Botanik: Kleiner Unfall mit einem Super Food - Persea americana *

Begonnen von Fahrenheit, Dezember 13, 2020, 21:07:02 NACHMITTAGS

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Fahrenheit

Liebe Pflanzenfreunde,

seit dem Herbst 2018 beherbergen wir einen selbst gezogenen Avocado-Baum, der nun schon an der Decke waagerecht wächst und dieses Jahr die Rolle des Weihnachtsbaums übernehmen muss. Für zwei Bäume ist bei uns einfach kein Platz. Auf der Suche nach etwas neuem zum Schnippeln habe ich mir dann aber doch ein Blatt genommen, um mir den Blattstiel und die Blattspreite näher anzusehen. Die Ergebnisse möchte ich Euch hier zeigen.


Wie immer zunächt einige Informationen zur Pflanze selbst

Die Avocado (Persea americana Mill., auch Persea gratissima C.F.Gaertn.) ist eine Pflanzenart aus der Familie der Lorbeergewächse (Lauraceae). Die Frucht ist aus botanischer Sicht eine Beere und hat historisch viele andere, heute seltene, Trivialnamen wie etwa Avocadobirne, Alligatorbirne oder Butterfrucht erhalten.

Der Baum hat seinen Ursprung im feuchtwarmen tropischen Regenwald Mexikos und Zentralamerikas. Er wird heute in über 400 Kultursorten weltweit in den Tropen sowie in der Türkei, Südafrika, Israel, Kalifornien, Chile, Kolumbien, Peru, Australien, Neuseeland und Südspanien (Málaga und an der Küste von Granada) angebaut. Im Mittelmeerraum wird die Avocado erst seit Anfang des 20. Jahrhunderts kultiviert. Ein Nachteil der Avocado-Plantagen ist der extrem hohe Wasserverbrauch der Pflanzen, der oft zu Streitigkeiten um Wasserrechte führt, die meistens zu Lasten der armen Landbevölkerung ausgehen.

Es gibt auch noch sehr ähnliche Wildfrüchte der verwandten Pflanzenarten Beilschmiedia anay und Beilschmiedia mexicana, ebenfalls Lorbeergewächse, aus Mexiko, sowie die wilden Avocados von Persea schiedeana. Diese avocadoähnlichen Früchte werden auch lokal genutzt und sehr geschätzt.

Bild 1: Ein Avocadobaum unbekannter Sorte mit Früchten

Aus Wikipedia, von Joachim Huber, CC BY-SA 2.0

Persea americana wächst in ihrer tropischen Heimat als mehrstämmiger Strauch oder Baum. Ausgewachsene Avocadobäume können bis zu zwanzig Meter hoch werden und haben breite, ausladende Kronen. Die Pflanze ist – außer in extremen Trockenzeiten – immergrün. Ihr Stamm hat eine glatte, graugrüne - bei manchen Sorten auch gefurchte - Rinde. Das Holz ist eher weich und wird als Bauholz oder für Möbel verwendet. Beim jungen Baum ist die Rinde matt hellgrün.

Bild 2: Blätter eines Avocadobaums

Wikipedia, User Petar43, CC BY-SA 4.0

Der Avocadobaum besitzt recht große, spiralig angeordnete, glänzend dunkelgrüne bis grünbräunliche, eiförmig bis lanzettliche Blätter mit einer mehr oder weniger ausgezogenen Blattspitze und einem ledrige Griff. Sie können bis zu 45 Zentimeter lang werden. Unserer Wohnraumpflanze fehlt da wohl etwas Licht: deren Blätter erreichen zwar fast die angegebene Größen, bleiben aber hell- bis mittelgrün und zeigen keine ledrige Haptik.
Die Blätter sind bis etwa 5 cm lang gestielt. Junge Blätter sind oft rötlich und fein behaart, später ist die Unterseite ganz fein behaart, die Oberseite nur leicht. Die Nervatur ist fiedernervig mit ausgeprägter Mittelrippe. Die Avocado ist immergrün und benötigt viel Licht. Die Blätter von P. americana var. drymifolia und verwandten Sorten haben, wenn man an ihnen reibt, einen leicht an Anis erinnernden Geruch. An Imnhaltsstoffen werden das Toxin Persin sowie Alkaloide und Terpenoide genannt.

