außergewöhnliche Kristalle

Begonnen von Reinhard, April 23, 2021, 17:56:22 NACHMITTAGS

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Reinhard

Hallo Freunde,


Bei meinen Versuchen, die Metalle Kupfer, Cobalt und Nickel ( z.B. in den Mineralen Kolwezit, Glaukosphärit, Gillardit, Carrollit und anderen) möglichst elegant,
das heißt, mit möglichst wenigen, unkomplizierten Schritten qualitativ und semiquantitativ nachzuweisen und zu bestimmen, bin ich zum wiederholten Male bei den
Tripelnitriten (TN) gelandet und habe dabei eine (zumindest für mich) sehr überraschende Entdeckung gemacht.

Meine Idee war, zunächst das Cobalt in bewährter Weise mit KNO2 als komplexes Kaliumhexanitritocobaltat(III) zu fällen. Das schön feinkristalline gelbe Salz
(übrigens die Basis für den früher hochgeschätzten Farbstoff  Kobaltgelb/Indischgelb) setzt sich auch ohne Zentrifugation bereitwillig ab und der Überstand kann
dekantiert werden. Eine Weiterverarbeitung des Überstandes z.B. durch Eindampfen verbietet sich unbedingt; hier sind bereits mehrere Explosionen in der
Fachliteratur vermerkt !!
Dann fiel mir aber auf, daß die in der Lösung verbliebenen Kationen Cu und Ni  ja beide Baustein eines Tripelnitrites (TN) sein können, wenn auch an gleichartiger
Position und das KNO2 ist ja auch schon vorhanden.
Das hieße, wenn man nun zum Überstand noch ein Blei-Ion zufügte, würden Tripelnitrite der Form
K2Pb(Cu/NI)(NO2)6  entstehen, wobei die Cu-Verbindung tiefbraun, die Ni-Verbindung gelb ist. Verwenden läßt sich das zur Differenzierung aber nicht, da beide
zusammen ein braungelbes Mischsalz ergeben.

Aber ein Tripelnitrit fällt ja aus der Reihe, und zwar das TM, das sich aus Kupfer und Strontium bildet: K2SrCu(NO2)6. Es ist ein grasgrünes, kubisches Salz. Das
Analogon mit Nickel ist dagegen blassgelb.
Eine Mischung von Cu und Ni wurde also mit Strontium- und KNO2-Lösung versetzt und die Überraschung war groß!
Es entstanden unerwartet  Kristalle aus einem grünen Mantel und einem gelben Kern, wobei das Verhältnis der geschachtelten Kuben anscheinend vom
Mischungsverhältnis Cu/Ni abhängt.

Die optimalen Fällungsbedingungen bedürfen noch weiterer Versuche. Wenn sich das weiter so bestätigt, hätte ich eine Möglichkeit, alle drei Metalle
praktisch in einem Gefäß nur durch Zusatz von KNO2 und Strontiumsalz unter dem Mikroskop nachzuweisen und auch ihre Teilmengen grob abzuschätzen.


Bild 1
Das Bild eines Tripelnitrites aus Strontium und Nickel (alleine)
Typische hellgelbe homogene Kuben


Bild 2
Die Verbindung mit Strontium und Kupfer
Bisher neben Barium-Kupfer TN die einzige grüne Kombination, die ich kenne.


Bild 3
Die große Überraschung!
Solche Kristalle hatte ich nicht erwartet!
Man sieht den gelben Kern aus Nickel-TN und eine exakte Hülle aus grünem Cu-haltigem TN.


Bild 4
Hier ist das Mischungsverhältnis etwas zugunsten des Ni-Anteils verändert.


Bild 5
Eine stärkere Vergrößerung


Bild 6
Hier sieht man einen Konzentrations-Gradienten in der Lösung, der rechtsseitig schon zur Veränderung der Kritallmorphologie führt,
während links noch das reine Ni-TN-Salz vorherrscht.

Kritik erwünscht; ansonsten viel Spaß beim Ansehen der Bilder

Schönes Wochenende
Reinhard

seit wann ist Kunst ein Fehler ?



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reblaus

Hallo Reinhard -

Vielleicht ist es ja für den mineralogischen Mikrochemiker eine ganz banale Sache - aber ich bin ganz hin und weg!
Meine spärlichen Kenntnisse zu dieser Materie habe ich ihm Rahmen des anorganisch-chemischen Praktikums vor 65 Jahren erworben und sie haben sich (wie damals der Laborkittel) in dunkle Bruchstücke aufgelöst - aber an so was kann ich mich nicht erinnern.

Glückwunsch zu der tollen Bildserie!

Rolf

Carsten Wieczorrek

Hallo,
super klasse! Hast Du mal die größenverhältnisse von innerem und äußerem Würfel bestimmt? Wir hatten letztes Jahr so ein Problem in der Firma, aber mit Kugeln. So etwa 1µm Durchmesser der äußeren Kugel.

