Botanische Paraffinschnitte

Begonnen von jcs, April 22, 2025, 22:07:46 NACHMITTAGS

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jcs

Liebes Forum,

für heuer habe ich mir vorgenommen, etwas intensiver mit botanischen Paraffinschnitten zu arbeiten, um das Thema "Blüten, Pilze und Mykorrhiza" etwas systematischer angehen zu können.

Es gab dazu schon einige Threads hier im Forum (z.B. https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=39320.0 oder https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=32507.0). Grundsätzlich Neues gibt es dazu nicht zu sagen, dennoch dokumentiere ich meine Vorgangsweise hier als "mikroskopisches Tagebuch". Eventuell ist das für einige im Forum ebenfalls von Interesse.

Einbettung

Bei meiner Vorgangsweise halte ich mich im Wesentlichen an die Anleitung in "Romeis- Mikroskopische Technik, 19. Auflage, Seite 107". Tendenziell benötigen botanische Proben etwas länger als in der originalen Anleitung angegeben, um gründlich von den Medien durchdrungen zu werden. Die erforderliche Dauer der einzelnen Schitte hängt allerdings sehr stark von der Struktur der Probe ab: Eine luftige Blüte eines Korbblütlers lässt sich schneller einbetten als eine kompakte männliche Haselnuss-Blüte. Deshalb sind die folgenden Angaben nur ein Richtwert.

1. Fixieren in AFE, über Nacht 12h oder mehr
2. 100 % Ethanol ca. 4 h
3. 100 % Ethanol ca. 4 h
4. Entlüften in Vakuum
5. Methylbenzoat 1h
6. Methylbenzoat 12h oder mehr
7. Xylol 2 h
8. Xylol-Paraffin 1:1 2-3h
9. Paraffin, 60 °C 2h
10. Paraffin, 60 °C 12h oder mehr
 
Als Arbeitsgeräte verwende ich einen Blockthermostat, in dessen Einsatz sowohl Schnappdeckelgläser 25ml als auch Bechergläser 100ml hineinpassen, siehe untenstehende Abbildung. Die Schnappdeckelgläser sind sehr praktisch, da man mit ihnen nur geringe Mengen an Medien benötigt (Lösungsmittel, Paraffin,...) und zusätzlich eine sehr definierte Temperatur einstellen kann.

Ich habe verschiedene Paraffine ausprobiert, Paraplast Plus von Leica hat bei mir am besten funktioniert, speziell in Hinblick auf die Schneidbarkeit am Mikrotom. Die durchtränkten Proben gebe ich in eine vorgewärmte metallische Einbettform und lege dann eine histologische Einbettkassette auf das flüssige Paraffin.  Mit einer Nietenlochzange (den Tipp habe ich hier aus dem Forum) kann man ein Loch in die Einbettkassetten drücken, um die Proben besser positionieren zu können.

botanik_paraffin_abb-1.jpg
Abb.1: Gerätschaften für die Einbettung der Proben.

Herstellung der Schnitte

Im nächsten Schritt geht es an die Herstellung der Schnitte. Ursprünglich habe ich dazu ein Schlittenmikrotom verwendet, aber das hat nicht sonderlich gut funktioniert. Mittlerweile habe ich ein Rotationsmikrotom mit Leica 818 Einmalklingen im Einsatz (siehe Abbildung unten), das deutlich besser geeignet ist, um reproduzierbar Schnitte mit Dicken zwischen 5 und 10µm herzustellen.

Die einzelnen Schnitte kommen dann ins Streckbad (destilliertes Wasser bei 45°C). Die sauberen Objektträger wärme ich am Strecktisch (danke an Gerhard Rawfoto für's Ausborgen!) vor und fische damit die Schnitte aus dem Bad. Danach werden die Objektträger mit den Schnitten gründlich getrocknet, ca. 24h bei Raumtemperatur. Damit die Objekte gut haften bleiben während der Entfernung des Paraffins ist dieser Trocknungsschritt essenziell. Bei guter Trocknung ist keine Eiweiß-Gelatine erforderlich, um eine gute Schnitthaftung zu gewährleisten.

botanik_paraffin_abb-2.jpg
Abb. 2: Gerätschaften zur Herstellung der Schnitte.

Paraffinentfernung und Färben
Die getrockneten Objektträger werden am nächsten Tag weiterverarbeitet. Dazu heize ich sie am Strecktisch auf 45-50°C auf und gebe sie in folgender Abfolge in diverse Lösungsmittel

1. Grobentfernung des Paraffins in 40°C warmem Xylol, 1-2min
2. Feinentfernung des Paraffins in Xylol bei Raumtemperatur
3. Überführen in Isopropanol, 2min
4. Überführen in 70% Ethanol, 2min
5. Überführen in Aqua dest.

