Mikrokristall-Schmelzpräparate: Frage an die Chemiker

Begonnen von witweb, Februar 01, 2022, 16:34:08 NACHMITTAGS

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witweb

Hallo Jochen,

was du da schreibst ist sehr interessant und für mich gut nachvollziehbar. Das heißt mit dem Achat-Mörser sollte das gut machbar sein. Wobei ich natürlich mit meinen Versuchen meilenweit von den Anforderungen, die du beschreibst entfernt bin. Ich werde berichten...
Bis dahin mal noch ein Bild von einem Schmelzpräparat, gerührt, aber nicht gerieben.  ;)

@ Werner -  da tun sich Abgründe auf...  :o

Beste Grüße

Michael

Bild: Paracetamol und Harnstoff im polarisierten Licht, Schmelzpräparat, Bildbreite 1,1 mm


Dieser Post wurde aus recycelten Elektronen erstellt
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Leitz Orthoplan
Zeiss Standard 18 mit Fluoreszenz-Auflichtkondensor IV FL
Lomo Biolam, Motic SMZ-168
Canon EOS 750D
https://mikrokristalle.net
https://www.youtube.com/@Mikrokristalle

jochen53

Hallo Werner,
ich glaube, das Gerät war tatsächlich von Perkin-Elmer, wie auch das uralte Prismenspektrometer Modell 21 mit LiF Prisma. Die Mahlgläschen hat man vom Glasbläser machen lassen, weil die Originale wohl zu teuer waren. Aber wie so oft "gut und billig gibts nicht".
Jochen

witweb

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treinisch

Hallo,

zweite Wahl ist ja sogar recht preiswert, kannst Du durch aufmerksames betrachten feststellen, was zur 2. Wahl führt?

Ich finde diese Geräte ästhetisch extrem anregend. Man muss sich vorstellen, dass das Achat ist! Nicht irgendeine Pressmasse o.ä.
Vielleicht hole ich mir auch einen :-) auch wenn ich keinen brauche :-)

vlg
Timm
Gerne per Du!

Meine Vorstellung.

Werner

Hallo Jochen!
Das Modell 21 mit LiF-Prisma war schon ein Sondermodell, meist hatte es NaCl-Prismen.
Es ist schon erstaunlich, welche Sondermodelle in den 70ern am Markt waren. Da gab es z.B. welche mit ganzen zwei Stück in Deutschland, meist an den Unis, nicht in der Industrie. Deren Reparatur war entsprechend stressig, vor Allem, wenn der Professor Choleriker war...

Gruß - Werner

witweb

Hallo Timm,

ich hatte die 1. Wahl bestellt, weil die 2. Wahl in der Größe gerade nicht lieferbar war. Aber Carsten kann dir vielleicht in Kürze dazu etwas sagen.

Viele Grüße

Michael
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jochen53

Hallo Werner,
da hast Du absolut Recht. Das Modell 21 war eigentlich längst "veraltet", aber es hatte für uns einen ganz entscheidenden Vorteil: Es hatte über den ganzen Meßbereich keinen Gitter- und Maßstabswechsel. Fast alle Gittergeräte hatten bei 2000 cm-1 einen Gitter- und damit auch Maßstabswechsel. Wir haben mit diesem Veteranen Carbonylkomplexe von Übergangsmetallen vermessen und die haben in diesem Bereich ihre charakteristischen CO-Absorptionen (Cr(CO)6 z.B. bei 1948 cm-1). Ein Maßstabswechsel wäre für die Interpretation der charakteristischen Muster ungünstig gewesen. Dafür registrierte es leider nicht in Wellenzahlen, sondern in Wellenlängen und alle Spektren mußten mit dem Lineal ausgemessen und die Wellenlängen mit Hilfe einer Reziprokwerttabelle oder mit dem Rechenschieber in Wellenzahlen umgerechnet werden. Als der letzte Servicetechniker, der das Gerät noch reparieren konnte (es hatte noch einen Röhrenverstärker!), in Rente ging, mußte es leider stillgelegt werden. Gegen das LiF Prisma waren die NaCl-Geräte billiger Schrott.
Viele Grüße, Jochen

olaf.med

#37
Lieber Michael,

dieser Mörser ist perfekt für Deine Zwecke. Ich habe mit einem solchen mein ganzes Berufsleben gearbeitet und hatte für die röntgenographische Phasenanalyse sehr oft winzige Mengen zu pulverisieren und danach in Mark-Röhrchen mit einem Durchmesser von 1/10 mm für Debye-Scherrer-Aufnahmen einzufüllen. Oft reichte die Materialmenge noch nicht einmal dafür, und ich hatte eine spezielle Methode entwickelt, das Mahlgut mit einer winzigen Menge von Nagellack zu einer Kugel von 1-2/10 mm Durchmesser zu formen und die dann zu röntgen. Man kann sich also vorstellen, dass die möglichst quantitative Gewinnung des Mahlguts aus dem Mörser wichtig war.

