Liebe Pflanzenfreunde,
auf dem Zuweg zu unserem Ferienhaus auf der Insel Römö zeigt der Rainfarn im Sommer seine schönen gelben Blüten und da ich diesesmal eine kleine Ausrüstung zum Pflanzenschnibbeln und Mikroskopieren mitnehmen durfte, habe ich ihn mir einmal näher angesehen. Die Ergebnisse stelle ich hier gerne vor.
Der Rainfarn oder das Wurmkraut (Tanacetum vulgare, Syn.: Chrysanthemum vulgare (L.) Bernh.) ist ein Korbblütler(Familie Asteraceae), dessen Blütenstände nur aus zwitterigen Röhrenblüten bestehen. Diese erblühen von außen nach innen und dabei wölbt sich der zunächst flache Boden des Blütenstandes etwas auf,so dass er zunächst wie ein flacher gelber Teller aussieht - später aber einem halbrunden Knopf gleicht.
Er gehört zu den sogenannten Kompasspflanzen, die ihre Blätter bei vollem Sonneneinfall genau senkrecht nach Süden ausrichten. Heimisch ist der Rainfarn in ganz Europa, als Neophyt findet er sich aber auch in den gemäßigten Zonen anderer Erdteile. Er liebt sonnige, nicht zu trockene Standorte mit nährstoffreichen humosen Böden.
Bild 1: Rainfarn am Wegesrand

Tanacetum vulgare ist eine ausdauernde, krautige Pflanze, die sich über ihr Rhizom stark ausbreitet und an geeigneten Standorten in großen Gruppen steht. Die wechselständigen, stark gefiederten Laubblätter verströmen einen charakteristischen Duft. Dabei sind die unteren Blätter gestielt, während die oberen am Stängel ansitzen.
Von Juni bis September blüht er in großen goldgelben doldenförmigen Blütenständen, wobei jede einzelne der Korbblüten eine gut dreistellige Anzahl kleiner Röhrenblüten trägt. Die glatten Hüllblätter der etwa einen Zentimeter durchmessenden Korbblüte sind um 4 mm lang und 2 mm breit, Spreublätter sind nicht vorhanden.
Die Samen des Rainfarn sind ca. 1 mm lange Archänen. Diese sind fünfrippig und glatt und tragen in der Regel keinen ausgeprägten Pappus sondern einen krönchenförmigen Saum, wie er auch auf der Illustration (Bild 3) gut zu erkennen ist.
Bild 2: Korbblüten des Rainfarns aus der Nähe

Der starke Duft weist auf eine Reihe von ätherischen Ölen hin, die in den Pflanzenteilen des Rainfarns (hauptsächlich in den Blättern) enthalten sind. Neben einigen Bitterstoffen kommen z.B. Kampfer, Borneol und Thujon vor.
Der Name Wurmkraut weist auf die Verwendung als Heilmittel bei Wurmbefall hin. Allerdings besteht bei der innerlichen Anwendung bereits bei relativ kleinen Mengen - je nach Konstitution schon ab einem Gramm Frischmaterial - Vergiftungsgefahr, so dass die Pflanze heute nicht mehr arzeneilich genutzt wird. Weiterhin dienten Waschungen mit dem Sud der Rainfarnblätter dazu, Ungeziefer wie z.B. Kopfläuse zu vertreiben.
Mit einer Alaunbeize ergeben die Blütenstände des Rainfarns eine dunkelgelbe Farbe. Etwas aufwändiger ist die Grünfärbung, die nach einer Vorbeize mit Alaun und dem eigentlichen Färbebad noch einer Nachbeize mit Eisensulfat und einer Entwicklung mit Ammoniak bedarf.
Bild 3: wie immer darf auch hier eine der schönen Illustrationen von Prof. Dr. Otto Wilhelm Thomés "Flora von Deutschland, Österreich und der Schweiz" (1885, Gera, Quelle
http://www.biolib.de, Public Domain) nicht fehlen.
Zur PräparationEine erste Charge Sprossstücke habe ich direkt "vor Ort" mit dem Rasierklingenmikrotom geschnitten (
Eine Anleitung gibt es hier) und die Schnitte in AFE fixiert. Dabei fehlt mir wohl noch ein wenig Übung, da nur jeder 2. oder 3. Schnitt brauchbar war und die Schnittdicke ziemlich variert (um 40 µm).
Die Färbung erfolgte mit Etzold Grün nach Brügmann (Einwirkdauer der unverdünnten Lösung ca. 7 Minuten mit einem einmaligen Erwärmen auf etwa 70°C).
Die Schnitte habe ich dann direkt nach der letzten Spülung in Aqua dest. mit meinem kleinen Leitz HM betrachtet und auch fotografiert. Wohl wegen der Spiegelbeleuchtung ergibt sich - wie unten zu sehen ist - eine ganz eigene Farbwirkung.
Bild 4: das Leitz HM mit aufgesetzter Kamera

Im Urlaub darf man bei der Standortwahl nicht all zu zimperlich sein ....

