Botanik: Auch ohne Malz, Gott erhalt's - Humulus lupulus, der Hopfen *

Begonnen von Fahrenheit, Juli 26, 2011, 21:35:39 NACHMITTAGS

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Fahrenheit

#15
Liebe Mila,

auch Dir vielen Dank für Dein Lob und Deine Ergänzungen zum Wirkungsspektrum!

Zitat- alkoholfreiem -
Politisch korrekt!  ;D

Wenn Du das gescante Bild noch hast, stell' es gerne ein, dann wissen alle, was gemeint ist.

Liebe Pflanzenschnibbler,

hier nun noch die angekündigten Aufnahmen in höherer Vergrößerung:

Bild 10: Einzelaufnahme von den Zellwänden zweier Tracheen, Vergrößerung 1000x (Ölimmersion)


Bild 11: Ein Stapel der selben Stelle aus 27 Einzelbildern mit Maßstab, Vergrößerung 1000x (Ölimmersion)


Bild 12: und noch ein animiertes GIF der 27 Einzelaufnahmen aus Bild 11


Hier wird es ganz deutlich: das sieht nicht nach Thyllen aus, zumal ein guter Teil nicht von einer benachbarten Xylemparenchymzelle sondern eben wieder einer Trachee ausgehen würde.

Aber was ist es dann? Die Strukturen scheinen tatsächlich mit der Zellwand in Verbindung zu stehen, was sich sowohl in der Einzelaufnahme (Bild 10) als auch in der Animation (Bild 12) zeigt.
Das wäre für ein Artefakt ungewöhnlich - zumal die Strukturen nur in Tracheen, aber nicht in allen Tracheen vorkommen.
Vielleicht doch ein Pilz?

Allen herzliche Grüße
Jörg

p.s.
Hier noch zwei Literaturstellen zu Thyllen:
Eschrich, Funktionelle Pflanzenanatomie, 1995, Seite 280 ff.
Braune/Leman/Taubert, Pflanzenanatomisches Praktikum I, 9. Auflage 2007, Seite 158 - 159
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Detlef Kramer

Lieber Jörg und Alle,

heute war ich also am Rhein und habe mir einen halben Meter Humulus besorgt. Ich muss zunächst hinzufügen, dass die Diskussion über die merkwürdigen Strukturen in den Tracheen zwischenzeitlich noch direkt weiter betrieben wurde. Fragen dabei: können es Pilze sein? Bakterien?

Hier also die Ergebnisse, die ich zur Klärung und nicht zur Präsentation schöner Fotos beitragen kann.

Ich habe einen Sprossabschnitt, der wohl älter als Jörgs ist, mit Rasierklinge frei Hand geschnitten - ging im Moment nicht anders. Das Gewebe war nicht fixiert und wurde auch nicht weiter behandelt, sondern direkt mit DIC und einem 25 x Objektiv ausgewertet.

Das erste Bild zeigt die erste Gefahr der Fehlinterprtation, die aber hier wohl nicht in Frage kommt: die Tracheen enthalten Amyloplasten (Stärkekörner). Klar, die wurden durch die Rasierklinge aus den sehr Stärke-haltigen Parenchymzellen verschleppt.



Das zweite Foto zeigt aber etwas anderes: eine scheinbar oder tatsächlich ausdifferenzierte Trachee mit Schlunz innen drin.




Um das zu verstehen, muss man sich ein wenig mit der Entstehung der Tracheen befassen. Das sind ja zunächst lebende Zellen, deren Zellinhalt nach der Ausdifferenzierung aufgelöst wird. Dem voraus geht u.a. die Auflösung der Querwände. Das ist ein allmählicher Vorgang, der nicht schlagartig abläuft. Und er läft erst ab, nachdem die Zelle wirklich ausdiffernziert ist, also die Zellwände lignifiziert sind. Noch längere Zeit können also Reste des abgestorbenen Cytoplasmas in den Tracheen - natürlich funktionslos - verbleiben, um langsam zu "vergammeln".