Grüße
Carsten
Für's grobe : GSZ 1
Zum Durchsehen : Amplival Hellfeld, Dunkelfeld, INKO, Phasenkontrast
Zum Draufsehen : Vertival Hellfeld, Dunkelfeld
Zum Polarisieren : Amplival Pol u Auf-/Durchlicht
Für psychedelische Farben : Fluoval 2 Auflichtfluoreszenz
Für farbige Streifen : Epival Interphako

Reinhard

Hallo Rolf, hallo Carsten,

es freut mich sehr, daß es Euch interessiert!
Wenn hier nicht noch ein "richtiger" Chemiker sagt, "du bist dieser oder jener Tatsache auf den Leim gegangen...",
dann denke ich, daß man mit so einem ungewöhnlichen Ergebnis nicht rechnen konnte und ich bin ständig mit den unterschiedlichsten
Mischsalzen, wie den Tripelnitriten "zugange".
Die Größenverhältnisse (Volumenverhältnisse) als Ausdruck des Verhältnisses der beiden Ionen Cu und Ni werde ich versuchen zu bestimmen,
wenn sonst alle Parameter festsehen.
Manche Tripelnitrite sind "Diven" und reagieren auf kleinste Unterschiede von Konzentration und "Terroir".

Viele Grüße
Reinhard
seit wann ist Kunst ein Fehler ?



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olaf.med

Lieber Reinhard,

wieder einmal grandios

Herzlichen Dank für diese schönen Einblicke in das Innere der Tripelsalze,

Olaf
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

anne

Lieber Reinhard,
wie aus dem Lehrbuch👍
lg
Anne

witweb

Einfach Klasse, Reinhard!
Danke.
Grüße
Michael
Leitz Orthoplan
Zeiss Standard 18 mit Fluoreszenz-Auflichtkondensor IV FL
Lomo Biolam, Motic SMZ-168
Canon EOS 750D
https://mikrokristalle.net
https://www.youtube.com/@Mikrokristalle

Bob

Hallo Reinhard,
wunderschön und sehr interessant! Die gefüllten Quadrate sind der Hammer.

Viele Grüße,

Bob

Reinhard

Hallo Olaf, hallo Anne, hallo Michael, hallo Bob,

vielen Dank für Euer Lob!
Ein paar schöne Kristalle sind doch immer wieder nette Stimmungsaufheller.

Euch allen ein Schönes Wochenende!
Reinhard
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Heiko

Hallo Reinhard,

tolle Sache – überaus sogar.
Ammoniumcäsium-hexanitr(it)ocuprat(II) wäre ein weiterer grüner Kandidat. Ob der z.B. mit dem gelben Ammoniumnatrium-hexanitr(it)ocobaltat(III) dergleichen täte? Vermutlich nicht, denke, Du hast mit Deiner Variante einen Volltreffer gelandet.
Viel simpler und aus der Literatur lange bekannt ist das Kaliumpermanganat/-perchlorat:


Viele Grüße,
Heiko

Peter Ludwig

Hallo Reinhard,

Bild 3 und 5 könnten Acrylgemälde aus einer Galerie sein. Klasse!

Viele Grüße,

Peter

Michael L.

Hallo Reinhard,

wie immer super interessant! Freue mich immer wenn ein neuer Beitrag von Dir erscheint.

Beste Grüße

Michael

Reinhard

#12
Hallo Heiko,

ich weiß, daß Du auch ein Tripelnitrit-Fan und mir diesbezüglich immer "auf den Fersen" bist!
Das mit der NH4-Variante muss ich gleich ausprobieren; eine diagnostische Verwendung für solche "Ausreißer" findet sich immer.
Dein Mischkristall KMnO4/KClO4 ist auch ein schönes Beispiel für solche Kristallvermischungen.
Wie müsste man sie bezeichnen? Okklusionskristalle? Ich weiß es nicht.

Anbei noch zwei Bilder mit veränderten Konzentrationen und Fällungsbedingungen:


Bild 7
Hier habe ich die relative Konzentration von Ni weiter vermindert.
Es finden sich nur noch unregelmäßige Einlagerungen


Bild 8
Bei Veränderungen der äußeren Bedingungen (Temperatur/Verdünnung) entstehen Unregelmäßigkeiten.

Viele Grüße
Reinhard
seit wann ist Kunst ein Fehler ?



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Reinhard

Hallo Peter,

kein Wunder, daß Du den künstlerischen Aspekt ansprichst:

Auszug Wikipedia:
Peter Ludwig (* 9. Juli 1925 in Koblenz; † 22. Juli 1996 in Aachen) war ein deutscher Schokoladenfabrikant und Kunst-Mäzen.   ;D


Hallo Michael,

Vielen Dank! Freut mich zu hören.


Viele Grüße
Reinhard
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Peter V.

Lieber Reinhard,

Bild 3 und 4 sind einfach nur genial! Das ist etwas für die Wand - genau wie die aktuell gezeigten "Nylonstrümpfe" von Alex.

Hezrliche Grüße
Peter
Dieses Post wurde CO2-neutral erstellt und ist vegan. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.