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Achsenbilder psychedelisch

Begonnen von olaf.med, Oktober 18, 2018, 16:20:39 NACHMITTAGS

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olaf.med

Liebe Pol-Freunde,

da Heiko ja leider seit einiger Zeit abstinent auf diesem Gebiet ist, und sich lieber um opake Phasen kümmert (siehe hier  ... ja auch schön und interessant), möchte ich wieder einmal ein paar Achsenbilder zeigen, um Entzugserscheinungen vorzubeugen. Auslöser war, dass ich kürzlich ein paar Dokumente in einer Klarsichthülle zugeschickt bekam, wobei sich bei näherer Betrachtung die Klarsichthülle als kristalloptisch außerordentlich interessant erwies.

Normalerweise sind Kunststofffolien anisotrop wenn sie bei der Produktion gereckt werden. Dabei ordnen sich die langgestreckten aliphatischen Moleküle parallel aus und erzeugen so eine Anisotropie, die sogenannte Form-Doppelbrechung. Dies sieht man hervorragend bei Tesa-Film, und auch bei Pol-Folien ist es das Funktionsprinzip, wobei man hier an die Makromoleküle noch zusätzlich einen Farbstoff anlagert, um sie pleochroitisch zu machen.

Untersucht man solche Folien im konoskopischen Strahlengang sieht man kein Achsenbild. Die Achsenausstichpunkte der Quasi-Kristalle liegen in der Ebene der Folien und sind somit der Beobachtung entzogen. Umso mehr war ich erstaunt als ich die Dokumenten-Klarsichthülle ansah. Sie verhält sich wie ein perfekter zweiachsiger Einkristall, der senkrecht zu seiner spitzen Bisektrix geschnitten ist, d.h. man sieht ein ideales zweiachsiges Achsenbild, bei dem der Achsenwinkel praktisch genau der Apertur meines Objektivs 40/0.65 entspricht. Dies ist das normale Achsenbild in Normal- und Diagonal-Stellung:



Mit dieser Folie kann man nun natürlich wunderbar herumspielen. Durch Stapeln mehrerer Lamellen sind endlos attraktive Muster mit psychedelischen Farben erzeugbar, auch monochromatisch gibt es sehr schöne Motive. Hier einige Beispiele:



Die Klarsichthülle bekam ich von einem Museum zugeschickt, und ich vermute, dass es sich um einen speziellen Werkstoff handelt, sicher frei von Weichmachern und für die Langzeitarchivierung konzipiert. Ich werde mich danach erkundigen, aber vielleicht weiß ja auch jemand aus der Chemiker-Riege, um was es sich handeln könnte (in der OC bin ich leider völlig unbeleckt). Wenn jemand Freude an solchen Spielereien hat kann ich gerne Material zur Verfügung stellen – wenn die Nachfrage groß ist bekomme ich sicher aus der Quelle auch noch Nachschub.

Herzliche Grüße,

Olaf

Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

Reinhard

seit wann ist Kunst ein Fehler ?



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www.mikrochemie.net

Heiko

Oh wie schön, lieber Olaf.

Dieses ,,Feuerwerk" wird meine abstinente Phase ihrem Ende zuführen, ,,befürchte" ich.
Bezüglich des Materials kommt mir Cellophan, Zellglas in den Sinn, da atmungsaktiv, aber unwissend, wie ,,hochgerüstet" heutige Archivare dem Schimmel begegnen.

Viele Grüße,
Heiko

olaf.med

Lieber Reinhard,

ja, als op-art könnten so manche Achsenbilder durchaus bezeichnet werden.

Herzliche Grüße,

Olaf
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Heiko

Lieber Olaf,

mein Zellglas zeigt tatsächlich einen schwachen Effekt, allerdings erst, wenn zig Lagen übereinander getürmt werden, und auch dann nicht spektakulär:



Deshalb würde ich mich sehr freuen, Dein Material ausprobieren zu dürfen.

