Diskussion zur Chemikalienbeschaffung und Gefahrstoffen in der Mikroskopie

Begonnen von Segu, August 07, 2009, 17:57:47 NACHMITTAGS

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Segu

Hallo zusammen

langsam blicke ich nicht mehr durch.

Bei Diagonalshop habe ich diverse Reagenzien bestellt, die lt. Ihren eigenen Definitionen problemlos an Private abgegeben werden können.

Gestern habe ich dann folgendes von Ihnen geschriben bekommen:

....Guten Tag,

wie aus unseren Allgemeinen  Verkaufs- und Lieferbedingungen hervorgeht sind wir ein Laborgrosshandel, so dass die Belieferung von Privatpersonen ausgeschlossen ist.

Aus diesem Grunde koennen wir Ihnen die bestellten Produkte leider nicht liefern.


Mit freundlichen Gruessen....

In diesen angesprochenen AGB's finde ich nur folgende Passage:

...Lieferbedingungen
Chemikalien/Drogen- Vorschriften:
Produkte, die einer dieser Vorschriften unterliegen, werden nur gegen Genehmigung und Verwendungsnachweis und nicht an Privatpersonen geliefert. Bitte bestellen Sie diese über eine Apotheke Ihres Vertrauens...

Jetzt soll mir noch einer erklären, warum man mir das nicht liefern kann?

Haben andere auch solche Erfahrungen gemacht?

Das Beste ist ja, sie machen in zahlreichen Fach-Büchern noch Werbung für ihre Firma und wollen dann nichts verkaufen???

z.B Mikrobiologische Methoden Seite 382, oder Das grosse Kosmos-Buch der Mikroskopie (zweifelsfrei ein nicht nur für den Profi bestimmtes Buch, sondern für Leute wie wir es sind), auf Seite 308.


mit freundlichen Grüssen

Michel Siegrist

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Dieter Friedrich

Tja, so ist das eben in den letzten Jahre und soll ich ihnen was sagen? Es wird sogar noch schlimmer, aber hier werde ich warscheinlich dafuer nur belaechelt und wieder als paranoid hingestellt...

Letztens erst mit einigen Haendlern beruflich gesprochen, da geht mittlerweile die Angst um, weil nach Einfuehrung bestimmter Gummiparagraphen ein Haendler mit Strafen im 5-6 Stelligen Eurobereich rechnen muss, wenn herauskommt dass ein Kunde mit den 10 g Kaliumchlorat einen Boeller gebaut hat (oder es vor hatte). Denn der Haendler haette ja Dank seiner Glaskugel solche Dinge zumindest als Moeglichkeit vorhersehen muessen....

Naja lange mach ichs hier nichtmehr, 15 Jahre hab noch und dann gehts zum Ruhestand in die USA, soll der Staat hier doch verrecken mit seiner Praeventivpolitik und seinem Gutmenschentum und seiner achso gelobten Toleranz und Reglementierungswut....

Peter V.

#2
Hallo Michel,

ich glaube, daß es sich dieses Mal nicht um das Problem "Chemikaliengesetz" handelt, sondern um die Tatsache, dass vermutlich Chroma / Diagonal / Waldeck  ( das ist wohl alles ein "Verein" ) generell nicht mehr an Privatperonen liefern möchte. Die Gründe dafür mögen vielfältig sein, der Hauptgrund ist vermutlich, daß man sich einfach nicht mit "Kleinkram" abgeben möchte. Ich vermute - wie gesagt, es ist auch nur eine Vemutung - dass es zudem den Grund hat, dass ein gewerblicher Käufer erheblich weniger Rechte hat als ein privater Endverbraucher, was dem Verkäufer viele Probleme ( Rücknahme, Gewährleistungsansprüche ) erspart ( Aus diesem Greund bieten übrigens auch manche ebay-Händler selbst gebrauchte Artikel nur zum "Verkauf an Gewerblich" an, um sich damit aus der Haftung zu stehlen. So z.B. hier: Artikel Nr. 390006623175 ).
Von einem Laborgroßhandel können Sie insofern auch eine Spritzflasche nicht als Privatperson erwerben!
Das ist natürlich sehr betrüblich und äußerst problematisch für all Jene, die hobbymäßig Dinge aus dem Laborfachhandel benötigen, den es nämlich mittlereile fast ausschließlich als "Großhandel" bzw. als "nur an Gewerbliche liefernden" Handel und nicht als Einzelhandel, der auch an private "Endkunden" (igittigitt! ) verkauft.

