Eigenbau eines Schlittenmikrotoms

Begonnen von jcs, Juni 20, 2020, 10:34:58 VORMITTAG

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jcs

Mit meinem kleinen und etwas klapprigen Zylindermikrotom werde ich nicht so recht glücklich und hätte deshalb gerne ein Upgrade, mit dem ich reproduzierbar botanische Schnitte mit einer Dicke zwischen 25 und 50 Mikrometer machen möchte. Eine Suche nach neuen bzw.  gut erhaltenen gebrauchten Schlittenmikrotomen ergab, dass diese Dinger z.T. unverschämt teuer sind, und zusätzlich auch gewichtsmäßig außerhalb meiner Liga spielen.

Als kleines Bastelprojekt habe ich deshalb begonnen, ein Schreibtisch-taugliches Mikrotom zu entwerfen, das einerseits ausreichend steif und stabil sein soll, andererseits aber auch leicht genug, dass ich es nach Gebrauch problemlos im Kasten verstauen kann. Es soll diverse Verstellmöglichkeiten für das Messer bieten, und auch die Pobenhalterung soll variabler und stabiler sein als bei meinem Zylindermikrotom.

Herausgekommen ist dabei ein recht kompaktes Design, basierend auf Aluminium-Profilen, kugelgelagerten Schlittenführungen und einem kommerziellen z-Tisch mit Goniometer. Da ich keine mechanische Werkstatt zur Verfügung habe und weder CNC-fräsen noch drehen kann, wollte ich weitgehend auf Komponenten von der Stange zurückgreifen. Im aktuellen Design (siehe erstes Bild) benötige ich nur zwei Frästeile für die Messerhalterung, sowie eine noch zu entwerfende Probenhalterung, die ich 3D-drucken möchte.

Die bestellten Komponenten sind mittlerweile da, siehe zweites Bild. Gesamtgewicht ist aktuell 3,5kg, Frästeile und Probenhalterung kommen noch dazu. Heute geht's ans Zusammenbauen, mal schauen, ob alles passt.

LG

Jürgen

Werner

Das wird geigen!
Abhilfe: An beide Seiten und die Rückwand große Alubleche (min. 1,5mm) schrauben, fest anziehen.
Zwei feste Linearlager sind überbestimmt, neigen dann zum Klemmen. Könnte hier aber klappen, weil die Wände seitlich nachgeben können. Also KEINE Leiste zusätzlich vorne-oben anbringen.

Gruß - Werner

jcs

#2
Hallo Werner,

das war auch meine Befürchtung, dass die Struktur entweder zu weich oder zu steif wird. Hat sich allerdings als unbegründet herausgestellt, beim Zusammenbau hat alles geklappt. Der Schlitten gleitet problemlos über die ganze Länge, und durch die Winkelverbinder ist die Struktur auch locker steif genug für meine Zwecke. Von der Größe passt es mir auch ganz gut, wie man am Foto sieht. Vielleicht hätte ich sogar etwas in der Länge und Höhe einsparen können.

Vorne habe ich absichtlich keinen Querverbinder eingebaut, damit die Zugänglichkeit gut gegeben ist.

Falls es jemanden interessiert, habe ich eine Stückliste als Screenshot eingefügt. Als nächstes kommen dann die Frästeile dran, wird aber noch etwas dauern, bis die da sind.

LG

Jürgen

Ergänzung: Hier sind noch die Daten zum Vertikaltisch/Goniometer von Standa

UniversalBasePlate  3UBP-031
SmallGoniometer 7G174-30
VerticalTranslationStage 7VT40-13

Bob

Hallo Jürgen,

das Mikrotom sieht doch schon richtig gut aus! Da nicht jeder darauf steht, ein Altgerät aufzuarbeiten, wirst Du vermutlich den einen oder anderen Nachahmer finden. Das Konzept mit den Systemprofilen macht es ja auch einfach, eine Sonderversion abzuleiten.

Viele Grüße,

Bob

Wutsdorff Peter

#4
Auch von mir  der Ausdruck meiner Bewunderung!!

jcs

Hallo Bob und Peter,

danke für die motivierenden Worte, freut mich, wenn das Projekt Anklang findet. Mit diesen Konstruktionsprofilen lässt sich wirklich sehr viel machen, auch in Form von flexiblen Sonderlösungen. Mit Nachbau würde ich trotzdem warten, bis mein Prototyp erste botanische Schnitte abliefert. Bis ich so weit bin, kann einiges schiefgehen, und das aktuelle Design ist noch sicher nicht am Optimum. Aber ich werde dranbleiben,

Jürgen

jcs

Bei dem sommerlichen Wetter draußen hat "Outdoor" Vorrang vor "Indoor", aber ein bisschen was tut sich beim DIY-Schlittenmikrotom. Deshalb kommt hier eine kurze Statusmeldung.

Der Messerhalter ist konstruiert und mittlerweile auch physisch vorhanden. Schaut soweit ganz in Ordnung aus, und die Leica-Klingen lassen sich gut montieren. Jetzt fehlt nur noch der Probenhalter, dann kann's losgehen. Der Urlaub steht allerdings vor der Tür, wird wohl September werden, bis alles fertig ist.

LG

Jürgen

jcs

#7
Nach einer etwas längeren Sommerpause gibt es weitere Fortschritte bei meinem DIY-Schlittenmikrotom. Den Probenhalter habe ich mittlerweile konstruiert (siehe erstes Bild) und mit einem 3D-Drucker ausgedruckt. Erfreulicherweise passt alles zusammen, und das Mikrotom ist jetzt einsatzbereit. Untenstehend ein paar Bilder des Aufbaus.

