Parfokalität zwischen Objektiven vom Eindeckmedium abhängig?

Begonnen von Diana1982, Mai 25, 2023, 09:51:13 VORMITTAG

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Diana1982

Liebe Mitforisten,

Gestern Abend plagte ich mich mit folgendem Problem herum:

Ich habe an meinem Orthoplan an sich einen sehr gut abgestimmten Objektivsatz, was die Parfokalität angeht.

Gestern habe ich zu Vergleichszwecken mit anderen (gleichen) Objektiven, ein schönes histologisches Präparat damit angesehen und folgende Merkwürdigkeit festgestellt:

Während die Objektive 40 und 100 sonst immer sehr gut parfokal waren, waren sie es plötzlich nicht mehr.
Ich habe es zig mal verglichen, an einem klemmenden Präparateschutz liegts definitiv auch nicht.

Nun die Überraschung: Mit einem Mundschleimhautzellenpräparat stimmts plötzlich wieder ganz gut!

Während ich den Tisch beim Histopräparat beim Wechsel vom 40er zum 100er Objektiv um 11mü senken musste, war er nun um nur 4mü zu heben.
Bei einem weiteren Präparat (Diatomeen von Peter Höbel) war der Parfokalitätsunterschied gar nur 2mü. Bei einem Tümpelpräparat war er wiederum anders als bei den Mundschleimhautzellen.

Mit dem Vergleichs-Objektivsatz an einem anderen Mikroskop war das ähnlich.
Sowas ist mir bisher noch nie aufgefallen!

Hängt die Parfokalität von Objektiven untereinander vom Eindeckmedium (Art und Stärke (Dicke) des Mediums) ab?

LG Diana


Leitz Orthoplan
Leitz Diavert
Leica DMR
Olympus SZX12

www.microscopia.de

Rawfoto

Hallo Diana

Scheinbar, wenn das Objekt unmittelbar am Deckglas liegt ist dieses Problem bei mir weg gewesen. War das Objekt am Objektträger und die Schicht war zu dick war es wieder da. Das denke ich bestätigt deine Theorie.

Bei mir ist das erst ab 40x aufgetreten - und natürlich aufwärts

Liebe Grüße

Gerhard
Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...

anne

Hallo Diana,
Diatomeen sind normalerweise auf dem Deckglas aufgebracht, also kann theoretisch kein Unterschied durch das Eindeckmedium entstehen, da der geringste Abstand dadurch gegeben ist.
In anderen Präparaten bzw. den meisten Präparaten ist das Objekt auf dem Objektträger aufgebracht. Dadurch ist der Abstand zwischen Deckglas und dem Objekt auf dem Objektträger wahrscheinlich recht variable durch die unterschiedliche Dicke des Einbettmediums.
Das erklärt zwar nicht die abweichende Parfokalität, jedoch sollte es bedacht werden.

lg
anne

Florian D.

Zitat von: Diana1982 in Mai 25, 2023, 09:51:13 VORMITTAG
Während die Objektive 40 und 100 sonst immer sehr gut parfokal waren, waren sie es plötzlich nicht mehr.

Also auch mit und ohne Immersion?

Viele Grüsse
Florian

olaf.med

#4
Liebe Diana,

dieses Erscheinung ist eine direkte Konsequenz des Snelliusschen Brechungsgesetzes. Man muss sich das einmal auf der Skizze unten ansehen, dann wird es klar.

Herzliche Grüße,

Olaf
Gerne per Du!

Vorstellung: http://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=4757.0

... und hier der Link zu meinen Beschreibungen historischer mineralogischer Apparaturen:
https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=34049.0

FabianVoigt

Hallo,

Ich kann mir vorstellen, dass durch die wahrscheinlich unterschiedlichen NAs der Objektive der visuell beste Fokus durch leicht unterschiedliche Restaberrationen woanders liegt wenn das Einbettmedium eben nicht genau dem entspricht, für das die Objektive gerechnet/getestet sind. Das 100er hat nicht zufällig eine Irisblende, mit dem man es auf die gleiche NA wie das 40er bekommt?

Viele Grüsse,

Fabian


Diana1982

Vielen Dank an Euch und prima! Dann bilde ich mir das wenigstens nicht ein!

Das "Problem" hat mich gestern tatsächlich Nerven gekostet. Das Histopräparat, das ich hatte, sieht auch recht dick eingedeckt aus.

Mir ist auch noch aufgefallen, dass diese Parfokalitätsdifferenz beim Undendlichsystem am Leica DMR geringer ausgeprägt ist.
Bzw. dort habe ich sogar gleich vom 20er aufs 100er umgeschwenkt, weil eines meiner 40er Objektive Deckglaskorrektur hat und das andere ein Öl-Objektiv ist.

@FabianVoigt: Ich habe 100er mit Irisblende, ich probiere mal aus, ob man beim Abblenden irgendeinen Effekt im Bezug auf Parfokalität zum 40er Objektiv bei dicken Präparaten sieht.
@Florian D.: Ja, das 40er Objektiv am Orthoplan ist ein Trockenobjektiv gewesen, das 100er eines mit Öl-Immersion. Beides im Durchlicht-Hellfeld.

LG Diana
Leitz Orthoplan
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Jürgen Boschert

Hallo,

Olaf hat ja eine anschauliche Skizze des Brechungsgesetzes gebracht. Natürlich hat die Dicke des durchstrahlten Mediums (Eindeckmittel) Einfluss auf die Parfokalität.
Die Irisblende bei den hochaperturigen Objektiven hat damit nichts zu tun; die sind dafür gedacht, diese Objektive durch Ansenken ihrer NA "dunkelfeldtauglich" zu machen.
Beste Grüße !