Was hilft? Man kann nur raten, sich an "irgendwen" im Bekanntenkreis zu wenden, der die Möglichkeit hat, bei solchen Quellen zu bestellen.

Auf einem anderen Blatt stehen die Probleme der Chemikalienbeschaffung. Gestern besuchte ich den Apotheker meines Vertrauens und wollte etwas Glycerin erwerben. "Muß ich Dir bestellen" sagte er. ich fragte erstaunt, ob der denn banales Glycerin nicht vorrätig habe...hätte ich mal besser nicht getan  ;D Ein Kanon des Lamentierens und Klagens über mittlerweile unertärglich gewordene Vorschriften überschwappte mich. Er habe mittlerweile keinerlei Chemikalien ( außer den Testreagentien, zu deren Bevorratung er verpflichtet sei ) mehr vorrätig, unabhängig davon, ob "harmlos" oder nicht. Er berichtete mir von erforderlicher umfangreicher Buchführung des Ein- und Ausgangs, der Lagerung, notwendigen Tests, ob in der gelieferten Ware vom Großhandel tatsächlich das sei, was darauf deklariert sei, Beachten von Verfalldaten für parisch "Alles" ( wann "verfällt" wohl Glycerin? ), von Kontrollen durch den Amtsampotheker, ständigen neue Vorschriften bezüglich der Bevorratung von neuen Gefahrensymbolaufklebern, Etiketten und und und....und das nicht nur für "toxische" Substanzen. das gelte selbst für eine Flasche Brennspiritus......oder Glycerin!
Er habe deshlab praktisch alle Chemikalien von Kurzem entsorgt und bestelle nur noch geringe Mengen im Großhandel, wenn diese explizit vom Kunden angefordert und komplett abgenommen würden. Sprachs und zeigte mir einen riesigen Keller mit Hunderten leerer Apothekerflaschen......
Die Bürokratie bringe ihn noch um, meinte er mit einem verzweifelten Gesichtsausdruck.

Ein anderer Apotheker teilte mir mit, daß selbst er - als Apoptheker - nicht mehr im Großhandel bestimmte Chemikalien bekäme, ohne dafür gleich den Endverbleibnachweis zu liefern und zeigte sich erstaunt, daß der Großhandel und die Gesetzgeber selbst der Apothekerzunft offenbar nicht mehr "trauen".

Das erklärt sicher auch, warum der normale Apotheker dem "anonymen" Kunden keine Chemikalien mehr beschafft und verkauft. Warum sollte er das alles auf sich nehmen??? Da würde ich persönlich vermutlich auch eher sagen "Ham we nich, kriejen we nicht, kommt auch nich wieder rein"  ;D
Aber dieses Thema wurde ja schon oft durchdekliniert, da helfen eben nur langfristige vertrauensbildende Maßnahmen.

Als ich letztens bei Chroma ein paar Farben bestellt habe, erhielt ich zwei Tage später einen dicken Umschlag mit umfangreichen Sicherheitsdatenblättern zu jedem Fläschchen, und fast jede Chemikalie ( obgleich in einer Bestellung aufgegeben ) kam in einem eignen Karton; wahrscheinlich auch aus dem Grund, weil es wieder irgendwelche Vorschriften gibt, nach denen Chemikalien nicht zusammen verpackt werden dürfen....