Viele Grüße,
Heiko

Heiko

Lieber Olaf,

wozu noch mikroskopieren ::), schon makroskopisch mit der Kamera vor dem Monitor begeistert Deine Wunder-Folie:



Danke und viele Grüße,
Heiko

Ole Riemann

Lieber Olaf, lieber Heiko,

ich kann nicht behaupten, auch nur die Grundzüge dessen zu verstehen, was Ihr da macht (weder hinsichtlich der technischen Herangehensweise noch der Interpretation der Strukturen), ich finde die Ergebnisse aber ausgesprochen hübsch anzuschauen! Das macht fast Lust, mal selbst in die Polarisationsmikroskopie einzusteigen.

Viele Grüße

Ole


olaf.med

Lieber Ole,

umgekehrt muss ich sagen, dass ich von Deinen Beiträgen hier absolut fasziniert bin! Kürzlich habe ich mich selbst an das Mikroskopieren des "Lebens im Wassertropfen" begeben und bin trotz beneidenswert guter apparativer Ausstattung ( Leitz Orthoplan mit DIC) nicht im entferntesten an die Bildqualität von Dir oder Michael Plewka herangekommen. So hat jeder seine Schwerpunkte und das Schöne an diesem Forum ist ja, dass man sich gegenseitig bestens "befruchten" kann. Also, wenn Du Anregungen oder Hilfe benötigt.... gerne!!!!

Herzliche Grüße,

Olaf
Gerne per Du!

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Ole Riemann

Lieber Olaf,

ja, da hast Du vollkommen recht - wie gut, dass wir hier diese Bandbreite haben. Ich komme gerne auf Dein Angebot zurück - vielleicht haben wir ja bei der Kornrade etwas Ruhe, über Polarisationsmikroskopie und geeignete Objekte für den Anfang zu sprechen.

Beste Grüße

Ole

Heiko

Hallo Ole,

meine nur nicht, mir sei die Ursache dieser Effekte ganz ,,geheuer" – tut ihrem Reiz aber keinen Abbruch:



Viele Grüße,
Heiko

Peter V.

#10
Lieber Ole,

Zitat von: Ole Riemann in November 23, 2018, 22:40:26 NACHMITTAGS
Lieber Olaf,

ja, da hast Du vollkommen recht - wie gut, dass wir hier diese Bandbreite haben. Ich komme gerne auf Dein Angebot zurück - vielleicht haben wir ja bei der Kornrade etwas Ruhe, über Polarisationsmikroskopie und geeignete Objekte für den Anfang zu sprechen.

Beste Grüße

Ole

ich zeige Dir einen Weg, mit dem Du vielleicht noch heute zu einem ersten Achsenbild kommst - ganz ohne richtiges "Polmikroskop"; das brauchst Du nänmlich für diese psychedelischen Präparate keineswegs! Ein einfaches "Bio-pol" reicht völlig aus!
Du nimmst ein normales Mikroskop (wenn Du so etwas hast, möglichst mit einem Drehtisch, es geht aber auch ohne). Dann legst Du einen Polfilter auf den Lichtaustritt, den zweiten platzierst Du in Kreuzstellung  zwischen Objektiv und Bino (als im idealen Fall in einen Zwischentubus, im Zweifelsfalle einfach eine Polfolie irgendwo im Bereich des Anschlusses Stativ/Bino auflegen). Der Hintegrund sollte also möglichst dunkel sein. Dann nimmst Du ein hochaperturiges Trockenbjektiv (40-fache Vegrößerung, am besten ein 60er oder 63), gerne einen einfachen Achromaten (wegen des höheren Arbeitsabstandes meist besser geeignet als sehr hochkorrigierte Objektive).  Streu ein wenig Haushaltszucker auf einen Objektträger und stelle einen Kristall scharf. Wichtig: Eine ggf. Vorklapplinse des Kondensors muss im Strahlengang sein, sodass dieser eine möglich hohe Apertur aufweist. Anschließend entfernst Du ein Okular und steckst ein Phasenkontrast-Teleskop in den Stutzen und stellst damit die hintere Objektivbrennebene ein. Mit Glück bekommst Du dann ein solches psychedelisches Bild. Mit "Glück" deshlab, weil die Kristalle die richtige Orientierung haben müssen, damit es funktioniert. Aber bei vielen Kristallen wird schon einer dabei sein, der richtig orientiert liegt. Am einfachsten geht es, wenn Du alternativ mit einem Auge durch das Phasenteleskop schaust und dann durch das normale Okular im anderen Stutzen, um ggf. einen anderen Kristall einzustellen - so lange, bis Du einen gefunden hast. Mit einem (zentrierten!) Drehtisch könntest Du noch andere Effektie beobachten.