Bild 3: Blütenstand der Avocado

Wikipedia, User Petar43, CC BY-SA 4.0

Ein Avocadobaum bildet normalerweise erst nach etwa zehn oder mehr Jahren Blüten aus, allerdings gibt es Züchtungen, bei denen schon nach zwei Jahren Blüten und Früchte produziert werden. Die kleinen, etwa 5–8 mm langen, kurz gestielten, gelblich bis grünlichen Blüten stehen in rispenartigen, end- oder achsenständigen Blütenständen.

Bild 4: Zwei Avocadoblüten

Wikipedia, B. Navez, CC BY-SA 3.0

Die Blüte der Gattung Persea hat die für Lorbeergewächse typische Blütenform mit jeweils drei behaarten Kelch- und Kronblättern, die sich relativ ähnlich sehen. Es handelt sich also um ein Perigon mit sechs Tepalen. Die Blüten tragen 12 Staubblätter, die in mehreren Kreisen angeordnet sind. Einige der Staubblätter tragen Nektarien, was sie für Insekten interessant macht. Auch Pollen liefern die Blüten von Persea americana reichlich. Wie bei zwittrigen Blüten häufig zu beobachten, reifen Staubblätter und Fruchtknoten zeitlich versetzt, um eine Selbstbefruchtung zu verhindern.
Der behaarte, unikarpellate Fruchtknoten ist oberständig mit einem einfächrigen Ovar. Der Griffel trägt eine leicht gelappte Narbe. Die meisten Blüten an einem Baum sind anormal oder steril und bringen keine Früchte hervor.

Bild 5: Avocadofrüchte einer nicht näher benannten Sorte

Wikipedia, B. Navez, CC BY-SA 3.0

Die Avocadofrucht ist eine einsamige Beere. Sie ist meist birnenförmig, es gibt aber auch Sorten mit rundlichen oder eiförmigen Früchten. Sie ist zwischen 7 und 20 cm lang und etwa 5 bis 9 cm breit. Das Gewicht der Früchte kann bei den Sorten Choquette und Pollock mehr als 1 kg betragen. Avocados aus tropischen Ländern haben meist ein Gewicht von 500 bis 900 g. Je nach Art ist die ledrige, runzlige oder auch glatte, wachsige Außenschale (Exokarp) mittel- bis dunkelgrün, sie kann aber auch dunkelrot oder purpur bis schwarz sein.

Bilder 6a,b: Eine junge Avocadofrucht aus Cuba



Im Inneren befindet sich ein etwa golfballgroßer Samen, der 13–18 % der gesamten Frucht ausmacht. Er besteht aus zwei großen weichlichen Keimblättern, die den kleinen Embryo umschließen. Das Endosperm wird im Wachstum von den Keimblättern aufgenommen. Der Samen wird von einer braunen Samenschale (Testa) umhüllt. Das weiche Fruchtfleisch ist grüngelb bis goldgelb und oxidiert zu einer dunklen Farbe, sobald es der Luft ausgesetzt ist (was durch schnelle Zugabe von Antioxidantien wie der in Zitronensaft enthaltenen Ascorbinsäure verhindert werden). Das Fruchtfleisch, aber auch die Samen enthalten bis zu 30 % Fett, die Samen zusätzlich Tannine und Phytinsäure sowie Alkaloide.

Bild 7: Keimling mit noch anhängenden Keimblättern

Wikipedia, Mark Hofstetter, CC BY-SA 2.5

Avocadofrüchte reifen in keinem Fall am Baum aus, sondern fallen auch ohne Pflücken in einem harten ,,grünen" Zustand zu Boden, wo sie rasch reifen. Im Anbau werden die Früchte daher gepflückt, sobald sie eine marktfähige Größe erreichen.
Die im Handel angebotenen Früchte sind somit manchmal noch hart, können aber bedenkenlos gekauft werden, denn sie zählen zu den klimakterischen Früchten, reifen also nach. Wenn die Schale auf Druck leicht nachgibt, ist die Frucht zum Verzehr geeignet. Der Nachreifeprozess kann durch das Reifegas Ethen beschleunigt werden, indem die Frucht beispielsweise in Zeitungspapier eingewickelt oder zusammen mit Äpfeln gelagert wird. Reif ist die Frucht, wenn sie ihren Glanz verliert.

Die über 400 handelsüblichen Sorten sind alle durch Züchtung und Kreuzung aus drei in der Natur vorgefundenen Typen entstanden.

