Mikroskopische Zentralbank - Mitt. 3: Die 20-Euro-Banknote und die Wellenoptik

Begonnen von Horst Wörmann, Januar 28, 2016, 10:00:20 VORMITTAG

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Horst Wörmann

Liebe Freunde der Banknoten,

ich möchte hier noch einmal mit seiner Erlaubnis auf ein Bild und eine Frage von Heiko zurückkommen  (Beitrag vom 03.Januar):
,,...Frage zu diesen Hologrammen. Die Interferenzen entstehen im Schräglicht – besonders ,,satte" Farben erhält man aber bei ganz strengem Streiflicht. Gibt es dafür eine einfache Erklärung?"


Bild 1: Heikos buntes Hologramm

Ja, gibt es - einfach: nein.

Im trüben Bonner Tageslicht sind überhaupt keine Farben im Hologramm zu sehen - egal wie man kippt, es bleibt bei einer metallischen, silberfarbigen Reflektion. Mit etwas Sonne: schon besser. Unter bestimmten Winkeln im Taschenlampenlicht: super, siehe oben bei Heikos Experiment.
Warum ist das so?

Die Farben entstehen durch Interferenz, und die erfordert kohärentes Licht, dadurch gekennzeichnet, daß:
•   die Wellen gleichzeitig im gleichen Raumpunkt wirken,
•   über einen genügend großen Zeitraum konstante Phasenbeziehungen bestehen müssen,
•   die Wellenlänge gleich sein muß,
•   die Wellen in der gleichen Ebene schwingen müssen,
•   bei ausgedehnten Lichtquellen der Divergenzwinkel des emittierten Lichts nicht zu groß sein darf.

Das diffuse Bonner Himmelslicht erfüllt keine diese Bedingungen, Heikos Taschenlampenlicht offenbar ganz gut.

Quantitativ wird das durch die ,,Kohärenzlänge" beschrieben, die der mittleren Länge der Wellenzüge entspricht.  Wikipedia definiert wie folgt:
,,Die Kohärenzlänge ist ... der maximale Weglängen- oder Laufzeitunterschied, den zwei Lichtstrahlen aus derselben Quelle haben dürfen, damit bei ihrer Überlagerung noch ein (räumlich und zeitlich) stabiles Interferenzmuster entsteht. Die Kohärenzlänge resultiert aus der zeitlichen Kohärenz und entspricht der optischen Weglänge, die das Licht während der Kohärenzzeit zurücklegt."
Die Kohärenzlänge liegt beim Tageslicht im Bereich 1 bis 10 µm, bei Laserlicht Kilometer.  Der Himmel ist eine räumlich ausgedehnte und damit inkohärente Lichtquelle, die weißes Licht einer großen Menge verschiedener Frequenzen liefert. Die Sonne ist wie Glüh- und Leuchtstofflampen schon etwas weniger ausgedehnt, hier kann man erste bunte Effekte erkennen.

Was hat das aber mit Heikos Versuch zu tun? Mit anderen Worten: wie erzielt man ein möglichst buntes Bild?
Indem man möglichst kohärente Strahlung verwendet.

Wenn man räumlich nicht-kohärentes Licht durch einen sehr schmalen Spalt sendet, verhält sich das Licht dahinter, als wäre der Spalt eine Punktlichtquelle (in einer Dimension), die Elementarwellen aussendet.
Die Größe des räumlichen Kohärenzgebiets ist im Fall eines einfachen Spaltes indirekt proportional zur Spaltgröße. Mit zunehmendem Abstand zur Lichtquelle nimmt die Winkelausdehnung der Lichtquelle ab und damit die räumliche Kohärenz zu. Je enger also der Spalt und je größer der Abstand, desto farbiger das Hologramm. Die schönste Wirkung erreicht man bei Spaltgröße Null und in unendlicher Entfernung. Man kann sie nur nicht mehr sehen...

Die zweite Frage Heikos bezieht sich auf den optimalen Winkel der einfallenden Strahlen. Dazu ein Experiment mit definierter Optik (statt Taschenlampe...).
Zur Vereinfachung habe ich einen  kleinen Bereich von 2x18 mm auf dem 20-Euro-Schein gesucht, in dem parallele Linien im Abstand 1,4 µm (607 Linien/mm) parallel zur Papier-Längsseite verlaufen, die also praktisch ein Beugungsgitter darstellen  (in Bild 2 rot markiert).


Bild 2: Rot markierter  Bereich 18x2 mm mit Gitterstruktur. Für den Versuch werden die außerhalb der Markierung liegenden Bereiche mit einer schwarzen Papiermaske abgedeckt. Rechts Gitterstruktur mit Objektiv Epiplan-Neofluar 50x, Hellfeld-Auflicht. Oben rechts Teile der kleinen Euro-Schriftzeichen.

In folgendem Aufbau (Bild 3 mit Strahlengang) wirkt der markierte Bereich wie ein Reflexionsgitter und erzeugt ein eindrucksvolles, wegen der 6V/6-Watt-Funzel leider etwas lichtschwaches Spektrum auf dem Schirm (Bild 4).


