Botanik: Meerfenchel (Crithmum maritimum) *

Begonnen von Peter T., Oktober 01, 2025, 15:28:09 NACHMITTAGS

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Peter T.

Mit Limoniastrum monopetalum und Limonium gmelinii habe ich bereits zwei Pflanzen vorgestellt, die als so genannte Halophyten die besondere Eigenschaft haben, in salzhaltiger Umgebung (oft in Meeresnähe) zu gedeihen und dafür spezielle Mechanismen zum Umgang mit Salz entwickelt haben.

Bei den beiden Vorgenannten ist es vor allem die Ausbildung von Salzdrüsen, die der aktiven Ausscheidung von Salz dienen.

Der Meerfenchel hat eine andere Herangehensweise an die salzige Umgebung entwickelt.

Es handelt sich bei Crithmum maritimum um  eine Pflanze aus der Familie der Doldenblütler (Apiaceae). Er ist eine typische Küstenpflanze und kommt im Mittelmeerraum häufig vor.
Die mallorquinische Küche kennt ihn als Zutat zu Reisgerichten, in Südapulien wird er als Vorspeise gereicht.

Mein Exemplar habe ich in Kroatien (Istrien) gefunden.

Bild 1 (Wikimedia Commons, Autor Julio Reis)


Bild 2 (Wikimedia Commons, Autor Xemenendura)


Bereits an diesen Übersichtsaufnahmen erkennt man die fleischigen Blätter, die fast an Sukkulenten erinnern.

Zunächst jetzt die Sprossachse. Die Schnittdicke beträgt 30 µm, gefärbt wurde mit FCA nach Etzold.

Bild 3


Die Besonderheiten zeigen sich im Detail

Bild 4


Unter der Epidermis finden sich zwei Gruppen von Zellen. Zum einen Rindenkollenchym, zum anderen olivgrün/ bräunlich angefärbte Zellverbände. Letztere mögen Chloroplasten enthalten, sind aber wohl in erster Linie als Speicherzellen für Phenole zuständig. Wie man auf dem Bild erkennen kann, liegt über nahezu jeder dieser Zellgruppen eine Spaltöffnung, darunter eine substomatäre Kammer. Die oliv gefärbten Zellen stellen (neben der Photosynthese?) mit Phenolen und Gerbstoffen eine Abwehr gegen Pilze und Bakterien bereit.

Eine weitere Besonderheit sind die im Bild erkennbaren Sekretgänge. In ihnen befinden sich von der Pflanze produzierte ätherische Öle. Dazu gehören Monoterpene und andere Öle, die von den die Gänge auskleidenden Epithelzellen gebildet und kontinuierlich ins Lumen des Ganges abgegeben werden.

Spannend ist die Zusammensetzung dieser Öle, die sich je nach Standort der Pflanze unterscheidet. Bei den meisten Populationen des Meerfenchels dominiert das so genannte Dillapiol (C₁₂H₁₄O₄). Dies ist ein aromatischer Phenylpropanoid mit antibakterieller und insektizider Wirkung, dient also u.a. zur Abwehr von Fressfeinden.
Für die Synthese von Dillapiol benötigtdie Pflanze eine stickstoffreiche Umgebung. Da in den karstigen Küstengebieten Kroatiens kaum Stickstoff zur Verfügung steht, setzt der kroatische Meerfenchel als nahezu einzige Population auf die Synthese anderer Öle. Wieder mal eine faszinierende Anpassungsleistung der Natur an die Möglichkeiten des Standorts!

Ich hänge hier einen Artikel an, der sich mit diesem Phänomen auseinandersetzt:
https://www.mdpi.com/2223-7747/13/4/550

Wie funktioniert jetzt das Salzmanagement bei Crithmum maritimum?

Dazu ein Blick auf das Rindenparenchym

Bild 5


Man hat fast den Eindruck, man hätte mit Markzellen zu tun. Die Zellen des Rindenparenchyms haben große Vakuolen, die das Bild der Zelle prägen. In diesen Vakuolen speichert die Pflanze das Salz. Durch einen raffinierten Mechanismus wird mittels Protonenpumpen und Antiporter (Austausch von Na+ gegen H+) das über die Wurzeln mittels Phloem und Xylem nach oben transportierte Salz (NaCl) in diese Vakuolen geschleust. Dadurch bleibt aufgrund des osmotischen Drucks Wasser in diesen Zellen. Bei Bedarf kann das Salz wieder abgegeben werden, z.B. in ältere Pflanzenteile, die bald welken und abgestoßen werden(!). Das Cytoplasma der Zellen bleibt vor dem Salz geschützt, die Vakuolen bilden den Salzspeicher. Die Pufferung in den Vakuolen findet durch organische Säuren (vor allem Malat und Citrat) statt.

Auch ohne aktive Ausscheidung von Salz über Salzdrüsen überlebt der Meerfenchel so die salzhaltige Umgebung. Faszinierend!

Jetzt aber weiter mit den mikroskopischen Bildern.

