative sind nicht lackiert, sondern schwarz gebeizt), sodass dieses bis auf den schwarz gebeizten Fuß ganz in Messinglack ausgeführte und deutlich verbesserte und vergrößerte Mikroskop wohl aus der Zeit zwischen 1915 und 1920 stammt.
Der TubusWie bei allen petrographischen Mikroskopen von Nachet ist der Tubus zweigeteilt in einen oberen Teil mit dem Grobtrieb und den unteren Teil mit der Objektivhalterung. Bei diesem „Grand Modèle“ ist letzterer mit einer Gleitvorrichtung mit der Drehbewegung des Tisches gekoppelt.
Im oberen Tubus befindet sich ein durch Trieb und Zahnstange verstellbarer kurzer Innentubus zur Fokussierung der Bertrandlinse, die durch einen seitlichen Ausbruch eingeschoben werden kann. Das Okular sitzt in einem weiteren von Hand verschiebbaren Innentubus zur Veränderung der Tubuslänge.
Ganz besonders typisch für Nachet-Mikroskope ist die Klappvorrichtung für den Analysator, die hier aber bei dieser moderneren Version ergonomischer links am Tubus statt an der dem Beschauer abgewandten Seite angebracht ist. Durch ein verschiebbares Rohrsegment kann der Tubus bei ein- oder ausgeklapptem Analysator staub- und lichtdicht verschlossen werden. Unterhalb des Analysators befindet sich ein E-W orientierter Schlitz zur Aufnahme der Hilfsobjekte. Der Analysator selbst ist ein vierseitiges Glan-Thompson Calcit-Prisma von 14 x 14 mm Querschnitt.
Der untere Tubus ist drehbar mit dem oberen Teil verbundenen und mit einer Mitnahmevorrichtung mit einem Langloch zum Höhenausgleich mit dem Tisch gekoppelt. Zur Vermeidung von totem Gang ist das Langloch mit einer gefederten Führung versehen. Dieser Teil des Tubus trägt auch den Feintrieb, der klassisch über eine feingängige Schraube und ein Dreikantprisma wirkt. Durch die veränderte Kopplung zwischen Objektivhalterung und Tisch im Vergleich zur ursprünglichen Konstruktion von 1880 konnte auf einen zweiten Grobtrieb an dieser Stelle verzichtet werden– die früheren Versionen benötigten jeweils einen eigenen Grobtrieb für den oberen Tubus und den unteren Tubus, da es zwischen beiden keine mechanische Verbindung gab. Das Objektiv wird von einer Schnellwechselvorrichtung in Form einer Klammer gehalten.
Der TischDie Tische der Nachet-Mikroskope sind in der Regel sehr aufwändig konstruiert und dieses Mikroskop macht dabei keine Ausnahme. In seinen Dimensionen ist dieser Tisch mit einem Durchmesser von 124 mm außen und 107 mm am Teilkreis und einer rechteckigen Präparateauflage von 100 x 77 mm für die damalige Zeit sehr groß. Er ist frei um 360° drehbar, die Winkelbeträge können mittels eines Nonius auf 1/10° abgelesen werden. Als Besonderheit ist die Teilung auf eine massive Silbereinlage eingestochen (eine solche seltene Variante hatte ich bereits
hier beim großen Mikroskop der Société Genévoise beschrieben ). Ungewöhnlich ist auch, dass sie nicht von 0-360° geht, sondern symmetrisch bei Null beginnend einmal links- und einmal rechtsläufig bis 180° geteilt ist; der Vorteil dieser Version ist mir nicht einsichtig. Im Vergleich zu anderen Mikroskopen stehen die Zahlen auf dem Kopf, was eine Ablesung in der normalen Arbeitshaltung beim Mikroskopieren ermöglicht.
Die Präparateauflage ist mit einem Anlegelineal für die Schliffe versehen und mit zwei Rändelschrauben in x-y-Richtung fein verstellbar. Die Einstellungen sind an zwei versilberten Maßstäben ablesbar, wodurch ein schnelles Wiederfinden von besonderen Stellen im Präparat leicht möglich ist.
Als besonderes Schmankerl verfügt der Tisch über einen Feintrieb mit einem Zahnkranz und einem Ritzel, der durch radiale Verschiebung des Rändelrads ein- und ausschaltbar ist.
Der KondensorBereits vor 1900 entwickelte Nachet eine neue mechanische Lösung für das schnelle Auf- und Abbewegen des Kondensors und den schnellen Übergang von linear polarisiertem zu unpolarisiertem Licht. Diese Konstruktion wurde bald von andern Firmen wie z.B. Leitz, Winkel und Seibert übernommen. Bei der Nachet’schen Konstruktion wird der Kondensor über einen mehrgängigen Schneckengang bewegt. Eine einzige Umdrehung des Rändelknopfs hebt oder senkt ihn dabei um über 6 mm. In der untersten Stellung kann er durch gleichsinniges Weiterdrehen der Rändelschraube ganz aus dem Strahlengang geklappt werden.

Die Kondensorlinse für hohe Aperturen wird nicht eingeklappt oder eingeschoben, sondern über ein Ritzel und ein Zahnradsegment eingeschwenkt. Am unteren Ende des Kondensors ist eine Aperturblende angebracht. Der Polarisator ist um 360° drehbar und besteht aus einem rund geschliffenen Glan-Thompson-Prisma von vergleichsweise geringen Ausmaßen (17 mm Durchmesser). Der Beleuchtungsapparat wird durch einen auf einer zylindrischen Stange in der Höhe verschiebbaren Plan- und Hohlspiegel vervollständigt.
Zubehör und ErhaltungszustandMikroskop und Zubehör sind in einem wunderschönen Kasten untergebracht. Dieser muss aber über längere Zeit an einem sehr schmutzigen Ort offen herumgestanden haben, denn alles war völlig verstaubt und verdreckt. Nach einer umfangreichen Reinigung zeigte sich aber, dass das Gerät in sehr gutem Zustand war. Selbst der Messinglack befindet sich in einem altersgemäß sehr guten Zustand mit nur wenigen Altersflecken - eher ungewöhnlich für französische Instrumente aus dieser Ära.

Das Zubehör ist komplett mit 6 Objektiven, 4 Okularen und dem vollständigen Satz polarisationsoptischer Hilfsobjekte. Besonders erwähnenswert ist noch eine signierte
camera lucida zum mikroskopischen Zeichnen und ein gleichfalls signiertes in Messing gefasstes Objektmikrometer mit einer Teilung von einem Millimeter in 100 Teile.