Jürgen

P.S.: Hier sind noch die CAD-Daten zum Herunterladen für den Messerhalter und den Probenhalter:

Messerhalter:
https://drive.google.com/file/d/1TUg6lndMffhfSiN7Ly-OKIpfMFZq24WU/view?usp=sharing

Winkel für Messerhalter:
https://drive.google.com/file/d/1SyX_BD0or36boyIarfs2Md6EpBNH68HY/view?usp=sharing

Probenhalter:
https://drive.google.com/file/d/1ghMfh1SaEGE-dOmcvpR9o_-GQZRXwo08/view?usp=sharing

jcs

Natürlich wollte ich das Mikrotom gleich ausprobieren, als Versuchsobjekt musste der Spross eines Efeu-Blatts herhalten. Im Vergleich zu meinem bisher verwendeten Hand-Mikrotom hat der neue Selbstbau nach ersten Erfahrungen einige Vorteile:
(1) Die Schnitte sind deutlich reproduzierbarer, speziell hinsichlich einer konstanteren Schnittdicke. Die Ausbeute guter Schnite ist deutlich höher, beim Efeublatt haben zumindest 3/4 der Schnitte halbwegs brauchbar ausgesehen.
(2) Es sind deutlich dünnere Schnitte möglich. Die ersten 25mum-Schnitte (siehe unten) haben erstaunlich gut funktioniert. Ich denke, dass die Mechanik Schnitte mit einer minimalen Dicke von 10-15mum schafft (natürlich nur, wenn die Probe das hergibt).
(3) Durch den deutlich kleineren Spalt zwischen Messer und Einspannung im Vergleich zum Handmikrotom sind die Proben definierter fixiert und können nicht so leicht "auswandern".

Untenstehend ein paar Beispielbilder des Efeu-Blattsprosses (Färbung mit Etzold, eingedeckt mit Euparal, Aufnahme mit Leica DM 2000 LED und Panasonic G9). Die ersten beiden Bilder stammen von Schnitten mit 50mum Dicke (HC PL Fluotar 5x-Objektiv und 20x-Objektiv). Die letzten beiden Bilder sind von 25mum-Schnitten, ebenfalls mit 5x- und 20x-Objektiv aufgenommen.

jcs

Mit den Schnitten der Wildrosen hatte ich im Sommer so meine Probleme beim Schneiden mit dem Zylindermikrotom. Ein guter Grund, das mit dem neuen Schlittenmikrotom zu wiederholen. Hier ist eine Serie von Schnitten, jeweils mit Etzold gefärbt und mit 5x (Pano aus 4 Aufnahmen) und 10x-Objektiv (z-Stack aus 4-5 Aufnahmen) aufgenommen.

Die ersten beiden Bilder zeigen den 35mum-Schnitt in Gesamtansicht und Detail, die letzten beiden Bilder das Gegenstück aus dem 50mum-Schnitt. Der dünnere Schnitt ist in meinen Augen beser differenziert und speziell in der höheren 10x-Vergrößerung klarer, da offenbar weniger Zelllagen übereinander liegen. Vielleicht wäre ein noch dünnerer Schnitt qualitativ eine Spur besser, aber das geht wohl ohne Einbetten nicht mehr. Das wird dann eines der nächsten Themen sein, das ich mir anschauen werde.

Einbettung könnte auch bei den 35mum-Schnitten hilfreich sein. Man sieht, dass die Probe doch etwas zu "wackelig" in der Einspannung lag und die Schnittdicke nicht ganz konstant war. Auf jeden Fall sehr hilfreich, wenn die einzelnen Schnitte durch das Schlittenmikrotom deutlich reproduzierbarer sind und man den verschiedenen Punkten systematischer auf den Grund gehen kann.

jcs

In Anlehnung an https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=8735.0 habe ich mich einmal mit der Beschriftung der Gewebetypen beschäftigt, bitte um Korrektur, wenn ich da falsch liege.

MP ... Markparenchym
PX ... Primärxylem
XY ... Xylem
PH ... Phloem
RP ... Rindenparenchym
EP ... Epithel
SK ... Sklerenchym

jcs

Und noch einmal die Wildrose, diesmal mit einer anderen Färbung.

Schnittdicke 30mum, Pano aus 4 Aufnahmen mit dem HC PL Fluotar 5x

Färbung war eine "Zweitopflösung":

Sprosse waren 3 Monate (nach Fixierung) in 70% Ethanol gelagert. Geschnitten auf dem DIY-Mikrotom mit 30mum. Als Stützmaterial verwende ich das blaue Styrodur. Nach dem Schneiden in Wasser übertragen und gefärbt:

(1) Acriflavin/Acridinrot 8min
(2) Auswaschen mit Aqua Dest, mehrmals bis keine Farbe mehr abgeht
(3) Färben in Alcianblau (0,2%) für ca. 1min
(4) Auswaschen in Aqua dest
(5) Überleiten in Isopropanaol mit dreimaligem Wechsel
(6) Eindecken in Euparal

reblaus

Neidische Glückwünsche zur mechanischen und histologischen Meisterleistung!

Rolf

Jürgen Boschert

Hallo Namensvetter,

einfach eine sagenhafte Leistung, sowohl mechanisch als auch mikrotechnisch (Schnitte, Färbung, Fotografie).

Toll !
Beste Grüße !

JB

Fahrenheit

Lieber Jürgen,

meinen Glückwunsch! Von der Idee über die Umsetzung und Anwendung bis zu den Fotos klasse!

Herzliche Grüße
Jörg
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Arbeitsmikroskop: Leica DMLS
Zum Mitnehmen: Leitz SM
Für draussen: Leitz HM