Vielleicht fällt Olaf ja noch ein übliches "Hausahltspräparat" ein, mit dem es einfacher geht als mit Zucker. Probier es aber einfach mal mit gewöhnlichem Hasuahltszucker aus. Natürlich werden die Bilder nicht die Qualität der hier gezeigten Achsenbilder haben. Das liegt dann aber nicht an der unzureichenden Ausstattung, sondern am Präparat. Jedenfalls braucht man keine spannungsfreie Optik, keine hochwertigen Polfilter und auch keine Bertandlinse, mit einem Phasenteleskop geht es genau so gut (evtl. sogar besser).

Anbei ein Bild, gerade quick an dirty nach diesem Verfahren von Haushaltszucker am ganz gewöhnlichen biologischen Axioskop mit einem Plan Neo 40 ohne Drehtisch durch ein Phasenteleskop mit dem Handy fotografiert.

Zumindest reicht es auch, um einmal das grundsätzliche technische Prinzip nachzuvollziehen (ich sage bewusst nicht, die Theorie zu verstehen!  ;) ).

Herzliche Grüße
Peter

PS: Mit einem Kristallsorte bekommt man natürlich nur ein "Muster" - das heißt, die Muster sind abhängig von den physiaklischen Eigenschaften des jeweiligen Kristalls, z.B. der Anzahl der Achsen etc.. Diese konoskopischen Bilder dienen ja gerade dazu, den Kristall einzuordnen und zum Beispiel die Anzahl optischer Achsen zu bestimmen. 

Dieses Post wurde CO2-neutral erstellt und ist vegan. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.

olaf.med

... und noch viel besser wird die Qualität wenn man das Streupräparat mit normalem Immersionsöl und Deckglas abdeckt :).

Viel Spass,

Olaf
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

Peter V.

Lieber Olaf,

gerade ausprobiert! Super! Danke für den Tipp. Ein Achsenbild wie aus dem Lehrbuch!

Wer noch nie ein Achsenbild selbst "produziert" hat, sollte es unbedingt einmal ausprobieren, vorausgesetzt, er hat Immersionsöl und 2 Polfilter. Selbst das Phasenteleskop ist nicht zwingend erforderlich. Einfach ein Okular aus einem Stutzen entfernen und in den Stutzen schauen! Das Achssenbild ist dann zwar recht klein, aber erkennbar.

Bevor evtl. ein Mißverständnis auftaucht: Das Immersionsöl muss NICHT auf das Deckglas, sondern die Zuckerkristalle müssen im Immersionsöl schwimmen und darauf wird das Deckglas gelegt.

Herzliche Grüße
Peter
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derda

Hallo Peter,

ZitatEine ggf. Vorklapplinse des Kondensors muss im Strahlengang sein, sodass dieser eine möglich hohe Apertur aufweist.

Beim Jenalab-pol bewirkt das Einschwenken der Großfeldlinse eine Verringerung der Beleuchtungsapertur => der Durchmesser des Achsenbildes wird dann kleiner.

Viele Grüße

Erik

Peter V.

Hallo Erik,

da ich weiß, dass Ole Zeiss West-Mikroskope hat, hatte ich mich jetzt auf die typische Anordnung bei CZ-West Kondensoren bezogen, bei den die Vorklapplinse eine Erhöhung des Beleuchtungspaterur bewirkt. Es ist  eine möglichst hohe Beleuchtungsapertur erforderlich.

Herzliche Grüße
Peter
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