@ Herrn Friederich: Man kann jetzt trefflich streiten ( aber wir lassen das mal, da völlig o.T. ) - aber ob in den "Staaten" alles "besser" ist? Ehrlich gesagt, lebe ich letztlich doch lieber mit zu strengen Chemikaliengesetzen ( wenn auch manchmal nervig )  als mit zu lauen Waffengesetzen.....

Herzliche Grüße
Peter














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Segu

Na gut 300 Euro sind ja nicht gerade Kleinkram. Mein Vater verkauft Farben für die Industrie, was dort für Kleinkram zusammen bestellt wird! Ich weis nicht, womit man dann weniger zu tun hat.

Wahrscheinlich hat das Chemiekalienbeschaffungsproblem nicht viel mit der Gesetzgebung zu tun, sondern ist wohl eher auf Fehlinfos, Trägheit und sonstigen zähen Angewohnheiten, gewisser Kreise zurück zu führen.
Die Firmen verstecken sich hinter eine Scheinfassade und jammern irgend etwas zusammen, statt das sie was unternehmen würden.
(Am Schluss wundert man sich, dass überhaupt nichts mehr klappt.)

Naja, muss ich mich halt einmal schlau machen, wo man diese Produkte sonst noch bekommt.

Schade um die kostbare Zeit die man als Hobbyist damit immer verplempert! (Die sonst schon zu kurze Zeit, könnte man sinnvoller nutzen)

mit freundlichen Grüssen

Michel Siegrist

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Jürgen H.

#4
Liebe Chemikalienfreunde,

man sollte mal den guten alten Römpp als Lektüre im zuständigen Ministerium vorschlagen. Den hab noch von meinem Vater als Experimentierbuch zur organischen Chemie geerbt.  Benzol , Brom, konzentrierte Salpetersäure und Schwefelsäure war damals offenbar kein Problem für Jugendliche  zu erhalten. Ich selbst habe noch in der Garage mit diesem Buch in der Hand erste chemikalische Weihen erhalten (und hab knapp überlebt::))

Wenn ich demnächst kein Formaldehyd, keine konzentrierte Essigsäure, keine Farbstoffe mehr bekomme, kann ich meine Insektenhistologie in den Wind schreiben und mein Mikrotom verkaufen. Bisher hab ich mein Zeugs noch immer bekommen, aber in Zukunft? Nur Sprit wird an alle Jugendliche hemmungslos verkauft und ein Verbot, auf der Straße zu trinken, ist Einschränkung der persönlichen Freiheit und damit grundgesetzwidrig: so soeben im Schwabenland entschieden.

Vielleicht gibt es aber einen Ausweg. Ich melde mein Hobby als Gewerbe im Handelsregister an. Histology Rhein-Ruhr e.K. klingt doch ganz gut, oder? Und schon bin ich gewerblich...Kleingewerbetreibender. Ohne Einnahmen? Vielleicht könnte ich aber auch ein paar Aufträge annehmen und meine Mikroskopkosten als Werbungskosten absetzen. Und Negativeinkünfte mit sonstigen steuerpflichtigen Einkünften verrechnen....javascript:void(0);

Also liebe Mitmikroskopiker, ich nehme demnächst Aufträge zum Mikrotomschnibbeln an ...

Mikrogrüße

Jürgen

Peter V.

#5
ZitatVielleicht gibt es aber einen Ausweg. Ich melde mein Hobby als Gewerbe im Handelsregister an. Histology Rhein-Ruhr e.K. klingt doch ganz gut, oder? Und schon bin ich gewerblich...Kleingewerbetreibender. Ohne Einnahmen? Vielleicht könnte ich aber auch ein paar Aufträge annehmen und meine Mikroskopkosten als Werbungskosten absetzen. Und Negativeinkünfte mit sonstigen steuerpflichtigen Einkünften verrechnen....javascript:void(0);

...kein schlechte Idee! Wenn Sie es schaffen, dem Finanzamt die "Gewinnerzielungsabsicht" plausibel zu machen. Aber zumindest können Sie ein paar Jahre Vorräte anlegen....