Bild 8: Illustration der aufgeschnittenen Frucht der Sorte Butler

Von M. Strange, 1914, gemeinfrei (Wikipedia)

Ein Wenig zur Geschichte und Etymologie

Der Avocadobaum hat seinen Ursprung in Südmexiko und wurde bereits von der Coxcatlán-Kultur in Tehuacán kultiviert. Im tropischen und subtropischen Zentralamerika wird die Frucht schon seit etwa 10.000 Jahren genutzt. Erwähnt wurde die Avocado zum ersten Mal im Reiselogbuch des spanischen Historikers und Eroberers Pedro de Cieza de León. Er notierte, dass die Avocado (,,aguacate") in Panama, Ecuador, Kolumbien und Peru wachsen. Die Spanier brachten sie in die Karibik, nach Chile und Madeira, bis sie im Laufe des 19. Jahrhunderts Verbreitung bis nach Afrika, Madagaskar, Malaysia und auf die Philippinen fand.

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Avocado im größeren Stil exportiert. Zunächst nur in die USA, nach Europa und in die am stärksten verwestlichten Länder Ostasiens.

Unter den europäischen Ländern war Frankreich mit Abstand der größte Importeur (mit 80.000 Tonnen im Jahr 1994), gefolgt von Großbritannien (mit 15.000 Tonnen) und den Niederlanden und Deutschland (beide je ca. 10.000 Tonnen). Deutschland bezog damals aber seine Avocados fast ausschließlich aus Frankreich. Die in Europa verkauften Avocados stammen meist aus Israel, Südafrika oder Spanien. Mittlerweile steigt auch die Anzahl der Avocados aus Italien.

Die Bezeichnung ,,Avocado" geht auf das Nahuatl-Wort ahuacatl zurück, das auch ,,Hoden" bedeutet. Durch eine volksetymologische Umbenennung wurde daraus in älterem Spanisch Avocado (,,Advokat", heute abogado), das im 20. Jahrhundert ins Deutsche übernommen wurde. Der moderne spanische Name aguacate ist direkt aus dem Nahuatl-Wort entlehnt.

Früher wurde die Avocado gelegentlich auch als Abacata oder Abacate bezeichnet (nach dem Portugiesischen) und im Deutschen wegen der Konsistenz des Fruchtfleisches als Butterfrucht, Butterbirne oder aufgrund ihrer Form und der Beschaffenheit ihrer Schale als Alligatorbirne. Im Spanischen sind in Südamerika auch andere Bezeichnungen üblich, so das aus dem Quechua stammende Wort palta in Argentinien, Chile, Bolivien und Peru.

Das Wort ,,Guacamole", das eine mexikanische Avocadocreme bezeichnet, stammt von dem Nahuatl-Wort ahuacamolli, das übersetzt ,,Avocadosuppe" oder ,,Avocadosauce" bedeutet. 1519 wurde die Avocado erstmals von einem europäischen Autor erwähnt. Der Spanier Martín Fernández de Enciso schrieb in seinem Buch Suma de geografía que trata de todas las partidas y provincias del mundo, dass die Avocado bei Santa Marta (Kolumbien) angebaut werde.

Bild 9: Illustration der aufgeschnittenen Frucht der Sorte Taft

Von R.C. Staedman, 1917, gemeinfrei (Wikipedia)

Frei aus Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Avocado)

Literatur:
Nadja Biedinger: Die Welt der Tropenpflanzen. DuMont, 2000, ISBN 978-3-7701-5294-0
Wolfgang Franke: Nutzpflanzenkunde: nutzbare Gewächse der gemäßigten Breiten, Subtropen und Tropen. Verlag Georg Thieme, Stuttgart 1997, ISBN 978-3-13-530406-9
Holger Gärtner & Fritz H. Steingruber: Microscopic Preparition Techniques for Plant Stem Analysis. Kessel Publishing House, 2013, ISBN 978-3-941300-76-7 [1]


Hier die Informationen zur Präparation

Geschnitten habe ich den Blattstiel freistehend und das Blatt in Möhreneinbettung auf dem Tempelchen (Zylindermikrotom im Halter als Tischmikrotom) mit Leica Einmalklingen 818 im SHK Halter.
Die Schnittdicke beträgt je ca. 50µm.

Anschließend habe ich wie immer einige Aufnahmen von den frischen, unfixierten Schnitten gemacht.

Fixiert wurden diese für ca. 8 Stunden in AFE. Nach Überführen in Aqua dest. waren die Schnitte dann bereit für die Färbung.

Die Färbung ist W3Asim I nach Rolf-Dieter Müller. Gefärbt habe ich mit dem Farbgemisch für ca. 8 Minuten mit einmaligem leichten Erwärmen.

