Neues aus dem Meerwasseraquarium

Begonnen von Peter T., September 20, 2024, 22:02:59 NACHMITTAGS

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Peter T.

Liebe Forianer,

ich betreibe ein kleines (ca 60 l) Nano-Meerwasseraquarium.
Da bietet es sich natürlich an, immer wieder mal ein paar mikroskopische Funde online zu stellen.
Ziel neben dem "Zeigen" ist auch das "Bestimmen". Wenn also jemand zum einen oder anderen Fund eine Anmerkung oder gar Vermutung hat, worum es sich handeln könnte, wäre das natürlich schön.

Hier erstmal eine Übersicht  über das Aquarium. Es steht seit etwa zwei Jahren und ist bevökert von diversen Korallen, Caulerpa-Algen und vier Garnelen, diversen Schnecken und Einsiedlerkrebsen. Fische sind keine drin.


20240920-IMG_3166.jpg

Ich habe einen Objektträger mit einer Klammer an die Scheibe geklemmt und nach etwa einer Woche ohne Deckglas unters Mikroskop gelegt. Dabei sind neben vielem anderen diese drei Funde zeigenswert. Vor allem bei Bild Nr. 2 und 3 stellt sich die Frage: Was ist das (alle Bilder gestackt)?

20240918-rk 1-Bearbeitet.jpg
20240918-u 1.jpg
20240918-u 2.jpg

Und dann noch ein kleines Filmchen eines Einzellers

https://youtu.be/FGDd113VKIE

Ich hoffe, dass ihr mit dem Format etwas anfangen könnt.



Liebe Grüße
Peter

Gerd Schmahl

Hallo Peter,
ein schönes Aquarium hast Du da.
Für die Bestimmungshilfen hatten wir gesagt: Maßangaben wären hilfreich, wenigstens eine Angabe, mit welchem Objektiv das aufgenommen wurde.
Das letzte Bild sieht nach einer jungen gerade aussprossenden Fadenalge aus, wobei das Stacheldings nicht dazu gehört.
Hast Du Pflanzen in dem Raum? Könnte da ein Trichom zugeflogen sein? Auch manche Wasserpflanzen haben solche Gebilde. Die sind dann aber im Spross, heißen Astrosklereiden und können bei der Zersetzung freigesetzt werden, wie z.B. hier bei der Seerose.

LG Gerd
Man sagt der Teufel sei, im Detail versteckt,
doch hab' ich mit dem Mikroskop viel Göttliches entdeckt.

Peter T.

Hallo Gerd,

stimmt, die Größenangaben habe ich wieder vergessen. Da muss ich dran denken.

Pflanzen sind nicht in dem Raum, aber aus dem Rest der Wohnung könnte tatsächlich was reingekommen sein.
Liebe Grüße
Peter

Michael Plewka

Hallo Peter:


zu Bild 3:

liegt es nicht nahe:

1. anzunehmen, dass es sich hier um eine frühes Entwicklungsstadium der Caulerpa-Alge handelt?
2. uns als erstes mitzuteilen, warum du diese Möglichkeit ausgeschlossen hast?


Beste Grüße
Michael Plewka

Peter T.

Hallo Michael,

die Caulerpa kenne ich nur als recht schnell wachsende Makroalge, die sich am ehesten vegetativ ausbreitet. Da kann man fast schon zuschauen, wie sie wächst. Über sexuelle Fortpflanzung im Aquarium ist mir nichts bekannt.
Die Caulerpa ist bei Aquarianern beliebt, weil sie durch ihr schnelles Wachstum in Konkurrenz zu unerwünschten anderen Algenarten, vor allem Fadenalgen steht. Ich vermute, dass auf dem Bild eher eine solche (Faden)alge zu sehen sein könnte.
Liebe Grüße
Peter

Peter T.

So, hier noch mal ein Update aus dem Aquarium. Alle Bilder sind von dem im ersten Beitrag erwähnten an den Beckenrand geklemmten Objektträger, den ich ohne Deckglas unters Mikroskop lege. Dann heißt es schnell sein, denn das Wasser verdunstet und hinterlässt ein stetig wachsendes Meer (!) von Salzkristallen, die alles Leben zum Stillstand bringen.

Wenn jemand eine Bestimmung wagen möchte, gerne! Allerdings geht es mir hier mehr ums Zeigen als ums Bestimmen.

