Hauptmenü

Das Leitz MBLM

Begonnen von ortholux, März 16, 2012, 00:08:07 VORMITTAG

Vorheriges Thema - Nächstes Thema

ortholux

Liebe Kollegen,

heute möchte ich ein besonderes Gerät aus dem Hause Leitz vorstellen. Das Monokular-Binokulare Laboratoriumsmikroskop, kurz MBLM.



Warum ist dieses Gerät etwas Besonderes? Es war weltweit das erste Mikroskop mit eingebauter Beleuchtung. 1932, noch ein Jahr bevor das Panphot auf den Markt kam, wurde dieses Mikroskop vorgestellt.

Angelehnt an die großen Hufeisenstative, erhielt es ein klassisches Design - mit einer Ausnahme. Das Stativ wurde um 180° gedreht, so daß die Öffnung des Fußes zum Betrachter zeigt. Die Beleuchtung wird durch den Fuß geführt. Eine Rohrkonstruktion mit zwei Kollektorlinsen schirmt das Beleuchtungslicht ab und bündelt es auf den Kondensor. Das Stativ sieht etwas zu groß geraten aus. Ohne diese Baugröße wäre es aber nicht möglich einen ausreichend großen Beleuchtungsquerschnitt durch den Fuß zu führen und das große Lampenhaus unterzubringen. Stative mit T-Fuß kamen erst ca. 4 Jahre später. Befestigt wird dieses Lampenhaus mit einem nicht enden wollendenden Feingewinde. Der Sinn dieser Konstruktion erschließt sich mir nicht, hätte doch auch eine einfache zylindrische Aufnahme, wie später beim Ortholux, genügt.









Fest montiert ist der Systemkondensor (mittlerer Beleuchtugsapparat "b"), der auch in den Polarisationsmikroskopen zum Einsatz kam.





Hier allerdings in abgespeckter Version als zweilinsiger Zweiblendenkondensor.

Wenn auch in manchen Schriften von wechselbaren Tischen die Rede ist, so ist dieser doch fest montiert. Wohl war das MBLM aber mit unterschiedlichen Tischen zu bestellen.


Danke an Gregor Overney, der mir diese Anzeige zukommen lies.

Auswechselbar waren Revolver und Tuben. Standardmäßig wurde das MBLM mit 3-fach-Revolver ausgliefert. Durch die Kompatibilität zu Stativ A und B, als auch zum Universal-Mikroskop (amerikanisch "UNMIC") war allerdings eine gewisse Anzahl von Zangenwechslern, Opakilluminatoren, Ultropak und Durchlichtrevolvern erhältlich. Die entsprechende Schwalbenschwanzführung überlebte bis in 70er Jahre am Ortholux und Panphot 2.



Anfangs gab es einen Fototubus mit 170 mm mechnischer Tubuslänge, später kam der längere Phototubus des Panphot zum Einsatz (dann mit Tubuslinse).



Alles in allem stellt sich die Frage nach der Ernsthaftigkeit, mit der dieses Mikroskop eingeführt wurde. Es sieht nach einer ersten Annäherung an ein universelles Gerät mit eingebauter Beleuchtung aus. Das seit Jahren vertriebene Universalmikroskop hatte bereits wechselbare Tische. Der Beleuchtungsapparat des MBLM war nur als einfacher zweilinsiger Kondensor ausgeführt (es gab diesen als Beleuchtungsapparat "a" und "aa" bereits als 5-linsige Ausführung). Die Genauigkeit des Feintriebs war bei Universalmik. und Stativ A 0,001 mm, während es beim MBLM nur 0,002 mm waren.



Es wurde ferner in keiner Beschreibung die Universalität erwähnt. Lediglich die Wechselmöglichkeit der Tuben. Ab ca. 1937 wurde das MBLM in Katalogen nur noch als Zeichen- und Projektionsmikroskop geführt, ca. 1938 verschwand es dann aus dem Programm. Das offiziell 1937 eingeführte Ortholux und das parallel erscheinende Dialux https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=9020.msg63582#msg63582 machten dieses bemerkenwerte Schätzchen überflüssig.

Manchmal wird das MBLM als Vorgänger des Ortholux gehandelt. Ich sehe es eher als Urahn aller großen Leitz-Mikroskope mit T-Fuß (Ortholux, Dialux, Laborlux). Am ehesten kann das oben erwähnte Dialux als direkter Nachfolger gelten.

Hier noch ein Größenvergleich:



Viel Vergnügen!
Wolfgang




TPL

#1
Lieber Wolfgang,
vielen Dank für diesen hervorragend bebilderten Einblick in ein faszinierendes Stück Technikgeschichte. Ich habe das sehr genossen!
Verblüffend, welche Weitsicht es in dieser frühen Zeit bei Leitz schon gab und welche konstruktiven Altlasten dennoch durchgezogen wurden. Das unglaublich lange Feingewinde der Beleuchtung ist eventuell ein (etwas skurriler) Kompromiss an eine präzise Justage der Leuchte?

Macht man sich einmal die geschichtlichen Umstände klar, dann wurde dieses wegweisende Gerät wohl gerade in einer wirtschaftlich äußerst kritischen Zeit erdacht. Ganz schön mutig von Leitz, mit einer solchen Neukonstruktion (und noch weiteren!) Anfang der 1930er Jahre auf den Markt zu drängen.

Ich finde solche Darstellungen - weit über ihren technischen Reiz hinaus - sehr berührend, da sie auch eine gerade dahinschwindende menschliche Erfahrung dokumentieren.