Anschließend habe ich wieder gut mit Aqua dest. gespült und für ca. 10 Stunden mit einmaligem Wechsel des Wassers sanft differenziert.

Eingedeckt wurden die Schnitte nach gründlichem Entwässern mit reinem Isopropanol wie immer in Euparal. Beim Entwässern der Blattstielschnitte ist dabei der in der Überschrift genannte kleine Unfall aufgefallen. Dazu später mehr.


Kurz zur verwendeten Technik

Die Aufnahmen sind auf dem Leica DMLS mit dem NPlan 5x sowie den PlanApos 10x, 20x und 40x entstanden. Die Kamera ist eine Panasonic GX7, die am Trinotubus des Mikroskops ohne Zwischenoptik direkt adaptiert ist. Die Steuerung der Kamera erfolgt durch einen elektronischen Fernauslöser. Die notwendigen Einstellungen zur Verschlusszeit und den Weißabgleich führe ich vor den Aufnahmeserien direkt an der Kamera durch. Der Vorschub erfolgt manuell anhand der Skala am Feintrieb des DMLS.

Alle Mikroaufnahmen sind mit Zerene Stacker V1.04 (64bit) gestackt. Die anschließende Nachbereitung beschränkt sich auf die Normalisierung und ein leichtes Nachschärfen nach dem Verkleinern auf die 1024er Auflösung (alles mit XNView in der aktuellen Version). Bei stärker verrauschten Aufnahmen lasse ich aber auch mal Neat Image ran.

Es gibt wieder viel zu Lesen, daher trenne ich hier auf ...
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Fahrenheit

#1
... und weiter gehts ...


Und nun zu den Präparaten

Der Blattstiel des Avocadoblattes ist zweigeteilt: er besteht aus einem makroskopisch dickeren basalen Abschnitt und einem dünneren apikalen (hier zum Blatt hin gewandten) Abschnitt mit leichter Kerbung und sichtbarem weißlichen Streifen. Von beiden Abschnitten habe ich Schnitte gemacht und dann natürlich auch die Blattspreite bearbeitet. Die Lage der Schnitte seht Ihr im folgenden Bild:

Bild 10: Schnittlage

S1: Verdickter, basaler Abschnitt des Blattstiels
S2: Gekerbter, apikaler Abschnitt des Blattstiels
S3: Blattspreite mit Mittelrippe

Wir beginnen mit S1, dem verdickten Abschnitt des Blattstiels.

Bilder 11a-i: Verdickter Abschnitt des Blattstiels, Bilder 11a-c vom frischen, ungefärbten Schnitt, Bilder 11e,g&i mit Beschriftung










Wir sehen ein zentrales Leitgewebe in Form eines nicht ganz geschlossenen Kreissegments umgeben von einem mächtigen Rindenparenchym, bei dem sich zwei unterschiedlich große Zellarten unterscheiden lassen.   
Von Innen nach Außen finden wir: das Markparenchym (MP), gefolgt von Inseln nicht verholzter Sklerenchymfasern (sklFs), dem Xylem (Xl) mit Tracheen (T) sowie dem Phloem (Pl) und wieder einigen Nestern der oben schon benannten Fasern (sklFs). Dann kommt das Rindenparenchym (RP), das flächenmäßig den Löwenanteil des Querschnitts ausmacht. Den Abschluss bildet die Epidermis (Ep) mit einer dünnen Cuticula (Cu).
Insbesondere in den Bildern 11f-i fällt dunkles, dissfunktionales Phloem (disPl) am äußeren Rand des Phloems unterhalb der Faserinseln auf. Dieses korrespondiert meines Erachtens mit dem Cambium (Ca ?) zwischen Xylem und Phloem. Ein Cambium kommt in Blattstielen gelegentlich vor und ich denke, dass es besonders bei immergrünen Pflanzen mit langlebigen Blättern anzutreffen ist (vergl. auch in meinem Thread zum Efeu). Bei der immergrünen Avocado werden die Blätter mehrere Jahre alt (meines hier ist ca. 2 Jahre alt) und so muss wohl immer wieder neues Leitgewebe gebildet werden. Das alte, außen liegende Phloem wird dabei wohl an den Fasern zusammengedrückt.
Informationen zu den Abkürzungen in den beschrifteten Bildern findet Ihr wie immer auch auf der Webseite des MKB: Tabelle mit den Kürzeln und den zugehörigen allgemeinen Erläuterungen.