Dieses Objekt ist mit 40x Objektiv aufgenommen und ca 50 µm lang.




mwa u 1.jpg

Wie man sieht, treten diese Objekte sehr zahlreich auf. Ebenfalls 40x Objektiv, ca 40µm lang.

mwa u 2.jpg


Zuletzt noch dieser ca 50 µm lange Einzeller(?), der sich sehr entschlossen mit Hilfe zahlreicher unter dem Körper befindlicher Geißeln (?) fortbewegt.

mwa u 3.jpg

Liebe Grüße
Peter

Rene

Ah nice, Ostreopsis. A green dinoflagellate. Toxic.

Nothing to worry about ;-)

René

Peter T.

@Rene: So my aquarium is kind of a bio-weapon?  :o  ;)
Liebe Grüße
Peter

Peter T.

Mal wieder habe ich meinen im Meerwasseraquarium an der Scheibe befestigten Objektträger unters Mikroskop gelegt.

oimwa.jpg

Es ist schon erstaunlich, was auf diesem doch sehr begrenzten Lebensraum zu finden ist. Wenn ich mir überlege, was in meinem kleinen 60l-Nano-Aquarium dann insgesamt so steckt ... Und wenn ich mir dann überlege, was in den Weltmeeren so an mikroskopisch kleinem Leben zuhause ist ...


Hier zunächst ein aus zwei Bildern (mit 4x Objektiv) zusammengesetztes Foto. Der mit Abstand größte "Bewohner" meines Objektträgers, schon mit bloßem Auge sichtbar.

mwa u2.jpg

Ein weiterer eher großer Kamerad. Ich nehme mal an, bei den dunklen Anhängseln handelt es sich um Eier? (Objektiv 10x, Stack)

mwa u1.jpg

Hier sieht man bereits im Hintergrund einige sehr eigenartig farblose Algen. Von diesen fanden sich sehr viele auf dem Objektträger (Objektiv 40x)

mwa u4.jpg

Zum Vergleich das selbe Bild mit etwas übersteigertem Kontrast

mwa u4c.jpg

Und dann waren noch jede Menge Gesellen zu finden, die ich am ehesten als Vorticella-artig bezeichnen würde und die fleißig vor sich hin gestrudelt haben. Mit Vorliebe hatten sie sich an eben diesen seltsam "leer" wirkenden Algen festgehalten.
Hier mal ein Überblick (Objektiv 10x, Dunkelfeld)

mwa u5.jpg

Und hier ein einzelner dieser Strudler (Objektiv 40x, schiefe Beleuchtung)

mwa u3.jpg

Wer etwas zur Bestimmung beitragen kann, ist herzlich eingeladen.
Natürlich sind auch Kommentare wie immer willkommen.

(Und der Objektträger hängt schon wieder an Ort und Stelle) :)







 
Liebe Grüße
Peter

liftboy

Hallo Peter,

ich hab mal ein Bild von Dir "gekapert" und durch die Bearbeitung gejagt (Die von Dir gezeigten Bilder waren mir zu hell; meine persönliche Meinung). Etwa mehr Kontrast und etwas dunkler.

Grüße
Wolfgang

http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=785.msg3654#msg3654
LOMO-Service
Das Erstaunen bleibt unverändert- nur unser Mut wächst, das Erstaunliche zu verstehen.
Niels Bohr

Peter T.

Hallo Wolfgang,

gute Bearbeitung!

Der "high key"-Vorwurf verfolgt mich seit ich im Forum poste. Bei Deiner Version sind deutlich mehr Strukturen erkennbar, das sehe ich ein.
Liebe Grüße
Peter

Peter T.

Liebe Foristen,

ein weiteres Update aus meinem Aquarium.
Heute möchte ich kurz zwei Makroalgen vorstellen, die sich im Aquarium befinden.

Die erste ist Caulerpa taxifolia. Bei der Inbetriebnahme eines Meerwasseraquariums spielt sie eine wichtige Rolle. Während der so genannten "Einfahrphase", bei der sich noch nicht so viele Korallen im Becken befinden, kommt es oft zu einer explosionsartigen Vermehrung von unschönen Fadenalgen, die alles überwuchern. Um diese in Schach zu halten, ist Caulerpa (unter anderem) ein probates Mittel. In Konkurrenz um Licht und Nährstoffe mit den anderen Algen stehend, wächst sie unglaublich schnell, was den Fadenalgen allmählich die Lebensgrundlage entzieht.
Viele Aquarianer schmeißen sie dann aus dem Becken, weil sie genau so schnell weiter wächst und eigentlich nicht in ein Riffaquarium gehört. Ich bin da nicht so ein Purist und habe sie als Bewohnerin weiter geduldet. Das verlangt aber nach gelegentlichem kräftigen Jäten. Heute habe ich zwei große Handvoll aus dem Becken geholt.

