Graphik zur anomalen Doppelbrechung

Begonnen von Florian D., November 02, 2019, 23:25:44 NACHMITTAGS

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Florian D.

Glückauf Forum!

Ich habe ein bisschen Literaturstudium betrieben:
Im neunzehnten Jahrhundert hat man sich intensiv mit der Dispersion der Doppelbrechung auseinandergesetzt. Dies kam mit der Doktorarbeit von Arthur Ehringshaus 1916, vielleicht besser bekannt aufgrund des von ihm ersonnenen Ehringhausschen Kompensators, zu einem gewissen Abschluss. Es folgte 1920 von ihm ein zusammenfassender Artikel "Über Dispersion der Doppelbrechung bei Kristallen" im Neuen Jahrbuch für Mineralogie, Geologie udn Paläontologie, pp. 557-618, Bd. 43, in dem eine Tabelle der Doppelbrechungen, Dispersionen und "Ehringhauszahlen" N für viele Minerale und Substanzen enthalten ist.
Ich habe diese abgetippt und angehängt. Da Ehringhaus 1948 gestorben ist, sollte auch das Copyright kein Problem mehr sein.
Die aus der Dispersion und Brechungsindex berechneten N Werte stimmten nicht immer mit denen in Ehringhaus' Tabelle überein. Nach vergleich mit den Originalergebnissen war dies in allen Fällen auf Druckfehler zurückzuführen. Ich habe diese korrigiert.
Vielleicht hat ja jemand Lust, einige der Minerale oder Substanzen selber zu analysieren?

Das Verständnis der Materie war von 100 Jahren eigentlich schon erschöpfend. In den Arbeiten von Hlawatsch (s. u.) konnte dieser sogar die beobachteten spektralen Kurven herleiten. Der Leucocyclit erhielt seinen Namen von der beobachteten zyklischen Wiederholung schwarzer und weisser Interferenzfarben. Davon hat Olaf med. ja ein schönes Beispiel auf seiner Homepage.
Auch die Inversion der "normalen" Farbfolge für kleine negative Ehringhauszahlen N war beobachtet und verstanden.

Hlawatsch, C. "IX. Bestimmung der Doppelbrechung für verschiedene Farben an einigen Mineralien." Zeitschrift für Kristallographie, Mineralogie und Petrographie 21.2 (1902): 107-156.

Hlawatsch, Carl. "Bestimmung der Doppelbrechung für verschiedene Farben an einigen Mineralien." Zeitschrift für Kristallographie, Mineralogie und Petrographie 23.5 (1904): 415-450.




Viele Grüsse
Florian

Florian D.

Glückauf Forum,

Ein Preprint zu diesem Thema ist nun unter diesem Link verfügbar:
https://hal.archives-ouvertes.fr/hal-03520222/document

Viele Grüsse
Florian

derda

Guten Abend Florian,

was du so alles ablieferst. Ich schaffe es leider nicht, mich mal eben so da reinzulesen, geschweige denn es wirklich nachzuvollziehen.

Trotzdem vielen Dank fürs Teilen und für deine Arbeit an diesem Thema.