Es gibt zwei Vorraussetzungen, die für solche Arbeiten erfüllt sein müssen, alles andere ist eine Frage der Erfahrung und der individuellen feinmotorischen Voraussetzungen und verbessert sich mit zunehmender Übung.

Die Voraussetzungen sind:

  • Niemals Substanzen mit einer Härte von über 7 im Mörser bearbeiten. Dieser besteht aus Chalcedon, also feinkristallinem Quarz mit der Härte 7. Hat man einmal durch härtere Stoffe Kratzer im Mörser erzeugt, ist er unbrauchbar geworden.

  • Vor allem spröde Substanzen spratzen beim Zerdrücken der Körner nach allen Richtungen weg und sind verloren, wenn sie aus dem Mörser herausspringen. Machmal kann man in einem Tropfen Aceton zerreiben, aber das geht natürlich nicht bei allen Stoffen. Besser ist es dann, den Mörser abzudecken, und dafür ist eine kräftige Kunststofffolie (z.B. von steifen Aktenhüllen) ideal. Man stanzt ein Loch heraus, das etwa der Größe des Pistills entspricht und benutzt diese als Abdeckung. Nach dem Zerreiben kann man mit dieser Folie auch das Mahlgut wunderbar zu einem Haufen zusammenschieben, an der Folie haftendes Pulver gewinnt man noch mit einem feinen Pinsel.

In den Beispielbilder habe ich ein einzelnes Zuckerkorn benutzt, das entspricht wenigen Mikrogramm Probenmenge - immer noch viel im Vergleich zu Reinhards phantastischer Mikrochemie, aber doch auch schon wenig. Oft hatte ich in der Praxis nur vielleicht 1/10 dieser Menge zur Verfügung.

Herzliche Grüße,

Olaf
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

witweb

Lieber Olaf,

vielen Dank für deine Mühe, hier ein richtiges Manual zu erstellen. Zuckerkorn zu Puderzucker, da muss man erst mal drauf kommen.

Deine Tipps kommen genau zur rechten Zeit. Ich hatte gerade angefangen, Harnstoffkügelchen zu zerreiben. Die Hälfte ist schon umher geflogen und weg gerollt. Da habe ich erst mal wieder aufgehört und auf deine Hinweise gewartet. Mit der Folienabdeckung ging das dann perfekt. Ist schon recht klein, der Mörser...
Mit Substanzen von über 7 habe ich aktuell nicht zu tun, werde aber daran denken, wenn ich mal etwas anderes, als Chemikalien zerreiben will. Die Zugabe von Aceton werde ich im Hinterkopf behalten.

Herzlich Grüße

Michael







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witweb

Hallo zusammen,

zur Erinnerung, es ging um Schmelzpräparate aus einer Mischung von Paracetamol und Harnstoff.
Nun habe ich mit meinem neuen, kleinen Achat-Mörser und Olafs Tipps erst mal die Harnstoffkügelchen pulverisiert. Ich glaube, bis auf Molekülebene...

Um dem Vorschlag von Michael (MiR) zu folgen, erst mal die niedrig schmelzende Substanz aufschmelzen, wollte ich mich zunächst der Schmelztemperatur nähern und sehen, ab wann die Zersetzung erfolgt. Laut Wikipedia liegt die Schmelztemperatur für Harnstoff bei 133 °C, mit dem Hinweis ,,Zersetzung". Ich bin mal davon ausgegangen, dass dies nicht explosionsartig passiert.

Also, ein kleines Häufchen feinstes Pulver auf einen OT gegeben, platt gedrückt und langsam erhitzt. Um Temperatureinflüsse aus der Umwelt gering zu halten, habe ich einen kleinen Petrischalendeckel  darüber gestülpt und wollte erst einmal das Schmelzverhalten beobachten, vor allem, ab wann und wie die Zersetzung beginnt...
Nun, Überraschung! Nach kurzer Zeit (ca. 140 °C) hatte sich der Deckel der Petrischale weiß gefärbt. Das hatte wohl, wie ich vermute, nichts mit Zersetzung zu tun, sondern war das Ergebnis von Sublimation. Von Sublimation hatte ich im Zusammenhang mit Harnstoff noch nie etwas gehört. Nach etwas googeln, habe ich aber Hinweise gefunden.
Unter dem Mikroskop zeigte sich in der Petrischale viele kleine Kristalle (Bild 1). An einigen Stellen des Objektträgers waren auch senkrecht stehende Kristalle zu sehen, sogar an einem kleinen Fussel haben sich diese Kristalle niedergeschlagen (2. Bild).

Ich habe dann weiter erhitzt, bis zu 195 °C tritt keine schnelle Zersetzung ein. Und darum ging es mir ja, zu ermitteln, ob ich andere Substanzen in der Harnstoff-Schmelze lösen kann. Sollte gehen.
Again what learned!