Caulerpa.jpg

Die hier gezeigte Caulerpa ist etwa 15 cm lang, die einzelnen "Blätter" messen bis zu 12 cm. Die wurzelartigen Strukturen nennt man Rhizoide. Mit ihnen verankert sich die Alge im Boden, in Steinen, in allem, was nicht wegsschwimmen kann.
Die Hauptachse, mit der die Alge sich überallhin ausbreitet, heißt Stolon.
Die blattartigen Strukturen werden als Thallus bezeichnet.

Jetzt eine Übersicht mit dem 10x Objektiv

Ca 1.jpg

Noch näher ran (20x Obj.)

Ca 3.jpg

Und noch näher (40x Obj.)

Ca 2.jpg

Die einzelligen ovalen Strukturen gehören nicht zur Caulerpa, sondern sind aufgelagert.

Ich zeige eine weitere Detailaufnahme (40x Obj.)

Ca 4.jpg

Man erkennt hier die Fülle an Chloroplasten.

So, aber jetzt die Preisfrage: Wem fällt hier etwas auf?

Richtig, man erkennt keine Zellgrenzen. Das hat damit zu tun, dass es keine gibt!

Die Caulerpa ist tatsächlich ein einzelliges Lebewesen!

Sie hat viele Zellkerne, die wohl lokal den Metabolismus steuern. Umgeben ist sie von einer Hülle überwiegend aus Cellulose, im Inneren der Zelle gibt es ein Cytoskelett aus Mikrotubuli, die für eine gewisse Untergliederung (z.B. von Zellorganellen) sorgen. Für mich ist es absolut erstaunlich, dass diese eine Zelle hier Strukturen ausbildet, die an Wurzeln, Sprossachse und Blätter erinnern.
Leider habe ich nirgendwo eine lichtmikroskopische Darstellung der Tubuli gefunden und kann deshalb nicht sagen, ob sie auf den Bildern zu sehen sind. An manchen Stellen kann man den Eindruck haben, sie zu erkennen.

Die Caulerpa gehört mit dieser Besonderheit zu den größten einzelligen Lebewesen.
(So eine Berühmtheit schmeißt man doch nicht aus dem Becken ...)

Nun als Vergleich noch eine mehrzellige Alge, die Rotalge Halymenia sp.

Sie wächst langsam auf Steinen und ist an sich sehr dekorativ. Wird sie zu groß, ernte ich sie ab. Irgendwo bleibt immer ein Rest, der dann munter weitersprießt. Das heute entnommene Exemplar ist etwa 10 cm groß.

Halymenia.jpg

Hier eine Übersicht. Aus irgendeinem Grund fühlen sich auf dieser Alge die Dinoflagellaten Ostreopsis sp. (O. ovata?) sehr wohl, bei der Durchsicht saßen meist welche im Gesichtsfeld

Ha 1.jpg

Zum Abschluss noch das ansprechende Zellmuster in edlem Weinrot. Die Farbe entsteht durch die Pigmente Phycoerythrin (rot) und Phycocyanin (blau)

Ha 2.jpg

Das soll es für heute gewesen sein. Über Kommentare, Ergänzungen und Berichtigungen freue ich mich.



Liebe Grüße
Peter

jcs

Hallo Peter,

spannende Bilder über diesen Riesen-Einzeller, das kannte ich nicht. Ist natürlich schon sehr praktisch so ein in-house-Tümpler-Ökosystem, gerade in der kalten Jahreszeit.

LG
Jürgen



Peter T.

Hallo Jürgen, Du sagst es. Dabei hatte ich das Aquarium schon, bevor ich ans Mikroskopieren gedacht habe.
Liebe Grüße
Peter

anne

Lieber Peter,
ich hatte mal vor Jahren diesen Beitrag gemacht:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=38560.msg283446#msg283446

Ob Deine schönen Korallen wohl auch solche Nesselkapseln haben?

lg
anne