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Colorierung von REM-Aufnahmen

Begonnen von jcs, November 19, 2022, 21:10:16 NACHMITTAGS

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Werner

Das Kolorieren hat nicht nur mit Ästetik zu tun. Farbe ist in jedem Fall ein Erkenntnisgewinn, nämlich sogar mehrere zusätzliche Informationsebenen, und ist leicht zu erfassen.
Deshalb werden ja auch Textmarker gekauft.

Besonders krass fällt das bei den alten Schnittmuster"tapeten" auf. Die rein schwarzen waren nur an der Strichtextur zu unterscheiden, Mama mußte sich sehr konzentrieren, um auf der Linie zu bleiben. Die mehrfarbigen waren da ein großer Fortschritt.

Gruß - Werner

Gerd Schmahl

Hallo,
ich empfinde es schon als Aufwertung, wenn man in ein REM-Bild die Erfahrungen anderer Bildgebungsverfahren wie z.B. die Hellfeld-Lichtmikroskopie einfließen lässt. Das ist, wenn es gut und gewissenhaft gemacht ist ja so ähnlich wie ein Stäck in der Lichtmikroskopie, wo ich die Informationen mehrerer Aufnahmen zu einer verschmelze. All diese Verfahren bergen die Gefahr von Artefakten. Letztlich gilt das aber auch schon für eine einfache Aufnahme im Lichtmikroskop, wo ich schon sehr viele Einstellmöglichkeiten habe wie z.B. die Kontrastregelung über die Aperturblende oder den Weißabgleich der Kamera, von den technischen Begrenzungen des Chips ganz zu schweigen. Letztlich zeigt jedes Bild immer nur Teilaspekte der Wirklichkeit, nie die ganze Realität, sonst wäre es kein Bild, sondern die Realität selber und das Foto von einem Parasiten infektiös. 8)
LG Gerd
Man sagt der Teufel sei, im Detail versteckt,
doch hab' ich mit dem Mikroskop viel Göttliches entdeckt.

olaf.med

Lieber Werner,

"You made my day"

  :) :) :), Olaf
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

MikroManni

Hallo Jürgen,

ich habe mich 30 Jahre mit REM von pathogenen Bakterien beschäftigt. Zu Beginn wurden die SW-Aufnahmen gerne genommen, jedoch später wollten die Journale gerne farbige Cover Titel oder auch eingefärbte REM Aufnahmen in den Veröffentlichungen (man konnte damit viel mehr Geld generieren).

Ich habe oft folgendes Vorgehen gewählt.

Bild 1: zeigt ein Ergebnis wie man einfärben kann

Bild 2: zeigt die ersten Schritte um das SW-Bild in Helligkeit und Kontrast "aufzupeppen", falls man mit dem Original entstanden mit den REM settings nicht zufrieden war. Die Entfernung des Hintergrundes ist aber nur für Kalender, Zeitungen etc zulässig. In wissenschaftlichen Arbeiten ist dies strikt verboten. Manche Journals fordern die Originale an oder lassen eine Software über die Bilder laufen, um Manipulationen zu erkennen. Man glaubt gar nicht wieviel hier auch in wissenschaftlichen Artikel "gephotoshoped" wird (war selbst 10 Jahre Ombudsman).

Bild 3: man färbt erstmals das gesamte Bild mit der Hintergrundfarbe ein. Herauszuhebende Strukturen werden mit dem magnetischen Lasso freigestellt und eingefärbt. Die gewählte Farbe wird in Photoshop abgespeichert. Eine weitere identische Struktur wird durch das magnetische Lasso freigestellt, die erste Farbe hochgeladen und mit denselben Werten wird diese Struktur eingefärbt. Vorteil: da an den Werten nichts verändert wird, folgt die Farbgebung den Helligkeitsverläufen in ehemaligen SW-Bild, d.h helle Bereiche zeigen eine hellere gewählte Farbe und dunklere Bereiche eine dunklere Farbe. Entspricht somit den Verläufen im SW-Bild.
Um einigermaßen fließende Übergänge zwischen den Farben zu bekommen, kan man im magnetischen Lasso die sogenannte "weiche Kante" auf unterschiedliche Pixelwerte setzen, oft genügt hier 10-15 Pixel zu wählen, um einen guten Übergang zu erhalten (hängt natürlich von der Bildgröße ab).

