Dinamoeba mirabilis - Stand meiner Erkenntnisse

Begonnen von Martin Kreutz, April 05, 2010, 17:10:08 NACHMITTAGS

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Martin Kreutz

Liebes Forum,

ich habe heute einem etwas längeren Beitrag eingestellt, in dem ich mal darstellen möchte, auf welchen ,,Bestimmungsproblemen" ich hier rumkaue und wie ich die bisher gesammelten Daten interpretiere. Für geduldige Mitleser ist es vielleicht interessant zu sehen, was ich bisher zusammengetragen habe und wie ich versuche, daraus eine richtige Zuordnung zu basteln.

In meinem bevorzugten Fundgebiet Simmelried finde ich seit etwa 10 Jahren (bewusst) folgende, auffällige Nacktamöbe:



Dies ist die typische Erscheinungsform in meinen Detritusproben. Die Amöbe hat einen Durchmesser von 200 – 250 µm, einen großen ZK (Durchmesser ca. 25 µm) und V-förmige Pseudopodien, die mich an Mayorella erinnerten. Sie ist ausgesprochen häufig und mit Pelomyxa im Faulschlamm vergesellschaftet (besonders in den Tümpeln 2 und 6 sowie dem Abflusskanal, für alle, die mit der Simmelried'schen Nomenklatur vertraut sind). Sie zeigte eine außerordentlich langsame Fließbewegung.

Um zu einer Zuordnung zu kommen, habe ich den Zellkern (ZK) genauer untersucht, der einen lappigen, vielgliedrigen Nukleolus besitzt. Zu meiner Überraschung, war der ZK von einer dicken Schickt symbiontischer Bakterien umgeben:



Beim Fokus auf diese ,,Bakterienhülle" erkennt man, dass der Kern von zwei verschiedenen Arten von Bakterien bedeckt ist.



Die Anwesenheit dieser Bakterien in Kernnähe, aber auch im Plasma, ließ für mich nur den Schluß zu, dass es sich um Pelomyxa handelt. Die Gattungs Pelomyxa ist im Simmelried stark vertreten und tritt in den unterschiedlichsten Erscheinungsformen auf. Eine genauere Zuordnung war mir erst mal nicht möglich, weshalb diese seltsame Amöbe jahrelang als ,,Pelomyxa IX" ihr Dasein in meinem Archiv fristete.

Jahre später fand ich dann in einem Mikrooaquarium mit einer Simmelriedprobe folgendes Exemplar:



Es waren deutlich kontraktile Vakuolen zu sehen sowie der typische, bakterienbedeckte Zellkern. Das konnte also nicht Pelomyxa sein (hat keine KV). Wieder dachte ich wegen der Pseudopodien an Mayorella, aber die symbiontischen Bakterien passten nicht. Eine Alternative fand erst mal ich nicht. Deshalb wurde die Amöbe ab sofort in meinem Archiv unter ,,Amöbe XXIII" geführt.

Ein weiterer Fund, den ich erst kürzlich machte (ebenfalls in einem Mikroaquarium) brachte dann etwas Licht ins Dunkle. Ich beobachtete diese etwas ausgestreckte Form der fraglichen Amöbe:



Nur Minuten später entdeckte ich an diesem Exemplar ein deutlich sichtbares Flagellum (F):




Hier der Ursprung des Flagellums im Detail. Sie entspringt nicht am Zellkern, was typisch für Mastigamoeba wäre.



Mit diesen Merkmalen habe ich nun meine Literatur gesichtet und bin schließlich bei einer Beschreibung von Dinamoeba mirabilis durch Siemensma gelandet:

Siemensma, F.J. (1987): De Nederlandsee Naaktamoeben (Rhizopoda, Gymnamoebia). Koninklijke Nederlandse Natuurhistorische Vereniging, Hoogwoud. 132 pp.

Die Zeichnungen von Siemensma auf Tafel 46-47 stimmen gut mit meinen Fotos überein, insbesondere mit Abb. A auf Tafel 48. Im Text (mein niederländisch ist rudimentär) wird auch von einer dicken Schicht Bakterien um den Zellkern herum gesprochen (,,Met name rond de kern bevinden zich veel bacterien die soms een dikke korrelige laag vormen"). Diese Schicht  ist auch zeichnerisch angedeutet auf Tafel 48, Abb. B.