Hier noch zwei Detailaufmnahmen aus der Rindenregion

Bild 6


Bild 7


Und zur Abrundung das obligatorische Bild eines Leitbündels

Bild 8


Nun zu den Blättern

Bild 9


Auch hier dominieren großvakuolige Zellen das Bild, während die Leitbündel eher zart erscheinen. Auch erkennt man, das sowohl auf der Ober- als auch auf der Unterseite des Blattes Palisadenparenchym (als Ausdruck der Photosynthese) angelegt ist (äquifaziales Blatt).

Auch weiter entfernt vom Abgang aus dem Spross bleiben die Blätter dick

Bild 10


Es finden sich kaum lignifizierte Bereiche, dafür sorgt eine ausgeprägte Epidermis mit starker Cuticula für Stabilität.

Im polarisierten Licht zeigen sich zahlreiche Kristallstrukturen

Bild 11


Bild 12


Zum Abschluss noch ein Überblick über den Querschnitt sowie die Leitbündelregion des Blattes im polarisierten Licht

Bild 13


Bild 14



Wie immer freue ich mich über Kommentare, Berichtigungen und Ergänzungen.


Liebe Grüße
Peter

Michael K.

Hallo Peter,


Bild 3 gefällt mir besonders gut. Könnte man sich als Grossfoto aufhängen.


LG
Michael

Daniel Scheibenstock

Hallo Peter,

Ich muss mich da Michael anschließen, den deine Polbilder sind immer mein Highlight☺️

Lg Daniel
Leica DMRB HC (DL, Pol)
Motic BA310 LED (DL: PH; DF;POL, AL: POL)
Zeiss Universal (DL: Fluo; POL AL: Fluo,POL. DIC)
Zeiss IM35 (DL; PH; Fluo;POL)
Bresser Stereolupe

Vorstellung: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=48126.0

Peter T.

Hallo Michael,

besten Dank. Diese Querschnitte können wirklich sehr ornamental und dekorativ sein.


Hallo Daniel,

das freut mich sehr, herzlichen Dank!
Liebe Grüße
Peter

gewo

Hallo Peter,
ein sehr gelungener Beitrag.
Muss bei unserem nächsten Istrien-Besuch auch ein paar Proben mitnehmen :-)

ligrü
Gerhard

Peter T.

Hallo Gerhard,

vielen Dank!
Da wirst Du nicht lange suchen müssen, er ist da sehr häufig.
Liebe Grüße
Peter

Siegfried

#6
Hallo Peter,
ja das 3. Foto von oben sticht mir auch besonders ins Auge. Als Kurzzeitschnippler vor Jahren, kann ich doch nachvollziehen welche Fähigkeiten du schon hast, um solch einen tatellosen Schnitt ohne Risse zuzstandezubringen. 8) Und, auch wenn es nur ein Bild ist, wir als Mikroskopiker sind schon beim Anblick eines solchen Wunderwerkes der Natur voller Ehrfurcht. Mir geht es zumindest so.
  lg von Siegfried

deBult

Wow excellent work and interesting contribution as well, thanks for sharing.

Best, Maarten
Reading the German language is OK for me, writing is a different matter though: my apologies.

A few Olympus BH2 and CH2 stands with DIC and phase optics.
I used to say "The correct number of scopes to own is N+1 (With N is the number currently owned)", as a pensioner the target has changed in n-1.

Peter T.

Hi Maarten,

thanks a lot for your interest and commendation!

Hallo Siegfried,

freut mich besonders, dass auch Du als Profi-Tümpler hier mal reinschaust und Dir der Schnitt gefällt. Beileibe nicht jede Pflanze lässt sich so schön schneiden, aber es stimmt natürlich, dass im Laufe der Zeit die Erfahrung zunimmt und die Chance auf gute Bilder erhöht. Wobei es mir mit zunehmender Erfahrung mit den Pflanzen immer weniger auf schöne Schnitte, sondern mehr auf die faszinierenden Details ankommt.
Liebe Grüße
Peter

Siegfried

#9
Hallo Peter,
hat jetzt mit Bescheidenheit nichts zu tun, Profi Tümpler, ist natürlich bei Weeeiiitem übertrieben. Ich mach halt das so, was ich kann, was mir Spass macht, was mich interessiert. Nicht mehr und nicht weniger.
    lg von Siegfried
PS..trotzdem danke für deine Meinung.

Hans-Jürgen Koch

Lieber Peter,

ein absolut gelungener Beitrag.

Gruß
Hans-Jürgen
Plants are the true rulers - Pflanzen sind die wahren Herrscher.

<a href="http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=2650.0" target="_blank">Hier geht es zur Vorstellung</a>

Gerne per "Du"

reblaus

Hallo Peter -

abgesehen von der exzellenten Bildqualität war ich auch überaus angetan von den Erläuterungen der physiologischen Vorgänge. Da wurde mir mal wieder klar wie gering meine biologischen Kenntnisse trotz vielsemestrigen Studiums und langjähriger einschlägiger Tätigkeit geblieben sind ...

Viele Grüße

Rolf

Peter T.

Lieber Hans-Jürgen,

besten Dank für Dein Lob!

Hallo Rolf,

auch Dir herzlichen Dank!
Diese ganzen Faktoren, insbesondere der Zusammenhang zwischen Anatomie und Physiologie, sind einfach faszinierend. Das Staunen über die Maßnahmen, die zu ergreifen die Natur imstande ist, wird nicht weniger, im Gegenteil.
Liebe Grüße
Peter