Sicher ist Euch aufgefallen, dass im Bilderblock 11 die gefärbten Aufnahmen zum Rindenparenchym des Blattstiels fehlen, zu dem doch ein frischer, ungefärbter Schnitt abgebildet ist. Kommen wir also nun zu dem kleinen Unfall:

Bilder 12a-d: Rindenparenchym und Abschlussgewebe, Bilder 12b&d mit Beschriftung





Am Schnitt in den ersten beiden Aufnahmen hängt jede Menge Schmodder (Art). Ein Präparationsartefakt - aber wo kommt das her? Die für die Blätter benannten sekundären Pflanzenstoffe sollten alle durch die bei der Präparation verwendete Chemie ausgespült worden sein. Ich habe nach dem Eindecken nachgeschaut: die W3Asim I Lösung in meiner Gebrauchsflasche war verdorben, die an den Schnitten hängenden Schlieren schon in der Farblösung vorhanden. Ärgerlich und weg damit!
Aber waren die Schnitte noch zu retten? Wie die Bilder 12c&d zeigen: ja. Ein wenig Schmodder (Art) ist auch da noch zu sehen, aber der Großteil ist verschwunden. Durch Spülen und Schwenken ist da mit der bei gefärbten Schnitten erlaubten Chemie (hier nur Isopropanol) nichts zu machen. Was also tun?
Hier kommt ein Tipp aus dem kleinen Band "Microscopic Preparition Techniques for Plant Stem Analysis" [1] zum Tragen. Die Autoren beschreiben dort auf Seite 39ff., wie man größere, eingerollte Holzschnitte wieder ausrollen kann: einfach vorsichtig zwischen den ethanol- (vor dem Färben) oder isopropanolfeuchten (nach dem Färben) Fingern in Form bringen. Durch vorsichtiges Reiben in alle Richtungen konnte ich so auch den anhaftenden Schmodder vom Rand und auch der Fläche der Schnitte entfernen. Zugegeben, es gehört etwas Überwindung dazu, die Schnitte zwischen den Fingern zu reiben, aber sie sind erstaunlich stabil

Bilder 13a,b: Eine Lentizelle, oder?

   

Am rechten Rand oben auf den Bildern 11d&e zeigt sich eine Art Warze. Eine Lentizelle? Nein, diese Belüftungswarzen wären in der Mitte offen, eben um Luft ins Gewebe zu lassen. Es handelt sich hier um Narbengewebe einer Verletzung, das im Außenbereich verholzt ist (Kal für Kallus und sklKal). Die Zellen des Narbengewebes unterscheiden sich dabei deutlich von denen des umgebenden Rindenparenchyms. Eine reguläre Epidermis wurde nicht mehr gebildet, sie wird vom verholzten Narbengewebe ersetzt.

Schauen wir uns nun den dem Blatt zugewandten Teil des Blattstiels an (S2):

Bilder 14a-h: Frischer, ungefärbter Schnitt vom apikalen Abschnitt des Blattstiels, Bilder 14c,e&h mit Beschriftung









Im Grunde sehen wir hier den gleichen Aufbau wie beim basalen Abschnitt des Blattstiels (S1 in der Bildreihe 11), allerdings haben wir hier kein so besonders stark ausgeprägtes Rindenparenchym (RP) mehr und die Leitgewebe sind von verholzten Sklerenchyminseln (Skl) und nicht einfach nur von unverholzten Fasern umgeben. Das Markparenchym (MP) besteht aus großen, sehr dünnwandigen Zellen, die so in der Schnittebene S1 nicht zu finden waren und als hellgrüner Strich in Bild 10 auch makroskopisch zu sehen sind, da das Rindenparenchym an der Oberseite gekerbt und nur sehr schwach ausgeprägt ist.
Was bringt nun der unterschiedliche Aufbau des Blattstiels? Der basale Abschnitt des Blattstiels wirkt wie ein Gelenk: die Pflanze kann das Blatt durch Änderung des Turgors im Rindenparenchym z.B. zur Sonne hin ausrichten, um eine günstige Ausgangslage zur Photosynthese zu erreichen und mehr Licht einzufangen. Erhöht sich der Turgor auf einer Seite des Blattstiels, biegt sich dieser zur anderen hin, da sich die Zellen entsprechend etwas ausdehnen. Ein Absinken des Turgors auf der gegenüberliegenden Seite verstärkt den Effekt. Ein verholztes Sklerenchym wie hier in S2 wäre dabei nur hinderlich.
Dabei entsteht nur eine leichte Biegung, da die Zellen anders als die bulbiformen Zellen bei einigen Gräsern (vergl. z.B. beim Strandhafer) nur bedingt dehnfähig sind. Der Effekt wird dann über eine entsprechend größere Strecke erreicht: der basale Abschnitt ist ungefähr 2,5 cm lang.
In den Polaufnahmen 14d&e ist hier schon eine weitere Besonderheit zu erkennen: die Zellen der Sklerenchyminseln zeigen teilweise eine deutliche Verdickung der sekundären Zellwand. Ich denke, dass es sich dabei um Nacré-Wände (Nac) handelt. Mehr dazu anhand der gefärbten Schnitte.
Auch finden wir hier Markstrahlen (MS), die in den folgenden gefärbten Schnitten nur schwer auszumachen sind.
Und schließlich zeigen die Bilder 14g&h eine deutliche Ansammlung von Chloroplasten (Cp) über einer besonderen, spitzen Epidermiszelle (Id - Idioblast). Der Sinn der Konstruktion erschließt sich mir hier nicht. Vielleicht hat ja jemand eine Idee?   