Außerdem findet sich eine Zeichnung einer ,,Mastigella sp."  auf Tafel 49, welche Siemensma jedoch für D. mirabilis hält. Da erinnerte ich mich, dass ich 2006 bereits eine Amöbe fotografiert hatte, die ich an Hand dieser Abbildung als Mastigella sp. zugeordnet hatte. Bei nochmaliger Betrachtung der Aufnahmen (damals noch analog) sah ich, dass sie mit meinen aktuellen Aufnahmen von Dinamoeba mirabilis identisch sind:




Dem Zellkern mit Bakterienhülle hatte ich damals weniger Aufmerksamkeit geschenkt, jedoch auf einer der damaligen Aufnahmen zu erkennen:



Auf den folgenden Aufnahmen erkennt man auch gut, dass das Flagellum im Pseudopodium seine Fortsetzung findet. Wo dieser ,,Faden" (Fa) mündet, konnte ich nicht erkennen (vielleicht am Zellkern?). Dieser Faden wird von Siemensma auf Tafel 48, Abb. A und Tafel 49, Abb. A auch gezeichnet:




Mit der Zuordnung dieser Aufnahmen als Dinamoeba mirabilis ergab sich jedoch ein anderes Problem für mich, da ich bisher Amöben mit einem äußerlichen ,,Bakterienbesatz" als Dinamoeba mirabilis identifiziert hatte, wie z.B. die folgenden Aufnahmen:




 
Oder diese 10 Jahre alte Aufnahme, welche ich in PM Vol. 3 verwendet habe:



Auf diesen älteren Aufnahmen sind stets zwei Zellkerne ohne Bakterienhülle vorhanden und mit nur einem zentralen Nukleolus. Die anhaftenden ,,Bakterien", sehen auf den oberen 3 Aufnahmen tatsächlich wie Bakterien aus, bei der 10 Jahre alten Aufnahme darunter aber eher wie papillenförmige Ausstülpungen des Plasmas. Offensichtlich sind auch beide Erscheinungsformen möglich, wie Siemensma  auf Tafel 47, Abb. F und G zeichnet.

Bereits 1879 hat Leidy Dinamoeba mirabilis mit und ohne diese ,,Papillen-Behaarung" beschrieben und gezeichnet. Seine umfangreichen Zeichnungen auf den Tafeln VI und VII  von D. mirabilis in

Leidy, J. (1879): Fresh-Water Rhizopods of North America. Washington, Government Printing Office.

zeigen auch Exemplare, an denen ein Teil der Amöbe "behaart" ist und der andere nicht. Er erwähnt auch, dass Dinamoeba diese Papillen aktiv bilden und einschmelzen kann. Den genauen Aufbau des Zellkerns(ne) beschreibt Leidy nicht und auch keine auffällige Bakterienhülle um den Kern.

Die zweit älteste Beschreibung in meiner Lit.-Sammlung stammt von Harnisch:

Harnisch, O. (1958) Wurzelfüßler, Rhizopoda. In: Die Tierwelt Mitteleuropas 1, 1b: (Eds. P. Brohmer, P. Ehrmann, G. Ulmer), Quelle & Meyer, Leipzig, 1-75.

Er beschreibt D. mirabilis als vergleichsweise kleine, kugelige Amöbe (ohne Pseudopodien 76 µm Durchmesser). Sie soll 2 Zellkerne mit jeweils zentralem Nukleolus aufweisen. Eine ,,behaarte" Zelloberfläche, Flagellum, oder Bakterienhülle um die Kerne erwähnt Harnisch nicht.  

Eine etwas abweichende Beschreibung gibt Lee et. al. in

Lee, J.J., Leedale, G.F. & Bradbury, P. (eds., 2000): An illustrated guide to the protozoa. 2nd. ed. Society of Protozoologists, Allen Press. 1432 pp.

der die ,,Stäbchen" auf der Zelloberfläche als ,,parasitische Baterien" bezeichnet, ohne zu erwähnen, dass diese reversibel sind und es auch ,,glatte" Exemplare gibt. Eine Bakterienhülle um den Kern oder ein Flagellum erwähnt Lee auch nicht.