Bild 4: in dem so eingefärbtem Bild kann man nun auch noch mit Helligkeit und Kontrast spielen oder die anderen Bearbeitungstools verwenden, um das Bild je nach Verwendung "knackiger" zu präsentieren.

Bild 5: mit dem Farbregler in Photoshop kann man letztendlich noch alle möglichen Farbkombinationen erstellen.

Aufnahmen wurden mit einem Zeiss Gemini DSM 962 mit dem Sekundärelektronendetektor (SE) und dynamischem Focus bei 5 KV Beschleunigungsspannung und leicht gekippt aufgenommen.

Zeige in einer anderen Antwort noch mal ein Beispiel, warum Einfärben eines SW-Bildes einen leichteren Zugang zu einem Bild für den ungeübten Betrachter bietet (muss ich erst noch raussuchen :D).

Schönen Sonntag
Manfred
Axiophot und Axioskop mit Fluoreszenz, Zeiss Standards

MikroManni

Hallo Jürgen,

hier mein 2. Beispiel (entgegen meiner Erwartungen die Bilder doch schnell gefunden).

Der Versuch beinhaltete die Fragestellung, können Streptokokken (hier Streptococcus pyogenes) über die Endothelbarriere in den Blutgefäßen wandern oder nicht. Das SW-Bild zeigt das Versuchsergebnis in der Maus. Für den ungeübten Beobachter, der nicht mit der Materie betraut ist, ist es sehr schwer Streptokokken in dieser Übersichtsaufnahme zu erkennen. Im eingefärbten Bidl ist es jedoch ein leichtes die Streptokokken als rötlich eingefärbte Bakterien im umliegenden Gewebe zu erkennen, d.h die Bakterien können über die Endothelbarriere wandern. In der Mitte des Bildes ist die Mausvene mit den roten Blutkörperchen (auch rötlich eingefärbt) zu erkennen. Hier findet man keine Streptokokken mehr.

Wie auch schon Werner geschrieben hat, sehe ich hier einen beträchtlichen Erkenntnisgewinn durch das Einfärben des SW-Bildes durch das richtige Zuordnen der sichtbaren Objekte im REM-Bild.

Schönen Sonntag
Manfred
Axiophot und Axioskop mit Fluoreszenz, Zeiss Standards

Gerd Schmahl

Hallo Manfred,
sollten Streptokokken nicht bevorzugt in Kettenform auftreten?
LG Gerd
Man sagt der Teufel sei, im Detail versteckt,
doch hab' ich mit dem Mikroskop viel Göttliches entdeckt.

MikroManni

Hallo Gerd,

das kommt ganz auf die umgebenden Wachstumsbedingungen an. Im Gewebe zwischen den Zellen gibt es nicht so viele Nährstoffe und man findet nur sehr kurze Ketten. Gilt übrigens auch meist für intrazelluläre Streps in den invadierten Wirtszellen. Zieht man die Streptokokken hibgegen in Vollmedium an, erhält man sehr lange Ketten bis zu 100 Bakterien in einer Kette. Je nach verwendetem Vollmedium kann man Ketten von unterschiedlicher Länge erzeugen.

Schönen Restsonntag
Manfred
Axiophot und Axioskop mit Fluoreszenz, Zeiss Standards

Rawfoto

Hallo Jürgen

Es gibt bei dieser Aufgabe überhaupt keinen Grund auf LR zurück zu greifen, mit Photoshop bist du richtig, Zeit sparen kannst du mit einem Retusche-Display. Nicht gerade kostengünstig aber super 🤩

Die Ebenentechnik ist die richtige Wahl, zur Feinabstimmung wählt man als letzte Ebene die selektive Farbkorrektur ...

In Weinberg habe ich ein 16" Retuschedisplay als 3. Bildschirm. In Wien habe ich seit Homeoffice dazu keinen Platz.

Du kannst gerne vorbeikommen, wenn du ein Wochenende frei hast

Liebe Grüße

Gerhard
Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...

jcs

#23
Zitat von: MikroManni in November 20, 2022, 11:30:10 VORMITTAG
Wie auch schon Werner geschrieben hat, sehe ich hier einen beträchtlichen Erkenntnisgewinn durch das Einfärben des SW-Bildes durch das richtige Zuordnen der sichtbaren Objekte im REM-Bild.
@Manfred, danke für's Zeigen Deiner Bilder und Deiner Methode! Speziell die colorierten Streptokokken in der Maus finde ich ein sehr gutes Beispiel dafür, dass Farbe hilft, eine "Message besser rüberzubringen".