Bilder 15a-j: Gefärbter Schnitt vom apikalen abschnitt des Blattstiels, Bilder 15b,d,f,h&j mit Beschriftung











Hier nun die gefärbten Schnitte aus der Ebene S2. Von Innen nach außen sehen wir das markparenchym (MP), Sklerenchyminseln (Skl), Xylem (Xl) mit Tracheen (T), ein Cambium (Ca ?), das Phloem (Pl), außen mit dissfunktionalen, zusammengepressten Zellen (disPl), wieder Sklerenchyminseln (Skl), teils mit Nacré-Wänden (Nac), das Rindenparenchym (RP) sowie Epidermis (Ep) und Cuticula (Cu).
Auffällig sind hier wirklich die verdickten sekundären Zellwände der Sklerenchymzellen besonders der seitlichen Sklerenchyminseln oder -kappen an der Außenseite des Leitgewebes. Nacré kommt aus dem Franösischen und bedeutet Perlmutt, was man an den frischen Schnitten (vergleiche Bilder 14) ganz gut erkennen kann. Richtig deutlich treten die Verdickungen aber im gefärbten Schnitt hervor - hier sind die Wandverdickungen tiefblau und nehmen fast das gesamte Lumen der betroffenen Zellen ein.
Mit der Färbung sind die Nacré-Wände kaum vom Belastungsholz (vergl. z.B. die entsprechenden Bilder beim Hanf oder der [url0https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=36740.0]Großen Brennnessel[/url]) zu unterscheiden. Aber dieses findet sich im Spross und wird aufgrund mechanischer Belastung gebildet. Diese ist bei Blattstielen einer im Wohnraum gehaltenen Pflanze jedoch nicht der Fall. Warum diese Sonderform der Zellwandbildung hier auftritt, kann ich nicht sagen. Dies war auch bei der Wollemie nicht zu ergründen.
Allerdings zeigten sich die Nacré-Wände bei der Wollemie im Phloem. Ganz sicher bin ich mir also nicht.

Zum Schluss unserer Betrachtungen wenden wir uns der Blattspreite mit der prägnanten Mittelrippe zu (S3):

Bilder 16a-g: Blattspreite und Mittelrippe im frischen, ungefärbten Schnitt, Bild 16d&g mit Beschriftung








Gerade bei Querschnitten vom Blatt sind ungefärbte, frische Schnitte sehr attraktiv, da das Grün der Chloroplasten erhalten bleibt und so die Assimilations- und Schwammparenchyme besonders gut zu erkennen sind. So ist es auch hier beim Blatt der Avocado.
Auffällig sind hier einige große Idioblasten in eben diesen Parenchymen, zu sehen in den Bildern 16c&d. Die Anatomie der Mittelrippe entspricht weitestgehend der des Blattstiels in Schnittebene S2. Auch hier kann das geschulte Auge schon Nacré-Wände in den Sklerenchyminseln unterhalb der Leitgewebe erkennen.
Im Polarisationskontrast sind diese noch deutlicher zu sehen (Nac) und auch einige Calciumoxalatnadeln (Rap) lassen sich ausmachen.