Viele Grüße,

Erik

PolMik

Hallo Florian,
danke für diese unglaublich tolle Arbeit!
LG
Michael

hugojun

#19
Ich konnte kürzlich einen Carl Zeiss Jena Ehringhaus ,,Drehkompensator mit Kombinationsplatte aus Kalkspat von ,,je"1 mm Einzeldicke" erwerben, passend zu meinem CZJ Amplival POL d/u.
Dieser Untertitel beschreibt unter Abschnitt 2 des von A. Ehringhaus 1939 veröffentlichten Beitrag ,,Drehkompensatoren mit besonders großem Messbereich" die Funktion eines Kompensators für den Gangunterschied Γ von 0- 130 λ.
Ein nicht unwesentlicher Teil der Ausführungen in diesem Beitrag beschäftig sich mit der korrekten Auffindung des Dunkelstreifens der vollständigen Kompensation, somit die korrekte Ablesung des Drehwinkels des Kompensators.
Bei solch hohen Gangunterschieden, ist das menschliche Auge nicht/kaum in der Lage, weißes Licht der spektralen Zusammensetzung von weißem Licht höherer Ordnungen zu unterscheiden.
Beobachtet man eine Mineralplatte von z.B. Γ ~ 60λ und dreht den Kompensator in Richtung der höheren Ordnungen, sieht man nur weiß der höheren Ordnungen, bis dann bei Annäherung an die Kompensationsstellung Streifen bunter Farben auftreten, die nach überschreiten dieses Bereiches wieder schnell in das weiß der höheren Ordnungen übergeht. Ziemlich Mittig der bunten Streifen befindet sich dann entweder ein dunkler Streifen oder zwei dunkle Streifen in einem mehr oder weniger großen Abstand zueinander. Zwischen den beiden dunklen Streifen befindet sich der sogenannte weiße Leucocyklitstreifen .
Die Natur der ,,bunten Streifen ,,und die Möglichkeit der Simulation dieser Farben hat Florian in seiner fantastischen Erweiterung der Michel-Lévy Tafel demonstriert und sie ist zum Verständnis im Umgang mit Kompensatoren mit besonders großem Messbereich sehr hilfreich.
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=35452.msg261973#msg261973
« Antwort #16 am: Januar 11, 2022, 12:16:54 Nachmittag »
Im Wesentlichen handelt es sich bei diesen ,,bunten Streifen" im Kompensationsbereich ,um die Farbabfolge der Chromocyklit-Farben, die im Gegensatz zu den ,,normalen Interferenzfarben" entstehen, wenn mehr als nur eine Wellenlänge innerhalb des sichtbaren Spektrums, gleichzeitig destruktive interferieren. Hier spielt die Dispersion der Doppelbrechung in verstärktem Masse eine wesentliche Rolle.
Beim Zusammentreffen besonderer Verhältnisse, tritt nicht nur ein dunkler Streifen auf, sondern gleich zwei, dazwischen befindet sich der Leukocyklitstriefen.
Die besonderen Verhältnisse entstehen aus der Kombination der N-Zahl (siehe Florians Arbeit) des Kompensators und der N-Zahl des Objekts , die sogenannte relative Dispersion der Doppelbrechung.
In den folgenden Bildern habe ein Spalt-Täfelchen aus Anhydrit von ca 3 x 5 mm Fläche und  einer mittleren Dicke von 660 µm , entsprechend Γ = 29050 nm (~ 53λ), beobachtet.
Kompensator aus Kalkspat //c N= 23,6 und das Objekt Anhydrit //(001)  N = 111.
Die erste Bildserie zeigt das Anhydrit Täfelchen bei geringer Vergrößerung mit einem 6X Objektiv , um gleichzeitig Hintergrund und Bereiche verschiedener Dicke erfassen zu können . Die Abstufungen der Kompensator-Kipp-Stellung betragen beginnend mit 0° über 5° , 20 ° bis 40°. Danach zwei Vergrößerungen des Kompensations-Bereichs.


Bild 1 Kompensator ° Grad. Im Hintergrund das Kompensator-Kreuz bei Nullstellung.
Anhydrit in weiß hoher Ordnung.


Bild 2 Kompensator in ca 5 ° Stellung. Diese geringe Drehung lässt auch Messungen
kleiner Gangunterschiede bis ca 6 λ zu.Hintergrung.


Bild 3 . Bei Fortführung der Drehung ( Kippung ) des Kompensators passiert lange Zeit nicht mehr, wie hier am Beispiel bei 20°.


Bild 4 , bei ca 40° Kippwinkel zeigen sich im Bildbereich Mitte , unten ,rechts die ersten Chromocyklit-Farben . Das Anhydrit-Täfelchen hat in diesen Bereich eine andere Dicke als in den anderen Bereichen


Bild 5 , ein vergrößerter Bereich der Chromocyklit-Streifung , hier mit nur einem mittigen dunkelen Streifen.


Bild 6 , wiederum eine anderer Bereich unterschiedlicher Dicke. Der dunkle Streifen erscheint nun links und rechts des Leukocyklit-Streifens.

Schönen Vatertag

Jürgen






Florian D.

Lieber Jürgen,

das ist ja ein sehr schönes Experiment und Geschenk zum Vatertag!
Anbei eine Skizze, wie  das in dem erweiterten Michel Lévy Diagramm aussieht.
Anhydrit hat ja praktisch keine Anomalität, die N- Linie ist sehr steil (grün). Bei gegebener Dicke (Doppelbrechung) befindet man sich auf dem Schnittpunkt der durchgezogenen und gestrichelten grünen Linien.
Mit dem Calcitkompensator wandert man entlang der roten Linie mit Steigung N=23.6, bis man die Leukozyklitlinie (blau, gestrichelt) schneidet. Man sieht, dass der gefundene Gangunterschied deutlich zu klein sein wird. Wenn man den genauen Gangunterschied ermitteln will, bräuchte man also noch einen zweiten Kompensator aus einem anderen Material mit anderem N.

