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Doppelgänger(in)

Begonnen von Michael Plewka, März 18, 2019, 22:42:17 NACHMITTAGS

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Michael Plewka

Hallo zusammen,

leider ist es mir vor der  Kornrade (die im übrigen aus meiner Sicht hervorragend gelaufen ist, weil sie von Ole und Rainer absolut professionell vorbereitetet worden war; deshalb  von mir ein herzliches Dankeschön an die beiden an dieser Stelle für die aufgewendete Zeit und Arbeit )   nicht gelungen, noch diesen (Be)Fund vorzustellen:

Anlässlich dieses Beitrags hier
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=33736.0

habe ich in einer Planktonprobe aus einem Teich in unserer Gegend auch mal wieder Synura etwas genauer angeschaut. Wenn ich eine Planktonprobe untersuche, ist meine Erwartungshaltung  normalerweise die, dass  -bei der relativ geringen Zahl der Arten, die im Plankton zu einem bestimmten Zeitpunkt auftreten-  von einer Gattung nur eine Art anzutreffen ist. Es gibt aber Ausnahmen:



in diesem Bild aus der Probe sind definitv zwei Synura Arten vorhanden, was aber nicht weiter auffällt, weil  es  unmöglich ist, diese Arten an  irgendwelchen "makroskopischen" Merkmalen, d.h. ohne Immersion zu unterscheiden. Ich habe es auch schon auf biologischen und/ oder ökologischen Fortbildungen erlebt, dass  Goldalgen dieser Gattung   im Plankton als "Synura uvella" angesprochen werden,  allein aus dem Grund, weil diese Form im "Wassertropfen" zu finden ist.

Die Zellen der Gattung Synura haben ein Schuppenkleid, welches nicht sehr deutlich zu sehen ist.  Aber allein die Analyse der Schuppen  ermöglicht es, die meisten einige der Synura-Arten voneinander lichtmikroskopisch zu unterscheiden. In diesem Fall hier  wird  dann auch deutlich, dass es sich hier bei beiden Formen nicht um S. uvella handeln kann.

Vergleicht man die Details von zwei Kolonien dieser Formen in etwas komprimierter Form, fällt auf, dass die Beschuppung  unterschiedlich aussieht:
Form1:


Form2  (C: Chloroplasten; Chr: Chrysolaminarin Vakuole; F1, F2: Flagella; N: Nukleus; (Asterisk: Nucleolus); Sc: Schuppen):



Das liefert schon mal einen ersten Hinweis.  Genauer wird die Analyse, wenn man ein Präparat mit möglichst geringer Schichtdicke  eintrocknen lässt (Ich habe auch versucht, die Schuppen mit NaOCl zu mazerieren: aufgrund des Brechungsindex von dem Siliziumdioxid, aus welchen die Schuppen bestehen, sind die Schuppen aber in wässriger Lösung praktisch unsichtbar.): Das kann dann so aussehen:



Die Schuppen dieser Form lassen sich wegen des Doppelkiels ziemlich eindeutig der Art S. petersenii zuordnen. Weiitere Bilder hier:
http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/Kennkarten%20Algen/01_e-algae/Other_Algae/e-source/Synura%20petersenii.html


Daneben findet man aber auch noch andere Schuppen: Solche tennisschlägerartigen Schuppen gibt es bei S. petersenii nicht:



weiteres Bild:



Die Schuppen von S. uvella sehen dagegen ganz anders aus.
http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/Kennkarten%20Algen/01_e-algae/Other_Algae/e-source/Synura%20uvella.html



Ist das nun Haarspalterei?

Mir fallen dazu schon einige Fragen ein, deren Beantwortung nützlich sein könnte:

1.weshalb können mindestens zwei Arten derselben Gattung im selben Lebensraum zur gleichen Zeit existieren?
Worin besteht die öklogische Nische?

2.Wie sieht es mit der Nahrungspräferenz von Predatoren, z.B. planktischen Rädertieren aus? Können diese zwischen den Arten unterscheiden?

Beste Grüße

Michael Plewka

Heiko

Hallo Michael,

im Zusammenhang mit Deiner ersten Fragestellung erinnere ich mich an eine dem Anscheine nach salomonische Antwort auf eine vergleichbare Fragestellung: Nicht hinter jedem Befund sei eine Ursache zu vermuten.
Grundfalsch, finde ich! Die Frage ist berechtigt, wenn vielleicht auch nicht zu beantworten.