Bilder 17a-l: Blattspreite und Mittelrippe im gefärbten Schnitt, Bild 17b,e,g,i&k mit Beschriftung













In der Mittelrippe finden wir von Innen nach Außen wieder das Markparenchym (MP), Sklerenchyminseln (Skl), Xylem (Xl) mit Tracheen (T), das Phloem (Pl), wieder Sklerenchyminseln (Skl) teils mit Nacré-Wänden (Nac), das Rindenparenchym, stellenweise eine Hypodermis (Hyp) sowie Epidermis (Ep) und Cuticula (Cu).
Die Blattspreite von der Ober- zur Unterseite besteht aus Cuticula (Cu) und Epidermis (Ep), einem einreihigen Assimilationsparenchym (AP) mit gestreckten Zellen als Palisadenparenchym, einem recht dicken Schwammparenchym (SP), zwischen beiden Leitbündel (LB) mit Sklerenchymkappemn (Skl) und auf der Blattunterseite wieder Epidermis (Ep) und Cuticula (Cu). Von den vielen kleinen Stomata ist diesmal wirklich keines erwähnenswert gut getroffen. Einzelne Trichome (Tr) sind ebenfalls zu finden.
In den Schnitten der etwa 160 bis 210 µm dicken Spreite zeigen sich auch wieder die kugelförmigen Idioblasten (Id), die wir schon aus den ungefärbten Schnitten kennen.

Vielen Dank fürs Lesen, Anregung und Kritik sind wie immer willkommen.

Herzliche Grüße
Jörg
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wejo

Hallo Jörg,
ein äußerst lehrreicher, ausführlicher und informativer Forumsbeitrag, der wieder mit tollen Bildern bestückt ist! Herzlichen Dank für das Miterleben lassen.
Zum landwirtschaftlichen Anbau dieser Früchte war vor kurzem eine Sendung im TV. Es wurde hier Argentinien gezeigt, wo die arme Landbevölkerung im Kampf um das lebensnotwendige Wasser um ihr Leben fürchten muss. Die Wasserrechte werden von Großunternehmern einfach genommen, die Verbindungen in hohe Kreise macht es ihnen auf so einfache Art möglich. Ich für meinen Teil habe mir vorgenommen, wenigstens auf das Herkunftsland zu schauen (wobei es in anderen Ländern wahrscheinlich auch nicht anders ist), bzw. auf den Genuss zu verzichten.
Heimischer Anbau natürlich ausgeschlossen  ;)! Lass sie Dir Deine Avocados schmecken!!
Herzliche Grüße
Werner

limno

Danke Jörg,  für Deinen wie stets aufwendigen Beitrag, dem man Dein tolles Engagement ansieht.  :)   Dank dafür!
Udo Pollmer hat in seiner Kolumne "Mahlzeit" im Deutschlandfunk einige interessante ernährungsphysiologische und ökologische Aspekte zum "Superfood" zusammengestellt.
https://www.deutschlandfunkkultur.de/superfoods-gift-im-kern-von-avocados.993.de.html?dram%3Aarticle_id=369857
Hier bleibt der emeritierte Professor für Lebensmittelchemie mal bei seinem Leisten...
Guten Appetit wünscht
Heinrich
So blickt man klar, wie selten nur,
Ins innre Walten der Natur.

Fahrenheit

Lieber Werner, lieber Heinrich,

vielen Dank für Euer Lob! Es zeigt, dass der Beitrag sich nicht nur für den eigenen Spaß am Hobby lohnt.

Ja, bei den Avocados kann man ruhig etwas genauer hinsehen. Das mit dem heimischen Anbau wird nix. Unseren Baum haben wir aus dem Kern einer Avocado selbst gezogen, der würde wohl erst in 4 oder 5 Jahren zum ersten Mal blühen. Allerdings hat er die Wohnzimmerdecke schon erreicht und draussen ist es ihm im Winter zu kalt und nach zwei Wintern und einem Sommer drinnen wohl im Sommer zu hell. Die Blätter bekommen ja kaum UV-Licht ab und würden wohl verbrennen.

Danke auch für den Artikel von Udo Pollmer. Also reit sich die Avocado in die Riege der entzauberten Superfoods ein. War ja irgendwie zu erwarten. Guacamole mag ich trotzdem. ;)

Euch beiden herzliche Grüße
Jörg
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Detlef Kramer

Lieber Jörg,

wirklich toll! Die Fragezeichen bei den Kambien kannst Du getrost beseitigen. Ich habe zwar früher stets behauptet in Blättern gebe es kein Kambium, habe aber gelernt, dass dies in dieser Eindeutigkeit nicht stimmt. In einem Deiner letzten Fotos hast Du das Palisadenparenchym mit "AP" bezeichnet. Das Schwammparenchym gehört auch zum Assimilationsparenchym.

