Linsengalle Neuroterus quercus-baccarum

Begonnen von rekuwi, November 03, 2009, 22:47:44 NACHMITTAGS

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rekuwi

Liebe Mikroskopiker/innen,

in den letzten Wochen sind mir massenhaft linsenförmige Gallen an der Unterseite von Eichenblättern aufgefallen. Teilweise war auch der Boden unter Eichen übersät davon.





Diese ca. 4 mm im Durchmesser kleinen Gallen beherbergen Neuroterus quercus-baccarum, ein ca. 3 mm kleines Insekt. Die Weibchen legen ihre Eier an der Unterseite ab, das ruft die Gallbildung hervor, die darin sich entwickelnde Made überwintert.

Hier die Galle von oben, sie ist mit vielen Sternhaaren besetzt:



Auf der Unterseite einer Galle fand ich diese kleine Made die wohl zur Unzeit ausgekrochen ist



Eine sich gerade entwickelnde Made konnte ich per Zufall präparieren. Ich fand nämlich eine kaum entwickelte Galle in Eiform. Diese gab im Mikroskop ihren Aufbau preis. Mit etwas Druck auf das Deckglas hoffte ich besseren Einblick zu bekommen. Dabei teilte sich das "Ei" und zerlegte sich in obere und untere Hälfte. Hier der Blick auf die obere Hälfte mit der sich entwickelnden Made:



Hier ist die untere Hälfte als Negativabdruck zu sehen:



Im pol. Licht kommt das noch besser zur Geltung:



Zu dieser Gallwespe ist folgender Link interessant: http://www.australien-fox-downunder.de/wespen/biologie_gallwespen.html

Liebe Grüße
Regi

Fahrenheit

Liebe Regi,

danke für die sehr interessante Dokumentation und die tollen Bilder.

Nach diesen Gallen werde ich auch einmal Ausschau halten.

Herzliche Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Michael Plewka

hallo Regi,
wunderbare Dokumentation!

ZitatIch fand nämlich eine kaum entwickelte Galle in Eiform
. das verstehe ich nicht. Nach meinem Verständnis legt die Gallwespe ihre Eier ab bzw. sticht die Blätter an und legt das Ei in das Blattgewebe, was daraufhin einen Kallus bzw. die Galle bildet. hat diese Galle im Frühstadium Eiform? Bedeutet das, dass in den Bildern 5 und 6 auch pflanzliches Gewebe zu sehen ist? Ich habe sowas noch nicht gesehen, kenne die Gallen nur so, wie in den ersten drei  Bildern zu sehen.
beste Grüße Michael

Fahrenheit

Lieber Michael, liebe Regi,

es könnte sich um eine Puppe handeln.

Herzliche Grüße
Jörg
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rekuwi

Lieber Jörg, lieber Michael,

warum diese Galle in Eiform so wenig Gallengewebe um sich hatte weiß ich auch nicht. Vielleicht eine Fehlentwicklung. Es dürfte durchaus eine Puppe sein. Auch die Made, die ich entdeckte gehört in die Galle hinein und nicht unten drunter.
Diese Generation der Gallen überwintert jedenfalls in der Linse. Daraus schlüpfen nur Weibchen die Eier legen aus denen sich dann männliche und weibliche Tiere entwickeln.

Liebe Grüße
Regi



Päule Heck


Hallo Regi,

ich hatte mich durch deinen interessanten Beitrag verleiten lassen, den von dir angeführten Link anzuklicken und hatte prompt ein Déjà-vu-Erlebnis. Diese Galle der Rosengallwespe Diplolepis rosae fotografierte ich vor etwa sechs Wochen auf der Trupbacher Heide bei Siegen:



Herzliche Grüße

Päule

Jürgen H.

Hallo liebe Gallenforscher,

Die Buchengalle gehört mit zu den ersten Dingen die ich geschnitten habe. Schon damals hat mich erstaunt, wie so ein kleines Tierchen das Buchenblatt veranlassen kann, um seinen Schmarotzer eine Schutz- und Trutzburg zu bauen. Diese Schutzkammer ist bei der Buche ausgesprochen massiv ausgestaltet. Aus Anlass von Regis schöner Präsentation habe ich noch einmal nach meinem damaligen Schnitt geschaut, etwas dick ist er ja geraten, hat auch schon seine Safraninfärbung in die Glyceringelantine abgegeben, die ich damals verwendet habe.



Oben links bei elf Uhr wäre die Kammer für das Insekt zu denken, sie folgt jenseits des Bildes,  zwei Astrablau gefärbte Leibündel sind zu sehen und dann kommt der massive Schutz mit einem stark verfestigten inneren Teil und einem weitmaschigeren äußeren Teil. Im inneren Teil ist sogar die Schichtung des Sklerenchyms gut zu erkennen, ebenso zahlreiche Tüpfelkanäle.

