Brenn-Spiritus als Ersatz für unvergällten Äthanol

Begonnen von Muschelbluemchen, November 15, 2020, 23:52:20 NACHMITTAGS

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Muschelbluemchen

An die wissenschaftlichen Kleinigkeitkrämer oder Microscopiker*,

teilweise verwende ich Brenn-Spiritus als Ersatz für Äthanol 94% (Begriffsbestimmung: Natürlich ist im Brennspiritus ebenfalls fast nur
Äthanol, mit Äthanol meine ich aber den unvergällten Alkohol, der verdünnt auch getrunken werden kann).

Offensichtlich gibt es verschiedene Substanzen um Äthanol ungenießbar zu machen.
Ein Typ von Brennspiritus wird milchig, sobald mit Wasser verdünnt wird.
Diesen denaturierten Alkohol verwende ich generell nicht in der Mikroskopie und dieser dürfte aber auch am Markt nicht mehr erhältlich sein.
(Ich habe irgendwie in Erinnerung, dass in der Literatur über mikroskopische Techniken vor diesem Brennspiritus gewarnt wurde).

Geeigneter erscheint mir Brennspiritus, der zusätzlich als Haushaltsreiniger beworben wird.
Dieser wird, wenn mit Wasser verdünnt, auch nicht milchig.
Bei diesem Produkt ist bei Inhaltsstoffe nun folgendes angegeben:
Ethylalkohol (min. 94 Vol.%)
Vergällungsmittel UN 1170


Eine Suche nach UN1170 hat mich nun zum Wikipedia-Artikel über Vergällung geführt: https://de.wikipedia.org/wiki/Verg%C3%A4llung
Laut diesem Wikipedia-Artikel dürfte sich da aber nicht viel geändert haben, nur die Menge der zugesetzten Substanzen hat sich verringert
(seit 2017).

Meine Frage nun an die Forumsmitglieder:
Verwendet ihr Brennspiritus?
Habt Ihr Brennspiritus auch schon in der Färbereihe (aufsteigende Alkoholreihe) eingesetzt oder gar beim Ansetzen von Farblösungen verwendet?
Wie sind da Eure Erfahrungen?

herzlichen Dank für Euren Input
Leo

* Der "wissenschaftliche Kleinigkeitkrämer oder Microscopiker" findet sich hier:   :) ;) :D ;D
https://de.wikipedia.org/wiki/Histologische_Technik#/media/Datei:Schleiden_1848.jpg
oder gleich das Original:
http://www.deutschestextarchiv.de/book/view/schleiden_pflanze_1848?p=52

Bob

Hallo Leo,
laut unserem altgedienten Gruppenmitglied Georg Rosenfeldt kann man den heutigen Brennspiritus für fast alles einsetzen wo Ethanol verwendet wird, sofern man mit den 94-96% klarkommt. Früher wurden laut ihm andere Stoffe zum vergällen eingesetzt, die die Verwendbarkeit erheblich eingeschränkt haben.
Meine eigene Erfahrung: Brennspiritus gibt es auch "heute" (letzte 15 Jahre) noch in unterschiedlichen Qualitäten, z.T. verkauft in derselben Flasche. Ich habe beruflich mal mit Herstellung und Wartung von geräten zu tun gehabt und meine Leute hatten sich zu regelrechten Feinschmeckern entwickelt, was Brennspiritusse?? angeht, da die z.T. übel stinken und manchmal nicht ganz farbloas sind.
Bei einigermaßen wohlriechendem Brennspiritus würde ich nicht zögern, ihn für die Mikroskopie zu verwenden. Lieber nehme ich aber Ethanol 98% für technische Zwecke, den man auch hier und da bezahlbar zu kaufen bekommt.