Viele Grüsse
Florian

MiR

Hallo Jürgen,

Zitat... Carl Zeiss Jena Ehringhaus ,,Drehkompensator mit Kombinationsplatte aus Kalkspat von ,,je"1 mm Einzeldicke" erwerben ...  von A. Ehringhaus 1939 veröffentlichten Beitrag ,,Drehkompensatoren mit besonders großem Messbereich" die Funktion eines Kompensators für den Gangunterschied Γ von 0- 130 λ.

Interessant, zumal bei Ebay gerade ein CZJ-Kippkompensator (Microval-Serie) für diesen Messbereich über die Theke gewandert ist. Ich frage mich gerade, welche Vor- bzw. Nachteile zwischen diesen beiden Versionen eigentlich bestehen...

Viele Grüße aus Berlin
Michael

hugojun

#22


Hallo Florian,

danke für die Einordnung der scheinbar simplen Erklärung der Verhältnisse in meinem Experiment.

Die praktische und rechnerische Ermittlung der tatsächlichen Lage der Kompensation beschreib Ehringhaus an einem Beispiel wie folgt.

Praktischer Teil :

,,Beispiel 1. Kompensation einer Quarzplatte || c, d = 3,984 mm.
An der Kompensationsstelle zeigen sich beiderseits, also innen und außen von
einem weißen Leukocyklitstreifen, zwei dunkle Streifen mit Farbsäumen. Diese
sehen sich auf den ersten Blick so ähnlich, dass man im Zweifel ist, welchen der beiden
man als Stelle der vollkommenen Kompensation im weißen Licht ansprechen soll.
Bei genauerer Beobachtung erkennt man jedoch, dass die Farbsäume an jedem
Streifen in umgekehrter Anordnung zueinander liegen, d. h. der äußere Streifen
zeigt innen Rot und außen Blau, der innere innen Blau und außen Rot. Da von
der Leukocyklitstelle mit Ν = — 2,13 aus der richtige Streifen nur in Richtung
auf Null abnehmender N -Werte liegen kann, so kommt nur der innere Streifen als
richtige Kompensationsstelle in Frage.
"


Theoretischer Teil:

Anschließend folgt noch die rechnerische ,,Kompensation" anhand des Kompensator -Tafelwerks und eine Kompensations-Formel.
Ich habe aus gutem Grund auf den mathematischen Beweis aus Ehringnhaus Arbeit an dieser Stelle verzichtet.

LG
Jürgen

hugojun

#23
Zitat von: MiR in Mai 19, 2023, 08:50:43 VORMITTAG
Hallo Jürgen,

Zitat... Carl Zeiss Jena Ehringhaus ,,Drehkompensator mit Kombinationsplatte aus Kalkspat von ,,je"1 mm Einzeldicke" erwerben ...  von A. Ehringhaus 1939 veröffentlichten Beitrag ,,Drehkompensatoren mit besonders großem Messbereich" die Funktion eines Kompensators für den Gangunterschied Γ von 0- 130 λ.

Interessant, zumal bei Ebay gerade ein CZJ-Kippkompensator (Microval-Serie) für diesen Messbereich über die Theke gewandert ist. ...

Viele Grüße aus Berlin
Michael

8) :-X

Zitat von: MiR in Mai 19, 2023, 08:50:43 VORMITTAG
Hallo Jürgen,

...
Ich frage mich gerade, welche Vor- bzw. Nachteile zwischen diesen beiden Versionen eigentlich bestehen...

Viele Grüße aus Berlin
Michael

Hallo Michael,
welche beiden ,,Versionen ,,meinst du genau?
LG
Jürgen

MiR

Hallo Jürgen,

ich glaube, dass ist ein Mißverständnis, hinsichtlich dessen was wir unter Dreh-und Kippkompensator verstehen.

Drehkompensator
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=26236.msg197304#msg197304
bzw. Meßkompensator mit azimutaler Drehung
bzw. https://www.mikroskop-online.de/Mikroskop%20BDA/30-050a-1%20%20AMPLIVAL%20pol.pdf, Seite 11

Kippkompensator
siehe ebenfalls den vorherigen Link
Messkompensator 0-130 Lambda

Wie ich sehe, ist das im Internet sehr unterschiedlich was man nun mit Drehen und Kippen meint ...
Du hast also den Messkompensator 0-130Lambda, oder ?