Mir ist völlig schleierhaft, wie die Gallwespe es schafft, anscheinend selbst Leitbündel zu modifizieren und den Blattbauplan umzustricken. Chemisch? Das wäre bestimmt ein ganz spannendes Untersuchungsobjekt.

Mikrogrüße

Jürgen

Michael Plewka

hallo in die Runde,

Gallen sind  für mich - genauso wie anscheinend  für einige andere hier im Forum- faszinierende Gebilde.

@ Jürgen:
ZitatMir ist völlig schleierhaft, wie die Gallwespe es schafft, anscheinend selbst Leitbündel zu modifizieren und den Blattbauplan umzustricken.

Die Rätsel gehen ja sogar noch weiter:  offenbar kann ja eine Insektenart unterschiedliche Gallen hervorrufen.  Andererseits sind verschiedene Gallen von unterschiedlichen Insektenarten   ja an ein und derselben Pflanzenart, bzw. sogar auf einem Blatt zu finden
(siehe hier:  http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/Pflanzengallen/source/Pflanzengallen1.html).

Sind es nun verschiedene Baupläne innerhalb der Wirtspflanze?
Oder modifiziert das Insekt einen Bauplan des Wirts?
Inwieweit hat das was mit Genregulation zu tun?
Fragen über Fragen!


beste Grüße Michael Plewka

Jürgen H.

#8
Liebe Gallenfreunde,

Bei der Buchengalle und wohl auch bei der von Regi gezeigten Galle handelt es sich nach Straßburger um eine histoide Galle, deren Bildung eine vollständige Gewebeumwandlung durch Wucherungen darstellt. Ursache für diese Wucherungen soll bei "meiner" Buchengallmücke der Speichel des Insekts sein. Straßburger schreibt zur Bildung, dass die genetische Potenz in der Pflanze vorhanden sei, aber normalerweise nicht gebildet werde und dass Phytohormone vermutlich maßgeblich für die Bildung verantwortlich seien. Bei der Gallmücke wird Indolessigsäure als ein solches Gallenbildungshormon erwähnt. Eigenartig aber, dass in der Tat auf ein und der selben Wirtspflanze - nach Straßburger über 100 - verschiedene Gallsorten gebildet werden können.

Wenn es bei der Gallbildung um Auxine als Wachstumshormone geht, würde demnach nicht in den genetischen Bauplan eingegriffen, sondern nur verstärktes Wachstum entsprechend dem Bauplan angeregt? Wie aber erklärt sich dann die starke Sklerenchymbildung in einer Weise, wie sie sonst in der Pflanze nicht vorkommt?

Rätselnde Mikrogrüße

Jürgen

rekuwi

Liebe Galliker,

wirklich ein weites Feld! Hier kann noch viel erforscht und herausgefunden werden. Um das Thema noch ein wenig abzurunden habe ich ein witziges Bild der Buchengalle (Mikiola fagi) für Euch herausgesucht:



Ein Schelm der was anderes dabei denkt ; ;)!

Liebe Grüße
Regi

Michael Plewka

hallo Regi,
sehr schön abgerundet: Hurra, ich bin ein Schelm....
beste Grüße Michael

Detlef Kramer

Lieber Jürgen,
ZitatWenn es bei der Gallbildung um Auxine als Wachstumshormone geht, würde demnach nicht in den genetischen Bauplan eingegriffen, sondern nur verstärktes Wachstum entsprechend dem Bauplan angeregt? Wie aber erklärt sich dann die starke Sklerenchymbildung in einer Weise, wie sie sonst in der Pflanze nicht vorkommt?
Du sprichst das klassische, durch Auxin induzierte Streckungswachstum bei Haferkoleotilen an, bei dem in der Tat keine Zellteilungen stattfinden. Aber das ist sicherlich nicht alles. Die gesamte Histogenese, also die Differenzierung des Pflanzenkörpers wird irgendwie durch das Wechselspiel verschiedener Hormone gesteuert. Und das bedingt natürlich auch Aktivierung bestimmter DNA-Abschnitte, also Genregulation. In diesen Stoffwechsel greifen die Insekten zur Gallbildung ziemlich gezielt ein, bei der Buchen-Galle sogar hoch differenziell. Mehr dürfte darüber kaum bekannt sein, eine Forschung daran findet wahrscheinlich nicht statt, wegen des riesigen, notwendigen Aufwandes. Die grundlegenden Mechanismen der Genregulierung werden z.Zt. an wenigen Modellpflanzen, wie der Ackerschmalwand, durchgeführt.

Herzliche Grüße

Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

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