Dieses biete ich Dir jetzt einmal als Erklärung Deiner Beobachtung an. Das kann natürlich nur eine Theorie sein, aber ich denke mit einem gehörigen Grad an Wahrscheinlichkeit.

Übrigens hatte ich eine solche Diskussion schon einmal - vor ca. 35 Jahren, als mir eine amerikanischer Biologe elektronenmikroskopische Aufnahmen von Tracheen zeigte mit mehr oder weniger deutlich zu erkennenden Mitochondrien.

Herzliche Grüße

Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

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Fahrenheit

#17
Lieber Detlef,

erst mal herzlichen Dank, dass Du Dich auf die Suche nach Hopfen gemacht und diesen auch gleich verarbeitet hast! Beim derzeit vorherrschenden Sommerwetter hatte das sicher annähernd Expeditionscharakter!  ;D

Da kann ich natürlich nicht zurück stehen und hab' gleich noch mal Mikroskop und Kamera angeworfen. Die Amyloplasten waren mir bis dahin noch garnicht aufgefallen, da ich zur Zeit einen Blaufilter im Filterhalter habe und nicht mehr den Polfilter, den ich sonst routinemäßig immer mal wieder eingedreht habe. Sie sind jedoch vorhanden, aber nicht angefärbt, fallen also als Erklärung auch bei mir aus.

Schlunz von Resten des Zellkörpers habe ich auch ab und an in den Präparaten und er ist bei den Wacker Färbungen meistens rot eingefärbt:

Bild 13: Schlunz in den Zelle - Sprossquerschnitt vom Eidechsenschwanz, Vergrößerung 200x, Stapel aus 26 Bildern

Hier sind es jedoch nicht die Tracheen, sondern Sklerenchymzellen des Sklerenchymrings bzw. der Leitbündelscheide und man kann recht deutlich erkennen, dass es sich um Reste der "Zellinnereien" handelt (Auf der nicht angefärbten Zellmembran sitzen die bekannten roten Strukturen ...) Für die Sklerenchymzellen gilt m.E. ja das gleiche, was Du zur Ausdifferenzierung der Tracheen gesagt hast.

Bild 14a/b/c: Das gleiche Objekt in einer Aufnahme von Holger Adelmann, b und c Ausschnitte aus 14a in Originalauflösung:




In Bild 14b erkennt man, dass auch zwei Siebröhren betroffen sind.

Hier noch mal ein Bild vom Hopfen:
Bild 15a/b: Tracheen aus dem Spross mit "Schlunz", Bild 15b mit Beschriftung, Vergrößerung 400x, Stapel aus 12 Bildern


Tx    : Tracheen
Xl     : Xylem
PXl   : Protoxylem
MS    : Markstrahl
ZK    : Zellkern
AmP : Amyloplasten

Der Schlunz ist übrigens im Gegensatz zu den Zellwänden der Tracheen nicht doppelbrechend und somit kein Zellwandbestandteil, da er aus einem anderen Material bestehen muss.

Interessant finde ich, dass von den drei annähernd gleich alten Tracheen (T1 bis T3) aus der alten Lage gleich vor dem Protoxylem zwei sauber sind, während die dritte den Schlunz zeigt.
Noch interessanter: die ältere Trachee T4 ist in der gezeigten Gruppe die mit Abstand am stärksten befallene - hier ist das gesamte Lumen verschlunzt.
Wenn es sich um einen Abbauprozess handelt, sollte der nicht bei den älteren Tracheen weiter fortgeschritten sein, als bei den jüngeren? Und wir sind hier bei den ältesten Tracheen - bei den jüngeren Tracheen weiter außen (von denen z.B. die Bilder 10 bis 12 stammen) gibt es aber auch sowohl freie als auch verschlunzte Exemplare.