Gefärbt wird in einer kleinen Glaswanne (Küchenbedarf), die zufälligerweise genau die richtige Größe für Objektträger hat, siehe untenstehende Abbildung. 2-3 Tropfen des jeweiligen Farbstoffes genügen für die Färbung, danach wird der Objektträger mit Aqua dest. abgespült und in einem Färbetrog mit Wasser bis zum nächsten Schritt gelagert.

Eingebettet wird normalerweise in Euparal.

botanik_paraffin_abb-3.jpg
Abb. 3: Verwendete Gerätschaften für das Färben der Proben.

jcs

Hier sind einige Ergebnisse, die ich mit dieser Methode erzielt habe. Details zur Färbung und zu den Schnitten stehen in der jeweiligen Bildunterschrift

botanik_paraffin_abb-4.jpg
Abb. 4: Querschnitt durch Blüte des Gänseblümchens (Bellis perennis), 10µm Schnittdicke, Färbung Wacker (Acridinrot-Acriflavin-Astrablau)


botanik_paraffin_abb-5.jpg
Abb. 5: Längsschnitt durch die Knospe eines Wald-Gelbsterns (Gagea lutea), 8µm Schnittdicke, Färbung Hamburger Grün

botanik_paraffin_abb-6.jpg
Abb. 6: Querschnitt durch die Knospe einer Bärlauchblüte (Allium ursum), 8µm Schnittdicke, Hamburger Grün

jcs

#2
Weil die Pflanze gerade vor meinem Büro blüht, habe ich mir die Blüten des Frühlings-Greiskrauts (Senecio vernalis) etwas genauer angeschaut, unten sind die entsprechenden Abbildungen in verschiedenen Vergrößerungen. Die Details der Pollen sind ganz gut erkennbar, auch wenn die Aufnahme nicht mit dem Detailreichtum einer REM-Aufnahme mithalten kann.

botanik_paraffin_abb-7_v3.jpg
Abb. 7: Querschnitt Blüte Frühlings-Greiskraut, 7µm Schnittdicke, Wacker-Färbung. Aufnahme mit 5x-Objektiv.

botanik_paraffin_abb-8_v3.jpg
Abb. 8: Detailaufnahme Querschnitt Blüte Frühlings-Greiskraut, 7µm Schnittdicke, Wacker-Färbung. Aufnahme mit 10x-Objektiv.

botanik_paraffin_abb-9.jpg
Abb. 9: Pollen des Frühlings-Greiskrauts, 7µm Schnittdicke, Wacker-Färbung. Aufnahme mit 100x-Objektiv, Öl-Immersion.

botanik_paraffin_abb-10.jpg
Abb. 10: Pollen des Frühlings-Greiskrauts (nach Kritisch-Punkt-Trocknung), Aufnahme am REM.

unkenheini

Moin,
Vielen Dank für den tollen Bericht.Sehr gerne mehr davon!
Danke ,mit freundlichen Gruß Jörg
Mit freundlichen Grüßen
Jörg G.

p.s. Mir ist es lieber mit Du angesprochen zu werden als mit Sie.Danke.

jcs

Hallo Jörg,

danke für das Feedback! Rundherum blüht und sprießt es, da wird sich in nächster Zeit sicher mehr als genug Probenmaterial finden, das anzuschauen sich lohnt.
Jürgen

Matt

Hallo Jürgen, sehr schöne Ergebnisse und Bilder! Danke auch für das Zeigen und Erläutern der Technik. Für mich super hilfreich!

Matthias
Zeiss Axiolab.A1

A. Büschlen

Hallo Jürgen,

danke, dass du mit uns deine Arbeitsweise teilst! Die Doku ist interessant und ermutigend.

Hast du ein Heimlabor oder mehr...?

Grüsse Arnold
Schwerpunkt z.Z.:
- Laub- und Lebermoose.
- Ascomyceten als Bryoparasiten.
- Nikon Optiphot I mit HF, DIC.
- Nikon Microphot mit HF, Pol.
- Zeiss Standard Universal mit HF, Ph, Pol.
- Wild M3Z mit Ergotubus.
- Nikon SMZ-U Zoom 1:10 mit ED Plan Apo 1x.

jcs

Hallo Matthias, Arnold,

freut mich, wenn der Beitrag hilfreich ist.

@Arnold: Den Mikroskopie-Arbeitsplatz habe ich in meinem beruflich genutzten Labor. Da können neben der eigentlichen Arbeit immer ein paar Proben "umgetopft" werden.