Die aktuellste Beschreibung (die ich habe) stammt von

Page, F.C. & Siemensma, F. J. (1991): Nackte Rhizopoda und Heliozoa. – Protozoenfauna 2: XI + 297 pp.

die im wesentlich auf die Beschreibungen von Siemensma von 1987 beruht. Jedoch wird nicht mehr erwähnt, dass D. mirabilis ein Flagellum tragen kann und sich symbiontische Bakterien im Plasma befinden. Es wird darauf hingewiesen, dass es ,,nackte" und ,,behaarte" Exemplare gibt und das es offensichtlich auch Formen mit mehreren (?) kleinen Zellkernen mit zentralem Nukleoli gibt.

Alles in allem passen die Beschreibungen auf alle hier gezeigten Bilder von Dinamoeba mirabilis. Diese Amöbe scheint vielfältige Erscheinungsformen zu haben, die von den Autoren offensichtlich zu den unterschiedlichen Beschreibungen veranlasst haben.

Ich selbst bin nun etwas unsicher, ob die hier gezeigten 2-kernigen Formen Dinamoeba mirabilis wirklich zeigen, obwohl die Merkmale nicht gegen die Beschreibungen in der Literatur sprechen. Evtl. durchläuft Dinamoeba während des Wachstums verschiedene Stadien, die dann ein unterschiedliches Erscheinugsbild haben. Dazu müsste man jedoch Kulturen ansetzen, was meines Wissens jedoch bisher noch nicht gelungen ist. Die Beschreibung von Siemensma 1987 scheint mit den Merkmalen meiner ,,Simmelried-Population" am ehesten übereinzustimmen, abgesehen von den zweikernigen, kleinen Exemplaren.

Da Dinamoeba mirabilis in meinem bevorzugten Fund Gebiet ausgesprochen häufig ist, konnte ich sie schon oft beobachten und in einem Fall glaube ich eine Zellteilung beobachtet zu haben.

Hier das noch abgerundete  Exemplar, an dem mir aufgefallen ist, dass mindestens 2 Zellkerne mit Bakterienhülle zu sehen sind, was ich bisher noch nicht gefunden hatte:



Ich blieb also dran und wartete, bis sich das Vieh wieder in Bewegung setzte. Es entstand dann dieses Bild, auf dem jetzt sogar 4 Zellkerne erkennbar sind:


 
Mit Fokus auf die Zelloberfläche erkennt man eine deutliche Einschnürung, die ich als Teilungszone (TZ) interpretiert habe:



Im stärker gequetschten Exemplar die Kernverhältnisse dieses sich evtl. in Teilung befindlichen Exemplare im Detail mit dem 60 X Objektiv:



Man erkennt, dass die 4 Zellkerne alle von der charakteristischen Hülle von symbiontischen Bakterien (SB) umgeben sind. Die beginnende Zellteilung hat offensichtlich dazu geführt, dass das Exemplar entweder längere Zeit gehungert hat oder alle Nahrungsvakuolen ausgeschieden hat, wodurch es außergewöhnlich klar war. Dadurch waren auch die im Plasma befindlichen symbiontischen Bakterien (SB) besonders schön zu beobachten:



Ich möchte zum Schluss noch auf einen von Siemensma erwähnte Streitfrage aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts eingehen, ob Dinamoeba mirabilis identisch ist mit Mastigamoeba aspera. Ich konnte leider nicht alles korrekt aus dem niederländische übersetzen, jedoch waren Penard und de Groot darin verwickelt. Auch wenn die Frage inzwischen geklärt ist, kann ich hier noch den ,,Beweis" liefern, dass es sich um zwei unterschiedliche Arten handelt, da sich Mastigamoeba aspera sehr häufig im Simmelried findet, oft vergesellschaftet mit Dinamoeba mirabilis.

Auf den folgenden beiden Aufnahmen kann man Mastigamoeba aspera sehen. Auch diese Amöbe zeigt typische, nach vorne gerichtete Psudopodien, die offensichtlich mit Plasmaausstülpungen (PA) übersät sind, die wie Bakterien aussehen. Auch ein Flagellum ist vorhanden, jedoch erkennt man deutlich, dass es am Zellkern (ZK) ansetzt, der sich dicht unter der Plasmamembran befindet. Dies ist der entscheidende Unterschied zu Dinamoeba (und Mastigella).




Ich hoffe, keinem wurde zu lanweilig bei dieser kleinen "Amöben-Exkursion"!

Allen ein schönes Rest-Ostern!