Du schreibst salopp, dass die Reste des Cytoplasmas in der Trachee langsam vergammeln. Ist das eventuell ein Zersetzungsprozess, an dem Mikroorganismen beteiligt sind? Die könnten sich im stetigen Wasserstrom einer Trachee ganz wohl fühlen. Dann in den völlig verstopften Tracheen vielleicht zu wohl?

Ich hoffe, ich nerve nicht mit meinen hartnäckigen Fragen, aber der "Schlunz" hat mich doch sehr neugierig gemacht.

Ich habe übrigens noch zwei Präparate mit den fraglichen Strukturen. Wenn Du magst, kann ich Dir eines schicken, dann kannst Du selbst mal schauen, wie das bei mir aussieht.

Und lieber Holger, hättest Du Lust, noch mal ein so schön hochauflösendes Bild vom Hopfen zu machen, wie seinerzeit beim Eidechsenschwanz?  

Allen Herzliche Grüße
Jörg
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Holger Adelmann

Lieber Jörg & Detlev,
na das wird ja ein spannendes Thema um diese ominösen Füllungen.
Gerne mache ich ein paar hochaufgelöste Fotos vom Hopfen Jörg  ;)

Herzliche Grüsse
Holger


HDD

#19
Hallo Jörg; Hallo Detlef

Das ist ja ein hoch interessantes Thema mit Super Aufnahmen. Die verständlichen Erläuterungen von Detlef runden das Ganze noch ab.
Holger: Das wird wirklich noch spannend!

Vielen Dank für diesen Beitrag.

Herzliche Grüße

Horst-Dieter

Rolf-Dieter Müller

Zitat von: Holger Adelmann in Juli 31, 2011, 00:46:30 VORMITTAG
...
Gerne mache ich ein paar hochaufgelöste Fotos
...

Lieber Holger,

irgendwie scheint mir da etwas entgangen zu sein, wirklich beeindruckend Deine Fotos.

Was mich interessieren würde, mit welchem Objektiv hast Du Deine Aufnahmen gemacht?

Viele Mikrogrüße
Rolf-Dieter

Jan Kros

Lieber Jörg und Detlef

Auch ich möchte mal reagieren auf diesen interessanten Thema
Ich habe alles ausgedruckt und will alles nochmal in Ruhe nachlesen.
Soviele Informationen habe ich seit längere Zeit gelesen.
Und ann auch noch diese wunderschöne Bilder.
Ich geniesse immer wieder und es ist eine Anregung für mich auch weiter zu machen in der Botanik
Herzlichen Gruss
Jan

Holger Adelmann

Liebe Kollegen,

Jörg ist gerade bei mir und wir haben den Hopfen nochmals abfotografiert (Leitz Orthoplan, PL APO 63/1.40, Moticam 2300, CombineZ5, NeatImage, ImagePro Plus).

Bild 1 zeigt nochmals zwei Tracheen die mit den undefinierten Massen gefüllt sind.
Interessant ist die unterschiedliche Anfärbung sowie Struktur der Massen in den verschiedenen Tracheen (Einzelebene!).


Bild 2 und 3 zeigen die schon von Jörg gepostete Stelle im Präparat (Ausschnitt von Bild 15a/b) mit dem gleichen Befund wie Bild 1.
Die Bilder sind jeweils mit unterschiedlich grossen Stapeln gerechnet.




Ausser Konkurrenz sozusagen zeigen wir euch hier noch eine Siebplatte (Bild 4) und ein Fasernest im Querschnitt (Bild 5).




Herzliche Grüsse
Jörg & Holger





Detlef Kramer

Lieber Rolf-Dieter,

Du schriebst:
ZitatWas mich interessieren würde, mit welchem Objektiv hast Du Deine Aufnahmen gemacht?
Zu diesem Zeitpunkt hatte Holger noch nichts gebracht, daher die Vermutung, Du meintest mich. Falls dem so sein sollte: es war ein Zeiss Planapo 25 x kombiniert mit Uralt-DIC und einem KPL-Brille und Optovar 1,25. Wobei ich überzeugt bin, dass ein Planachromat 40 x das gleiche gebracht hätte.