Viele Grüße,
Heiko

M.Butkay

Hallo Michael,

gerade bei den Synuren haben es viele Tümpler schwer, diese richtig zu bestimmen, da die dazugehörige Literatur meist fehlt und das "Leben im Wassertropfen" nicht alles hergibt. Fazit: Vielen Dank für die gute Dokumentation, unterstrichen mit erstklassigen Bildern!

So macht das Forum Spaß!

Viele Grüße,
Michael
Captain Kirk (Wächter des Plankton...)

RainerM

Hallo Michael,

zunächst herzlichen Dank für deine netten Worte zur Kornrade-Organisation - ich freue mich, wenn es euch gefallen hat und ihr euch wohl gefühlt habt!

Zu deinem Synura-Beitrag: Um welche Art handelt es sich deiner Meinung nach bei der mit den tennisschlägerförmigen Schuppen? Nach John/Whitton/Brook, The Freshwater Algal Flora of the British Isles, S. 315 kommen drei Species in Betracht: S. echinulata, S. sphagnicola und S. spinosa.

In einer aktuellen Probe aus einem nahe gelegenen Waldtümpel finde ich ebenfalls viele Synura-Kolonien mit derartiger Schuppenform:





In diesem Fall würde ich S. sphagnicola ausschließen, da die Kolonien nicht kugelförmig, sondern meist länglich geformt sind, zudem lebt S. sphagnicola nach John/Whitton/Brook in Moorgewässern u.ä. mit niedrigem ph-Wert. S. echinulata enthalte oft rote Öltröpfchen, die ich nicht beobachten konnte. Infolgedessen würde ich auf S. spinosa tippen.

Ob es sich bei "deinen" Synura auch um S. spinosa handeln könnte? Die Schuppenform ist zumindest ähnlich. Allerdings zeigt dein Übersichtsbild meist kugelförmige Kolonien, ich erkenne jedoch auch - wenige - längliche.

Kannst du die Arten noch eindeutiger unterscheiden oder kennst du weitere Literatur dazu?

Herzliche Grüße
Rainer

Michael Plewka

Hallo zusammen,

vielen Dank für die Kommentare! Ich bin zur Zeit mal wieder im Korallendreieck auf der Suche nach bizarren marinen Organismen ( und auch schon fündig geworden...). Ich werde zu den KommentarennStellung nehmen, wenn die Internet-Verbindung besser ist

Beste Grüße
Michael Plewka

Michael Plewka

Hallo zusammen,

@ Rainer: sehr schön, dass auch Du  mal was anderes als S. uvella gefunden hast. Aber dann wird es schwierig....

neben der von Dir genannten Literatur benutze ich den Band  "Synurophyceae" der "Süßwasserflora von Mitteleuropa". Da sind neben Zeichnungen auch EM-Aufnahmen drin, die ich mir gern anschaue (EM-Fotos finden  sich aber auch im  www. ). Da ich aber kein EM benutze, fehlt mir die Erfahrung beim Vergleich der lichtmikroskopischen Aufnahmen  mit den EM-Fotos bei Analyse der Schuppen bei diesen Algen. Das vorweg, weil man bei der lichtmikroskopischen Analyse der Gattung, wie zuvor schon angedeutet (ich habe den Text geändert) an die Grenzen des Möglichen kommt.

zu Deinen Fragen bzw. "Deinem" Fall:

Zitat: ....S. echinulata enthalte oft rote Öltröpfchen, die ich nicht beobachten konnte.....

Das hat mich erstmal stutzig gemacht, weil ich diese Öltröpfchen bisher nur mit S. sphagnicola assoziert habe (siehe auch das Buch von M. Kreutz) bzw. hier:
http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/Kennkarten%20Algen/01_e-algae/Other_Algae/e-source/Synura%20sphagnicola.html

Ein Vergleich zeigt:

1. die roten Öltröpfchen werden in der "Süßwasserflora"  für die beiden Arten: S. sphagnicola und S. echinulata angegeben, in der Freshwater Algal Flora nur für S. echinulata, nicht aber für S. sphagnicola. Für diese beiden Arten ist Korshikov der Erstbeschreiber von 1929; die Originalliteratur habe ich nicht. Man kann also festhalten, dass, wenn man allein nach diesem sehr auffäligen Merkmal die Arten bestimmen würde,  man zu unterschiedlichen Resultaten käme , abhängig davon, welche Literatur man benutzt! (ich persönlich bin bisher immer so vorgegangen: rote Öltröpfchen >>> S. sphagnicola! Ob das so richtig ist???) Anders herum ist natürlich auch zu hinterfragen, wie man  das Fehlen bzw. das Nicht-Beobachten eines morphologischen Merkmals (s.u.) als Kriterium zur Bestimmung bewertet.

