Edit: Bilder hinzugefügt; Informationen zum ersten umgekehrten MikroskopNachdem dieses schöne Kapitel in letzter Zeit etwas in die Winterstarre verfiel, möchte ich es mit einem Beitrag über die umgekehrten Leitz-Mikroskope wieder erwecken.
Irgendwann in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entdeckten die Chemiker die Vorteile des vergrößernden Betrachtens chemischer Abläufe und Reaktionen. Oft war dies eine riskante Angelegenheit für die Frontlinse der Objektive. Man suchte nach Lösungen und fand diese, indem man das Präparat von unten zu betrachten versuchte.
Charles Chevalier brachte 1840 sein
"microscope universel" auf den Markt. Dieses Stativ konnte um eine Achse gedreht werden und diente somit als waagrechtes, aufrechtes oder umgekehrtes Mikroskop.
Die Handhabung als umgekehrtes Mikroskop war nicht sonderlich ergonomisch, weil der Objekttisch recht hoch war und ein seitenverkehrtes Bild entstand. Abhilfe schaffte hier das Smith-Prisma. John Lawrence Smith's Idee wurde von Camile Sébastian Nachet 1850 mit dem "microscope reversé" umgesetzt und stellt auch heute noch das Prinzip einfacher umgekehrter Mikroskope dar.

So auch das des ca. 1935 von Leitz in kleinen Stückzahlen gebauten "umgekehrten Mikroskops".

Hier nochmal in groß:
http://www.leitz-ortholux.de/forum/ch.pdf (342 KB)
Das Chemikermikroskop nach Waldmann
Höher aufgelöst gibt es das Bild hier:
http://www.leitz-ortholux.de/forum/3x_1600.jpg1950 wurde dieses robuste Chemikermikroskop vorgestellt. Das Smith-Prisma lieferte ein aufrechtes Bild. Aufgrund der schwachen Vergrößerungen (Objektive: 3,2, 6, 10) ließ sich das Präparat auch ohne Objektführer richtig positionieren, das Arbeiten mit Pipetten oder anderen Werkzeugen war einfach zu bewerkstelligen.
Die lange Säule für die Beleuchtungseinrichtung (zunächst als 40W Netzlampe, später mit Monla (Ortholux) Lampenfassung) schuf einen großen Objektraum, der die Beobachtung in verschiedensten Laborgefäßen zuließ. Entsprechende Ringeinsätze im Tisch ermöglichten das Stellen von Rund- und Erlenmeyerkolben, mittels einer prismatisch ausgefrästen Schiene konnten auch Reagenzgläser verwandt werden.
Die erste Ausführung hat einen fest montierten Monokular-Tubus mit 30 mm Öffnung für große Sehfelder.
Anfang der 60er Jahre (ein genaues Datum konnte ich noch nicht in Erfahrung bringen) kam das Waldmann'sche Mikroskop in einer überarbeiteten Version auf den Markt. Nun verfügte es über wechselbare Tuben. Monokular, binokular und später gab es sogar einen Tubus für die Orthomat-Kamera.

Auch der Triebkasten wurde überarbeitet. War es zunächst eine offene Konstruktion mit einer Klemmschraube, so wich diese mit dem "Facelift" einem geschlossenen Triebkasten. Die Klemmschraube war offensichtlich überflüssig geworden.


Zwischen den beiden Säulen ist ein arretierbarer Objektivschutz zu erkennen.
Eine Polarisationseinrichtung gab es schon für die erste Version. Ein großer drehbarer Polarisator wurde an die Lampenstange geklemmt. Allerdings in Verwendung mit einem Aufsatz-Analysator. Das modernere Gerät hatte dafür vorgesehene Schlitze.


Als mögliche Revolver waren ursprünglich vorgesehen der 3fach-Revolver am ersten Gerät, ein 4facher am späteren. Außerdem der Zangenwechsler und der Ultropak.
Durch die Kompatibilität zum Laborlux konnte jedoch eine Vielzahl an Revolvern und Illuminatoren eingesetzt werden.

Mechanisch passen würde sogar der rechts abgebildete Opakrevolver, es lässt sich aber der Tisch nicht genügend anheben. Mit demontiertem Tisch wäre aber eine Anwendung in einem Versuchsaufbau für opake Proben denkbar.
Ein weiteres erwähnenswertes Zubehör war eine Kondensorhalterung für die Lampenstange. Das Chemikermikroskop wurde auch mit Phasenkontrasteinrichtung nach Heine angeboten. Vorgesehen waren die Objektive Pv 10:1 und Pv 25:1.
Ende der 60er Jahre wurde auch dieses Mikroskop mit dem zeitgemäßen Hammerschlaglack überzogen.
Hier mit Kondensorhalterung und Orthomat-kamera

Technisch gab es keine Unterschiede, außer daß die Lampenstange nicht mehr aus gebürstetem Aluminium bestand, sondern durch eine verchromtes Stahlrohr ersetzt wurde.

Über Ergänzungen, Korrekturen und weitere Bildbeispiele von Zubehörteilen würde ich mich wie immer freuen.
Ein schönes Wochenende und viel Spaß bei der Lektüre wünsche ich Euch!
Wolfgang
Quellen:
Rolf Beck: "Die techn. Entwicklung umgekehrter Mikroskope" Aus Mitteilungen f. Wissenschaft u. Technik, Februar 1984
Hugo Freund: Handbuch der Mikroskopie in der Technik Bd.1, Teil 1