JB

Lupus

#8
Hallo,

wenn beide Objektive in Luft verwendet würden kann sich kein Unterschied ergeben wenn die Objektive nicht sehr schlecht korrigiert sind. Es ist egal ob ich nur Luft zwischen Objekt und Objektiv habe, oder jeweils eine zusätzliche dünne Schicht mit höherem Brechungsindex wie z.B. das Eindeckmedium. Die zusätzliche Höhenkorrektur der Objektive zur Scharfstellung durch ein tiefer im Eindeckmedium liegendes Objekt ist, unabhängig von der Vergrößerung und NA, immer gleich.

Wenn ein Immersionsobjektiv verwendete wird, muss es zum fokussieren um die Höhe zusätzlich abgesenkt werden, um die das Objekt unter der unteren Deckglasfläche liegt (wenn das Einschlussmedium den gleichen Brechungsindex wie das Immersionsöl hat). Das Trockenobjektiv muss um einen geringeren Betrag abgesenkt werden, und zwar um die Differenz der optischen Weglängen des Deckglas-Objekt-Abstandes einmal mit Luft und einmal mit Einschlussmedium.

Hubert

Diana1982

#9
Hallo Jürgen,

Danke!
Ich ärgere mich nur, weil ich gestern Stunden damit verbracht habe, mich darüber - naja - "halt zu ärgern" und unnötig am perfekten System herumzuarbeiten. Und dass das alles einmal sehr genau gestimmt hat und jetzt hat mich dieses eine Präparat diesbez. "völlig aus der Bahn geworfen"  ;) ;) ;)

Gut, es gibt schlimmeres und nun ist meine Welt auch wieder in Ordnung!
Also, dass mir dieser Effekt zuvor nie aufgefallen ist! Ich fasse es selbst nicht.
Aber das Histopräparat ist wirklich nicht das dünnste und sonst tümpel ich im Hobbybereich eher, das fällt sowas auch nicht so auf.
Für Einstellungen und Tests nehme ich gerne Diatomeenpräparate und wenn die gut gemacht sind, hat man das Problem ja nicht.

LG Diana
Leitz Orthoplan
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Diana1982

Zitat von: Lupus in Mai 25, 2023, 12:33:23 NACHMITTAGS
Hallo,

wenn beide Objektive in Luft verwendet würden kann sich kein Unterschied ergeben wenn die Objektive nicht sehr schlecht korrigiert sind. Es ist egal ob ich nur Luft zwischen Objekt und Objektiv habe, oder jeweils eine zusätzliche dünne Schicht mit höherem Brechungsindex wie z.B. das Eindeckmedium. Die zusätzliche Höhenkorrektur der Objektive zur Scharfstellung durch ein tiefer im Eindeckmedium liegendes Objekt ist, unabhängig von der Vergrößerung und NA, immer gleich.

Wenn ein Immersionsobjektiv verwendete wird, muss es zum fokussieren um die Höhe zusätzlich abgesenkt werden, um die das Objekt unter der unteren Deckglasfläche liegt (wenn das Einschlussmedium den gleichen Brechungsindex wie das Immersionsöl hat). Das Trockenobjektiv muss um einen geringeren Betrag abgesenkt werden, und zwar um die Differenz der optischen Weglängen des Deckglas-Objekt-Abstandes einmal mit Luft und einmal mit Einschlussmedium.

Hubert

Vielen Dank!

LG Diana
Leitz Orthoplan
Leitz Diavert
Leica DMR
Olympus SZX12

www.microscopia.de

Lupus

Nochmal als konkretes Beispiel:
Liegt das Objekt z.B. 15 μm unter dem Deckglas und das Medium hat (einfachheitshalber) einen Brechungsindex n=1.5, dann muss das Immersionsobjektiv um 15 μm, das Trockenobjektiv um 5 μm abgesenkt werden.
Wird ein hochbrechendes Medium verwendet (n höher als Glas bzw. Immersionsöl) verschieben sich die Verhältnisse entsprechend.

Hubert

Peter Reil

Liebe Diana,

mit deiner Frage hast du etwas angestoßen, was ich bei meinem Mikroskop unbewusst genauso auch schon wahrgenommen habe.

Vor ein paar Jahren hatte ich meine Objektive sehr genau aufeinander abgeglichen, indem ich sie mit Kunststofffolienringen entsprechend unterfüttert habe. Beim Objektivwechsel musste ich praktisch gar nicht nachfokussieren. Ich war sehr stolz darauf, dass mir diese Parfokalität gelungen war.

Irgendwie hatte ich in der Nachfolgezeit das Gefühl, dass sich die Parfokaalität verschoben hatte, was ich mir bisher nicht so richtig erklären konnte.
Dank der Skizzen von Olaf ist es mir jetzt klar.  :)

Freundliche Grüße
Peter
Meine Arbeitsgeräte: Olympus BHS, Olympus CHK, Olympus SZ 30

Rawfoto

Gerhard
http://www.naturfoto-zimmert.at

Rückmeldung sind willkommen, ich bin jederzeit an Weiterentwicklung interessiert, Vorschläge zur Verbesserungen und Varianten meiner eingestellten Bilder sind daher keinerlei Problem für mich ...

Peter V.

Liebe Diana,

"Again what learned", wie Du immer sagst  ;)

Da ich nie so auf Parfokalität achte wie Du, ist mir dieser Effekt der porbenabhängigen unterschiedlichen Parfokalität tatsächlich noch nie bewusst aufgefallen.

Herzliche Grüße
Peter
Dieses Post wurde CO2-neutral erstellt und ist vegan. Für 100 Posts lasse ich ein Gänseblümchen in Ecuador pflanzen.