2. Schuppen:
beide Arten: S. echinulata und S. spinosa haben tennisschläger-artige Schuppen. Auf  EM-Aufnahmen sieht man, dass die Schuppen bei S. spinosa einen homogenen Rand haben, während diejenigen von S. echinulata an der Basis einen breiteren und inhomogenen Rand haben. Dieses geht aus den Zeichnungen in beiden Büchern nicht eindeutig hervor. Ob man diese elektronenmikroskopischen Merkmale auch im LM (gemeint ist 100x Objektiv öl-immergiert) aufgelöst bekommt: ich habe bisher keine Erfahrung, und auch das www. gibt diesbezüglich nichts her. Beide Arten besitzen neben  diesen Schuppen aber auch noch andere (caudale), die man vielleicht als spindelförmig bezeichnen kann. Diese kann man wahrscheinlich in lebenden (s. Methode) Kolonien garnicht erkennen. Ich habe im oberen Bild diese Schuppen (nachträglich) mit Pfeilen markiert .

3. Methode:

wie schon zuvor angedeutet: zusätzlich zur Lebendbeobachtung ist die Untersuchung eines luftgetrockneten Synura-Präparats (die Kolonien sollten dabei gepresst werden, d.h. man sollte die Kolonien vorher isolieren, damit Fremdköper das Absinken des Deckglases nicht verhindern können)   für die Bestimmung der Arten m.E. unabdingbar. Dieses Verfahren kostet nichts (außer vielleicht 1 Stunde Eintrocknungszeit).


4. Kolonieform:

für beide Arten (Freshwater Algal Flora) bzw. für S. spinosa (Süßwasserflora...") werden sowohl kugelförmige als auch längliche Kolonieformen angegeben, wobei diese für S. spinosa wohl sehr auffällig sein sollen. Ich hatte deshalb  meine früheren Funde als S. spinosa siehe hier:
http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/Kennkarten%20Algen/01_e-algae/Other_Algae/e-source/Synura%20spinosa.html

angegeben.



Wie ich schon in den frühren Beiträgen hierzu angedeutet habe: das Vorkommen der Synura-Arten in unseren Gewässern scheint  viel komplexer als man es zunächst annehmen mag. Dazu noch zwei weitere Beispiele:

1.In der Artenliste für das  Große Heillige Meer beispielsweise liegt als einzige Synura-Art S. uvella vor. Ich habe aufgrund der dargestellten Erfahrungen  am 6.4. 2018 die Synura-Formen untersucht und hier im Forum vorgestellt (siehe hier: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=31325.0

es handelte sich  definitiv nicht um S. uvella  (ich habe die damals gefundene Form  als S. spinosa bezeichnet).   In diesem Jahr (26.4.) habe ich mir wieder Proben von dort angeschaut und S. uvella gefunden. Bilder siehe hier:
http://www.plingfactory.de/Science/Atlas/Kennkarten%20Algen/01_e-algae/Other_Algae/e-source/Synura%20uvella.html


2. In einem nahegelegen Teich fand ich eine Synura-Form, bei deren lebenden Kolonien überhaupt keine Schuppen erkennbar waren:




Selbst bei durch das Deckglas gequetschten Kolonien  waren bei manchen der Zellen übehaupt keine Schuppen zu sehen:


Erst nach Eintrocknen des Präparats waren wenige Schuppen zu sehen, die dann der Art Synura petersenii
zugeordnet werden konnten:


Eine Erklärung für diese geringe Schuppendichte habe ich nicht (Anti-Shuppen Shampoo???)


Es wäre also sinnvoll sich diese Gattung weiterhin in Zukunft etwas genauer anzuschauen. Vielleicht ergibt sich ja aus der "Schwarmintelligenz" aus diesem Forum ein genaueres Bild....


Beste Grüße
Michael Plewka