@ Michel:

ZitatWahrscheinlich hat das Chemiekalienbeschaffungsproblem nicht viel mit der Gesetzgebung zu tun, sondern ist wohl eher auf Fehlinfos, Trägheit und sonstigen zähen Angewohnheiten, gewisser Kreise zurück zu führen.
Die Firmen verstecken sich hinter eine Scheinfassade und jammern irgend etwas zusammen, statt das sie was unternehmen würden.
(Am Schluss wundert man sich, dass überhaupt nichts mehr klappt.)

Doch - durchaus! Wo es einerseits komplizierte / unverständliche Vorschriften und andererseits wenig zu verdienen gibt ( und genau ist der Fall beim privaten Chemikalien(ver)kauf ), fehlt schlichtweg die Motivation, sich mit der Materie auseinanderzusetzen und "Emessenspielräume" ( was gebe ich an wen mit welchem Risiko ab? ) auszunutzen.
Warum sollte das denn ein Händler / Apotheker auch tun????

Ich persönlich kenne einen heute noch aktiven Apotheker aus meinen späten Jugendjahren in den frühen Achtzigern, der mir seinerzeit nahezu "alles" beschaffte und immer ein wirklich sehr großes Herz für "experimentierende" Jugendliche ( von deren Wissen und Ernsthaftigkeit er sich immer überzeugt hat ) hatte, sich zudem für einen Apotheker noch ungewöhnlich gut mit "Chemikalien" und "Chemie" ( also nicht nur pharmazeutischer Chemie ) und der aktuellen Rechtslage bzw. den Vorschriften auskennt. Ihm kann man wirklich weder Desinteresse, Fehlinformation oder Fehlinterpretation vorwerfen. Ich habe mich vor einem halben Jahr noch mit ihm über das Thema unterhalten.Und auch er berichtet mir glaubwürdig, daß er mittlerweile - auch bei Beachtung der Vorschriften - immer sehr große Bauchschmerzen habe, Chemikalien an privat zu verkaufen.

Herzliche Grüße
Peter




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suuppie

Hallo zusammen,

was ich nicht verstehe, ist, dass immer wenn man irgend was nicht bekommt oder man irgend was nicht mehr erhält so eine Grundsatzdiskusion hier stattfindet.
Stellt euch doch mal auf die andere Seite, falls mal was passiert, müßen die ja haften, nicht ihr. Ich finde es schon sehr beruhigend, dass nicht jeder alles erhält, man stellt sich mal vor, was da drausen alles rumläuft, und dann können die auch noch alles so ohne Propleme erhalten, ui, da graut mir.

Und wenn gewisse Dinge nicht mehr wirtschaftlich sind, versteh ich das auch, gehen nicht schon genug Firmen derzeit den Bach runter?

Das ist meine persönliche Meinung, es soll sich aber hier niemand vor den Schlips getreten fühlen.

LG
Wolfi

Eckhard F. H.

Hallo suuppie,
bin immer baß erstaunt, wenn Menschen sogar erhaltene Prügel rechtfertigen.
Gruß - E. Nowack

Peter V.

