Nach großen anfänglichen Schwierigkeiten, die in Florians Beitrag über das
OPTON W-Stativ schon anklangen, gelang es den in die westlichen Besatzungszonen deportierten (!) Mitarbeitern der Jenenser Carl Zeiss- und Schott-Werke, innerhalb weniger Jahre eine florierende Produktion nicht nur unglaublich guter und vielseitiger, sondern auch ästhetisch sehr ansprechender Mikroskop-Modelle auf die Beine zu stellen.
Im ehemaligen Winkel-, jetzt
Zeiss-Winkel-Werk in Göttingen machte Zeiss seit 1949 und insbesondere Anfang der 1950er Jahre seinem - herausragend gut gefertigten - W-Stativ aus Oberkochen selbst Konkurrenz mit einem System, das den bezeichnenden Namen STANDARD trug. Viele Altgeräteliebhber wissen es, aber es muss angesichts von Modellzyklen im Takte weniger Jahre doch einmal betont werden, dass dieses System gut 35 Jahre Bestand hatte.
Über die enorme Ausbau- und Anpassungsfähigkeit dieses System - immer im Verein mit ausgezeichneter Fertigungsqualität - ist schon viel geschrieben worden. Besonders über die prall mit hochgezüchteter Optik bestückten mittelgroßen und großen Stative und ihre vortreffliche Eignung für die Lebenswissenschaften gibt es regelrechte (und berechtigte) Lobeshymnen. Was ich hier zeigen möchte, ist ein STANDARD-Mikroskop ganz anderer Art - und doch voll integriert in dieses schier unglaubliche System:
Das Zeiss-Winkel Polarisationsmikroskop STANDARD Junior
Anfang der 1950er Jahre wurden die ersten STANDARD Junior als "Arbeits-, Labor- und Kursmikroskope" vorgestellt und schon bald gab es sie in mehr als 20 (zwanzig!) Varianten vom schlichten Trichinenmikroskop mit einem Objektiv bis hin zum Polarisationsmikroskop mit Wechselrevolver (zur alternativen Montage eines Auflicht-Kondensors !).
Auch das
Polarisationsmikroskop STANDARD Junior gab es in sehr verschiedenen Ausstattungen.
So sah das im Prospekt von 1954 aus... :

...und so sieht meine Version aus.
Was man da sieht, ist ein vollwertiges Pol-Mikroskop für petrographische Zwecke! Es hat (von unten nach oben), was dieser Mikroskoptyp - der ja zugleich ein Mess-
und ein Beobachtungsgerät ist, haben
muss:
- spannungsfreier Kondensor mit einschaltbarem Polarisator,
- zentrierter (nicht zentrierbarer!) Drehtisch mit Winkelteilung und Nonius zur Ablesung,
- spannungsfreie, zentrierbare Objektive (der Achromat Pol.2,5 war nicht zentrierbar; wurde aber in einem werkszentrierten, rot markierten Gewinde verschraubt),
- Aufnahme für Hilfsobjekte (das sind diese liebevoll missbrauchten Messgeräte, die aus einem schönen Dünnschliff eine psychedelische Einheitsgrütze machen
, - schaltbarer Analysator,
- schaltbare Amici-Bertrand-Linse zur Auswertung von Interferenz-/ Achsenbildern,
- depolarisierender und spannungsfreier Beobachtungstubus zur orientierten Aufnahme eines Pol-Okulars,
- Pol-Okular mit orientiertem Fadenkreuz oder orientiertem Messkreuz.
Nicht zu fassen, oder? All das an einem kleinen, relativ leichten und wohlproportionierten Stativ. Hier eine Übersicht meiner kürzlich erbeuteten Ausstattung, drapiert mit ein paar Systemteilen, die ich von einem anderen Stativ verwenden konnte:

Die Objektive (wer aufmerksam ist, wird bemerken, dass das Suchobjektiv nicht in "seinem", rot markiertem "Auge" steckt, sondern das 25er):

Der Kondensor (mit Zahn und Trieb höhenverstelbarer, vorzentrierter und orientierter, spannungsfreier Kondensor S o,9 Pol):

Das Zubehör (der Schieber für die Objektive nimmt nicht nur diese auf, sondern in den kleinen Fächern auch bis zu vier Hilfsobjekte. Oben: Quarzkeil; mitte: Quarz Rot-1; unten: Leerschieber):

Ein paar Unterschiede zu dem Bild im Prospekt (s.o.) fallen auf: der Fokustrieb ist
nicht zum Ablesen der Höhenverstellung geteilt (wie es bei anderen Pol-Mikroskopen üblich, aber keineswegs unproblematisch ist)
Die Aufnahme für den Beleuchtungsspiegel oder - wie hier - die Niedervoltleuchte - ist herausnehmbar ausgeführt:

Dieses schöne Gerät stammt nach Aussagen seines Verkäufers aus einer Berufschule. Könnte es als Projektionsmikroskop eingesetzt oder gedacht gewesen sein? Das würde die beiden Abweichungen vom Prospekt ganz gut erklären. Wer kennt diese Version des
Polarisationsmikroskop STANDARD Junior?
Ich bin für alle Hinweise dankbar. Und ganz besonders danke ich Wilfried, Peter und Florian für ihre Zurückhaltung bei dieser Auktion!
Beste Grüße, Thomas