Danke für's Zeigen und einen herzlichen Gruß,
Thomas

Florian Stellmacher

Lieber Wolfgang,

ich will auch so eins!!!

Herzliche Grüße,
Florian
Vorwiegende Arbeitsmikroskope:
Zeiss Axioskop 2
Olympus BHS (DL, Pol, Multidiskussionseinrichtung)
Zeiss Axiophot (DIK und AL-Fluoreszenz)
Zeiss Axiovert (Fluoreszenz)
Wild M400 Fotomakroskop (DL, DF, AL, Pol)

Holger Adelmann

Unglaublich, Wolfgang, hab ich noch nie gesehen.
Den Zylinder hinten konnte man bestimmt auch mit Kohle befeuern - da ist oben eine Klappe  ;D

Vielen Dank für's zeigen.
Holger

Peter V.

Zitat von: Holger Adelmann in März 16, 2012, 20:53:51 NACHMITTAGS
Unglaublich, Wolfgang, hab ich noch nie gesehen.
Den Zylinder hinten konnte man bestimmt auch mit Kohle befeuern - da ist oben eine Klappe  ;D

Vielen Dank für's zeigen.
Holger

Hallo,

so ähnlich war auch meine erste Assoziation, irgedwie erinnert das Lichtaustrittsrohr an einem Art Auspuff, den man sich gut rhythmisch rußigen Rauch ausstoßend vorstellen könnte.
Gesehn habe ich dieses Teil auch noch nie - wo Du nur so etwas immer "austöberst! !?

Herzliche Grüße
Peter
Dieses Posting ist frei von kultureller Aneigung, vegan und wurde CO2-frei erstellt. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

ortholux

#5
Zitat von: Holger Adelmann in März 16, 2012, 20:53:51 NACHMITTAGS
Den Zylinder hinten konnte man bestimmt auch mit Kohle befeuern - da ist oben eine Klappe  ;D

Daher der Begriff "Kohlemikroskopie" oder auch "Heizmikroskop" genannt.

Viele Grüße

Florian Stellmacher

Nochmal nach oben für Wolfgang.
Vorwiegende Arbeitsmikroskope:
Zeiss Axioskop 2
Olympus BHS (DL, Pol, Multidiskussionseinrichtung)
Zeiss Axiophot (DIK und AL-Fluoreszenz)
Zeiss Axiovert (Fluoreszenz)
Wild M400 Fotomakroskop (DL, DF, AL, Pol)

ortholux

#7
Liebe Kollegen,

weil danach gefragt wurde, möchte ich gerne noch meine mittlerweile ergänzten Informationen zum MBLM nachtragen.

Zwei Katalogeinträge von 1937 und 1938





Das MBLM wurde am Ende seiner Laufzeit als Projektionsmikroskop gehandelt. Vielleicht um den Restbeständen neben dem nun erschienen Ortholux noch eine Bedeutung zu geben.





Solch ein Projektionsschirm wurde auch am Ortholux probiert, in Serie ging er nie.



Zum Schluß noch eine besondere Ausführung. Ein petrographisches (oder Erz-/ oder Metall) Vergleichsmikroskop.



Sollte das mal irgendwo auftauchen, wäre ich interessiert.

Viel Spaß
Wolfgang

Udo Maerz

Hallo Wolfgang,

das Vergleichsmikroskop ist ja der Hammer. Man beachte die vielen Justagemöglichkeiten. Das damalige Motto bei Leitz muss wohl gewesen sein: geht nicht --> gibt's nicht

Toller Beitrag - wie immer

herzliche Grüße
Udo

ortholux

Ja, das ist der Hammer.

Sicher ein Einzelanfertigung. Und wenn man genau hinsieht, dann erkennt man, daß das eigentliche Stativ kein MBLM ist, sondern nur so aussieht. Es fehlt die große Öffnung am Rücken, in welche die Beleuchtung gesteckt wurde. Also sogar noch eine eigene Gußform.

Leitz eben.....

Boguslaw

Guten Morgen
Ich habe ein Angebot zum Kauf dieses Mikroskops erhalten.
Es ist wahrscheinlich das Leitz MBLM
Welches Modell und ab welchem ​​Jahr?
Danke.

Boguslaw

...

Florian Stellmacher

Hallo Boguslaw,

die Seriennummer deutet auf das Jahr 1939 hin.

Viele Grüße,
Florian
Vorwiegende Arbeitsmikroskope:
Zeiss Axioskop 2
Olympus BHS (DL, Pol, Multidiskussionseinrichtung)
Zeiss Axiophot (DIK und AL-Fluoreszenz)
Zeiss Axiovert (Fluoreszenz)
Wild M400 Fotomakroskop (DL, DF, AL, Pol)

Boguslaw

Florian, vielen Dank!
Was könnte sein Preis sein?
Ich muss online kaufen. Ich werde ihn nicht physisch sehen :-(
Beleuchtung funktioniert.
Was ist seine praktische Eignung für die Beobachtung (Mykologie)?
Ich arbeite täglich bei PZO Biolar und Zeiss Lumpian.
Ich sammle auch ältere PZO-Mikroskope, Zeiss, Lomo und andere.

ortholux

Lieber Boguslaw,


der Wert einer Sache bemisst sich immer daran, wieviel jemand bereit ist dafür zu zahlen.

Würde hier jemand eine Schätzung abgeben, dann würde der Verkäufer, der diesen Beitrag vielleicht auch liest, sich an dieser Schätzung orientieren. Auch wenn sie völlig überzogen ist. Deshalb ist es hier nicht üblich und auch nicht gewollt, öffentlich Preisschätzungen vorzunehmen.

Wolfgang