Martin Kreutz





















Ernst Hippe

Hallo Martin,
daß ich diese Deine Riesenarbeit mit besonderem Interesse gesehen und gelesen habe, kannst Du Dir denken. Ähnliches habe ich ja auch in den S.-Proben gesehen, wenn auch nie so klar. Eigentlich würde das doch fast für eine (zweite) Doktorarbeit reichen :D ,oder? Jedenfalls warst Du mit diesem Beitrag Ostern gut beschäftigt. Also noch ein bißchen Erholung heute!
Ernst
Gruß Ernst Hippe
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steffenclauss

Hallo Martin,

hochinteressant!! Es bedarf eine Menge Arbeit, Zeit, Recherche und Ausdauer.
Das zeigt auch wie schwierig das Feld der Nacktamöben zu beackern ist.

Somit vielen Dank für wieder ein kleines bisschen mehr Licht im der teils noch dunklen Amöbenwelt!

Steffen

Rolf-Dieter Müller

Zitat von: Martin Kreutz in April 05, 2010, 17:10:08 NACHMITTAGS
...
Ich hoffe, keinem wurde zu lanweilig bei dieser kleinen "Amöben-Exkursion"!
...

Keinesfalls, Herr Kreutz.

Obwohl ich bisher noch nicht so den richtigen Zugang zur Planktonmikroskopie gefunden habe, finde ich Ihren Beitrag als äußerst interessant und spannend.

Viele Mikrogrüße
Rolf-Dieter Müller

Jan Kros

Hallo Martin,
Ich habe Deine Riesenarbeit mit besonderem Interesse gesehen und gelesen und findet es sehr interessant.
Ich habe es gleich ausgedruckt
Schön mal wieder etwas von Dir zu hören hier im Forum.
Herzlichen Gruss
Jan

Jürgen H.

Hallo Herr Kreutz

wunderbare faszinierende Photos, wie immer von Ihnen. Und so eine sorgfältige und detailreiche Recherche!

Ganz herzlichen Dank dafür.

Mikrogrüße von Jürgen Harst


Martin Kreutz

Hallo Zusammen,

vielen Dank für Lob und Anerkennung. Ich habe tatsächlich etwas länger an diesem Beitrag gebastelt. Hätte ich mehr Zeit, könnte ich so etwas öfters zum besten geben, da ich sehr viele (mir scheint hunderte) von diesen Fällen in meinem Archiv habe. Besonders was die Amöben angeht. Ich habe mich viele Jahre hauptsächlich mit den Ciliaten beschäftigt, wende mich aber in letzter Zeit öfters den Amöben zu. Das Simmelried ist auch hier scheinbar unerschöpflich.

Allen einen schönen Abend!

Martin

Ferry

Hallo Martin,

You did a wunderful job!!! :D Mein Kompliment für die ausgezeichnete Bilder. Ich kann Deine Folgerungen nur bestätigen. Du hast Recht dass es einen deutlichen Unterschied gibt zwischen Dinamoeba und Mastigamoeba. Es ist schön dass Du das Flagellum so gut Fotografiert hast.

Vielen dank für die schöne Wissenschaftliche Arbeit!

Vielen Grüßen,

Ferry Siemensma
www.arcella.nl
www.natuurfotografie.info

Martin Kreutz

Hallo Ferry,

vielen Dank für das Kompliment! Ich möchte es gerne zurück geben für Deine Arbeiten an den Nacktamöben. Dein Buch "De Nederlandsee Naaktamoeben" ist bei mir ständig im Gebrauch, auch wenn ich immer wieder mit dem niederländisch hadere. Aber wir haben Dich ja jetzt immer "live" zugeschaltet.

Ich hoffe, dass ich bald Zeit finde noch ein paar weitere Funde hier vorzustellen.

Wünsche Dir einen schönen Abend!

Martin

Fahrenheit

Lieber Martin,

vielen Dank für diese garnicht 'kleine Amöbenexkursion', die ich erst jetzt mit großem Interesse gelesen haben.

Die Bakterien als Symbionten waren für mich eine echte Überraschung, was aber hauptsächlich daran liegt, dass ich im Reich der Protisten nicht sehr bewandert bin.
Auch wenn es vielleicht eine Trivialität ist: kannst Du sagen, welchen Vorteil die Amöbe im Allgemeinen aus der Symbiose zieht? Kann sie vielleicht die Stoffwechselprodukte der Bakterien verwenden und versorgt diese daher mit Nährstoffen und einem gewissen 'Schutz'?
Für mich noch interessanter: Bakterien sind ja oft recht teilungsfreudig. Wie hält die Amöbe die Anzahl ihrer Gäste unter Kontrolle? Werden überzählige Exemplare z.B. über eine Vakuole ausgeschieden oder wird vielleicht sogar die Teilung unterdrückt?