Viele Grüße,

Bob

unkenheini

Moin Leo,
Ich nehme anstatt Brennspiritus Bioethanol für Ethanolkamine!Bekommt man in verschiedene Gebindegrößen auch beim großen A.....!Ist günstiger,hat ein angenehmes Vergällungsmittel und die Konzentration ist laut Alkohol-Spindel meist zwischen 96-98%
Ist vielleicht ja eine Alternative für Sie
Mit freundlichen Grüßen Jörg
Mit freundlichen Grüßen
Jörg G.

p.s. Mir ist es lieber mit Du angesprochen zu werden als mit Sie.Danke.

Alfons Renz

Hallo Leo,

Falls beabsichtigt wird, die fixierte Probe molekulargenetisch zu untersuchen (DNA-Extraktion und PCR etc.) sollte nach Ansicht der 'Experten' nur bester, unvergällter und höchstprozentiger Alkohol verwendet werden.

Als geiziger Schwabe frägt man sich jedoch: Muss das wirklich so sein? Wir haben Proben mit 70%igen Alkohol (alerdings nicht vergällt) fixiert und erfolgreich für die PCR eingesetzt.

Deshalb würde es mich interessieren, ob Jemand hier in der Runde Erfahrung hat und so etwas wie eine Korrelation zwischen %-Gehalt des Alkohols und Erhaltung der DNA angeben könnte?

Für die übliche Konservierung von Insekten für morphologische Untersuchungen kann ich keinen Unterschied zwischen reinem und vergälltem Alkohol feststellen.
Ich verwende derzeit: Velind Brennspritus, mindestens 94% Ethanol, vergällt mit 1% Methylethylketon, 1 % Isopropanol und 1 gr/l Denatoniumbenzoat. Der bittere Geschmack kommt von Denatoniumbenzoat, aber 'auf die Schnelle' konnte ich keine Publikation zur möglichen Interferenz dieses Stoffes mit der DNA und PCR finden. Am Ende werden wir es selbst testen müssen...

Beste Grüße,

Alfons

jochen53

Hallo Alfons,

das Denatoniumbenzoat (= Bitrex) wird mit 1 Gramm auf 100 Liter zugesetzt. Wer die Möglichkeit dazu hat, kann es durch eine einfache Destillation entfernen, das MEK und den IPA jedoch nicht.

Jochen

Rene

Zitat von: Alfons Renz in November 16, 2020, 09:33:15 VORMITTAG
Deshalb würde es mich interessieren, ob Jemand hier in der Runde Erfahrung hat und so etwas wie eine Korrelation zwischen %-Gehalt des Alkohols und Erhaltung der DNA angeben könnte?

Hi Alfons, in the  short term it is fine, also PCR of rDNA etc is not too critical. But there are groups of organisms with robust DNAses that catalyzes the breakdown of DNA even in 70% ethanol.

Best wishes,
René

rlu

#6
Hallo,

es gibt da noch eine Differenzierung neben Alkohol und Brennspiritus und zwar
zwischen Brennspiritus und vergälltem Ethanol
Herr Eisner macht hier einen Unterschied.
Ich bin da auch noch nicht weiter.

ich habe folgendes mail am 23.10.2020 an Herrn Eisner gesendet und leider noch keine Antwort bekommen.
Ein interessantes Thema.

Sehr geehrter Herr Eisner,

wir diskutieren gerade den Unterschied zwischen Brennspiritus und vergälltem Ethanol.
Ist das mittlerweile das Gleiche oder gibt es da noch Unterschiede?
Warum macht Spiritus Probleme?

http://www.aeisner.de/rezepte/rezept1.html
Aufbewahrungsflüssigkeit nach Strasburger
,,Als Alkohol sind Isopropanol oder Ethanol vergällt geeignet, keinesfalls Brennspiritus verwenden."

Vielleicht können sie mir hier weiterhelfen.


Mit freundlichen Grüßen
Rudolf

Thomas M

Hallo Leo,

Zitat von: Muschelbluemchen in November 15, 2020, 23:52:20 NACHMITTAGS
...
Meine Frage nun an die Forumsmitglieder:
Verwendet ihr Brennspiritus?
Habt Ihr Brennspiritus auch schon in der Färbereihe (aufsteigende Alkoholreihe) eingesetzt oder gar beim Ansetzen von Farblösungen verwendet?
Wie sind da Eure Erfahrungen?
...