Herzliche Grüße

Detlef
Dr. Detlef Kramer, gerne per DU

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Mila

Lieber Jörg, lieber Holger,

nur ganz kurz: was für wahnsinns Bilder!

Herzliche Grüße
Mila

Fahrenheit

#25
Liebe Mila,

Du hättest erstmal sehen sollen, wie die Präparate unter dem Orthoplan aussahen! Das 63er Plan Apo ist ein wirklich exzellentes Objektiv. Mir kommen jedesmal die Tränen, wenn ich an Holgers Mikroskopen sitze.  ;D

Es wäre schön, wenn Du noch Dein Bild von den Thyllen einstellen könntest - zum einen, weil die sehr interessant ist und zum anderen, um noch mal deutlich zu zeigen, dass die Einwachsungen in den Tracheen keine Thyllen sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

vielleicht hat ja jemand auf Basis der neuen Bilder eine neue Idee, um was es sich da handeln könnte bzw. kann eine der hier vorgestellten Ideen unterstützen?
Interessant ist vielleicht, dass sich die Masse auch in beliebigen anderen Zellen findet (wenn auch nicht so massiv wie in den Tracheen). Z.B. rot in der Parenchymzelle am rechten Rand (im Bereich der Spiegelung ...) von Bild 4 in Holgers Antwort und auch zwei Zellen weiter links eher gelborange - dort könnte der ebenfalls sichtbare Ring einen Rest der Zellmembran darstellen, an dem sich die Masse abgelagert hat.
Allerdings war das ja bis zur Fixierung eine lebendige Zelle. Es könnte nun also Zellplasma sein, das sich im Laufe der Präparation an der Membran niedergeschlagen hat  - was Detlefs Interpretation stützen würde. Aber warum so massiv in einigen Tracheen?

Bild 16: Hier noch eine Aufnahme aus der gemeinsamen Session bei Holger, die die "Masse" in anderen Zelltypen zeigt (Einzelaufnahme mit Fokus auf das Zellinnere der relevanten Zellen):


Lieber Jan,

danke für Dein großes Lob, das ich mir gerne mit den anderen Schreibern teile. Mir geht es genau so: durch die Diskussionen - nicht nur in den Botanik-Threads - habe ich hier schon jede Menge gelernt.

Allen herzliche Grüße
Jörg
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Fahrenheit

#26
Lieber Horst-Dieter,

sorry, ich hatte Dein Posting eben leider übersehen.  :-[

Gerne, nichts zu danken! Ich danke meinerseits allen, die sich hier an der Diskussion beteiligen.

Herzliche Grüße
Jörg

Sorry, falsche Anrede korrigiert - ich glaub' ich brauch Schlaf ...  :-[
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Mila

Lieber Jörg,

hier zwei "Thyllen-Bildchen" :)

aus "Anatomie der Samenpflanzen", Stahl-Biskup/Reichling:



und aus "Botanik", Lüttge/Kluge/Thiel:




Herzliche Grüße
Mila

Fahrenheit

Liebe Mila,

vielen Dank fürs Einstellen der Bilder zu den Thyllen. Jetzt ist auch im bildlichen Vergleich klar, um was es sich bei den Einlagerungen sicher nicht handelt.

Da war ich beim Vergleich meiner Präparate mit den Schnittbildern vom Hopfenspross in "Atlas of Stem Anatomy in Herbs, Shrubs and Trees" (Springer 2011, Schweingruber/Börner/Schulze)
zu voreilig.
;)

Herzliche Grüße
Jörg
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Rawfoto

Lieber Joerg, lieber Holger

Verstehe ich das richtig, Ihr habt das gleicht Objekt fotografiert?!? Wie kommt Ihr da zu den doch recht grossen Unterschieden ... Das wuerde mich sehr interessieren ...

Liebe Gruesse :-)

Gerhard
Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...