@Werner, das Textmarker-Beispiel leuchtet ein. Allerdings hoffe ich, dass die colorierten REM-Bilder irgendwann nach mehr ausschauen als nur "mit Textmarker übermalt".

@Gerd, Deine Anmerkungen zur Abbildung der Wirklichkeit in der Mikroskopie sind sicher richtig. In einem Forum für Hobby-Mikroskopiker darf man da recht weite Grenzen setzen, in meinen Augen. Was gefällt ist erlaubt, infektiös wird auch der realitätsnäheste Brombeerrost nicht werden.

@Gerhard, so ein Retuschedisplay wäre ene feine Sache, muss ich mir einmal bei Dir anschauen. Im Moment habe ich nur ein 13"-Notebook mit einem guten Stift. Maskieren ist zwar mühsam, aber mit ausreichend Geduld kommt man voran. Das Einfärben mit Photoshop ist schon herausfordernder, mit den endlos vielen Möglichkeiten, die es da gibt.

Inzwischen habe ich ein paar weitere Einfärbestrategien ausprobiert, vor allem die "Gradient Maps" finde ich aktuell sehr nützlich, siehe Anhang. In dem Fall habe ich auch zusätzlich ein BSD-Bild eingeblendet, um die Blatthaare etwas attraktiver zu gestalten.

LG

Jürgen


jcs

Liebes Forum,

ich hoffe, alle hatten erholsame Feiertage. Wetterbedingt fällt für mich aktuell die Winter-Outdoor-Saison teilweise aus, da bleibt Zeit für alle möglichen alternativen, lange aufgeschobenen Indoor-Beschäftigungen. Unter anderem mache ich mit meinen REM-Colorierungen weiter, untenstehend ein Produkt dieser Aktivitäten (Pollenkörner des Wiesensalbeis).

LG

Jürgen

jcs

Hier noch der Werdegang dieses Bildes. Die erste Aufnahme zeigt das Originalbild (Sekundärelektronenaufnahme, 3072x2304 Pixel).

(1) Im ersten Schritt (Bild 2) habe ich die Tonwerte angepasst, um etwas mehr Kontrast zu bekommen.
(2) Danach wird es etwas mühsamer (Bild 3). Als Korrekturebene habe ich eine Verlaufsumsetzung gewählt und eine passende Maske erstellt, mit der die einzelnen Pollenkörner freigestellt werden. Den dunklen Bereichen habe ich ein kräftiges Rot zugewiesen, um etwas Farbe ins Bild zubringen. Die Mitteltöne bekamen ein Gelb, und die hellen Bereiche blieben Weiß.
(3) Die Furchen auf den Pollenkörnern bekamen eine eigene Verlaufsumsetzung mit dazugehöriger Maske, der gewählte Farbton schwankt zwischen  Blau und Violett (Bild 4).
(4) Schließlich wurde noch der Hintergrund selektiert und mit einem dunklen, blau-grünen Farbton coloriert (Bild 5).

Den größten Aufwand macht, wie zu erwarten, das Freistellen der einzelnen Bereiche. Photoshop bietet da endlos viele Möglichkeiten, ganz optimal habe ich das noch nicht gelöst. Bleibt also noch einges zum Üben für die nächsten Versuche.

LG

Jürgen

Rawfoto

Hallo Jürgen

Toll, das schaut doch schon wirklich gut aus. Ein kleiner Verbesserungsvorschlag bezüglich Hintergrund, ich wurde ihn auf unter L=8 legen, dort findest du zeichnungsloses Schwarz. Tiefe Grautöne wirken verschmutzt - ja, sieht man nicht auf allen Bildschirmen.

L = Grauachsen vom Lab Farbmodell, dem internen Rechenmodell von Photoshop und allen restlichen professionellen Bildbearbeitungs-Software-Programmen. Von 0 bis 15% liegt Schwarz im Farbraum

Liebe Grüße

Gerhard
Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...

jcs

#27
Hallo Gerhard,

danke für den Hinweis auf den Lab-Farbraum. Entsprechend habe ich in meinem Photoshop jetzt das Info-Feld adaptiert, damit statt CMYK die Lab-Werte angezeigt werden. Der Hintergrund des Bildes ist eigentlich nachtblau auf meinem Photoshop-Monitor. Beim Umwandeln in JPEG und Anzeigen im Forum geht das Blau aber ziemlich verloren.