Brennspiritus verwende ich für solche Reihen nicht, auch kein mit Methylethylketon (MEK) vergälltes Ethanol.  Die Ketofunktion, die im Falle des MEK auch noch eine reaktive Methlyengruppe besitzt, ist mir da zu heikel in Bezug auf unerwünschte Nebenreaktionen, z.B. wenn im Substrat oder den Komponenten mit Amingruppen gerechnet werden kann. Ich verwende in diesen Fällen mit Petrolether vergälltes Ethanol.

Herzliche Grüße
Thomas

jochen53

Hallo Thomas,
soweit mir bekannt ist, bekommt man nur mit Petrolether vergälltes Ethanol leider nur mit einer Sondererlaubnis des Zollamtes. Aus diesem ist es nämlich am leichtesten, das Vergällungsmittel zu entfernen (Prost!).
Jochen

Thomas M

Hallo Jochen,
das ist richtig und ich spreche hier von der Vorgehensweise aus einem gewerblichen Labor.

Mit besten Grüßen
Thomas


jako_66

Hallo zusammen,

ich verwende den 94%igen Brennspiritus für die meisten Anwendungen. Wenn bei den Färbevorschriften ww.Eisner.de ein Hinweis steht, kein Brennspiritus zu nehmen, mache ich das auch so. Bisher bin ich sehr gut damit gefahren.
Einzig bei der Azan-Färbung war ich kurz in Versuchung, den unvergällten Ethanol zu ordern. Bei der Differenzierung mit Anilin-Ethanol besteht zumindest theoretisch die Chance, dass das Methyethyketon mit dem Anilin reagiert. Aber das hatte jetzt am Wochenende auch so geklappt. Den 99%igen Ethanol bestelle ich immer sehr günstig bei Kremer Pigmente, wenn es eine bessere Qualität sein soll.

Viele Grüße

Sven

Fahrenheit

Lieber Leo,

früher habe ich zum Präparieren nur Trinkalkohol - also unvergälltes, versteuertes Ethanol - verwendet. Mittleweile nutze ich das vergällte Ethanol aus der Apotheke (70%, die anderen Konzentrationen mische ich mir selbst an ...) und habe keine Propbleme.

Zum Reinigen der objektträger und Deckgläser sowie für meinen Brenner nutze ich das 96%ige Ethanol für Ethanol-Kamine - passt.

Herzliche Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM

Muschelbluemchen

Herzlichen Dank für die zahlreichen Antworten,

ich habe gestern nun Brennspiritus verwendet für meine botanischen Schnitte, jenen der offensichtlich mit schon unter die Regelung ab 2017 fällt und beim Verdünnen mit Wasser nicht milchig wird.
Scheint funktioniert zu haben - ich hoffe es gibt keine Überraschung die nächsten Tag, wenn die Präparate komplett durchgehärtet(durchgetrocknet) sind.

Ich bin erfreut, weil ihr gewisse Dinge beantwortet habt, die ich noch lösen wollte, wie die Alkoholspindel, für die
Frage die ich mir gestellt habe, wie ich die Konzentration des Alkohols wohl am besten messen kann. Ja, natürlich mit einer Alkoholspindel.   :D

Danke auch für den Hinweis auf den Ethanol für Ethanol-Kamine!  ;D

LG
Leo


jochen53

#13
Hallo Leo,

wenn es bei der Gehaltsbestimmung darum geht, ob das Ethanol 92% oder 89% hat oder der Wodka 38% oder 40%, dann ist m.M.n. die Spindel ausreichend. Wenn es aber  um die Entwässerung von Präparaten zur Einbettung in feuchtigkeitsempfindliche Medien geht, glaube ich, daß die Spindel zwischen 100% Ethanol und 97% nicht genügend genau ist.

Viele Grüße, Jochen

Muschelbluemchen