Viele Grüße aus Berlin
Michael

hugojun

#25
Hallo Michael,

leider werden auch in der Literatur gerne die Begriffe vertauscht. Den Kippkompensator,

den Ehringhaus in seiner Arbeit als Drehkompensator bezeichnet ist auch ein Kippkompensator.

Messbereiche von 0 - 6λ oder eben 0 - 130λ. Bild oben

Dann gibt es noch die Azimutalen – Drehkompensatoren. Die mir bekannten für das Amplival

haben Messbereiche der Gangunterschiede von 1/32 λ , 1/16 λ , 1/8 λ und1/4 λ .Bild unten



Ich hoffe wir sind wieder auf dem gleichen Gangunterschied. ::)

Für den Beitrag habe ich den Kipp- Kompensator 0 - 130 lambda eingesezt.

LG

Jürgen

MiR

#26
Hallo Jürgen,

ja sieht so aus! Es ist nur die Frage in Kompensations- oder Additionsstellung oder irgendetwas dazwischen ... ;)

Viele Grüße
Mic hael

PS: Wenn ich deine Bildunterschriften gleich aufmerksamer gelesen hätte, hätte mir eigentlich gleich klar sein müssen was Sache ist...

hugojun

Hallo Florian  ,

Ich habe mal eine Stelle mit dem vermeintlichen weißen Leukocyklit-Streifen unter gekreuzten und unter parallelen Analysatoren betrachtet.
Sub-normale Farben scheinen da tatsächlich nicht im Spiel zu sein, trotz sehr hoher Doppelbrechung.
Die Umschaltung von + pol auf // pol ergeben genau die Komplementärfarben, wie sie am Keil zu erwarten sind ( wenn + pol ) und es gibt auch keine Umkehrung der Farb-Abfolge.
Ich glaube, dass hier der Fall wie unter Kapitel 3, letzter Absatz deiner Arbeit ganz gut beschrieben ist:

,,Thus, for thick slabs,
it becomes difficult to estimate the interference order.
Specifically, a slab with a thickness d such that the
Quantity d* (ΔnF – ΔnC ) /  (λC – λF)
is integer will show the same interference colours with
a compensator as a mineral without DoB (that is, the
usual colours form the Michel–Lévy chart). However,
the point of complete extinction will no longer correspond
to the zeroth interference order. If this quantity
is half integer, the interference colours will be
those observed on a mineral without DoB with parallel
polariser and analyser direction, as rotation of
the analyzer by θ = π/2 corresponds to an overall
phase shift of 2θ = π."

gekreuzte Analysatoren



parallele Analysatoren



LG
Jürgen

Florian D.

Weder für Anhydrit noch für Calcit würde ich mit dem Auge sichtbare anomale Farben erwarten. Von daher passt das ja.

Viele Grüsse
Florian

Carsten Wieczorrek

Hallo,
ein sehr interesanter Bericht. Leider verstehe ich davon noch nicht so viel. Vom Studium her bin ich ja Kristallstrukturanalytiker, aber halt mit einem Röntgendiffraktometer und viel Software...
Mittlerweile verfüge ich ja auch über ein Mikro, mit dem man solche Messungen machen kann. Und einen Ehringhausen-Komparator habe ich auch (dafür alle "normalen" Komparatoren nicht). Alleine, was mir fehlt, ist ein Lehrmeister  8)
Ja, lesen kann ich, aber zwischen "lernen" und "Erfahrung" ist doch ein gewisser Unterschied.
Was mich an solchen Themen schon immer interessiert hat: die genaue Kristallstruktur mit einem Röntgendiffraktometer heraus zu bekommen, ist keine große Kunst. Aber wie unsere "Altvorderen" das mit doch recht "primitiver" Technik bewerkstelligt haben, würde ich auch gerne verstehen.
Gut, einen großen Unterschied gibt es schon, mit dem Röntgendiffraktometer haben wir die Positionen von Atomen bestimmt, das wird mit einem Pol-Mik wohl doch etwas schwierig....
Schönen Abend
Carsten
Für's grobe : GSZ 1
Zum Durchsehen : Amplival Hellfeld, Dunkelfeld, INKO, Phasenkontrast
Zum Draufsehen : Vertival Hellfeld, Dunkelfeld
Zum Polarisieren : Amplival Pol u Auf-/Durchlicht
Für psychedelische Farben : Fluoval 2 Auflichtfluoreszenz
Für farbige Streifen : Epival Interphako