#8
Hallo Wolfi,

ich habe diese Beschaffungsprobleme zum Glück nicht, fühle aber mit jedem mit, der in der Ausübung seines Hobby durch derartige Beschaffungsprobleme behindert wird.
Am generellen Sinn gewisser Resitrikitonen zweifelt sicher kaum jemand, allein die Tatasache, dass in der heutigen Zeit nur die strenge Auslegung bürokratischer Regeln zählt und Begriffe wie "gesunder Menschenverstand" und "Augenmaß" keine Bedeutung mehr haben, ist mehr als ärgerlich.  Eine Tendenz, die leider mittlerweile alle Bereiche der Gesellschaft durchdrungen hat.
Und es führt eben zur Frustration, wenn man einfach an schier unüberwindbaren Hürden scheitert.
Zweifellos kann man mal nachfragen, wozu eine Privatperson 20 l H2O2 benötigt und auch die Angabe verweigern. Wenn aber jemand mit einer ganz klar dargelegten Begründung eine Kleinstmenge einer eher mindergefährlichen Substanz benötigt und - egal, wie er es anstellt - an der Beschaffung scheitert, ist das schon traurig.
Ohne jeden Zweifel ist Rauchen gefährlicher als der gelegentliche Umgang mit Kleinstmengen Formalin. Dennoch gibt es ein generelles Abgabeverbot von Formilan an privat, für Zigaretten nicht.

Noch ein ot-beispiel zum Thema Beschaffung / Großhandel / Endkunde: Für ein Decken-Halogen-Leuchtenssystem der Firma Zumtobel Staff benötigte ich ein kleines Ersatzteil. Auskunft von Staff: lieferbar, aber nicht an Endkunden! Da half kein Bitten und Flehen. Es wurden mir dann Adressen von zwei oder drei "Händlern" in Deutschland genannt, die bei Staff beziehen, Anruf dort: Wir sind ein Elekto-Grosshandel, liefern nicht an Endkunden, wenden Sie sich an einen Elektriker vor Ort, der bei uns seinen Bedarf bezieht, und für den bestellen wir es dann bei der Firma Staff. Es wurden mir dann zwei oder drei Elektrikeradressen genannt. Also führ ich in die nächste Stadt, um dort einen Elektriker zu finden, der bereit war, mir dieses Teil über seinen Großhandel bei Staff zu bestellen. Ihr könnt Euch vorstellen, wie begeistert der Elektriker über mein Ansinnen war, mir dieses Teil für ca. 25 EUR für einen "einmaligen" Kunden zu bestellen.
Das ganze Hin und Her hat mich ca. 10 emails und bestimmt ebenso viele Telefonate sowie zwei Fahrten  in die Nachbarstadt gekostet...und fast 5  Wochen, bis ich das Teil in Händen halten konnte.
Im Handel liegt der Segen...sagt ein alten Sprichwort!



Herzliche Grüße
Peter
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B.Heim