Ich werde bei den nächsten REM-Aufnahmen auch andere Substrate ausprobieren. Aktuell verwende ich die leitfähigen Klebe-Tabs, die aber teilweise eine recht undefinierte Oberfläche haben, was dann bei der Bildbearbeitung stört.

Das Substrat ist relevant, da ich meistens den tatsächlich verwendeten Hintergrund beibehalten möchte. Ein nach Freistellen eingefügter künstlicher Hintergrund ist in meinen Augen nicht immer passend.

Beim Freistellen hat sich auch gezeigt, dass große Bilder (=hohe Anzahl von Pixel) das Leben einfacher machen, was natürlich keine Überraschung ist. Bei den nächsten Aufnahmen werde ich deshalb die Bildauflösung erhöhen, auch wenn das auf Kosten der Rauschfreiheit geht. Das Rauschen bekommt man vermutlich in der Bildbearbeitung ganz gut in den Griff mit den richtigen Softwarewerkzeugen.

LG

Jürgen

bernd552

Hallo Jürgen,

ich bin aktuell eher seltener hier im Forum, deshalb habe ich deinen Beitrag jetzt erst bemerkt.

Ich freue mich, dass hier ein neuer REMmer aktiv ist und dann noch mit Colorierung!!
Du hast ja in rasender Geschwindigkeit sehr schöne Colorierungen hinbekommen, dass hat bei mir viel länger gedauert. Weiter so.

Hier kannst du mal nachschaen ... aber vieles davon hast du ja schon "drauf" https://www.youtube.com/playlist?list=PLKq6GUpBc9MB2pelwvL0smpX0WKolnFm-

Die schwierigste Farbe, ein leuchtendes Gelb hast du auf Anhieb hinbekommen. Gratulation! Das A&O für leuchtende, saubere Farben sind die richtigen Tonwerte .... aber wem schreibe ich dass ;)
Ich würde dir empfehlen, bei der Aufnahme die Tonwerte nicht nach deinem ästhetischen Empfinden einzustellen sondern die kontrastarme, flaue Variante, damit du für PS erstmal alle Tonwerte im Bild hast.

Die Freistellerei mit entsprechend angepassten Kanten ist echt Fleißarbeit, hier bin ich auf das gebührenpflichtige PS umgestiegen, da der Hand-Freisteller dort viel "intelligenter" ist.

Wenn du dabei bleibst, dann prophezeie ich dir, du wirst die Welt mit anderen Augen sehen und wirst erkennen, wie du zuvor die Schönheiten im Detail einfach "übersehen" hast ;)
Ich schaue nun viel bewusster bei allem natürlichen Objekten auf deren Farbkombination, Farbübergänge und Farbharmonien, schaue auf die Schattenwürfe und den emotionalen Gesamteindruck und das alles ohne etwas illegales geraucht zu haben ;D ;D

LG
Bernd

jcs

Zitat von: bernd552 in Dezember 29, 2022, 19:07:03 NACHMITTAGS
Wenn du dabei bleibst, dann prophezeie ich dir, du wirst die Welt mit anderen Augen sehen und wirst erkennen, wie du zuvor die Schönheiten im Detail einfach "übersehen" hast ;)
Ich schaue nun viel bewusster bei allem natürlichen Objekten auf deren Farbkombination, Farbübergänge und Farbharmonien, schaue auf die Schattenwürfe und den emotionalen Gesamteindruck und das alles ohne etwas illegales geraucht zu haben ;D ;D
Hallo Bernd,

das Lob vom Profi freut mich natürlich sehr und motiviert am Ball zu bleiben! Das Spielfeld für diesen Ball ist ja ziemlich groß: Auswahl des Objektes, Probenpräparation, Wahl der Detektoren und Aufnahmeparameter am REM, richtige Perspektive bei der Aufnahme, Maskieren und Farbgebung, da raucht der Kopf ganz ohne chemische Zusätze!

Und wie Du sagst, ohne genaues Hinsehen und Liebe zum Detail liegt man schnell daneben. Ich denke (bzw. fürchte), dass bei dem Thema jahrelang keine Langeweile aufkommen wird. Und wenn ich einmal nicht weiterkomme, werde ich gerne um Rat fragen.

LG

Jürgen