Der Fluoreszenz-Aufsatz auf dem Mikroskop neben dem Mikrotom (siehe Bild unten) könnte Dir übrigens bekannt vorkommen, ich habe ihn vor ein paar Jahren von Dir bekommen.
LG
Jürgen

botanik_paraffin_abb-7.jpg

Wes

#8
Hallo Jürgen,

Faszinierende Arbeit, wirklich inspirierend!
Ich habe mir die Preise der Leica-Mikrotome angesehen und musste mich erst einmal setzen – ich träume schon seit meiner Kindheit, als ich mich für gefärbte Histologieschnitte begeisterte, davon, ein hochwertiges Mikrotom zu besitzen.
Zum Thema Blüten: Hast du dich schon einmal mit Blütenknospen beschäftigt, die reich an drüsigen Trichomen sind (z.B. Lavandula, Nicotiana, Salvia, Cannabis, Mentha und ähnliche)? Mich würde interessieren, wie Trichome histologisch aussehen.
Hast du im Hinblick auf den Erhalt feinster subzellulärer Strukturen schon alternative Fixierlösungen (z.B. Formaldehyd + Glutaraldehyd in Phosphatpuffer) ausprobiert oder mit Technovit-Harzen gearbeitet?

LG
Wes

jcs

Hallo Wes,

das Mikrotom habe ich gebraucht halbwegs günstig bekommen, als Neugerät wäre mir das auch zu teuer gewesen.

Trichome stehen auf meinem Programm, mit Salbei habe ich schon einmal herumgespielt (https://www.mikroskopie-forum.de/index.php?topic=45114.0). Der Salbei startet gerade in die Blühsaison, da kann ich einmal versuchen, Trichome der Blütenknospen zu präparieren.

Zur Fixierung habe ich bis jetzt den Routineansatz mit Fixierung in AFE verwendet. Ich denke aber, dass dieses Protokoll für empfindliche Blüten und zartere Gewebe nicht ideal ist. Vermutlich muss man da etwas schonendere Ansätze heranziehen. Glutaraldehyd ist mir aktuell allerdings noch zu anspruchsvoll. Ich weiß gar nicht, ob man das so ohne Weiteres bekommt.

LG
Jürgen

jcs

Hallo Wes,

bei meinen letzten Paraffinversuchen habe ich einen Blütenstand des Wiesensalbei (Salvia pratensis) mitlaufen lassen. Im ersten Bild (Stereomikroskop) sieht man die zahlreichen (drüsigen) Trichome ganz gut. Beim Präparieren hatte ich ein paar Probleme, die Knospen werden bei längerer Lagerung in Alkohol recht matschig. Das Protokoll aus meinem ersten Posting hier im Thread sollte man für solche Proben anpassen und kürzere Zyklen in Ethanol vorsehen.

P1004207.jpg

Schlussendlich habe ich aber einen halbwegs passablen Schnitt bekommen, gefärbt in Etzold FCA. Das Bild unten zeigt meines Erachtens ein drüsiges Trichom im Querschnitt (8µm Schnittdicke).

2025-05-08 19-00-39 (C,S3)-Bearbeitet.jpg

jcs

Eine andere Probe (junge Knospe einer Fichte, Picea abies) hat sich als recht dankbares Objekt erwiesen. Ich konnte einige Schnitte mit 8µm Schichtdicke herstellen und in Wacker, Etzold FCA und Hamburger Grün färben. Mit der Wackerfärbung (Acridinrot, Acriflavin, Astrablau) hatte ich Probleme, da beim Wechsel vom alkoholischen Acridinrot auf wässriges Acriflavin regelmäßig ein paar Nadeln weggeschwommen sind. Im unten gezeigten Bild ging eine Nadel verloren. Ich habe mir erlaubt, in Photoshop eine Nadel zu verdoppeln, um die Symmetrie des Bildes zu erhalten.

Insgesamt sehen die Schnitte in meinen Augen sehr attraktiv aus.
LG
Jürgen

Etzold FCA, Pano aus 4 Aufnahmen mit 10x-Objektiv)

P1004233-Pano-Bearbeitet.jpg

Wacker 3-fach-Färbung (Pano aus 4 Aufnahmen mit 10x-Objektiv)
P1004248-Pano-Bearbeitet.jpg

Detailaufnahme Wacker (20x-Objektiv)
P1004254-Bearbeitet.jpg

Hamburger Grün (Pano aus 4 Aufnahmen mit 5x-Objektiv)
P1004259-Pano-Bearbeitet.jpg

anne

Hallo Jürgen,
ich bin eigentlich kein Fan von Pflanzenschnitte, aber das was Du da machst ist absolut faszinierend.
lG
anne

K. B.

Hallo Jürgen,

die Schnitte sehen einfach fantastisch aus und auch die REM Aufnahmen sind spitze!

Viele Grüße
Kay
Mikroskop: Olympus BH-2 BHTU mit Trino (DL; PH; Fluo; DF)
                  Zeiss GFL Trinokular (DL; PH; Fluo; AL)
                  Olympus CK2 Invers Trino (DL; PH; Fluo)
                  Olympus GB (DL; PH)
Mikroskopkamera: Canon EOS 550D; EOS RP

jcs

Hallo Anne, Kay,

danke für Eure lobenden Worte, das ist sehr motivierend für weitere Ausflüge in den faszinierenden Formenreichtum der Natur.
LG
Jürgen