Liebe Freunde der Mikroskopie und Chemie,

wo liegt das Problem, möchte ich ganz provokativ fragen.
Hierzu muss ich doch etwas die Geschichte bemühen. Während des letzten Jahrhunderts gab es mehrfach Zeiträume in denen es schwierig, zuweilen unmöglich war Chemikalien u.a. für die Mikroskopie zu bekommen. Die Gründe lagen damals noch nicht in der Gesetzeslage, sondern darin, dass Kriege, daraus resultierend wirtschaftliche Depression, benötigte Chemikalien nicht zu bekommen waren. Ich möchte dies an einem Beispiel erläutern, der Kernfärbung mit Hämatoxylin, einer seit langem bekannten Färbung. DER Farbstoff wurde 1810 von CHEVREUL im Blauholz (Lignum campechianum) aufgefunden, Anbaugebiete sind Mittelamerika und Indien. Verwendung fand der Farbstoff, der durch eine spezielle Extraktion aus dem Hirnschnitt des Blauholzes gewonnen wird in der Textilfärberei, der Zeugdruckerei etc. als Färbereagens in der analytischen Chemie und der Mikroskopie. (weiter Einzelheiten zur Gewinnung und Verwendung in ULLMANN Enzyklopädie der techn. Chemie Bd. 7 Seite 125 ff (1956).
Nun begab es sich aber zu der Zit nach dem ersten Weltkrieg, dass Hämatoxylin entweder gar nicht oder in nur schlechter Qualität verfügbar war. Die hatte zur Folge, dass nach Alternativen gesucht wurde. Man erinnerte sich an Versuche von KAPPERS (1911) Zell und Axonfärbung von Hirnmaterial mit dem Farbstoff des Holunders, GERTZ (1916) Nachweis von Verholzungen in Zellmembranen. KARRER und WIDMER (1927) hatten zwischenzeitlich die Konstitution des Farbstoffes der Heidelbeere aufgeklärt. An der Universität Graz am Institut für Histologie und Embryologie befasste sich LIPP (1949) erneut mit einem Hämatoxylinersatz, weil wieder die Situation eingetreten war, dass Hämatoxylin nicht verfügbar war. Die damalige Gewinnungsmethode ist zwischenzeitlich überarbeitet. Diese Färbelösung ist ein vollwertiger Hämatoxylinersatz. Man kann in Kombination mit Eosin oder Azophloxin eine Simultanfärbung herstellen, Kerne blauviolett, Plasma rosa. Das Färbeprinzip besteht darin, dass der Farbstoff Mythilin im sauren Puffer an den Zellkern und die Zellwand anlagert, durch Änderung des pH Wertes in den neutralen Bereich in Gegenwart eines Metallsalzes dann chemisch gebunden wird. GRUBER (1949) berichtet sehr gegeistert von Präparaten die auch nach 20 Jahren unverändert waren. Lit.: Mikroskopie Zentralblatt für mikroskopische Forschung und Methodik 3, 1948 und 6, 1951.
Bitte shen Sie mir diesen vielleicht etwas langen Beitrag nach, ich möchte nur darauf hinweisen, dass erfolgreiches und interessantes mikroskopieren bestimmt nicht an der Gesetzeslage scheitert. Wie an dem Beispiel des Hämatoxylins dargestellt, hat man sich in der Vergangenheit, in der Notzeit begründet, mit Alternativen beschäftigt, nicht nur was Färbungen betrifft, sondern auch Fixierungen und Einschliessen. Die ältere Literatur ist da sehr ergiebig. Warum begreifen wir die Gesetzeslage nicht als ,, Notzeit" und besinnen uns der der unproblematischen Alternativen, sie sind alle erprobt und stellen keinerlei Gefährdung dar und liefern ebenbürtige Ergebnisse.
Ein letztes Wort noch zu den Themen Nachhaltigkeit, nachwachsende Rohstoffe, Arbeitssicherheit und Umweltverträglichkeit. Blauholz wächst zwar auch nach, benötigt dafür allerdings eine recht lange Zeit, hinzu kommen die Umstände der Gewinnung und der Transport. Holunder; Heidelbeere etc.wachsen jährlich nach, schmecken gut und haben noch einen weiteren Nutzen, sie Färben nicht nur die Hände....

Danke für Ihre Geduld, in diesem Sinne wünsche ich ein erfolgreiches mikroskopieren,
Grüsse Bernd Heim

Eckhard F. H.

Hallo Herr Heim,
volle Zustimmung! Aber nicht dafür, Mangel prinzipiell als Fortschritt zu deklarieren.
Gruß - E. Nowack

Peter V.

#11
Zitat von: E. Nowack in August 08, 2009, 15:09:31 NACHMITTAGS
Hallo Herr Heim,
volle Zustimmung! Aber nicht dafür, Mangel prinzipiell als Fortschritt zu deklarieren.
Gruß - E. Nowack

Vor allem nicht dann, wenn der "Mangel" ausschließlich  durch überbordende (EU)-Bürokratie, Regelungswut,Verunsicherung und fehlenden GM ( mein geliebter "gesunder Menschenverstand" ) künstlich erzeugt wird!
So löblich es ist, daß es Menschen wie Herrn Heim gibt, die für uns nach Alternativen Ausschau halten, so traurig ist es aber dennoch, dass das überhaupt erforderlich ist!