Über eine kurze Antwort oder Literaturhinweise zum Weiterlesen würde ich mich sehr freuen.

Herzliche Grüße
Jörg  
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Martin Kreutz

#10
Hallo Jörg,

um diese Frage zu beantworten, muss ich mich ziemlich weit rauslehnen. Ich kann hier nur meinen persönlichen Kenntnisstand wiedergeben, ohne Garantie auf Richtigkeit.  Die Gattung Dinamoeba gehört zusammen mit Pelomyxa und einigen anderen Gattungen zu den sogenannten Pelobionta. Diese Viecher sind recht seltsam, denn sie können meist ein Flagellum ausbilden (oder mehrere wie Pelomyxa), leben oft in anaeroben Schichten, besitzen keine Mitochondrien, oft keine Dictyosome und manchmal keine KV's (wie Pelomyxa). Sie weisen meist endosymbiontische Bakterien auf. Meistens mehrere Arten. Bei Dinamoeba kann man mind. 2 Arten schon optisch unterscheiden (s. o.). Am besten untersucht sind diese Endosymbionten wohl bei Pelomyxa. Eine Bakterienart ist wohl zuständig für die Entfernung des "giftigen" Sauerstoffs. Zwei weitere Arten sind methanogene Bakterien, welche die aufgenommene Nahrung anaerob zersetzen und für die der Sauerstoff giftig wäre. Die genauen Verhältnisse sind sicher komplizierter. Auffällig ist bei den Pelobionta, dass die Zellkerne oft durch eine Bakterienschicht bedeckt sind. Bei Dinamoeba kann man das sehen und bei Pelomyxa sieht das dann aus wie eine "Rumkugel", wie das folgendes Bild zeigt:



Ob diese "kernnahen Bakterien" den Zellkern vor Sauerstoff schützen soll, ist nur eine Vermutung. Evtl. gibt es sogar einen Genaustausch zwischen Pelomyxa und den Bakterien. Wer weiß! Wie die Steuerung der Bakterienzahl erfolgt, entzieht sich meiner Kentnnis. Das geht in die gleiche Richtung, wie Paramecium bursaria seine symbiontischen Algen "in Schach" hält. Darüber wurde hier im Forum (und im alten) schon viel diskutiert. Meiner persönlichen Meinung nach geschieht dies vielleicht über eine Signalstoff-Konzentration. Ähnlich wie Stoffgradienten das Wachstum über die Ablesung der DNA regeln, kann es auch sein, dass die Bakterien verdaut werden, sobald eine bestimmte Konzentration ihrer Ausscheidungsprodukte erreicht wird. So etwas zu beweisen, stelle ich mir jedoch schwierig vor.

Der Besitz von symbiontischen Bakterien in anaeroben Lebensräumen ist nicht nur auf Amöben beschränkt. Auch viele Ciliaten der anaeroben Zone tragen methanogene Bakterien in sich. Evtl. in gleicher Artenzusammensetzung wie bei den Amöben (also auch mit "Sauerstoff-Vernichtern"). Ein Beispiel habe ich noch angehängt. Es ist der Ciliat Brachonella spiralis, der im Simmelried sehr häufig ist und der Gattung Metopus nahe steht. In diesem recht großen Vieh lassen sich die symbiontischen Bakterien (12 µm lang) gut erkennen.

AZM = Adorale Membranellzone
CV = kontraktile Vakuole
CC= Kaudalcilien
SB = symbiontische Bakterien
MA = Makronukleus



Zur Aufklärung der genauen Beziehung zwischen Symbionten und Amöbe kann man sicher noch einige Doktorarbeiten vergeben.

Wünsche Dir einen schönen Abend!

Martin

Fahrenheit

Guten Abend Martin,

vielen Dank für Deine ausführliche Antwort zu diesem spannenden Thema.

Vielleicht zeigt sich in der Amöbe-Bakterien-Symbiose ja auch eine Vorstufe - oder Parallelentwicklung - zur aeroben Energieerzeugung mittels der nicht mehr alleine lebensfähigen Mitochondrien.

Herzliche Grüße
Jörg
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