Herzliche Grüße
Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

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Fahrenheit

#6
Lieber Detlef,

vielen Dank für Dein Lob aus berufenem Mund, was mich immer ganz besonders freut!

Danke auch für Deinen Hinweis zum Palisaden- und Schwammparenchym. Ich habe es bisher immer so gesehen, dass sich das Mesophyll aus Assimilationsparenchym (das als Palisadenparenchym ausgeprägt sein kann aber nicht muss) und dem Schwammparenchym zusammen setzt. Eingebettet dann darin die Leitbündel und ggf. Sklerenchyme und Idioblasten. Muss ich dieses Bild korrigieren?
Natürlich tragen auch die Chloroplasten in den Zellen des Schwammparenchyms zur Summe der Photosyntheseleistung des Blattes bei, was in der Bildserie 16 gut zu sehen ist.

Was mich aber auch noch umtreibt, sind die Nacré-Wände, die ich hier postuliert habe. Wenn ich mich richtig erinnere, kommt die Definition ja von Siebröhren/Siebelementen im Phloem, die in der Differenzierung etwas "hängen geblieben" sind: die Aussage ist, dass in der Sekundärwand bei der Differenzierung Stoffe eingelagert werden, die der Pflanzenorganismus noch brauchen kann und zur Verwertung abtransportiert, was manchmal oder bei manchen Arten nicht ganz zuverlässig funktioniert. Nach der Quelle muss ich noch mal suchen ...).
Nun haben wir hier Sklerenchyme mit verdickten Zellwänden. Auch diese Zellen unterliegen ja einer - extremen - Differenzierung, da sie im ausdifferenzierten Zustand abgestorben sind. Können hier ähnliche Mechanismen am Werk sein und passt dann die Bezeichnung - wie die Optik gerade auch bei den frischen Schnitten vermuten lässt?

Danke Dir und herzliche Grüße
Jörg

p.s.
Der Beleg zu den Nacré-Wänden aus meinem Thread zur Wollemie:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=27181.msg221215#msg221215

ZitatUm es hier kurz zu machen: bei den Wandverdickungen der "zugequollenen" Siebelemente der Wollemie handelt es sich um sogenannte Nacréwände, die bei der Ausdifferenzierung der Siebelemente dazu dienen, nicht mehr benötigte Zellinhalte abzubauen und anderweitig verfügbar zu machen. Bei einigen Arten bleiben diese bis zum Absterben der Siebelemente erhalten, so ist es auch bei der Wollemie.

Der Weg dahin führte zunächst über Präparate der frischen Triebe an den Bonner Pflanzen - die ebenfalls schon Nacréwände zeigen. Damit war die Theorie einer Schutzfunktion in der Ruhephase widerlegt. Also nochmal intensives Literaturstudium. Bei Esau (S. 206, Wandaufbau) und Eschrich (S. 143) wird man dann fündig.

Schön war, dass die Aussage Nacréwände auch an Proben einer australischen Pflanze bestätigt werden konnte: Prof. Burrows war so nett, eine Probe zu schicken.

Somit ist das Rätsel gelöst.
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Fahrenheit

Lieber Adalbert,

danke für Dein Lob! Es freut mich sehr, dass Dir der Beitrag gefällt.

Herzliche Grüße
Jörg
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Hans-Jürgen Koch

Hallo Jörg,

ein langer interessanter Beitrag zum Jahresabschluss.

Gruß
Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

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Gerne per "Du"

Fahrenheit

Lieber Hans-Jürgen,

auch Dir vielen Dank!

Das kling ja fast wie eine Bitte, im alten Jahr bloß nicht noch so was raus zu hauen.  ;D ;D ;D

Herzliche Grüße
Jörg
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jcs

Hallo Jörg,

wie immer, ein sehr gelungener Beitrag mit interessanten Infos. Da verkraften wir schon noch mehr davon, schließlich bekommen wir da gleich Inspiration für die kommenden Weihnachtsmenüs. Guacamole ist somit gebucht, und als Sühne für politisch unkorrekte Nahrungsaufnahme gönne ich mir dann einen Ablasshandel in Form von Gerstensuppe mit heimischem Wurzelgemüse.

Jürgen

Fahrenheit

Lieber Jürgen,

danke Dir! Hört sich lecker an. Mich hat meine Familie zum Pizzabacken auf dem Grill verdonnert. Ich hoffe, es regnet am Heiligen Abend nicht.  ;D

Herzliche Grüße
Jörg
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