Tatsache ist aber, daß es gerade dem Hobbymikrokskopier in vielen Bereich schwer gemacht wird. Chemikalien? Nein - Chemikaliengesetz! Laborbedarf? Nein - nur an gewerblich. Und wenn sich dann doch jemand findet: Mindermengenzuschlag 30 EUR!
Gut - niemand kann es ändern, so ist es eben und man muß sich damit arrangieren. Aber beklagen darf man es doch mal ein wenig  ;)

Selbst ich, der diesbezüglich recht gute Zugänge zu diesen Quellen hat, habe mittlerweile meine Suche nach den geliebten Menzel-Objektrrägern mit den "abgerundeten Ecken" entnervt eingestellt.



Herzliche Grüße
Peter


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B.Heim

Hallo Herr Nowack,

da haben Sie natürlich recht. Es ist von meiner Seite mehr als Anregung zu verstehen, um diese kraft- und zeit- raubenden Grabenkämpfe zu vermeiden.

Grüsse Bernd Heim

Dieter Friedrich

#13
ZitatIch melde mein Hobby als Gewerbe im Handelsregister an.

Kein Problem, gehen Sie zum nächsten Gewerbeaufsichtsamt und machen dort die Sachkundeprüfung nach § 5 ChemVV (kostet etwa 50 €), dann melden sie ein Gewerbe an und sie können ab sofort bei den "großen" Chemikalien einkaufen (Es sei denn sie haben bereits ein einschlägiges Studium absolviert und die Sachkunde ohnehin schon).

Nur bedenken Sie: Sie unterliegen den Vorschriften zur Lagerung und Umgang mit Gefahrstoffen wenn Sie ein Gewerbe anmelden. Es kann daher gut sein, dass Sie bald darauf Besuch vom Gewerbeaufsichtsamt bekommen und die netten Herren mal sehen wollen ob sie denn ihre 100 ml Ether in einem feuerfesten Sicherheitsschrank mit Absaugung aufbewahren und wie sie die MAK Werte einhalten...

Alles nicht so einfach. Ansonsten empfehle ich einen Lebensvorrat an bestimmten Dingen anzulegen und danach auf die weitere Entwicklung der Gesetze zu pfeifen. Eisessig im 25 Liter Kanister kostet nicht die Welt und zur Not kann man auch seinen Salat damit verfeinern.

Jürgen H.

#14
Hallo Herr Friedrich,

Bitte, es geht nach dem Eingangsposting ausdrücklich  n i c h t  um gefährliche Stoffe nach der Chemikalienverordnung. Insoweit stimme ich ja durchaus denjenigen zu, die die Begrenzungen der Verordnungen für sinnvoll halten (wenn man allerdings auch durchaus fragen kann, ob diese Verordnung nicht in manchen Punkten arg restriktiv ist angesichts vergleichbarer Drogen und Chemikalien, die man im Handel erwerben kann, z.B. Insektizide oder Clorix, Alkohol und Zigaretten, Benzin an der Tankstelle etc., wozu braucht eine Sauerlandgruppe Wasserstoffperoxyd, aber das ist ein anderes Thema). Es geht ausschließlich und nur um die Eigenschaft "gewerblich". Um die zu erwerben, brauchen Sie nicht notwendigerweise die von Ihnen beschriebenen Nachweise. Da käme es lediglich auf eine geschickte Definition Ihres Tätigkeitsbereichs an. Den müsste man sich natürlich genau überlegen.

Aber ich gebe zu, dass meine Idee nicht ganz ernst gemeint war...


Die Diskussion ist unter uns Mikroskopikern natürlich auch deshalb ganz sinnvoll, weil sie darauf hinweist, wie mit manchen Stoffen vorsichtigerweise umzugehen ist. Wenn Kinder im Haus sind oder zu Besuch kommen, stehen da die Fläschchen sicher vor einem Zugriff? Was ist mit der Feuergefährlichkeit?

Mikrogrüße

Jürgen Harst