Bild 3. La: 6-V-Lampe, Ko: Kondensor, Sp: Spalt 0,2 mm, Bl: Irisblende gegen Streulicht, L1: Linse zur Abbildung des Spalts auf den Schirm, Bn: Banknote auf Drehtisch, 0. O: Nullte Ordnung, 1. O: Spektrum 1. Ordnung, 2.O: Spektrum 2. Ordnung (?)

L1 erzeugt ein schmales Lichtbündel - damit wird die Kohärenzlänge erhöht - und bildet den Spalt in möglichst großer Entfernung auf dem Schirm ab, nach Reflexion auf dem ,,Gitter" der Banknote. Die 0. Ordnung als weißer Fleck rechts sowie die 1. Ordnung als farbiges Spektrum sind gut erkennbar, daneben links ein weiteres Spektrum, das man als 2. Ordnung deuten könnte (Bild 3). Dreht man die Banknote um die senkrechte Achse, wandert das Spektrum und die Intensität ändert sich; bei einem bestimmten Winkel ist ein Optimum erreicht.

Ich hoffe, damit ist Heikos Frage beantwortet: seine Taschenlampe hat ein schmales, kohärentes Lichtbündel erzeugt, das in der richtigen Richtung einfallend ein kräftiges Farbmuster erzeugt.


Bild 4: Die 20-Euro-Note als Gitterspektrograph: Spektrum nullter (weiß) und erster Ordnung. Links möglicherweise 2. Ordnung.

In Wirklichkeit ist alles viel komplizierter, denn der gekennzeichnete Bereich ist nur annähernd ein Gitter, vielmehr ein Hologramm mit einer wesentlich komplexeren Struktur, wie man aus dem Farbspiel im markierten Bereich Bild 2 links erkennt.  Die zugrundeliegenden optischen Erscheinungen sind aber die gleichen.


Viele Grüße aus Bonn
Horst

Jürgen Boschert

Hallo Horst,

toller Beitrag !

Eigentlich ist ja ein Spektrograph für 20 € ganz schön günstIg !  :D

Gruß !

JB
Beste Grüße !

JB

reblaus

Lieber Horst -

herzlichen Dank für Deine vorbildliche Lehrstunde!

Viele Grüße

Rolf

Stuessi

Hallo Horst,

danke für die Erklärungen, besonders für die Bilder 3 und 4.

Dadurch angeregt werde ich mir auch ein solches druckfrisches Gitter besorgen und unter dem Mikroskop untersuchen.

Herzliche Grüße,
Rolf

Schrodt

Hallo Horst,

ein sehr schöner Beitrag mit guter Erklärung !

Beste Grüße
Jürgen aus Hemer

Heiko

Lieber Horst,

einen kleinen Teil Deiner sehr instruktiven Ausführungen habe ich makroskopisch fix einmal nachvollzogen. Schein und Taschenlampe liegen auf dem Tisch, Streiflicht vermeidet Reflexe, die Kamera schaut lotrecht auf die Szenerie.
Bild eins zeigt bekannt prächtige Interferenzen, die Strahlen der Lampe treffen senkrecht auf die Gitterlinien. Dreht man den Schein, werden die Interferenzen schnell schwächer. Aufnahme vier entspricht einer gitter- und strahlenparallelen Anordnung.









Viele Grüße,
Heiko

olaf.med

Lieber Horst,

einfach toll! Dass man mit schnödem Mammon so viel eindrucksvolle Physik betreiben kann ist faszinierend.

Herzliche Grüße,

Olaf
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

Stuessi

Hallo Horst,

hier meine ersten Ergebnisse, die u.a. auf unterschiedliche Gitterkonstanten und Überlagerung der Spektren verschiedener Ordnung hinweisen.

Für das Video habe ich bei 2 unterschiedlichen Vergrößerungen die weiße LED-Beleuchtung von streifend in Richtung senkrecht verändert.





Bei diesen Bildern bleibt das Zentrum gleich. Dies liegt oberhalb der Mitte des oben im 1. Beitrag in Bild 2 rot markierten Bereichs.







Grüße,
Rolf

Heiko

Hallo Rolf,

zwei Beispiele für die von Dir angesprochene Gittervarianz im Durch- und Streiflicht mit dem 40er auf dem Hologramm eines 10ers:





Viele Grüße,
Heiko

Lupus

Hallo,

Zitat
ZitatDie Farben entstehen durch Interferenz, und die erfordert kohärentes Licht, ...

Houston, wir haben ein Problem! Das Licht der Taschenlampe (inkohärenter, thermischer Strahler) ist wie fast alles uns umgebende Licht inkohärent. Wie kann es also interferieren, wo doch die Bedingung "Kohärenz" gar nicht gegeben ist?