Beste Grüße

Michael


Bild 1: Harnstoff, Sublimation, polarisiertes Licht, Bildbreite 0,13 mm
Bild 2: Harnstoff, Sublimation, polarisiertes Licht, Bildbreite 1,75 mm
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MiR

An alle,

da habe ich wirklich geglaubt, annähernd auf der Höhe der Zeit zu sein, und muß das dann lesen:
ZitatZerkleinern und Mischen – Mörsermühle für viele Anwendungen. In vielen Laboratorien wird eine Probe noch immer nach klassischer Art und Weise mit einem Pistill in einem Mörser mit der Hand zerkleinert. 
Dabei gibt es doch bereits seit vielen Jahren eine bessere Lösung dafür: die Mörsermühle Pulverisette 2.
Quelle: https://www.chemanager-online.com/themen/produktion/moersermuehle-zerkleinern-und-mischen

Also an alle, die vorhaben, sich auch einen Achatmörser (oder den Zweit- bzw. Dritt-Mörser) zuzulegen, erst die Alternativen prüfen !!  ;)

Viele Grüße aus Berlin
Michael (MiR)

witweb

Hallo Michael,

schade, zu spät der Tipp. Andererseits, ohne App wäre das sowieso nix für mich!

Viele Grüße

Michael
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wilfried48

Hallo Michael,

so eine Pulverisette ist eigentlich für größere Probenmengen gedacht. Bei kleinen Probenmengen sparst du da keine Zeit, weil die wieder verbraucht wird um das Pulver vollständig aus der Mühle zu bekommen.
Und kennst du auch die Preise ? Die im Artikel zitierte Fritsch Pulverisette 2 kostet über 5 Tsd €. Und der Tiegel und ein Satz  Mahlkugeln jeweils immer noch mehr als ein Achatmörser.

viele Grüße
Wilfried
vorzugsweise per Du

Hobbymikroskope:
Zeiss Axiophot,  AL/DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Axiovert 35, DL/Ph/DIC/Epi-Fl
Zeiss Universal Pol,  AL/DL
Zeiss Stemi 2000 C
Nikon Labo-/Optiphot mit CF ELWD Objektiven

Sammlung Zeiss Mikroskope
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=107.0

MiR

Hallo Wilfried,

das glaub ich dir gern, dass das Gerät für die Freizeitbeschäftigung etwas "zuviel" ist und (eigentlich) für kleine Menge mit Nachteilen verbunden ist.
Zumal das Gerät ja wahrscheinlich auch ohne App daherkommt, was Michael (witweb) ja auch vom Erwerb abhalten würde. ;) 
Mein Beitrag war auch alles andere als ernst gemeint, mich hat die Werbe-Formulierung amüsiert (unter dem Blickwinkel des Hobbyisten) als auch ein bisschen
der Name des Gerätes, einschließlich der Versionsnummer, und das Thema wunderbar hierher passt.
Andererseits freut sich vielleicht jemand über die Information und hinsichtlich des Preises lässt sich vortrefflich diskutieren.
Vielleicht zur Erinnerung: https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=42010.0.
Obwohl für dieses Gerät 58.000 Euro relativ nicht viel sind (und das meine ich, so wie ich es schreibe ...), aber absolut betrachtet dürfte dass schon anders aussehen.

Viele Grüße aus Berlin
Michael (MiR)

witweb

Hallo zusammen,

mal einen kleinen Zwischenbericht.
Ich habe nun in H a n d a r b e i t  Harnstoff, gemeinsam mit Paracetamol (Verhältnis 1:1), in meinem schicken Achat-Mörser zerrieben. Dann habe ich da weitergemacht, wo ich vor diesem Thread aufgehört hatte.

Hier nun ein paar Beispielbilder. Alle zeigen Schmelzpräparate von Paracetamol/Harnstoff. Lediglich die Temperaturen sind unterschiedlich. Angegeben sind die Einstellungen der Heizplatte.
Zur Erinnerung, Lt. Wikipedia hat Harnstoff einen Schmelzpunkt von 133 °C (Zersetzung) und Paracetamol von 169 °C.


Erstes Bild: 135 °C. Hier schmilzt der Harnstoff gerade so, das Paracetamol wird aber wohl nur teilweise in die Schmelze aufgenommen. Zu erkennen sind einzelne Inseln, die, wie ich vermute, aus Paracetamol-Kristallen bestehen. Insgesamt viele Störungen, auch wieder diese ,,Linien" (zweites Bild).






Nun Temperaturen von 140 °C bzw. 190 °C. Alles wie gewünscht, der Objektträger voller Fotomotive!





Fazit: Das Mörsern ist die Lösung! Die jeweiligen Temperaturen muss ich mir mal noch genauer anschauen (Stichwort Phasendiagramm). Generell geht das Schmelzen schneller und viel gleichmäßiger, als bei den eingetrockneten Lösungen. Bei den höheren Temperaturen geschieht das fast blitzartig. Den erwarteten Zerfall des Harnstoffs konnte ich nicht bemerken. 

Viele Grüße

Michael
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