Die so gefärbten Schnitte wurden in Isopropanol entwässert und in einer entsprechend großen Menge reinem Isopropanol aufbewahrt, um sie anschließend zu hause in Euparal einzudecken.
Weitere Schnitte habe ich mit dem Zylindermikrotom und Leica Einmalklingen im Halter erstellt, hier waren beim Schneiden des Frischmaterials Schnittdicken von 30 µm erreichbar. Nach der Fixierung in AFE habe ich die Schnitte in eine 1:1 Mischung von AFE und Ethanol 70% überführt und nach dem Urlaub zu hause nach Wacker W3A (serielle Dreifachfärbung,
ein Arbeitsblatt kann hier heruntergeladen werden) gefärbt und in Euparal eingeschlossen.
Somit stehen im Folgenden neben einer Aufnahme des fixierten, aber ungefärbten Materials Bilder von zwei Färbungen an zwei Mikroskopen zur Verfügung.
Die Bilder Zunächst der ungefärbte (aber bereits fixierte) Schnitt:
Bild 5a/b: Querschnitt durch eines der Hauptleitbündel des Rainfarnsprosses und der angrenzenden Gewebe, Bild 5b mit Beschriftung. Vergrößerung 200x, Stapel aus 12 Bildern.


Cu : Cuticula
EP : Epidermis
KKol : Kantenkollenchym
RP : Rindenparenchym
SKL : Sklerenchym (-kappe)
Pl : Phloem
Ca : Cambium
Xl : Xylem
T : Trachee
PXl : Protoxylem
MP : Markparenchym
Die Zelllage direkt außerhalb (links) der Sklerenchymkappe unterscheidet sich deutlich von den Zellen des darauffolgenden Grundgewebes, hier könnte eine Stärkescheide vorliegen. Wohl durch die lange Lagerung der Schnitte finden sich jedoch kaum noch Amyloplasten darin - somit bin ich mir meiner Deutung nicht sicher.
Nun die Aufnahmen der frisch gefärbten Schnitt ein Wasser mit dem Leitz HM. Da das kleine Gerät nur über einfache Achromate verfügt und nur Einzelaufnahmen vorliegen, fällt die Schärfe zum Rand hin prinzipbedingt ab. Die Aufnahmen wurden mit Spiegelbeleuchtung und Tageslicht gemacht.
Bild 6: Ausschnitt aus dem Spross mit Leitbündeln, Färbung Etzold grün, Vergrößerung 100x, Einzelaufnahme

Bild 7: Xylem, Protoxylem und Sklerenchym, Färbung Etzold grün, Vergrößerung 450x, Einzelaufnahme
Während der Lagerung im Isopropanol ist das Fuchsin ein wenig ausgeblutet, die Schnitte waren aber noch gut brauchbar. Interessant ist die völlig andere Farbwirkung der Etzold-Färbung nach Einschluss in Euparal und natürlich auch auf dem "großen" DME mit Halogenbeleuchtung.
Bild 8: Ein ähnlicher Ausschnitt wie Bild 6, allerdings bei nur 50-facher Vergrößerung. Stapel aus 11 Bildern.

Bild 9a/b: Querschnitt durch eines der Hauptleitbündel des Rainfarnsprosses und der angrenzenden Gewebe, Bild 9b mit Beschriftung. Vergrößerung 100x, Stapel aus 8 Bildern


Bezeichnungen wie bei der Aufnahme 5b.
Bild 10: Ein ähnlicher Ausschnitt wie Bild 7, Vergrößerung 400x, Stapel aus 5 Bildern.

Zum Schluss nun die nach Wacker W3A gefärbten Schnitte. Im direkten Vergleich zeigt sich wieder, dass Robin Wackers Farbkombination viele Details doch etwas differenzierter darstellen kann, als das Etzold Grün.
Bild 11a/b: Wieder die Übersicht, Bild 11b mit Beschriftung. Vergrößerung 50x, Stapel aus 11 Bildern


Bezeichnungen soweit abgekürzt wie bei der Aufnahme 5b.
Bild 12a/b: Eines der Hauptleitbündel, ähnlicher Ausschnitt wie in den Bildern 5 und 9, Bild 12b mit Beschriftung. Vergrößerung 200x, Stapel aus 10 Bildern


Bezeichnungen wie bei der Aufnahme 5b.
Bild 13: Verwachsene Nebenleitbündel und umgebende Gewebe, Vergrößerung 100x, Stapel aus 5 Bildern

Bild 14: Sklerenchymkappe und Phloem eines Nebenleitbündels, Vergrößerung 200x, Stapel aus 3 Bildern

Interessant hier, dass Strahlen sklerifizierter Zellen in das Phloem hineinragen. Die großen Siebröhren lassen sich schön von den kleineren Geleitzellen unterscheiden.
Bild 15: Wiederum Xylem, Protoxylem und Sklerenchym, nur im Wacker W3A - Gewand, Vergrößerung 400x, Stapel aus 7 Bildern

Bild 16: Epidermis und Rindenparenchym, Vergrößerung 400x, Stapel aus 6 Bildern

In der Epidermis sitzt eine erhabene Spaltöffnung (Stoma). In den Zellen des Rindenparenchyms erkennt man rot angefärbt Reste der Chloroplasten und des Zellkerns, funktionell handelt es sich also um ein Assimilationsparenchym.
Bild 17: Stoma in der Aufsicht, Vergrößerung 200x, Stapel aus 11 Bildern

Ein etwas unsauberer Schnitt ermöglicht hier den Blick auf einige Spaltöffnungen. Diese sind ca. 30 µm lang und 20 µm breit. Eine einzelne Schließzelle hat mittig eine Dicke von ca. 8µm. Schön ist auch die Struktur der Cuticula zu erkennen, die durch eine entsprechende Oberfläche der Zellwände der Epidermiszellen gestützt wird (im Querschnitt schön zu sehen auf Bild 16 links oben).
Vielen Dank fürs Betrachten! Anregung und Kritik sind wie immer willkommen.
Herzliche Grüße
Jörg
Edit: Anpassungen zum Kantenkollenchym gemäß des Hinweises von Detlef (Vielen Dank!).