Kohärenz ist nichts absolutes, sondern bezieht sich immer auf den physikalischen Effekt den man beschreiben möchte. In der anfänglichen Erklärung gingen die Begriffe zeitliche und räumliche Kohärenz etwas durcheinander. Zeitliche Kohärenz ist gerade nicht erforderlich für das entstehen der Spektralfarben, im Gegenteil. Die verschiedenen Wellenlängen der Lichtquelle überlagern sich unabhängig und interferieren konstruktiv in unterschiedlichen Richtungen - sonst gäbe es kein Farbspektrum. Erforderlich ist lediglich eine gewisse räumliche Kohärenz, was etwas geschwollen ausgedrückt ist für (in diesem Fall) halbwegs paralleles Licht der Taschenlampe - es liegt auf der Hand dass der maximale Ausbreitungswinkel zwischen den Wellenfronten der Lichtquelle kleiner sein muss als der Beugungswinkel des Gitters für zwei zu trennende Wellenlängen....

Hubert

Horst Wörmann

Lieber Thilo,

Houston meldet: keine Panik.
Der Augenschein beweist, daß es Interferenzerscheinungen auch beim Glühlampenlicht gibt; außerdem könnten wir uns dann kein Weißlichtinterferometer basteln. Letzteres zeigt, daß auch Lampenlicht eine Kohärenzlänge hat, aber eine sehr kleine von 1-2 µm. Deshalb müssen ja auch die Ärmchen des Interferometers genau gleich lang sein. Nebenbei: hier ist immer von Kohärenz"länge" die Rede, nicht von Kohärenz"zeit". Beides ist aber physikalisch verknüpft, wie anfangs angedeutet.

Das scheinbare Paradoxon mit der Kohärenz und dem thermischen Strahler ist schon anderen aufgefallen, Zitat aus Perkampus, Encyclopedia of Spectroscopy (1995) S. 80:
"Physical optics teaches that incoherent light sources do not show the phenomenon of interference. However, we can produce coherent wave trains if a wave train from a single origin ist split by mirrors, plates, prisms, apertures, slits, gratings etc. Interference is then caused by the recombination of wave trains from the splitting".

Es auch einen quantitativen Zusammenhang zwischen Spaltbreite, Wellenlänge, Bündelwinkel und Entfernung, die Verdet'sche Kohärenzbedingung. Die Formel dazu habe ich vergessen, tut auch nichts zur Sache, Hauptsache die Astronauten sind beruhigt.

Viele Grüße
Horst


Horst Wörmann

#11
Liebe Kollegen,

zunächst mal vielen Dank für den Zuspruch! Schön, daß das zu eigenen Experimenten angeregt hat.

Hier noch ein Nachtrag zu den farbigen Effekten, wie sie in den prächtigen Bildern von Klaus Herrmann (31.12.15) und Jürgen Schrodt (02.01.16) zu sehen waren.
Diese Farben werden nicht von den Hologrammen selbst erzeugt; vielmehr ist es wahrscheinlich eine optisch anisotrope Folie oder Beschichtung, die über den Hologrammen liegt. Das ist einerseits erkennbar im normalen Auflicht-Hellfeld mit/ohne Polfilter, erschwert andererseits aber auch die Abbildung des holografischen Gitters mittels Auflicht-DIK.

Gekreuzte Polfilter, Hellfeld-Auflicht. Rechte Aufnahme: Objekt um 45° verdreht bei gleicher Polfilter-Orientierung. Die 20-Euro-Schrift hat eine Höhe von nur 0,2 mm.

Den Unterschied erkennt man sehr schön bei einem Hologramm auf einer Fahrkarte; hier gibt es keine Beschichtung, deshalb sind die Linien im Auflicht-DIK gut darstellbar:



Viele Grüße
Horst

Lupus

Hallo,

speziell bei diesen Sicherheitsmerkmalen handelt es sich nach meiner Kenntnis auch nicht um Hologramme sondern um sog. Kinegramme. Im Wesentlichen entstehen die Farben durch Dünnschichtinterferenz (Schichten aus Siliziumoxid und Metallen bzw. Metalloxiden), die mit einem Phasengitter-Bild hinterlegt sind um für definierte Betrachtungswinkel Effekte zu erzeugen.

Hubert

Horst Wörmann

Hallo Hubert,

stimmt, danke für den Hinweis. Den Unterschied Hologramm/Kinegramm habe ich übersehen.
Laut Wikipedia sind die "Hologramme" auf den Banknoten tatsächlich Kinegramme.
Also weiter forschen.

Viele Grüße
Horst

Lupus

Hallo Horst,

das Ganze ist auch deshalb so komplex weil es an anderer Stelle der Geldscheine ähnliche Farbeffekte durch sog. optisch variable Farben gibt (wurde in einem anderen Thread schon mal thematisiert). Diese Glanzpigmente sind wie bei den Interferenzschichten der Kinegramme aus transparenten SiO2- und z.B. selektiv teilreflektierenden Fe2O3- o.ä. metallischen Schichten aufgebaut.

Hubert